1. bis 31. März 1716

Den 1. März desertirten 2 Dragoner mit ihren Pferden und voller Montour; sie hatten die vorige Nacht in der Contrascarpe die Patrouille gehabt, als nun des Morgens das Thor geöffnet wurde, gaben sie vor, sie sollten auch draußen patrouilliren, ritten also hinaus und davon. Hieraus aber ward der Wache befohlen. Niemand ohne den Adjutanten passiren zu lassen.

Den 2. März wurden 2 Pferde geschlachtet; der Generalmajor verlangte auch, es sollten die Bauleute wöchentlich gewisse Pferde zum Schlachten liefern und 2 ßl. für das Pfund haben, und ward beschlossen, dieserwegen eine besondere Commission von Offizieren, Rathspersonen und Bürgern einzurichten. Gegen Abend legte eines von den Schiffen, die ehedem Proviant gebracht hatten, aus dem Baum, um die Feinde, welche mit Schanzen und Blockhäusern den Hafen schließen wollten, zu observiren. Im ausgehen löste es seine darauf habenden 4 Kanonen.


Den 3. März ließen sich einige dänische Schiffe vor dem Hafen sehen. Ein dänischer Trompeter brachte Briefe und Geld für ihre Gefangenen. In voriger Nacht ward verschiedenen Leuten der Teig, den sie zum Bäcker tragen wollten, aus den Gassen von andern, die darauf gelauert hatten, weggenommen. Es ward auch wieder ein Pferd eines Unteroffiziers geschlachtet. Gegen Abend legte das andere Proviantschiff, welches auch mit 4 Kanonen besetzt war, aus dem Baum.

Den 4. März ward das Verbot, ohne Wissen und Willen der Obrigkeit nichts von dem noch besitzenden Vieh zu schlachten, verkaufen oder bei seinen Nachbarn zu verbergen, wiederholt; die bisherigen Wachen und Piquets der Dragoner wurden nun gänzlich aufgehoben.

Den 5. März ward von dem Generalmajor und den Obersten Fürstenberg, Witting und Lagerberg dem aus dem Rathhause versammelten Rathe und Ausschüsse angetragen, eine allgemeine Visitation wegen Korn und Victualien ergehen zu lassen, weil man bei Einigen noch einen ziemlichen Vorrath verborgen glaubte und es könnte hiernächst auf Befinden, eine Repartition gemacht werden, daß Einer beim Andern bei dem jetzt sich ereignenden großen Mangel noch eine Zeitlang erhalten würde. Es ward auch, aus untertänigster Devotion und Treue gegen Se. KönigL Majestät, sowohl von E. E. Rath als von dem Ehrliebenden Ausschusse, diese Visitation bewilligt.

Den 6. März blieb das Fleisch zwar beim vorigen Preis, Speck aber ward für 12 ßl., das Faß Weizen-Kleie für 10 ßl. und Gersten-Kleie für 6 ßl. bezahlt. Die Brauerschaft hatte in dieser Woche das Bier etwas schwächer, nach der ihr angestellten Art, zu brauen angefangen, wovon die Tonne 6 Mark 8 ßl. ohne die Accise und so zu 12 ßl. gesetzt ward, gelten sollte und das Tafelbier die Hälfte. Wegen der anzustellenden Visitation wurden schon gewisse Zettel gedruckt.

Den 7. März desertirte ein Soldat, welcher auf dem sogenannten Soldaten-Kirchhof ein Grab für eine Soldaten-Leiche machen sollte, nachdem er vorher dem mit ihm commandirten und etwas bei Seite gegangenen Unteroffizier sein indessen niedergelegtes Gewehr genommen hatte.

Den 8. März ließ der Generalmajor der Miliz theils auf den Kirchen-Paraden, theils in den Garnisons-Kirchen ein Edict wider alle Meuterei publiziren.

Den 9. März wurden die vorgedachten der Visition wegen gedruckten Zettel durch die ganze Stadt den Bürgern und Einwohnern zugestellt und einem Jeden angesagt, das Seinige genau auf demselben zu notiren, mit dem Anhang, daß wer etwas verstecken und nicht notiren würde, dem sollte das darüber Gefundene genommen werden. Den Tribunals-Bedienten und Ministerio wurden aus der Tribunals-Kanzlei geschriebene Zettel zugestellt. Gegen Abend mußte eine ganze Compagnie von der Bürgerschaft auf die Wache ziehen (da sonst bisher nur dreiviertel von der Compagnie dieselbe bezogen) mit der Ordre, nebst der Miliz die Nacht über durch alle Gassen zu patrouittiren und zu öbserviren, ob auch nicht etwas an Victualien irgend wohin getragen und versteckt würde, welches sie wegnehmen sollten. Auch ward heute die erste Commissson wegen des Viehschlachtens gehalten und zwar im Hause des Bürgermeisters Rathken. Dabei waren zugegen von dem Gouvernement und von der Miliz der Oberstl. Tiesenhusen, 2 Capitäne, Usedom und Schuleman, der Ober-Inspector Bückling und der Landrentmeister Spieler; von Seiten der Stadt waren zugegen außer dem Bürgerm. Rathken 3 Rathspersonen, Ant. Scheffel, Claus Rathke und Johann Schröder, und 2 Bürger, Caspar Schwarzkopf und Henning Drevensted; diese Commissson ging dahin, das Schlachten der Kühe, Pferde und des übrigen Viehes zu reguliren. Es mußten folglich sogleich alle Bauleute und Schlachter ansagen, wie viel Pferde, Kühe und anderes Vieh sie hätten und die Commissarii stellten sogleich Ordre, daß eine Anzahl Pferde nach dem Zeughofe geliefert werden mußte, wobei ein Schmidt zugegen war, welcher zusehen mußte, ob dieselben auch gesund wären; hierauf wurden in Gegenwart der Commissarien 26 Stück ausgesucht (zu welchen man, weil man damit nicht völlig auskommen konnte, des folgenden Tages noch eins nahm) und geschlachtet, mit der Versicherung, es sollte einem Jedem, der ein Pferd zu schlachten hergebe, für das Pfund 2 ßl. bezahlt werden.

Den 10. März ward das gestern geschlachtete Pferdefleisch der Miliz ausgetheilt und es bekam jeder Soldat auf 8 Tage anderthalb oder 2 Pfund, das Pf. zu 2 ßl., welches ihnen an der Gage abgezogen werden sollte. Des Morgens um 6 Uhr ging die strenge allgemeine Visistation wirklich an und zwar auf 36 Parteien zugleich. Von dem Alt-Wismarschen bis an das Mecklenburger Thor gingen 9 Parteien, von dem Mecklenburger bis an das Lübsche eben so viel, so auch von dem Lübfchen bis an das Poeler und endlich von diesem bis wieder an das Alt-Wismarsche Thor. Jede Partei bestand aus 2 Oberoffizieren, 2 Bürgern (einer aus dem ersten und einer aus dem andern Stande), 2 Unteroffizieren, 1 Dragoner und 4 Gemeinen, wovon 2 mit Gewehren, 2 mit Hacken, Aexten, Schaufeln und einem Eisen, mit welchem sie in die Erde bohren konnten, versehen waren; kein Haus, keine Bude, kein Keller blieb unvisitirt, selbst des Generalmajors Haus war eines der ersten, das durchsucht ward. Man forderte zuerst in einem jeden Hause den Zettel, fragte auch die Meisten auf ihr Gewissen, ob sie etwas versteckt oder vergraben hätten, dann sollten sie es bei Zeiten anzeigen, sonst würde man, wenn was gefunden werden sollte, dasselbe wegnehmen und preis machen; Einige lasen den Bürgern einen Eid vor und wollten wissen, ob sie denselben wohl abschworen könnten, wenn es erfordert werden sollte, ja Einige gingen gar so weit, daß sie einige geringe Bürger zwangen, den Eid sogleich vor ihnen abzuschwören, welches aber Niemand nachgehende billigte. Nachdem ihnen der Zettel zugestellt wurde, fingen sie an zu visitiren in allen Gemächern, auf dem Boden, in den Kellern, in den Ställen, ja in allen Winkeln, so daß sie auch bei den heimlichen Gemächern nicht vorbei gingen; alle Kisten und Kasten, Schappen und Schranken mußten auf Verlangen eröffnet werden, die Seiten selbst wurden hin und wieder umgerissen, in die Wände, ja in die Erde selbst ward gestochen und gebohrt etc. Was angegeben wurde, ward in vielen Häusern gemessen, gewogen und gezählt. Bei dieser emsigen Durchsuchung ward hie und da noch Vieles gefunden, welches den Meisten sogleich genommen und nach dem königl. Magazin getragen wurde. Man sah indessen auch mit Verwunderung wie wenig Vorrath in manchem Hause vorhanden und wie bei Einigen gar nichts zu finden war; überhaupt ward bei Weitem nicht so viel gefunden, als man wohlvermuthete. Unsere zwei Schiffe, die vormals hinaus gelegt hatten, kanonirten heute den Tag über wie auch in der Nacht bei Mondschein auf die Hannöverschen, welche gegen hintersten Wendorf eine Batterie aufzuwerfen anfingen, sie konnten aber der Entfernung wegen nur wenig ausrichten. Auch kam heute ein Packetboot, welches vor einigen Tagen nach Lübeck gegangen war, mit Briefen, einigen Wechseln und Advisen glücklich wieder derein. In den Gassen, in welchen den Tag hindurch nicht alle Häuser visitirt werden konnten, wurden Abends starke Schildwachen gesetzt und fleißig die Nacht hindurch in denselben patroullirt, damit Niemand aus den Häusern, die noch visitirt werden sollten, etwas heraus tragen und anderswo verbergen könnte.

Den 11. März wurden noch einige Häuser, in welchen es gestern nicht geschehen war, visitirt, ja man visitirte, wie auch schon gestern geschehen, in einigen Kirchen und aus den Thürmen, das Rathhaus in allen Winkeln, das Archiv blos ausgenommen. Die Feinde hatten auf dem Wendorfer Felde ihre Arbeit, die aus einer Batterie und 2 Redouten bestand, fertig gemacht und mit einer Communications-Linie zusammen gehängt und

den 12. März fingen sie sogleich mit anbrechendem Tage an aus 2 Kanonen, die sie die Nacht hindurch auf ihre -Batterie gebracht hatten, auf unsere Schiffe zu schießen, welche dadurch sich zu retiriren genöthigt waren. Ja wenn die Feinde nur irgend ein Boot fahren sahen, so waren sie mit ihrem Geschütz parat, wie denn auch um Mittag einem Stralsundischen Schiffer, der den König im Decbr. von Stralsund nach Ystadt überbrachte und bald darauf mit dem Transport zu Wismar angekommen war, jetzt aber mit einem Capitän und einem andern Schiffer nach dem Wallfisch fuhr das Eis zu recognosciren, der linke Arm abgeschossen wurde, woran er am 14. d. starb und den 19. öffentlich in der Nicolai-Kirche begraben wurde. Gegen Abend suchte das vorgestern angekommene Packetboot wieder weg zu kommen, es mußte aber bald wieder umkehren, weil sich viele feindliche Caper in der See befanden. Noch des Abends ward ein Prahm mit Kanonen besetzt und bei den Pfählen hinaus gelegt, von welchen wie auch von dem Wall die Nacht hindurch beim Mondschein auf der Feinde Werk kanonirt wurde; gegen Morgen aber kam der Prahm wieder herein.

Den 13. März wurde, weil die Feinde sich mit ihrer Arbeit auf dem Wendorfer Felde gegen das Wasser an dem sogenannten Steinort gar nahe herunter zogen, von den Bastionen Gustavus I. und Steenbock ziemlich oft aber fast ohne Effect auf sie kanonirt. Gegen Mittag wurden unter fallendem heftigen Schnee 2 sechspfündige Kanonen aus dem Poeler Thor nach der früheren Ziegelscheune gebracht und nachher daraus unter die Feinde gefeuert, welche sich in aller Eile retirirten, doch nach und nach wieder kamen. Gegen Abend wurden die Kanonen von der Ziegelei wieder herein geführt. Heute ward die Commission, welche den 8. März des Viehes wegen begann, fortgesetzt, und denjenigen, welche auf die folgende Woche Pferde zum Schlachten liefern sollten, dasselbe angesagt. Auch mußten die Schlachter vor dieser Cornmission anzeigen, wie viel Vieh sie hätten und wer nichts hatte, dem sollte aus der Bürgerschaft für einen gewissen Preis eine Kuh zum Schlachten geliefert werden; der Preis des Fleisches wurde für das beste Pfund auf 4ßl., das schlechtere aus 3 ½ ßl. gestempelten Geldes gesetzt, wovon die 6 Pf. den Schlachtern, das übrige aber den Eigentümern, nebst der Haut und anderer Abnützung, zufallen sollte.

Den 14. März ward von den Bastionen Cprus, Gustavus I., Königsmarck und Steenbock, wie auch von der Ziegelei stark gefeuert, wodurch die Feinde den Tag über an ihrer Arbeit einigermaßen gehindert wurden, doch ersetzten sie dieses durch ihre Arbeit des Nachts; sie schossen auch heute schon einigemal mit 12pfündigen Kugeln nach der Ziegelei herüber auf die Unsrigen. Ein brandenburgischer Trompeter brachte Geld für ihre Gefangenen, mit welchem ihnen aber wenig gedient war, weil sie für Geld nichts mehr zu kaufen bekommen konnten; auch brachte ein Tambour aus der Stadt Briefe ins brandenburgische Lager. Heute war auch eine große Versammlung von Militär- und andern Personen, wozu auch der Hr. Superintendent gezogen ward, in des Generalmajors Hause. Der Generalmajor als Präsident urgirte unter andern, daß die Einwohner der Stadt durch ein Jurament bekräftigen sollten, daß sie bei der gehaltenen Visitation alle Victualien richtig angegeben haben. Es ward auch in Proposition gebracht, ein allgemeines Magazin zn errichten und allen Vorrath ohne Unterschied dahin zusammen zu bringen, zu welchem 3 Schlüssel, wovon einen der Generalmajor, den andern einer aus dem Nach und den dritten ein Bürger-Worthalter in Verwahrung hätte, gemacht werden sollten, und es sollte hiernächst durch gewisse Deputirte einem Jeden täglich das nöthige gereicht werden. Des Eides wegen gab es aber harte Debatten und widersprach diesem besonders der Hr. Superintendent, welcher auch hernach eine Schrift aufsetzte und in der anderweitigen Versammlung am 16. März veröffentlichte. Es ward darauf der Eid zurück gesetzt und die Schrift des Superintendenten vom Rev. Ministerio den 17. d. unterschrieben.

Den 15. März machten sich die Unsrigen (ob es gleich Sonntag war) mit 4 Kanonen wieder hinauf nach der Ziegelei, um den Feind an seiner Arbeit auf dem Stein-Ort zu hindert, allein dieser war in der vergangenen Nacht damit bereits fertig geworden und schoß, sobald er die Unsrigen merkte, auf sie, daher sie sich nach kurzer Frist wieder herein retiriren mußten. Von den obigen Bastionen aber ward indessen auf die feindlichen Werke bis gegen 4 Uhr Abends ziemlich scharf kanonirt, wo dann Ordre ertheilt wurde, mit dem Schießen einzuhalten, weil man wohl merkte, daß man dem Feind, der sich schon tief genug vergraben hatte, wenig oder gar keinen Schaden thun konnte.

Den 16. März wurden 23 Pferde, welche die Bauleute liefern mußten, von der Miliz geschlachtet. Jetzt ward eine geheime oder genauere Commission von 5 Personen, namentlich von dem Obersten Witting, Assessor von der Lieth, Bürgermeister Gröning, dem Land-Rentmeister und Henrich Bruning, zur genauen Durchsicht der bei der vorigen Visitation abgegebenen Zettel gebildet, um daraus zu calculiren, wie lange man noch mit dem Vorrath reichen könnte. Der Vorschlag wegen eines allgemeinen Magazins cessirte jetzt. Diese Commission sollte indessen Fürsorge tragen, daß Einer mit dem Andern erhalten würde und also veranstalten, daß den Nothleidenden von Andern von ihrem Vorrath etwas abgegeben würde. Der General-Major erklärte sich auch, diesen 5 Herren, damit sie sich in der Calculation darnach richten konnten, den Vorrath in den Magazinen zeigen zu lassen, jedoch gegen eidliche Verbindung, keinem Menschen solches zu entdecken, damit es nicht verrathen und die Noth kund würde. Die Preußen machten nunmehr einen Anfang vor dem Poeler Thor auf dem Haffelde, um so an der andern Seite des Hafens zu arbeiten, wohin aus der Stadt kanonirt ward. Noch brachte heute ein brandenburgischer Trompeter Briefe an den Generalmajor, wie auch etwas Geld für die brandenburgischen Gefangenen.

Den 17. März nahm vorgedachte geheime oder genauere Commission ihren Anfang in der kleinen Bürgermeisterstube auf dem Rathhause. Noch wurden 2 Pferde von den Bauleuten heute geschlachtet, auch schlachtete ein Marketender eins für sich. Von 8 Uhr Abends bis 2 Uhr Nachts, also bei 6 Stunden, ward ein sehr helles Phänomen oder Wolkenlicht am Himmel gesehen, welches auch in sehr vielen andern Ländern bemerkt ward.

Den 18. März Abends ward ein Prahm mit Holz beladen nach dem Wallfisch gesandt und zu dessen Bedeckung ein Commando von 18 Dragonern und 50 Musketieren bei der Ziegelscheune vor bem Poeler-Ther postirt, welches hernach wieder herein rückte. Auch ist bes Abends der General-Adjutant Bock vom Wallfisch abgegangen, um nach Schonen über zu gehen.
Den 19. März ward die große Commission in des Generalmajors Hause wieder gehalten, und darin beschlossen und festgesetzt, wie sämmtliche Einwohner der Stabt, welche in 3 Classen getheilt wurden, bei dem eingesperrten Zustand ber Stadt jetzt von ihrem etwaigen Vorrath haushalten sollten. Denen, die mit allerhand Victualien auf eine gute Zeit sich verproviantirt hatten, ward täglich für ihre oder der ihrigen Person 1 Pfund Brod oder Mehl, 1 Pf. Fleisch, Speck ober Fisch und 1 viertel Pf. Grütze oder Erbsen, für ihr Gesinde aber anderthalb Pf. Brod, ein halb Pf. Fleisch und 1 viertel Pf. Grütze ober Erbsen zugestanden; denen, die außer Mehl und Korn keine anderen Victualien vorräthig hatten, ward 1 viertel Pfund Mehl oder Brod, und denen, die gar nicht verproviantirt waren, 3 viertel Pfund an Brod auf die Person täglich gerechnet.

Den 20. März näherten sich die Preußen alles Kanonirens ungeachtet der früheren Ziegelei vor dem Poeler Thor gar merklich. Durch die Bürgermeisterdiener ward heute allen und jeden Einwohnern angesagt und befohlen, von ihren Victualien sparsam zu leben, auch ohne obrigkeitlichen Consens nichts von denselben zu verkaufen, weil von dem Tage der General-Visitation Rechnung darüber gefordert werden sollte. Der hannöversche Generalmajor von Pentz schickte ein Reh nebst einem Brief an den Generalmajor herein.

Den 21. März des Morgens vernahm man, daß gestern Abenb der General-Adjutant Bock zum andernmal an dem Wallfisch wegen der in der See befindlichen feindlichen Caper, wieder angekommen ist. Heute ward das gedruckte Reglement, wie jetzt die Haushaltung zu führen sei, den Herren des Tribunals, desgleichen den Membris Rev. Ministerii eingehändigt und von legtern zugleich nomine der großen Commission verlangt, morgenden Tages (in den Sonntags-Prebigten) die Zuhörer deswegen zu informiren und denselben 1) vorzustellen, sich dieses Reglement wohl gefallen zu lassen und bei jetziger Noth sich darnach zu richten, weil damit nichts anberes intendirt würde, als aller und jeder Conservation. 2) Weil für die Armen, die nichts an Brodkorn hätten, auch bei diesen Zeiten nichts erkaufen könnten, eine Collecte sollte angestellt werben, an Geld oder Victualien mildthätig beizutragen, damit diese armen Leute nicht ganz verschmachten müßten. 3) Die Armen besonders zu ermahnen, diese Fürsorge mit Dank anzunehmen, des Bettelngehens sich gänzlich zu enthalten, weil Niemanden erlaubt ist, das Reglement zu überschreiten und anderwärts für sie gesorgt werden sollte.

Den 22. März leisteten sämmtliche Prediger Vor- und Nachmittags obigem Verlangen Folge. Den Bürgern und andern Einwohnern aber wurde heute durch die Bürgermeisterdiener das gedruckte Reglement eingerichtet. Die Feinde anvancirten an dem Graß-Ort und man merkte, daß sie dort eine Batterie aufzuwerfen anfingen, worauf einigemal auf sie gefeuert wurde.

Den 23. März kamen die Feinde mit ihrer Arbeit schon ganz bis an den Brennofen der ehemaligen Ziegelei vor dem Poeler Thor. Es wurde nicht nur von den Bastionen Königsmark und Steenbock auf sie kanonirt und aus 2 Mörsern und 2 Haubigen Granaten hinaus geworfen, sondern es mußten auch einige mit Kanonen versehene Schiffe sich am Ende des Bollwerks in dem Hafen legen und ebenfalls auf sie feuern. Vor dem Lübschen Thor aber schossen die Feinde aus ihrer Batterie, wiewohl ohne Schaden, auf diese Schiffe und die andern am Poeler Thor schossen auch schon einigemal von ihrer Schanze auf unsere Werke. In der Stadt wurden einige 30 Pferde für die Miliz geschlachtet, für die kranken Soldaten aber 2 Kühe. In der Nacht wurden einige Soldatenhäuser, in welchen man etwas Victualien vermuthete, visitirt.

Den 24. März wurden noch andere Häuser, in welchen verheiratete Soldaten wohnten, durchgesucht und dabei den Männern angedeutet, wenn sie für ihre Weiber nichts zu leben hätten, so sollten sie sich melden, und man wolle ihnen für Geld täglich 3 viertel Pfund Brod auf ein Weib zukommen lassen. Diejenigen, welche noch einen Transport aus Schweden vermutheten, sahen sehr begierig nach denselben aus, denn der Wind war 4 bis 5 Tage beständig nördlich gewesen. Auf die feindlichen Arbeiter am Strande ward heute sehr stark geschossen. Auch ward heute auf obrigkeitliche Anordnung durch 2 Bürger und einen Bürgermeisterdiener eine Collecte für die Armen durch die ganze Stadt in allen drei Kirchspielen veranstaltet, um ihrer Noth zu Hülfe zu kommen und das Gassenbetteln zu hindern. Was ein Jeder an Geld oder Victualien gab, ward von ihm in ein dazu offerirtes Buch eingeschrieben. Die Bauleute mußten heute noch 2 Pferde zum Schlachten hergeben.

Den 25. März ward sowohl Morgens frühe von 1 bis gegen 4 Uhr, als des Abends die ganze Nacht hindurch häufig auf die feindlichen Werke geschossen, weil die Feinde auf dem Wasser etwas vorhatten, wie denn die Hannöverschen an dem Stein-Ort viele Böte zusammen gebracht hatten, und man wollte wissen, daß sie entweder Kisten in den Hafen zu senken, oder auch Pfähle einzusetzen und den Hafen mit Ketten zu sperren gesonnen seien. Von dem Wallfisch ab wollte man die sogenannten Pricken aussetzen, aber die Feinde hinderten solches durch ihr Geschoß, indessen hatte der General-Adjutant heute zum drittenmal von dem Wallfisch ab seine Reise nach Schweden angetreten.

Den 26. März kanonirte man stark auf die feindlichen Werke bei dem Graß-Ort, doch diese waren nun schon so weit fertig, daß sie etwas Geschütz aufführten, aus welchem sie auf unsere Schiffe feuerten; es wurde einem Soldaten auf dem einen Schiffe der linke Arm halb abgeschossen und die Schiffe mußten sich retiriren. Die Preußen schossen auch aus ihrer Schanze einigemal auf unsere Werke, aber ohne Schaden. Nachmittag gingen 17 Oberoffiziere, 5 Unteroffiziere und einige Dragoner, alle zu Pferde, aus dem Poeler Thor, die feindliche Feldwache zu allarmiren. Sobald die Feinde die Unsrigen gewahr wurden, kamen einige Escadronen, wie auch 50 Mann zu Fuß auf sie an, chargirten eine Zeitlang miteinander, bis die Unsrigen, weil der Feinde gar zu viel waren, sich retirirten. Aus dem Zeughofe wurden einige Sachen, als Picken, Flinten, Partisanen, Laffetten zerschlagen und zerbrochen und das Eisenwerck davon den Bürgern feil geboten. Der Generalmajor, welcher wiederum einige 1000 Rthlr. Geld von der Stadt verlängte, offerirte dafür allerlei Eisen und Metall zu geben oder zu verkaufen. Eine der Krone gehörige Anzahl Ziegelsteine ward den Bauleuten und andern anstatt des Geldes, das sie der geschlachteten Pferde wegen und sonst zu fordern hatten, angeschlagen. Die ehegestern angefangene Collecte ward heute continüirt und absolvirt und es hatte dieselbe in allen drei Kirchspielen 189 Rthlr. 39 ßl. eingetragen, und zwar im Marien-Kirchspiel 110 Rthlr. 10 ßl., im Nicolai-Kirchspiel 27 Rthlr. 5 ßl. und im Georgii-Kirchspiel 32 Rthlt. 32 ßl., wofür Korn gekauft und Brod gebacken und den Armen von der Miliz sowohl als von der Bürgerschaft ausgetheilt werden sollte.

Den 27. März setzten die Feinde ihre Arbeit vor dem Poeler Thor mit allem Fleiße fort und es ward jetzt wenig mehr hinaus geschossen. Die besondere Commission, aus dem Rathhause, bei welcher sich täglich einige 100 Personen, denen es an Brod und Korn mangelte, einfanden, ertheilte einige Assignationen an diejenigen, die noch Vorrath hatten, und sie mußten den Bedürftigen für baare Bezahlung einen oder einen halben Scheffel abfolgen lassen. Ein dänischer Tambour brachte auch noch Briefe an den Generalmajor.

Den 28. März ward den Armen in der Klosterkirche durch diejenigen Bürger, welche bei der Collecte betheiligt waren, von dem Collectirten etwas Brod ausgetheilt und zwar vormittags an die Armen aus der Bürgerschaft, Nachmittags an die von der Miliz; an 629 Personen, worunter 425 Kinder, wurden auf 2 Tage 535 und ein halbes Pfund ausgetheilt, für die Erwachsenen anderthalb, für die Kinder unter 8 Jahren aber 3 Viertelpfund gerechnet; übrigens aber das Betteln vor den Thüren durchgehends verboten. Denen, die noch für Geld etwas kaufen konnten, ward von einigen dazu verordneten Bäckern Brod gebacken und bei 700Pfund, anderthalb Pfund für 2 ßl., verkauft, und es ward mit diesem Backen und Austheilen 3mal die Woche, Dienstag, Donnerstag und Sonnabend, fortgesetzt. Auch wurden heute 8 Kühe in den Schranken ausgehauen, das Pfund 3, auch 3 ½ ßl. Der Generalmajor verlangte nunmehr von der Bürgerschaft noch im ganzen 8000 Rthlr., wofür er allerhand Metall und Eisenwerk offerirte; obgleich nun die Unmöglichkeit vorgeschützt ward, so fand man doch wenig Gehör. Die Feinde recognoscirten in der Nacht den Hafen mit vielen Boten, jedoch wurden im Dunkeln einiger hereingekommene Deserteure nach dem Wallfisch fortgeschafft.

Den 29. März wurde Jedermann in den Hauptpredigten ermahnt, die Assignationen, welche die besondere Kommission drucken ließ, und nach welchen diejenigen, die an Roggen, Weizen, Gerste, Malz etc. noch Vorrath hatten, ein Gewisses an das königl. Magazin, auch anderen Einwohnern, die nicht völlig proviantirt sind, gewisse Scheffel für baare Bezahlung abliefern sollten, gerne und willig anzunehmen. Sonst ward heute nur wenig auf die feindlichen Werke hinaus geschossen.

Den 30. März wurden 38 Pferde für die Miliz geschlachtet, von welcher der Mann nebst 3 Viertelpfund Brod 3 Pf. täglich erhielt; die Assignationen oder Zettel wurden jetzt publicirt und ausgetheilt und das Assignirtr sollte am 1. April ins königl. Magazin geliefert werden. Die Herren von der Proviant - Commission besahen heute alle königl. Kornhäuser, in welchen der Vorrath nur gering gewesen sein sollte. Die Feinde hatten in voriger Nacht einige Pfähle in den Hafen geschlagen und waren also bedacht, denselben zu sperren.

Den 31. März wurde den Armen wieder Brod, jedoch meistens von Malzmehl gebacken, und weil es sich nicht so gut als anderes Mehl ausbacken lassen wollte, nur schlecht aussah, in der Klosterkirche ausgetheilt, als sich aber die Anzahl derselben sehr vermehrte, so konnten Viele davon nicht einmal etwas bekommen. Die Feinde hatten nun mehr Pfähle in den Hafen gesetzt und fuhren am hellen Tage mit ihren Böten in demselben, es wurde zwar einigemal, jedoch ohne Schaden, gefeuert. Vor der Commission auf dem Rathhause waren noch täglich einige 100 Personen, die um Korn baten, von welchen auch einige Assignationen erhielten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar