11. bis 31. Januar 1712

Den 11. Jan. gingen die Schiffe, welche den Transport gebracht, wieder nach Carlscrona zurück, und mit denselben die beiden polnischen Herren. Aus der Stadt desertirte heut ein Soldat zu den Feinden. Die Lübecker und Hamburger Posten kamen jetzt wieder. Von einem Anmarsch des Königs von Dänemark mit der Pommerschen Armee ward viel geredet.

Am 12. Januar mußte Alles, was von der Bürgerschaft Gewehr tragen konnte, wieder zu Wall, und wurden einer jeden Compagnie nochmals ihre Lärmplätze vom General-Major Schultzen (zum Zeichen, daß er das Commando noch nicht führte, woran einige jetzt fast zweifeln wollten), angewiesen, auch bei den Stücken allerlei Anstalten und Verordnungen gemacht. Sonst ward eine große Menge Blei aus dem hereingebrachten schwedischen Schiffe geladen und verwahrt. Aus der Stadt sind heute zwei Soldaten desertirt.


Am 13. und 14. Januar thaute es zur großen Freude der Einwohner wieder auf, so daß man keine dänische Ueberrumplung mehr zu besorgen hatte. Am 13. wurde einigen Cavalleristen befohlen, die aus Pommern kommenden Dänen zu recognosciren, von welchen aber 4 desertirten und am 14. noch Einer folgte. Jetzt ward auch die dänische Prise gelöscht.

Den 15. Jan. brachte eine Partei der Unsrigen einen dänischen Obrist-Lieutenant herein, welchen sie zum Neuen-Kloster aufgehoben. Ebenso kam Nachricht, daß der König von Dänemark aus Pommern ins Haupt-Oartier zu Mecklenburg vor Wismar angekommen, und daß auch die Armee bis auf 2 Meilen von der Stadt schon avanciret. Der Bürgerschaft ward inzwischen angesagt, wer bei gegenwärtigem Thauwetter von den noch etwa vorhandenen dänischen Faschinen herein holen, und solche sich zu Nutzen machen wollte, dem sei erlaubt, sich deswegen hinaus zu begeben. Einem Theil der Bürgerschaft aber ward gegen Abend angezeigt, die Nacht über in den Kleidern zu bleiben, um im Nothfall bei der Hand zu sein. Sonst wurden auf einem platten Prahm am Wasser„einige 3pfündige Kanonen gelegt, um damit im Nothfalle die Ebene vor dem Lübschen Thore zu bestreichen.

Am 16. Jan. waren ziemlich viele Leute hinaus, und brachten von der dänischen Batterie noch Faschinen herein, so viel sie konnten, fanden aber das Werk so fest beisammen, daß sie auch damals noch einen guten Theil zurück lassen mußten. Von dem Marianischen Thurm konnte man heute die aus Pommern ankommenden Dänen anmarschiren sehen. Des Abends ging demnach ein Commando von 70 Mann hinaus.

Am 17. Jan. ward völlig confirmirt, daß der König von Dännemark mit den Pommerschen Truppen im Lager vor Wismar angekommen. So kam auch Nachricht, daß die Dänen allenthalben Wagen aufgeboten haben, wie denn besonders die Pölischen 18 bis 20 Wagen (weil sie nicht mehr gekonnt) liefern mußten. Einige sagten jedoch, daß die Wagen die vorhandenen Kranken wegbringen sollten, und das dänische Lager völlig abmarschiren würde, woran aber andere zweifelten.

Am 18. Januar kam ein dänischer Deserteur und versicherte, daß einige Eskadronen wirklich nach Holstein abmarschirt sind. Um Mittag merkte man im dänischen Lager ein Feuer, daher viele muthmaßten, es möchten die Dänen ihr Lager angezündet haben, und so davon zu gehen Willens sein, doch das Feuer verlor sich bald wieder, und anstatt dessen, was man bisher von dem Abmarsch gehört, kam jetzt eine andere Nachricht: ein Bauer, der hereinkam, sagte aus, daß die aufgebotenen Wagen bei anbrechender Nacht Faschinen und andere zum Sturm dienende Sachen an die Stadt fahren, deshalb ward des Abends einem Jeden, der zu Wall gehen konnte, angesagt, sich auf jeden Nothfall parat zu halten und sich nicht auszukleiden, besonders da der Frost sich soweit wieder einstellte, daß auf dem Acker alles gefroren, auch die Gräben ziemlich wieder mit Eis überzogen waren. Sonst brachten die Unsrigen heute einen dänischen Reiter gefangen herein. Ein dänischer Tambour kam an das Thor, und forderte die in dem unglücklichen Ausfall Blessirten und Gefangenen, welche die Dänen herein gesandt, wieder hinaus, sie bekamen aber keine.

Am 19. Januar kamen die Pölischen und anderen Wagen, welche nach dem dänischen Lager gewesen, wieder zurück und versicherten, daß sie wirklich die kranken Dänen nach Dessau hätten fahren müssen; weswegen man von Neuem zum Ausbruch der Dänen sich ziemlich Hoffnung machte. Der Frost vermehrte sich, so daß man

am 20. Jan. das Eis in den Gräben wieder zu brechen anfing, wobei aber verschiedene Leute ins Wasser fielen. Ebenso sind wieder zwei Dragoner aus der Stadt desertirt, aber doch auch ein Desserteur herein gekommen. Weil man heute abermals einige böse Nachrichten hörte, so ward des Abends allen und jeden wiederum angesagt, die Nacht über auf der Hut zu sein. Noch ist diesen Abend ein Commando unter Lieutenant Winckelmann und Corner Lubberstorpen aunsgegangen.

Am 21. Januar kamen des Morgens früh 2 Deserteure mit der Versicherung, daß die Dänen abmarschiren wollen. Hierauf sah man von Lübau bis Mecklenburg auf dem ganzen Strich, wo die Dänen gestanden, Feuer, woraus ein Jeder schloß, daß nun die Dänen ihr Lager angezündet hätten und abmarschirt wären. Man bekam Nachricht, daß der König mit der Avant-Garde und mit dem Groß der Armee schon gestern fortgegangen und ihm heute Arrier-Garde gefolgt sei. Aus der Stadt sandte mau Leute zur Recognoscirung aus, welche in dem ehemaligen dänischen Lager nichts anderes als viele Bauern fanden, die nach ihre Gutdünken anzündeten oder mitnahmen, was vorhanden war. Mit dieser guten Nachricht kamen die Unsrigen bald zurück, und brachten 4 gefangene Dänen mit.

Am 22. Januar ging der Obrist Bassevitz selbst mit einem guten Theil Dragoner den Dänen nach, nahm einige zu Clüß von dem daselbst in den Strand gesetzten Schiffe gefangen, erschoß einige dafelbst, und machte es mit den anderen anderwärts gleich also, möchte auch wohl bei Lübeck einen vornehmen dänischen General ertappt haben, wenn ihn nicht ein Schlagbaum gehindert hätte, denselben nachzusehen, denn ob er gleich diesen Schlagbaum niederhauen ließ, so hatten doch die Dänen, welche dort an der Tafel gesessen und sich traktiren lassen, indessen Zeit bekommen sich mehrentheils zu salviren. Doch kamen nachgehends einige gefangene Leute, desgleichen etliche erbeutete Wagen herein. Sonst fuhren, ritten und gingen viele Leute aus der Stadt, das gewesene dänische Lager in Augenschein zu nehmen. Welche denn noch allerhand Stroh-Hütten und dergleichen, auch zum Theil in der Erde ja dann und wann mit kleinen Fenstern, Kachelofen, Thüren und dergleichen antrafen.

Den 23. Januar kamen die Bauern vom Lande, die nunmehr allenthalben wußten, daß die Dänen ganz Mecklenburg, Rostock ausgenommen, wieder quittirt, häufig wieder in die Stadt und brachten zum Verkauf, was die Dänen ihnen irgend noch gelassen hatten. In der Stadt that ein Jeder nun sein Bestes, das Seinige, welches er früher da und dort verborgen und versteckt hatte, wieder hervor zu suchen. Viele, welche noch Lust hatten, das gewesene dänische Lager zu besehen, machten sich heute hinaus nach demselben, und war allenthalben große Freude über die gnädige Befreiung des Höchsten von den Feinden, wobei ein Jeder von Herzen wünschte, daß Gott ferner unsere Gränzen väterlich beschützen und vor einem feindlichen Einfall bewahren möchte und so endlich einen guten Frieden verleihen.

Den 23. Januar und später, wurden noch öfters einige Dänen, desgleichen einige Wagen, welche man den Dänen auf den Marsch weggefischt hatte, hereingebracht.

Den 26. Januar ward der Espion, von welchem oben erwähnt, vor dem Lübschen Thor unten an den Pfahl des Galgens aufgehangen. Er war früher Bürger in Rostock gewesen, sonst aber von Geburt ein Hamburger. Seine Mutter, Frau, zwei Kinder und einige Geschwister waren noch am Leben, die sich aber jetzt wenig um ihn kümmerten, weil er früher übel Haus gehalten. Doch brachten sie es dahin, daß der Körper (welcher sonst mit einer eisernen Kette an den Galgen fest gemacht und unter welchen eine Menge Dornen geworfen, damit er von den Hunden, weil er sehr niedrig hing, nicht möchte abgefressen werden, und also wohl beständig hätte hängen bleiben müssen) einige Tage hernach wieder abgenommen und unter dem Galgen begraben wurde.

Den 27. Januar kam der Herr Oberst Bassewitz mit den meisten Dragonern, welche bisher den Dänen nachgesetzt, wieder in die Stadt. Desgleichen mußten die Bürger, welche bei Anfang der Blokade, wie oben gemeldet, vom Hrn. Vice-Gouverneur einige Gewehre auch Ammunition bekommen, solches wieder abliefern. So ward auch den Bürgern angesagt, die Weiber, derer unter den Dänen gefangenen Soldaten, die noch zurück wären, in ihren Häusern nicht mehr zu beherbergen, weil man wußte, daß einige von ihnen den Dänen vieles verrathen; ja man hörte, daß im dänischen Lager ein eigner Aufsatz vorhanden gewesen von allen principalsten Häusern in der Stadt und so auch von den vornehmsten Kellern, in welchen man das Seinige verborgen, dessen sich die Dänen bei Ueberrumpelung der Stadt zu ihrem Besten hätten bedienen wollen. Gedachten Weibern ward nicht weniger angesagt, sich aus der Stadt zu entfernen, damit man denn der Häckerei, die solche Weiber einige Jahre her, mit großen Nachtheil der Bürger, ja aller Einwohner, getrieben, abhelfen wollte. Sonst brachten die Bauern täglich mehr Holz, Korn und andere Sachen herein, so daß in Folge dessen es in der Stadt ziemlich wohlfeil war und konnte man den Scheffel Roggen für 20 bis 21 ßl. haben, den Faden Büchen-Holz, (welcher während des Bombardements und kurz vorher 18 bis 20 Mark gegolten) für 11 und eine halbe Mark kaufen, jedoch später ist doch alles wieder theurer geworden.

Den 28. Januar kamen einige Gefangene, welche der Hr. Oberst Bassewitz hie und da aufgehoben, in die Stadt, als 1) der Hr. Major Campferbeck von des Brigadiers Donep Regiment. 2) Lieutenant Prosel, von Brigadier Bülow Regiment. 3) Cornet Biester von Doneps Regiment. 4) Regiments-Pastor Gor, von Oberst Brockdorfs Regiment. 5) Regiments - Feldscheer Kappel von demselben Regiment. (6) Ein Führer von der Artillerie. 7) Ein Korporal von Generalmajor Juelens Regiment. 8) Ein Trompeter von Donep. 9) Ein Hautboist von der Grenadier-Garde. 10) Zwei Reiter von Juelen. 11) Fünf Dragoner von Bülow. 12) Ein Artillerie-Knecht. 13) Ein Jude. Ein kranker Quartiermeister ist auf Parol zurückgelassen, auch einige Gefangene, als einen Grenadicr von der Garde, vier Reiter von Löwenhelms Re-giment etc. sind wieder echappirt. Sonst kamen auch heute einige Deputirte von Lübeck, welche sich, des abgehauenen Schlagbaums wegen, über den Hrn. Oberst Bassewitz beschweren wollten, allein sie wurden mit gehöriger Antwort bald wieder abgefertigt.

Den 31. Januar, es war der Sonntag Sexag., hielt man wegen der überstandenen Blokade und Bombardirung einen feierlichen Dank-Tag in Wismar, wo denn zwar die gewöhnlichen evangelischen und epistolischen Texte beibehalten wurden, aber es war doch sonst, so viel möglich, in Sicht genommen, was in dergleichen Fällen möglich und gebräuchlich, besonders war nach der Hauptpredigt das De Teum gesungen und sonst allerhand merkliche Stücke, davon etwas gedruckt worden, und in der Marien-Kirche wurde den Tag über musicirt. Nach beendigtem vormittägigen Gottesdienst ward, da die Leute aus der Kirche kamen, das Te Deum auf den Glocken gespielt; im übrigen wurden die Handwerksbursche, welche man nun auch nicht weiter als Soldaten nöthig hatte, mit dem Ende des Monats ihrer Dienste, und so ihres Eides und ihrer Pflicht wieder entlassen, und also Alles wieder in vorigen Stand gesetzt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar