1. bis 31. August 1712

Den 1. August kamen 3 Deserteure herein. Die Leute, welche auf den beiden Commiß-Fahrern bisher gedient hatten, kamen heute größtenteils an’s Land und verlangten (weil sie bisher der vor den Hafen liegenden Dänen wegen nichts aufbringen und, da sie auf Part fuhren, also auch nichts verdienen konnten), daß man ihnen monatlich Sold geben sollte.

Den 4. Aug. wurden dem General Rantzaw 4 Tonnen Bier hinaus geschickt. Sodann wurde auf abermaligen expressen königl. Befehl aus Bender vom 2. Mai der Anfang gemacht, den Rentmeisterhof, desgleichen das Haus auf dem Burgwarts- oder Heinrichsgarten vor dem Alt-Wismarschen Thor wegzubrechen und die Bäume in den dortigen Gärten wegzuhauen. Die Affair der Commiß-Fahrer ward heute auch zu Stande gebracht und man gab den Leuten etwas Geld, nemlich jedem Mann 3 Rthlr., worauf sie sich wieder hinaus machten.


Den 3. Aug. mußte die Bürgerwache das Lübsche Thor auch mit besetzen, wurde aber nach wenigen Tagen wieder davon befreit. Morgens von 6 bis 8 Uhr geschahen einige Schüsse in dem Hafen und man erfuhr, daß unsere Commiß-Fahrer mit dem dort liegenden dänischen Schiffe zu thun gehabt hätten, und nur von Weitem auf einander gefeuert. Des Abends kam mit der Post die Nachricht, daß die Dänen über die Elbe gegangen und ohne Verlust eines einzigen Mannes in Bremen an’s Land getreten sind, was eine ziemliche Bestürzung an diesem Orte verursachte, weil man vermuthet hatte, die Dänen sollten dort guten Widerstand finden. Gegen Abend wurde auch von dem dänischen Schiffe vor Wismar ziemlich viel geschossen, vermuthlich wegen des glücklichen Uebergangs der Dänen über die Elbe. Deserteure sollen heute 2 eingekommen sein.

Den 4. Aug. brachte eine kleine Partei der Unsrigen, welche nach Pommern gewesen war, 3 Moskowiter und 1 Sachsen gefangen herein, welche sie bei Treptaw bekamen, woselbst sie auch einige erschossen. Nachmittag ging ein starkes Commando zu Pferde aus, welches auf 2 Tage Futter mitnahm; sie gingen theils aus dem Alt-Wismarschen, theils aus dem Pöler Thore, kamen aber nach und nach fast unvermerkt wieder herein und gingen sodann aus dem Lübschen Thore wieder heraus. Man erfuhr nachher, daß sie nach Holstein, Contribution einzutreiben, gegangen wären.

Den 5. und 6. Aug wurden die Dörfer Peplau und Bantau der ertheilten Sicherheit-Briefe ungeachtet von den Dänen ganz ausfouragirt.

Den 7. Aug. brachten einige von unsrer Frei-Compagnie 4 gefangene sächsische Gemeine zu Fuß herein. Die Dänen nahmen heute einen Bürger und Kaufmann aus der Stadt, welcher von Lübeck zu Hause fuhr, gefangen, weil er auf einen Zettel etwas von dem Marsch des Obersten Bassewitz im Holsteinschen aufgeschrieben hatte, den die Dänen unversehens zu sehen bekamen; er kam jedoch den 22 wieder in die Stadt. Von den Schiffen schoß man ziemlich stark auf einander.

Den 8. Aug. ward in der Stadt ein Bürger und Zimmermann in Verhaft genommen, weil er nach Aussage einiger Deserteurs und eines Bauers sich öfter im Lager hatte sehen lassen, und solchermaßen mit dem Feinde Verbindung gehabt; doch ward er den 20. October aus Mangel an Beweisen wieder losgelassen.

Den 9. Aug. Morgens kam die Zeitung, daß der Oberst Bassewitz mit guter Beute aus Holstein wieder angelangt wäre. Man erfuhr nachher, daß der Oberst, nachdem er den 4. d., wie oben erwähnt, mit seinen Leuten ausgegangen war, das dänische Holstein besuchte um Contribution daselbst einzutreiben. Sie waren den 6. zu Oldesloe angelangt, hatten von da aus einige Parteien nach einzelnen Edelhöfen detachirt, welche alles Geld, das sie in der Eile ausbringen konnten, wie auch einige Mobilien und Pferde, wegnahmen; dies betraf besonders den dänischen Geheimrath Lenten. Mittlerweile trieb der Oberst in Oldesloe auch einige tausend Rthlr. ein und nahm für das Uebrige 2 Einwohner als Geißel mit; desselben Tages aber noch begab er sich von dannen. Als dieser Bassewitzsche Marsch im Lager vor Wismar bekannt wurde, ließ Gen. Rantzaw alle Wege und Pässe auf’s beste besetzen und des Nachts ziemlich nahe an der Festung patrouliren, um wo möglich im Rückzuge den Obersten und dessen Partei zu erhaschen; dessenungeachtet fand er aber noch einen von den Dänen unbesetzten Weg, auf welchen er glücklich aus Poel gelangte. Kurz vor Poel waren die Dänen hinter ihm gewesen, als er aber erst auf der Insel war, getrauten sie sich nicht ihm zu folgen und zogen sich nach und nach wieder zurück; die Leute auf Poel wußten zu Anfangs nicht, ob es Feinde oder Freunde wären und waren schon theilweise auf der Flucht, als sie aber den Obersten erkannten, nahmen sie ihn und die Seinigen mit Freuden auf. In der Stadt war auch dieses glücklichen Streiches wegen große Freude; gegen Abend wurde ein starkes Commando von einigen 100 Mann zu Pferde und zu Fuß nebst 4 kleinen Stücken hinaus gesandt, den Obersten und seine Leute herein zu begleiten, welche auch insgesammt mit aller Beute und etwa 30 Pferden glücklich herein kamen. Unterwegs hatten die Unsrigen auch einen dänischen Lieutenant von der Hamburger Post gefangen genommen, der aber auf Parole wieder los gelassen wurde.

Den 11. Aug. brachte eine am vorigen Abend ausgegangene Partei einen dänischen Cornet und einen Reiter in voller Montur sammt seinem Pferde gefangen herein, welche sie auf der Clützmühle angetroffen hatten.

Den 13. Aug. fing man wegen des sich ereignenden Geldmangels an, den Offizieren anstatt ihrer Gage etwas Korn aus dem königl. Magazin zu geben.

Den 16. Aug. ward in der Stadt ein Soldat, von Geburt ein Schwede, erschossen, weil er aus der Stadt zu den Dänen und von diesen wieder hierher desertirte.

Den 17. Aug. brachte eine von unsern Parteien zu Fuß einen Wagen mit Branntwein, Bier und dergleichen herein, welches nach dem Lager wollte. Ein dänischer Trompeter kam mit Briefen an unsern General-Major herein. Desselben Tages wurde der Bürgerschaft von E. E. Rath angezeigt, daß 20,000 Rthlr. von der Stadt verlangt würden, die hiesige Garnison zu unterhalten, weil Bremen jetzt nichts mehr beitrug; zum Unterpfand für solches Capital wurde ein Theil von dem Amt Poel der Stadt versetzt. Die Forderung geschah mit dem Anhang, daß wenn die Stadt das verlangte nicht aufbringen würde, das Gouvernement es dann selbst nehmen würde wo es nur zu finden ist. Noch wurde verlangt, daß allen Offizieren, welchen bisher aus Bremen die Wohnungen bezahlt wurden, entweder Geld oder Wohnung gegeben werden solle; auch wurde dabei ein schon vor 4 Wochen dieser Sache wegen hierher gesandtes Schreiben vom Grafen Welling mitgetheilt.

Den 18. Aug. verhandelte man wegen der geforderten Summe Geldes und die Stadt erholte sich in dieser Sache Rath beim hohen königl. Tribunal. Auch wurde heute ein Patent gedruckt und weggesandt, kraft dessen die Leute in Holstein, dänischen Antheils, die Contributionsgelder, welche sie sonst dem Könige von Dänemark bezahlen mußten, monatlich nach Wismar liefern sollten. Es kamen noch einige dänische Deserteure herein.

Den 19. Aug. kam zwischen unserer Feldwache beim rothen Thor und einer dänischen Partei, welche sich, und zwar einige in schwedischer Uniform, den Stadtgraben herausgezogen hatten, ein Zusammentreffen vor; letztere kamen nämlich in vollem Galopp durch das Thor gesetzt und umringten unsere aus 1 Lieutenant und 16 Mann bestehende Feldwache unversehens, ehe sie noch zu Pferde sitzen konte. Es wurde dabei 1 Mann erschossen, 2 tödlich verwundet und 4 gefangen, auch 7 Pferde wurden weggenommen; von dänischer Seite soll gleichfalls 1 geblieben und 1 verwundet sein. Oberst Bassewitz rückte zwar sogleich mit etwa 50 Mann hinaus, aber die Dänen hatten bereits den Rückweg genommen und die Brücke hinter sich abgeworfen. Es kamen heute wieder von den Dänen 5 Deserteurs herein.

Den 20. Aug. kam eine von unsern Parteien, welche bis nach Stralsund gewesen war und daselbst einen Stück-Major abgeholt hatte, wieder zurück und brachte auch 5 Sachsen, nemlich 1 Lieutenant, 3 Unteroffiziere und 1 Gemeinen mit herein.

Den 21. Aug. fanden sich 4 Deserteure ein; die weggeflüchteten Wismarschen Frauen und Kinder kamen jetzt immer mehr und mehr wieder zu Hause.

Den 22. Aug. gleich des Morgens waren schon 6 dänische Deserteure zu Pferde vor dem Lübschen Thor. Um Mittag wurde man vor dem Hafen gegen 20 dänische Schiffe gewahr, deren die meisten Proviantschiffe waren und welche von einigen Kriegsschiffen begleitet wurden; sie gingen bald nach dem Clützer-Ort und luden daselbst Proviant aus, der nach dem Lager geschafft,wurde.

Den 23. Aug. kam ein dänischer Trompeter mit Briefen an den Vice-Gouverneur, derselbe brachte auch einen bei der Generals-Mühle blessirten und gefangen genommenen Dragoner mit um ihn hier kuriren zu lassen.

Den 25. Aug. fanden sich 3 Deserteure ein. Sonst setzten die Dänen das Löschen ihrer Proviantschiffe beim Clützer Ort fort und hatten deshalb in Wendorf und andern Orten einige ihrer Leute aufgestellt; sobald man hievon in der Stadt Nachricht erhielt, rückte Oberst Bassewitz, mit ungefähr 200 Mann zu Pferde und 100 zu Fuß

den 26. Aug. Morgens um 2 Uhr hinaus; er ließ die Infanterie in dem Stadtgraben verdeckt bleiben, mit der Cavallerie rückte er aber unten bei Wendorf vor um von hinten in das Dorf zu kommen und den Feind anzufallen; allein dieser hatte sich schon bis Prosecken zurückgezogen. Der Oberst ging mit 3 Escadrons auf ihn zu und traf einen Rittmeister mit 100 Mann zu Pferde, die aber, sobald sie die Unsrigen erblickten, durchgingen; doch die Unsrigen erreichten sie bald und nahmen 1 Lieutenant und 15 Gemeine gefangen, die schon um 7 Uhr Morgens herein gebracht wurden. Unsere Feldwache rückte des Mittags wieder aus, aber fand bei der Viereckschen Mühle und Dammenhusen 8 Escadrons Dänen vor sich, welche auf sie zusetzten, vom Wischberg wegtrieben und bis unter die Stücke verfolgten, wo sie auch den Tag über stehen blieben.

Den 27. Aug. brachte ein dänischer Trompeter wieder 2 unserer Dragoner, welche den 19. d. gefangen genommen waren, herein, um sie gegen 2 gefangene Dänen auszuwechseln. Gegen Abend kam ein dänischer Tambour mit einer Capitäns-Frau herein, welche für einen im Lager verstorbenen Maior einen Sarg und sonstige zum Begräbnis forderliche Sachen hier kaufen und verfertigen lassen wollte, was ihr auch erlaubt wurde.

Den 28. Aug. wurden dem General Rantzaw, der Alles herein passiren ließ und auch Jedem in der in der Stadt Pässe ertheilte, 4 Tonnen Bier hinaus geschickt.

Den 29. Aug. erfuhr man, daß in der vorigen Nacht in der See Schießen gehört wurde, auch wollte man von einem Feuer etwas gemerkt haben. Die am 26. d. bei Prosecken gefangenen Dänen wurden wieder hinaus geschickt und gegen eben so viel von den Unsrigen, welche ehedem bei Lübau gefangen genommen und ihrer Blessuren halber damals auf Parole herein gekommen waren, ausgewechselt. Heute Mittag wurde man vor dem Hafen 3 dänische Fregatten gewahr, welche ziemlich weit herein gekommen waren; eine derselben setzte auf unsere Schiffe zu, weshalb einigemal Feuer gegeben wurde, doch ohne Schaden zu thun. Man konnte aus allen Umständen nur schließen, daß die Dänen einen Anschlag auf Poel zu Wasser sowohl wie zu Land im Sinne hätten, wogegen Anstalten getroffen wurden, doch die Dänen versuchten nichts. Gegen Abend kam ein dänischer Deserteur aus Holstein, der ehedem zu unserer Garnison gehörte und bei Lübeck gefangen worden war, an’s Lübsche Thor und wollte herein, aber er hatte wirklich von der Pest,welche damals in Holstein grassirte, etwas am Halse und mußte sich deshalb in einer Strohhütte vor dem Thore behelfen.

Den 30. Aug. war erwähnter Deserteur schon gestorben; es wurde daher unweit von dem Orte wo die Leiche lag eine Grube gegraben und die Hütte, in welcher er verschieden, angezündet, der halb verbrannte Körper mit großen langen Hacken in die Grube geschleppt und so gut man konnte verscharrt. Seewärts hörte man abermals Schießen zwischen unsern Kapern und den dänischen Schiffen und es wurden deshalb noch 50 Mann Infanterie nach unseren Schiffen gesandt, dieselben zu verstärken.

Den 31. Aug. und den darauf folgenden Tag war man in der Stadt überall geschäftig das von der Bürgerschaft geforderte Geld zusammen zu bringen, und es mußten die Bürger 30, einige 50, 80, 100, ja 3 bis 400 Mark und noch mehr hergeben, welches auch theilweise durch Execution eingetrieben wurde. Unsere Schiffe und die dänischen schossen heute abermals auf einander.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar