VII. Von den letzten Kriegs-Unruhen.

Nicht ohne Betrübniß erinnert sich unsere Stadt dessen, was sie im Anfang des 18. Jahrhunderts hat erfahren müssen, und wünscht, daß dergleichen sie künstig niemals wieder betreffen möge; der vorgesetzte Zweck leidet es nicht, alle Kleinigkeiten hiervon jetzt anzuführen; das Hauptsächlichste aber beizubringen, will man nicht ermangeln. Es ist demnach zu merken, daß im Jahre

1699 den 7. Juli einige 100 Mann aus Wismar nach Holstein, des daselbst vorgenommenen Schanzenbaues wegen (welcher die Quelle des ganzen Krieges) marschirt, gleich darauf den 8. Juli einige Wismarische Pulverthürme, nachdem sie durch den Blitz angezündet, in die Luft geflogen, welches von Vielen für ein böses Anzeichen gehalten worden. Im Jahre
1700 wollte ein polnischer Kaper die See unsicher machen, aber die Wismarischen sandten ein kleines Fahrzeug aus, schossen den Kaper in den Grund und brachten den 27. September Einige von dessen Leuten gefangen herein, hierauf empfand man in einigen Jahren von dem Kriege eben nichts besonderes; aber im Jahr
1709 marschirten zwei Regimenter zu Fuß, aus Wismar nach Polen, die aber, da inzwischen die Bürger die Wache mit versehen mußten, in selbigem Jahr noch wieder zurückkamen; weil auch einige Dragoner ankamen, so war die Einquartirung, da sie vorhin schon ziemlich schwer gewesen, der Stadt noch schwerer und mußte bei dem allen noch etwas Geld nach Pommern geliefert werden. Im Jahre
1710 war Wismar zur See beinahe so gut als gesperrt, weil viele dänische Kaper in der See waren.
1711 mußte man Rekruten nach Pommern liefern; aus Bremen kam ein Regiment Infanterie an, welches aber bald hernach nach Pommern marschirte; im Anfang des Monats August flüchteten die Landleute mit ihren Sachen, weil man überall hörte, die Dänen würden vor Wismar kommen; den 3. August ward die Wismarische Bürgerschaft, welche bisher in sechs Kompagnien getheilt gewesen, in zehn Kompagnien getheilt, nemlich in jedem Kirchspiel drei und außerdem noch eine besondere Feuer-Ordnungs-Kompagnie; den 6. August wurden den Bürger-Kapitäns die Bastionen, welche sie vertheidigen sollten, kund gemacht; den 11. August rückten die Dragoner, welche bisher außer der Stadt auf den Dörfern gelegen, wirklich herein, weil die Dänen nunmehr zu Gadebusch und Rhena angekommen. Aus dem Königl. Zeughause wurde der Bürgerschaft einige Gewehre geliefert, auch Einige von der Miliz nach Poel kommandirt; den 12. August fingen die dänischen Deserteurs an sich einzustellen; den 14. August ließen sich die Dänen zuerst aus den Wismarischen Feldern sehen und setzten sich wirklich vor Wismar; den 16. August steckten dieselben Triwalck in Brand, jedoch soll solches nur aus Unvorsichtigkeit geschehen sein; den 17. August ging das Groß, der dänischen Armee weiter nach Pommern, 5 bis 6000 Mann aber blieben vor Wismar stehen, diese Stadt zu blokiren; es gingen in dieser Blokade nach und nach einige Scharmützel vor, auch suchte man durch Parteien einander Abbruch zu thun, aber sonst war dieselbe sehr leidlich; die Dänen lagen allein vor dem Mecklenburger Thore, erboten sich etliche Male keine Feindseligkeiten auszuüben, wenn man von Seiten der Stadt sich auch der Feindseligkeiten enthalten wollte, die Passage nach Poel und so weiter hinaus blieb ziemlicher Maßen offen, Poel selbst wußte fast von keinem Feinde, auch war anfänglich die Ernte und hernach die Bestellung des Ackerbaues den Wismarischen erlaubt, ja den Wismarischen Dorfschaften wurden nicht allein salvegarde Briefe, sondern auch den Wismarischen-Bürgern für Geld allerlei Pässe, mit welchen sie allenthalben im Lande, wo sie wollten, reisen konnten, ertheilt. Aber der 5. Dezember war ein sehr unglücklicher Tag für Wismar, denn an demselben machte der Wismarische Vice-Gouverneur, Herr Baron und General-Major Martin von Schoultz mit der ganzen Garnison einen Ausfall, aber so unglücklich, daß kaum so viel Hunderte wieder zurückkamen, als Tausende ausgezogen; die übrigen wurden von den Dänen entweder getödtet oder gefangen genommen. Wie übel es vor diesem unglücklichen Ausfall in der Stadt unter der Miliz da hergegangen, was für Jammer in der Stadt, nachdem das Unglück in derselben kund geworden, wahrzunehmen gewesen, das mag der Kürze wegen hier nicht ausführlicher beschrieben werden; indessen ist sicher zu glauben, daß wenn der dänische für Wismar kommandirende General seine Avantage prosequirt, und sogleich aus die Stadt losgegangen, er dieselbe noch denselben Tag würde eingenommen haben: jedoch zur größten Freude der Einwohner blieben die Dänen zurück, besetzten indessen den 11. Dezember die Insel Poel und machten Anstalt, die Stadt zu bombardiren; in der Stadt that man indessen auch alles, was man konnte, sich in möglichste Gegen-Verfassung zu setzen, wechselte einige Gefangene aus, nahm die, welche nach und nach aus der dänischen Gefangenschaft entwischten und sich wieder einstellten, zum Theil von den ausgewesenen Partheien wieder hereinkamen, mit Freuden auf und an, ließ, um die Zahl der Soldaten in der Stadt zu vermehren, einige Gefangene loß, akkordirte mit Einigen, Schiffer und Bootsleute ad interim unter der Artillerie Dienste zu thun, richtete von Handwerks-Burschen und andern jungen Leuten eine besondere Kompagnie auf, ermunterte die Bürger zur Tapferkeit, Treue und Geduld, wieß ihnen die Allarm-Plätze an, suchte anderwärts mit allem Nachdruck Succurs, aber dieß letzte war vergebens, indessen kamen doch einige vornehme Offiziere nach und nach herein. Der dänische General dagegen ließ in Schwerin ein Plakat drucken, in welchem er die Wismarischen sich zu ergeben, theils mit guten Worten, theils mit harten Drohungen zu bereden trachtete, dieß aber diente zu weiter nichts, als das Jedermann in der Stadt sich öffentlich und einmüthig erklärte, alle ersinnliche Treue gegen ihren theuersten König zu beweisen, und so erwartete man, was die Feinde anfangen würden.
Diese ließen den 25. Dezember seqq. auf dem Galgenberg vor dem Mecklenburger Thor einige Werke aufwerfen, welche den 29. desselben Monats so weit fertig wurden, daß man anfing, die Stadt zu beschießen, und zwar theils mit Bomben, theils mit Feuer-Kugeln, theils mit Bettel-Säcken und dergleichen Zeug, und zuletzt auch mit Steinen, dieß Schießen dauerte bis
1712 den 2. Januar, da des Nachmittags das Bombardement Gottlob ein Ende hatte, und zwar hauptsächlich dadurch, weil die Dänen kein Pulver und Kugeln mehr gehabt. Daß man unter dem Bombardement so viel man gekonnt, wieder hinausgeschossen, daß man bei zunehmen-der Kälte, besonders des Nachts, alle Stunden einen Anlauf oder Sturm der Dänen besorgt, ist leicht zu erachten, doch Gott errettete, so daß man ihm nicht genug loben konnte. Die Bomben der Feinde waren nur klein und thaten deshalb lange nicht so vielen Schaden, als diese wünschten; die Feuer-Kugeln erregten etliche Mal einen Brand, aber dieser ward, Gottlob! allemal bald wieder gelöscht. Am 3. Januar verließen die Dänen ihre Werke auf den Galgenberg, worauf man aus der Stadt, so viel der Frost zulassen wollte, dieselbe niederriß; indessen besorgte man, weil es immer heftiger fror und man die Graben vor der Stadt nicht recht offen halten konnte, noch beständig einen Sturm, und wer weiß, was geschehen wäre, wenn nicht den 5. Januar ein kleiner Succurs aus Schweden angekommen, dieser gab den Dänen Gelegenheit den 21. Jan. von Wismar aufzubrechen, durchwelchen Aufbruch die bisherige Blokade, Gottlob! ihr Ende erreichte, so daß man am 31. Jan. oder am Sonntag Sexages. deswegen ein solennes Dankfest halten konnte.


Es liefen hierauf anfänglich von der Pommerschen Regierung nachgehends von Ihro Königl. Majestät selbst, von Bendern die angenehmsten und allergnädigsten Schreiben ein; die Pommersche Regierung bezeugte ihre Zufriedenheit über der von E. E. Rath und gesammten ehrlichen Bürgerschaft, besonders für die bewiesene Treue und Tapferkeit während der Zeit des Bombardements, und versprach J. Königl. Maj. solches bestermaßen zu referiren. Ihro Königl. Maj. gaben auch ihr allergnädigstes Wohlgefallen aber das gute Verhalten der Stadt zu erkennen, und versicherten derselben ihrer besondern Königlichen Gnade, und man kann hierbei versichern, daß es der Autor der schwedischen Fama, mit dem was er Seite 679 sqq. von Wismar geschrieben ganz recht getroffen. S. Beil. lit. B., doch in vorgedachtem

1712 erfolgte eine neue Bloquade unsrer guten Stadt, ehe diese einen Anfang nahm, liefen ohne Unterlaß aus Wismar Parteien aus, die dann und wann etwas von Beute, auch einige Gefangene hereinbrachten; man fing auch in der Stadt zwei kleine Fregatten zu bauen an, mit welchen man sein Heil zur See versuchen wollte, bediente sich indessen zweier Chaloupen zu Commis-Fahrern, ein Schwedisches Schiff, welches bisher in den Wismarischen Hafen gelegen, lief auch hinaus, aber es währte nicht lange, so kam eine dänische Fregatte über dasselbe, und brachte es so weit, daß es bei Clütz in den Strand setzen mußte, den 4. Juni kamen einige Dänen auf einem Schiff zu Poel ans Land, und verübten einige Insolentien, und das dänische Schiff, worauf sie gehörten, blieb vor dem Hafen liegen, hieraus vergrößerte sich das Flüchten aus der Stadt, besonders da man auch von einem neuen Anmarsch der Dänen immer mehr Nachricht bekam, welche sich denn auch den 30. Juni an ihren vorigen Ort wieder vor Wismar setzten, und eine neue Bloquade anfingen. Das erste, welches sie bei dieser zweiten Bloquade thaten, war die Ausfertigung neuer Salveguarde-Briefe an denen, die sie nöthig hatten, die Parteien liefen indessen jetzt eben so häufig aus Wismar als im vorigen Jahr und es fehlte auch sonst an allerlei kleinen Scharmützeln nicht, die Dänen ertheilten den Wismarischen auch wirklich allerlei Pässe wieder, wie in der vorigen Bloquade, doch das Korn mäheten dieselben jetzt viel häufiger für sich ab, als im vor. J., das aber war in der gegenwärtigen Blokade das aller Beschwerlichste, daß die Stadt, weil Bremen von den Dänen insestirt, und also daher weiter kein Geld zu hoffen, zur Unterhaltung der Garinson einige 1000 Rthlr. hergeben mußte.

Doch, Gottlob! den 10. September erfuhr man, daß der General Graf Steenbock mit einem Transport aus Schweden in Pommern glücklich angekommen, worauf denn auch am 15. Sept. das dänische Kriegsschiff aus dem Wismanschen Hafen sich retirirte, und die so Wismar zu Lande bloquiret, machten sich auch, weil Ihre Excell. der Graf Steenbock aus Pommern mit seinen Leuten wirklich in Mecklenburg angekommen, den 7. November in höchster Eile davon. Demnach war die zweite Wismarische Blokade abermals, und zwar glücklicher als die erste, überstanden.

General Graf Steenbock näherte sich indessen mit seiner kleinen Armee der Stadt Wismar, sandte einige Kranke herein, kam auch den 3. Dez. des Abends in der Stille selbst an, und machte Anstalt über die Trave zu gehen, doch die Dänen näherten sich den Mecklenburgischen, und es kam am 20. Dezember bei Gadebusch zu einem Treffen, in welchen die Schweden den Sieg erhielten. Von den im gedachten Treffen blessirten Schweden wurden hierauf ziemlich viel nach Wismar gesandt, um daselbst curirt zu werden, auch mußten die gefangenen Dänen nebst einigen erbeuteten Sachen auch herein, da man denn über 100 gefangene Officiere und über 4000 Gemeine zählen wollte. Dieser Sieg brachte Wismar soviel zu wege, daß sie im Jahre 1713 und 1714 ohne Bloquade blieb, wiewohl es inzwischen, besonders 1713, an Unruhen nicht fehlte, und die Geldausgaben sehr viel waren.

1715 ging die dritte und allerschwerste Wismarische Bloquade an, welche bis Ostern 1716 währte; man machte sich zwar nach Ankunft Ihrer Königl. Majestät aus der Türkei zu Stralsund einige Hoffnung, es würde besser gehen als vorher, aber es folgte das Gegentheil, und man hörte 1715, daß die Dänen aus dem Holsteinischen wieder aufbrechen würden, daher geschah es, daß aus Wismar wieder wegflüchtete, was nur konnte. Es gingen ganze Familien fort, und ward den Leuten angesagt, wer sich nicht auf 7 Monate verproviantiren könnte, sollte Frau und Kinder wegschicken. Inzwischen holte man so viel Vieh vom Lande herein, als man bekommen konnte, es ward auch eine ziemliche Menge Holz für die Krone angefahren; am 25. Juni Morgens ließ sich schon eine dänische Partei vor dem Lübschen Thore sehen, die einige Pferde wegführten; des Mittags ward man gewahr, daß die Dänen eben an den Ort, wo sie schon zweimal gestanden, ihr Lager wieder aufgeschlagen hatten; am 26. Juni faßten sie auch bei Mückenburg Posto, und man erfuhr alsbald, daß sie jetzt keine Pässe, wie früher, mehr ausgeben würden, woraus man denn leicht abnehmen konnte (besonders da sie auch die Zufuhr nach der Stadt sogleich aufhoben) daß sie diesen Ort enger einschließen würden, als sie früher gethan, den 29. Juni stellten sich auch einige Preußen zur Bloquade vor der Stadt ein, und setzten sich von Redenthien bis Lübau, von Lübau aber bis Wendorf postirten sich die Dänen. Daß es zwischen unseren und den feindlichen Leuten hierauf so zugegangen hat, wie es in dergleichen Fällen zuzugehen pflegt, wo man einander mit Parteien oder sonst Abbruch zu thun sucht, ist leicht annehmbar. Den 8. Juli rückten die Feinde so nahe, daß man einige von ihren Gezelten in der Stadt auf den Gassen sehen konnte, fingen auch an, hin und wieder Redouten, aufzuwerfen, den Bürgern ward eine Instruktion, wie sie sich bei etwa erstehendem Alarm zu verhalten haben, zugestellt. Um diese Zeit wurde Alles in der Stadt fortwährend theuerer, und zu dem allen vermehrten sich die Ausgaben, einige Bürger mußten ihre Pferde, andere ihr Malz, wovon Bier für die Militz gebraut wurde, und zu dem wie die übrigen ihr Geld hergeben. Die Nahrung aber lag gänzlich danieder und aller Handel und Wandel war gesperrt, welches zu vielem Seufzen und Lamentiren Anlaß gab. Ja man mußte wegen Geldmangel anfangen, das noch vorhandene Geld zu stempeln, und so aus einem Schilling zwei zu machen, was am 16. Sept. ff. geschah, wie denn auch einige kupferne Dreilinge gemünzt wurden. Im jetztgedachten Monat kamen einige Walloschen, welche in Pommern den Schweden desertirten, vor Wismar an, welche nachgehends eine zeitlang vor den Thoren streiften, endlich aber sich wiederum verloren. Gegen den Ausgang des Septembers ward die Theuerung in der Stadt noch größer, weil man nunmehr merkte, daß die Feinde den Winter hindurch vor der Stadt stehen bleiben würden; den 29. Oktober bekam man die Hannöversche Kriegs-Deklaration gegen Schweden zu sehen, und darauf langte den 2. November schon wirklich einige Hannoversche Truppen vor Wismar an, welche die westliche Seite von Dammenhusen bis an den Strand besetzten, war solchemnach Wismar nunmehr von drei Potentaten bloquirt. Die erste Arbeit der angekommenen Hannoveraner war, den Lübschen starken Burgthurm, welchen die Dänen schon einigermassen angegriffen, vollkommen niederzureißen, und bei dem Wischberg eine kleine, bei der gewesenen Lübschen Burg aber eine große Redoute aufzuwerfen. Weil auch die Waaren in der Stadt immer theurer wurden, so kam eine Taxe heraus, was jedes gelten sollte, dieß geschah den 13. Nov., aber man richtete sich nicht lange darnach; den 14. Nov. nahmen die Feinde Poel hinweg, ohne einigen Wiederstand, weil Alles von dort schon hereingebracht war, und das ledige Land zu vertheidigen, man nicht für rathsam hielt, hiedurch ward die Stadt noch mehr als vorher eingesperrt. Kurz vor dem Ende des Jahres (den 28. Dezember) kamen einige schwedische Schiffe, mit etwas Volk und Proviant vor dem Hafen; sie wollten nach Stralsund, weil aber dieser Ort vor ihrer dortigen Ankunft an die nordischen Alliirten war übergegangen, kamen sie allhier an, und wurden die Leute nebst dem Proviant hernach mit großer Mühe eingeeiset. Um diese Zeit war die Furcht vor einem Sturm des anhaltenden starken Frostes wegen in der Stadt sehr groß, doch Gott verhütete dergleichen in Gnaden.

Zu Anfang des Jahres 1716 frohr es ungemein, daher man desto mehr mit dem Eisen zu thun hatte. Einige von den Bürgern und Soldaten froren, weil sie wohl acht Tage nach einander geeiset, Hände und Füße fast ab, und es ging in der Stadt, weil die Miliz schwierig werden wollte, sehr confus zu, es mußten auch deswegen einige Unteroffizire beständig mit Flinten gehen und hatten Ordere, wenn sie etwas Böses merken würden, niederzuschießen, was sie könnten. Den 4. Januar ward einiges metallene Geld einiger zu besorgenden Bombardirung wegen ausgegeben und ein Patent publicirt, auch suchte man in diesem Monat, weil der Proviant-Mangel immer größer wurde, einige arme und freie Leute aus der Stadt zu schaffen, und sollten auch gar die Waisenkinder hinaus, doch dies Letzte ward verbeten und für dieselben eine besondere Collekte angestellt. Wie theuer es um diese Zeit in der Stadt gewesen, kann man unten sehen; hier will man nur noch dieses anführen, daß man anfing, die Krähen todt zu schießen, und das Stück für 3 Schillinge zu verkaufen, woraus der Mangel in der Stadt abzunehmen ist. Den 17. Februar holte man zwar noch etwas Vieh und andere Sachen von Redenthien herein, aber es war nicht hinreichend. Den 21. Februar war es Backel-Tag, aber es war miserabel anzusehen und anzuhören,wie die Leute in die Backhäuser liefen und um Brod zu verkaufen baten, da doch mancher nur wenig, mancher gar nichts bekam. Man suchte die armen Leute aus den Armenhäusern, Kellern etc. hinaus zu schaffen, welche deswegen erbärmlich thaten und also dort blieben. Den 26. Februar rotteten sich wirklich einige Soldaten zusammen, weil sie nichts zu essen hatten, sie wurden aber auseinander getrieben und bekamen hernach etwas Brod. Wie ihnen nachgehends ihr Unfug vorgehalten wurde, erklärten sie sich, man soll sie hinaus wider die Feinde führen, sie wollen als ehrliche Leute fechten und sich, gerne todtschlagen lassen, aber in der Stadt vor Hunger umzukommen, wäre ihnen unerträglich. Den 27. Februar fing man an, Pferde zu schlachten und zu essen; die Officiere waren die ersten, die solches thaten, und sind nachher bis zur Uebergabe die Woche hindurch zuweilen einige 20-30 Stück geschlachtet, und das Pfund zu 2 ßl. den Soldaten angerechnet worden. Den 10. März ward durch die ganze Stadt bei allen und jedem Einwohner ohne Unterschied eine sehr genaue Visitation der noch vorhandenen Lebensmittel wegen angestellt, und sollte eine Proviant-Commission sammt einem gemeinschaftlichen Magazin in der Stadt aufgerichtet werden, aus welchem einem Jeden, der es nöthig hatte, etwas sollte geliefert werden, welches denn auch nachgehends wirklich geschah, durch welche höchstlöbliche Anstalt alle und jede, Arme und Reiche, bis an Tag der Uebergabe, ohne daß ein einziger Mensch Hungers gestorben, erhalten wurden. An eben denselben Tage fingen die Hannoverschen an, eine Batterie gegen den Hafen zu machen, von welcher sie auch den 12. März gedachten Hafen beschossen. Den 13. März rückten dieselben mit ihren Werken näher an den Strand. Den 16. März fingen die Preußen auch an, an der anderen Seite des Hafens einige Werke zu machen und so den Hafen zu beschießen. Den 19. März kam ein Reglement heraus, wie jetzt die Haushaltung zu führen sei. In diesem ward einem jeden vorgeschrieben, wie viel er täglich an Brod, Fleisch etc. zu verzehren haben sollte, auch tollte keiner ohne obrigkeitlichen Consens etwas verkaufen oder vergeben. 53on E. E. Ministerium ward hiebei verlangt, die Zuhörer in der nächsten Sonntagspredigt dieses Reglements wegen bestens zu informiren, was auch geschah. Den 24. März ward eine Armen-Collekte in der ganzen Stadt angestellt, wo einige Geld, andere allerlei Victualien beitrugen. Den 28. März wurde in der Klosterkirche Brod an 629 arme Leute ausgetheilt, wobei alles Betteln auf den Gassen verboten und überdies noch an 576 Personen Brod verkauft wurde. Den 30. März war das übrige Korn so weit consumirt, daß man für die Armen Brod von Malz zu backen anfangen mußte; in dem Hafen sah man heute einige Pfähle, welche die Feinde in der vorigen Nacht eingeschlagen. Den 1. April war das Korn, Mehl, Brod etc., welches einige in ihren Häusern noch hatten, ins Königliche oder gemeinschaftliche Magazin geliefert, und einem Jeden das Abgelieferte bezahlt. Den 2. April waren der Armen, die um Brod baten, über 2000 Personen, die Militz bekam Brod, welches von Rogen, Gerste, Haber, Erbsen, Malz, Brocken von altem Zwieback, alles unter einander gemahlt, gebacken wurde. Den 4. April hörte man, daß einige Muskowiter im Anmarsch sind, welche die Stadt mit bloquiren sollten; den 7. April war der Hafen von den Feinden völlig geschlossen. Den 8. April fing man endlich an (nachdem am Sonnabend vor Ostern, den 1. April, noch eine genaue Visitation des Proviants in allen Häusern angestellt wurde) zu unterhandeln. Wahrend bes Unterhandelns verkaufte man, selbst an den ersten und folgenden Ostertagen, wie sonst schon vielfältig geschehen, allerlei Kron-Güter, und es ging in vielen Dingen fast jämmerlich zu. Den 16. Apr. wurde noch etliche mal hinaus geschossen, und man vernahm hernach, daß die Muskowiter (von welchen einige gar sagen wollten, daß sie ein geheimes Verständniß mit den Unsern sollen gehabt haben) die Unterhandlungen gehindert, die aber doch endlich am 19. April geschlossen wurden, worauf die Stadt am 20. und der Wallfisch am 22. April übergingen. Am vorgedachten Tage, den 19. April kamen schon viele Officire von den Alliirten, besonders auch einige Muskowiter herein, welche die Stadt besahen, und hätten sich des folgenden Tages beinahe mit den übrigen zerworfen, weil sie prätendirten, die Stadt mit zu besetzen, welches die Uebrigen, besonders die Hannöverschen nicht zugeben wollen. In welcher Ordnung der Schweden Aus- und der Alliirten Einmarsch geschehen, was für einen schönen Vorrath an Stücken und Zubehör diese in Wismar bekommen, wie es den freigelassenen Schweden beim Clützerort mit den Muskowitern ergangen, was man der Muskowiter wegen, besonders da dieselben Poel besetzt, in Wismar für Sorge gehabt, wie schwer die neue Besatzung der armen Stadt gefallen, das läßt sich nicht so kurz fassen, als gegenwärtiger Zweck es haben will. Man setzt demnach nur noch dieses hinzu, daß der Czar nebst dem Fürsten Dolhoruki und Repnin den 26. Mai selbst hieher gekommen, und die Stadt nebst dem Wallftsch besehen, und an den schönen Werken sich sonderlich vergnügt. Wie aber diese schönen Werke hernach niedergerissen, das wird sich unten finden. Gott bewahre in Gnaden vor weiterer Ruinirung, Krieg und Jammer, und gebe einen beständigen Frieden, und in demselben Alles, was zum erwünschten Wohlstande der ganzen Stadt und eines jeden Hauses in derselben kann nützlich und ersprießlich sein.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar