5. Mai bis 30. Juni 1715

Im Anfang des Monats Mai fing man hieselbst wegen einer bedrohten Einschließung und Bombardirung wieder an aus der Stadt zu flüchten und das Seinige an andern Orten unterzubringen.

Den 5. Mai ward auf Begehr des Hrn. Vice-Gouverneurs, Baron v. Schuld, von E. E. Rath auf dem Rathhause den Kaufleuten, Bäckern und Haacken etc. anheimgestellt, sich mit Korn, Speck etc. und andern in ihren Handel fallenden Sachen auf Jahr und Tag zu versehen. Sie schützten aber die Unmöglichkeit vor.


Den 6. Mai ward indessen der ganzen Bürgerschaft angesagt, sich aus Jahr und Tag zu verproviantiren und die losen Leute auszulassen.

Den 8. Mai blieben schon alle Hamburgische Briefe aus, weil die Dänen solche weggenommen hatten.

Den 16. Mai nahm eine dänische Partei die Lübsche fahrende Post, worauf einige 1000 Rthlr. an Geld und Gütern waren, hinweg, es wurde ihnen aber solche sogleich von des Hrn. Obersten Vietinghoffen Leuten wieder abgenommen, und nebst einigen Gefangenen den 17. Mai allhier eingebracht. Von der Artillerie wurden einige 30 Mann von hier nach Pommern gesandt.

Den 12. Juni wurden abermals einige Artillerie-Bediente, nebst einigen Stücken und Munition nach Pommern gesandt.

Den 13. Juni kamen schon 1 dänischer und 1 brandenburgischer herein. Der Bürgerschaft ward vom Neuen anbefohlen, sich auf 7 Monate mit Proviant zu versehen, wer solches nicht thun könnte, sollte, wenn die Trommel gerührt würde, die Stadt räumen.

Den 17. Juni wurde durch die ganze Stadt eine Visitation verrichtet, welche 1 Capitän, 1 Rathsherrn, 1 Schreiber und 1 Rathsdiener bei sich hatte. Sie erkundigten sich, wie viel Personen in jedem Hause sind und ob dieselben bei geschehener Einschließung der Stadt hierselbst verbleiben würden.

Den 18. Juni kam 1 Deserteur von der Grander-Heide an, dessen Aussage nach die dänische Armee daselbst gemustert wurde und nächstens aufbrechen würde.

Den 20. Juni kamen 5 Desertirte herein; auch ward berichtet, daß die Dänen gegen Ratzeburg marschirten und daß in Pommern die Feindseligkeiten zwischen Schweden und Preußen angegangen waren. Um diese Zeit wurde die Ziegelei vor dem Lübschen Thor weggebrochen und die Materialien herein gefahren.

Den 21. Juni kamen wieder 3 dänische Deserteure. Die Victualien stiegen schon merklich im Preise. Zwei kleine Schiffe wurden zurecht gemacht, und mit einigen Stücken besetzt, um damit bei Poel zu kreuzen und den Hafen einigermaßen zu decken. Für die Krone ward dieseit und den folgenden Tag viel Holz gefahren.

In der Nacht vom 21. auf den 22. Juni gingen 1000 Mann auf Commando aus, um Vieh herein zu holen und wurden den 22. die Thore des Morgens bis gegen 7 Uhr versperrt gehalten. Bald darauf brachte man schon einige 100 Stück kleines und großes Vieh herein, welches von den Wismarschen und nächsten mecklenburgischen Dorfschaften weggenommen worden war. Auch wurden durch ein anderes Commando einige Fachinen herein gebracht. Gegen Abend wurde durch die Rathsdiener in allen Häusern angesagt, daß diejenigen Bürger, welche sich nicht aus 7 Monate verproviantiren könnten, ihre Frauen und Kinder wegschicken sollten. Ein Dragoner brachte die Nachricht, daß schon 2000 Dänen bei Ratzeburg stünden und daß man sie den folgenden Tag zu Gadebusch erwartete, weshalb ein Cornet zu recognosciren ausgesandt wurde.

Den 23. Juni geschahen den Tag über verschiedene Lärmschüsse von den Wällen, desgleichen von dem Wallfisch, damit unsere auscommandirten Leute wieder zurück kommen möchten, die denn nach und nach wieder kamen, und Korn, Vieh etc. mitbrachten; einigen Partheien hatten die Bauern und fürstlichen Dragoner, die ihnen nachsetzten, das Vieh, welches sie wegführen wollten, wieder abgenommen, was besonders in dem Buckowschen geschah. Auch wurden, obgleich es Sonntag war, doch Bäume und Fachinen angefahren. Die wenigen Dragoner, welche bisher draußen gelegen hatten, wurden in der Stadt einquartirt. Mittags ward durch den Trommelschlag angezeigt, daß die ledigen Personen und die, welche sich auf 7 Monate nicht verproviantiren können, die Stadt räumen sollten. Ebenso wurden noch immer frische Parteien ausgesandt, Vieh zu holen; Alles war in größter Verwirrung und Bestürzung.

Den 24. Juni gingen die auscommandirten Parteien aus und ein, das hereingebrachte Vieh wurde unter den Offizieren getheilt. Ein Commando von 300 Mann Infanterie ging nach Poel und 20 Mann nach dem Wallfisch. Vor dem Lübschen, Mecklenb. und Wismar. Thor wurden Feldwachen ausgestellt. Ein dänischer Frei-Corporal (der früher unter den Bassewitz’schen gestanden hatte) und unsere Gefangenen aus Holstein kamen herein. Die Capitäne der Bürgerschaft waren auf dem Rathhause und ward ihnen angezeigt, daß die Bürgerschaft mit zu Wall gehen müßte, fürs erste aber nur 3 Thore besetzen sollte.

Den 25. Juni Morgens um 5 Uhr wurden 2 Stücke auf eine dänische Partei gelöst, die sich bei dem Wischberge sehen ließ und nach S. Jacobsmühl, Wendorf und so weiter herunter ritt, auch einige Pferde wegführte. Eine andere dänische Partei fand sich zum Rothen Thor ein und gegen Mittag sah man, daß die Dänen an eben dem Orte, wo sie vor einigen Jahren gestanden hatten, nemlich bei Blumenhof, ihr Lager aufschlugen. Der Hr. Generalmaj. verlangte von unsern Bau- und Bauersleuten, daß sie ihr unreises Korn abmähen sollten, was aber diesesmal verhindert wurde.

Den 26. Juni kam vom Lande ganz wenig, ja fast gar nichts herein, daher die Gewalttätigkeit täglich zunahm. Gegen Mittag dehnten die Dänen ihr Lager bis Mecklenburg und Lubberstorf, zogen sich auch gegen das Poeler und Wismarsche Thor. Heute mußten die Bürger zum erstenmal die Wache mit bestellen und zwar am Alt-Wism., Poeler und Lübschen Thor die Posten besetzen. Gegen Abend zogen 300 Mann zum erstenmal auf Piquet und hatten dazu ihre Posten in einigen Bastionen. Pässe wollten die Feinde jetzt nicht ertheilen, wie sie früher gethan hatten; Abends blieben alle Posten und Briefe aus, auch gingen keine ab, alles war also gesperrt. Doch kamen noch einige Deserteure herein.

Den 27. Juni kamen einige Leute von Hofen mit ihren Fischen zu Wasser herein, weil sie zu Lande nicht durchkommen konnten; dagegen suchten einige zu Wasser hinaus zu kommen. Der sich äußernde Mangel des Wassers ließ urtheilen, daß der Feind das Metelstorf’sche Wasser abgeschnitten hatte, auch das Neue Wasser blieb ziemlich weg, so daß man in der Grubenmühle nicht mahlen konnte. Auf dem Thurme zu St. Marien observirte man, daß immer mehr und mehr Zelte vor dem Mecklenburger Thor ausgeschlagen wurden; der Feind fiel auch in die Stadtmühlen, ruinirte oder führte alles Korn weg, welches daselbst für die Einwohner unserer Stadt gemahlen werden sollte. Abends feuerte man auf die Dänen, welche bei dem Wischberg die Wache hatten, die dann so gut sie konnten, sich retirirten. Auch kam heute Niemand aus dem Thor, wer nicht einen Paß von dem Herrn Bürgermeister oder Generalmajor vorzeigen konnte. Bei der Vogelstange, Critzower- und Hornstoffer-Burg zeigten sich einige feindliche Truppen, auch vorm Lübschen Thor auf dem Wischberge; es wurde aber, sobald man ihrer gewahr wurde, auf sie gefeuert. Heute sind 8 dänische Deserteure herein gekommen. Des Nachts wurden noch 300 Mann Infanterie nebst 4 Stücken Geschütz unter Oberstlieut. Silberspar nach Poel commandirt.

Den 28. Juni Morgens erfuhr man, daß der König von Dänemark gestern vor der Stadt gewesen war, aber bald wieder weiter gegangen ist; auch wurde berichtet, daß die dänische Armee, welche bisher vor der Stadt gelegen hatte, bald weiter gehen und nur einige 1000 Mann zur Blockade zurück bleiben würden, zu diesen aber einige preußische und honnöversche Truppen stoßen und die Blockade nebst den Ersteren fortsetzen würden. Die Dänen hatten in der vergangenen Nacht die Flöte geplündert. Wegen des Mangele an Wasser ward denen, die Brunnen oder Sode hatten, angesagt, dieselben in guten Stand zu setzen, weil sich sobald kein anderes Wasser finden würde, auch ward heute eine abermalige Visitation angestellt, um zu sehen, wie sich die Leute verproviantirt hatten und ob noch Einige von denen vorhanden waren, welchen wegzugehen befohlen war. Hiebei ward Allen und Jedem verboten, keine ledigen Leute, auch keine die aus der Stadt sollten, zu hegen oder zu hausen, denen aber, die noch nicht weg waren, ward angesagt, sich, wenn die Trommel wieder gerührt, bereit zu halten, widrigenfalls man sie aus der Stadt schon fortzuschaffen wissen würde. Heute sind wieder 6 Deserteure herein gekommen.

Den 29. Juni kamen 15 Deserteure herein; von unseren Wällen wurde einigemal auf die Feinde, wenn sie zu nahe kommen wollten, gefeuert; von Rostock kam ein Boot, welches etwas von Berger-Waaren holen sollte, brachte aber wenig, weil die Rostocker selbst nicht viel hatten. Die gestern angefangene Visitation der Häuser ward heute fortgesetzt und zu Ende gebracht. Gegen Abend spürte man eine Aenderung in dem feindlichen Lager und erfuhr, daß die Dänen größtentheils weggegangen seien; die Nachgebliebenen legten sich nebst einigen 1000 Mann Preußen, welche der Generalmajor v. Albe commandirte und heute angekommen waren, vor die Thore der Stadt in vielen kleinen Lagern. Vom Lande kam Nachricht, daß der König von Dänemark vor seinem Abmarsch die Insel Poel persönlich recognosciren wollte und sich durch einen Bauer den Weg dahin weisen ließ. Die Unsrigen aber, welche das Land besetzt hielten, fingen an zu feuern als sie sich näherten, worauf sie sich retiriren mußten.

Den 30. Juni waren einige von unsern Leuten, unter andern am Pöler Thor, geschäftig Heu zu werben; einige feindliche Leute setzten auf sie zu, aber man schoß von den Wällen einigemal auf sie, worauf sie sich zurückzogen. Heute sandte der commandirende preußische General de Albe herein und verlangte durch einen Tambour einige Boutellien schwaches Bier, weil er unpäßlich wäre; man ließ aber einige Tonnen gutes Bier und etwas Wein ihm offeriren und nach dem Lager fahren. Auch hörte man, daß die Preußen auf Grönings- und Viereggen-Mühl ziemlich übel gehaust, indem sie Thüren, Fenster etc. zerbrochen und zerschlagen und was ihnen anstand weggenommen hatten. Die Feinde hatten heute abermals einige Veränderungen in ihrem Lager gemacht und standen nunmehr die Preußen von Redentien bis Lübau, die Dänen aber von Lübau bis Wendorf, so daß die Stadt gänzlich eingeschlossen wurde. Auch sind 2 Deserteure zu Fuß herein gekommen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar