H. Nachricht über die durch den Blitz entzündeten Pulvertürme. 28. Juli 1699.

Für diese betrübte Begebenheit findet man eine genaue Nachricht in Zieglers Labyrinth der Zeit. Wismar nemlich erfuhr den 28. Juli 1699 ein jammervolles Unglück, wovor die historische Feder gleichsam erzittert, und das wir mit folgender von sicherer Hand erhaltener Nachricht vorstellig machen wollen. Nachdem das Wetter um dortige Gegend einige Tage ungemein heiß und darum der Erdboden sehr dürre gewesen, ließ es sich den 26. Juli zu einem starken Gewitter an, das sich aber dazumal wieder verzog, dennoch aber sich des folgenden Tages von neuem wieder einstellte. Aber der dabei befindliche Regen hatte die Luft noch nicht völlig abgekühlt, daher am 28. sich wieder ein sehr warmer Tag ereignete, an welchem gegen 4 Uhr Nachmittags ein entsetzliches Gewitter erschien, dergestalt daß der Himmel über der Stadt und so weit man sehen konnte, einen ganz schwarzen Anblick von sich gab, und die Luft mit einem ganz stinkenden Schwefelgeruch angefüllt war, wobei das beängstigte Herz aller Einwohner etwas Schweres und Betrübtes vorhersagte. Ein Viertel nach 4 Uhr, als die Leute aus der alle Freitag gewöhnlichen Betstunde nach Hause kamen, geschah in der ganz finstern Luft eine helle und starke Entzündung, wobei zugleich unter starkem Donner und Krachen alle Häuser durch die ganze Stadt erschüttert und bewegt, die Fenster zerschmettert, und die Steine von den Dächern heruntergeworfen wurden, daß Keiner wußte, wie ihm recht geschehe, indem ein jeder glaubte, das Ungewitter habe ihn und sein Haus allein betroffen, die Meisten fielen vor Zittern und Entsetzen zur Erde nieder, und Niemand konnte sich etwas anderes einbilden, als daß der letzte Tag zum allgemeinen Gericht der Menschen anbrechen würde, angesehen ein solcher Rauch, Krachen und Erschüttern, daß kein einziger Mensch an seinem Orte stehen blieb, wobei denn in den meisten Häusern die Zimmerthüren, Kisten und Kasten, auch viele, die fest verschlossen, sich öffneten, und das Hausgeräth, Steine u. s. w. umher fielen, dieses dauerte aber nur einige Minuten und alsbald sah man eine allgemeine Verwüstung, ohne daß man wußte, woher dies kam, bis vom Lübschen Thor her die betrübende Nachricht kam, daß der Blitz die Pulverthürme entzündet, worauf Alles dorthin lief.

Diese 3 Pulverthürme lagen mitten in der Ringmauer der Wasserseite von dem Lübschen bis nach dem Wasserthore, ca. 70-80 Schritte von einander, 90-100 Fuß hoch, von Ziegelsteinen, massiv und viereckig aufgemauert, der mittlere war der stärkste und wurde deshalb Kaiserthurm genannt, in diesem wurde stets eine große Masse Pulver verwahrt, nicht ferne vom Dache hatten diese Thürme einige Luken, welche bisweilen geöffnet wurden, um das Pulver zu trocknen, einige wollen nun vorgeben, diese Luken seien an diesem Tage geöffnet gewesen und seien vergessen worden zuzumachen, die hierzu bestellte Artillerie und Zeugbedienten gestanden dies aber nicht ein. Wie viel Pulver im Augenblick der Entzündung in den Thürmen gewesen, hat man nicht genau erfahren können, jedoch sind es wenigstens 700 große Tonnen, in Form der Bier-Tonnen gewesen. Einige Bomben, Granaten, Pech und Theerkränze, waren auch in diesen Thürmen, zwar nur in sehr geringer Anzahl und nicht gefüllt, weil diese an einem anderen Orte aufgehoben zu werden pflegten. Man kann auch nicht mit Gewißheit sagen, ob der Blitz in allen Thürmen zugleich gezündet oder nur in einem davon, der die andern ergriffen. Leute, welche auf dem Felde arbeiteten, sowie auch die Schildwachen, behaupten, sie hätten die Entzündung gleich einem laufenden Feuer erblickt, welches von einem Thurm zum andern gelaufen. Alle drei Thürme sind bis auf den Grund aus der Erde gehoben worden, kein Stein ist auf dem andern geblieben, von den großen Grundsteinen sind einige in Häusern, unter andern in den obersten Tribunalzimmern gefunden worden. Die Stelle, wo sie gestanden war nur durch drei sehr tiefe Löcher kennbar, welche schon am andern Tage Wasser gezogen hatten und drei unreine Pfützen vorstellten, die nachher mit den herumliegenden Steinen und Schutt zugeworfen wurden. Es ist zu verwundern, daß überhaupt bei diesem Unglück ein Haus stehen geblieben oder ein Mensch mit dem Leben davon gekommen.


Nur die Langmuth Gottes verhütete den Untergang der Stadt. Der letzte Thurm, welcher dem Wasserthor am nächsten lag warf seine Steine seewärts, der mittlere dagegen schüttete die seinigen meistens über die Stadt, und der dritte, welcher dem Lübschen Thore am nächsten stand, ließ zwar auch etwas über die Stadt nach der einen Seite zu fallen, jedoch das schwerste und die Außenwerke auf das genannte Thor. Von der großen Erschütterung fiel nicht nur der sehr schöne über 100 Fuß hohe viereckige Thurm, welcher über das Gewölbe dieses Chores aufgebaut, und eine sonderbare Zierde der Stadt war, ja den Schiffern sogar zu einigen gewissen Zeichen in dem Hafen diente, sondern auch das starke über 20 Schritt in die Länge stich erstreckende Gewölbe über dem Thore fiel ganz ein, und dieses ist der vierte Thurm, welcher bei dem erlittenen Unglück verloren gegangen, die Brücken aber wie auch die (dortigen) Wälle und Außenwerke, sind, außer daß sie ganz mit Schutt und Stein bedeckt, nicht sonderlich beschädigt, und nach der Zeit wieder völlig ergänzt worden. Vor diesem Chore waren die Fortifications-Werke erst im vorigen Jahre fertig geworden, und hatte man ein sehr schönes Portal über dem einen Chore an dem innern gesetzt, welches, wenn man von außen in die Stadt kam, ein prächtiges Ansehn gab, über solches Portal standen 2 aus Gottländischen Steinen gehauene Löwen in Lebensgröße, so den Namen Carolus mit den Schwedischen 3 Kronen anfaßten, und wurde als eine sonderbare Vorbedeutung ausgedeutet, daß, da das ganze Thor, nebst dem Portal eingefallen, die großen Löwen, so doch aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt, ganz unbeschädigt geblieben, unerachtet sie mit ihren Schilden heruntergefallen, immaßen sie denn anitzo solcher Gestalt zu sehen, und sollen selbige wieder wie vorhin aufgerichtet werden, sobald das neue Portal, daran man fleißig arbeitet, verfertigt sein wird, welches endlich auch alles zu Stande gekommen, allein bei der Anno 1717 erfolgten betrübten Rasirung der Wismarschen Fortification ist alles weggebrochen worden. Inmittelst ist der Stadt durch diesen Unfall ein großer, und in vielen Jahren zu erwiedernde Schaden zugezogen worden, das Meiste aber haben die Kirchen erlitten, die sonst so schön und groß sind, daß in ganz Nieder-Sachsen, drei dergleichen hohe und große Pfarr-Kirchen, an einem Ort zugleich, nirgends anzutreffen, denn es sind dieselben alle 3 von doppelten Gewölben, und Dächern, und dann auch von doppelten Fenstern, also daß derselben an jeder 1000 Fenster vorhanden. Alle solche Fenster aber wurden zerschmettert, alle Ziegel von den Gewölben und Dächern herunter geworfen, die Gewölbe hin und wieder geborsten, die Orgeln theils zernichtet, theils sehr beschädigt, die Thüren zerschlagen, und geschah an den inwendigen Zierrathen großer Schade. Jedoch an der einen mehr als an der andern, denn die Kirche zu St. Georg, welche dem Lübeckschcn Thor am nächsten lag, das Meiste ausstehen. Sonderlich ist das Gotteshaus zum heiligen Geiste sehr beschädigt, und nur die bloßen Mauern stehen geblieben, obwohl das Meiste schon wieder ausgebessert worden. Nebst den Kirchen wurden auch diejenigen Bürger-Häuser, an der Wasserseite nicht weit vom Lübschen Thore belegen, sehr beschädigt, und zählte man über 200 kleine Buden, oder geringe Häuser, so ganz zerstört, und 24 große, die aber meist zu Boden liegen. Dem mittleren Pulverthurm gegenüber stand das Königl. Magazin-Haus, welches der letzte verstorbene König Karl XI. glorwürdigsten Andenkens von dicken Brandmauern aufführen lassen, von welchem die West-Seite ganz eingeworfen worden, die Ost-Seite steht noch 10 Fuß hoch über der Erde. Dieses vormals schöne und prächtige Gebäude hielt noch die meiste Gewalt des Pulvers aus, welche aus dem mittlern Thurm kam; denn hätte das Magazin-Haus hier nicht gestanden; so wäre die ganze West-Seite der Stadt zu Grunde gegangen; so aber ist nur die Stadtmauer von dem Lübschen Thore an, etwa 20 Schritte hinter dem letzten Pulverthurm völlig nieder gerissen, und kaum zu sehen, wo sie gestanden. An den Dächern, Thüren, Fenstern und Oefen der Häuser geschah ein großer Schaden; denn es ist nicht ein einziges Haus zu finden, dessen Fenster nicht zerschmettert. Die Dächer mußten einen entsetzlichen Platzregen von Steinen aushalten und fand sogar in einigen Häusern große Stücke Eisen, die wohl als Anker in den Thürmen gesessen haben mochten; also kann man sich wohl denken, wie übel sie zugerichtet worden. Auch sind einige von den großen Fundament-Steinen, welche kaum ein Mann heben konnte über die Häuser geschüttet worden; daher erblickte man bis nach Michaelis mehr Leute auf den Dächern als auf den Straßen; da ein Jeder bemüht war, sein Haus vor dem Winter zu decken. Die Straßen waren meist mit Schutt und Steinen angefüllt, so daß kein Pflaster mehr zu sehen war. An Einwohnern alt und jung wurden 30 theils getödtet theils verwundet, einige unter dem Thore, einige in ihren dem Lübschen Thore nahgelegenen Häusern. An 20 junge Bootsleute, welche aus dem Thore gewesen, und beim Anfange des Regens bis zum Thore gekommen waren, liefen, als wie der Regen ein wenig auffielt, wieder fort, und entkamen so dem Unglück; denn wären sie unter dem Thor stehen gebliehen, sie wären sicherlich erschlagen worden. Von der Garnison, die das Thor besetzt hatte und in derselben Gegend Schildwache gestanden, sind ungefähr 40 Mann vermißt, darunter einer mit den Schilder-Häuschen, welcher wahrscheinlich mit weggeflogen und nicht wieder zu finden gewesen, vermutlich aber in die See gefallen. Ein Soldat, welcher da, wo die aufgeflogenen Thürme gewesen, Schildwache gestanden, fing wie das Gewitter entstand, das Lied: Wend ab deinen Zorn etc. zu singen. Ein Soldat welcher vorbeiging, spottete seiner Andacht nach gottloser Gewohnheit der Soldaten. Aber in demselben Augenblicke geschah das Unglück, und zwar so, daß der Spötter umkam, ohne daß man wußte, wo er geblieben. Der Andere aber ward wunderbar erhalten und blieb ganz unbeschädigt, nur daß er von dem großen Knall etwas taub ward, seine Schuhe von den Füßen verlor und etwas von seiner Montur einbüßte. Er ist von Jedem als ein Zeuge der wunderbaren Erhaltung Gottes angesehen worden. Auch stand nicht weit von dem zerschmetterten Pulverthurm zwischen den Wällen für die Schwedischen Soldaten, welche sich gerne badeten, eine Badestube, welche nebst der darin befindlichen Badefrau mit hinweg flog, ohne daß man das Geringste finden konnte. Es war etwas Wunderbares, daß man die vollkommene Haut eines Menschen an einem anderen Orte liegen sah, von dessen Fleisch und Knochen nichts gefunden werden konnte; da doch von den Haupthaaren, die etwas röthlich schienen, noch vieles an seinem Orte saß, und eine ½ Meile und etwas weiter von der Stadt fand man hier einen Arm, dort einen Fuß, an einer andern Stelle eine Hofe, dann ein Paar Strümpfe, einen Kopf, einen Hut u. s. w. In manchen Häusern sprangen die verschlossenen Thüren und Kasten von selbst auf, einige zerbrachen sogar, an anderen ward das Schloß ganz künstlich abgeworfen, noch andere aber schlossen sich selbst auf und wieder zu; wobei man auch beobachtete, daß einige kranke und elende Personen durch den Schrecken plötzlich ganz curirt wurden. Das Schlimmste aber war, daß das Ungewitter sich seit jenem Tage nicht wieder entfernen wollte und ganze Wochen mit ungemeinem Donnern, Blitzen und Regengüssen über der Stadt stehen blieb. Dieses machte den armen Einwohnern mit ihren aufgedeckten Häusern viele Angst und Sorge; daher geschah es auch, daß die Artillerie-Bedienten mit dem noch übrigen Pulver, Bomben und Granaten viele Angst und Sorge trugen, und nicht wußten, wo es sicher hinzulegen wäre; bis der große Gott einen schönen Herbst verlieh, daß die meisten Häuser wieder unter Dach gebracht werden konnten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar