1. bis 23. April 1716.

Den 1. April ward das Korn oder Mehl nach den gedruckten Assignationen ins königl. Magazin abgeholt, auch 4 bestellte Rustwagen, bei deren jedem 1 Capitän, 2 Bürger, ein Beamter der kön. Kammer (der des Empfanges wegen sogleich quittirte und anzeigte, daß man morgigen Tages von der Kammer das Geld nach dem gesetzten Preise empfangen könne), 1 Kornmesser und einige Soldaten waren. Ehe diese Wagen abfuhren, war der Generalmajor selber auf dem Rathhaus und versicherte, daß alles Ausgelieferte bezahlt und bei etwa aus Schweden ankommenden Proviant einem Jeden wiederum für gleichen Preis, wie es ihm jetzt überlassen wurde, etwas verabfolgt werden sollte. Es wurden indessen bei 5 Last Roggen, Gerste, oder Mehl, auch etwas Malz zusammen gebracht, unter einander gemengt und so gebacken. Im Rathhause waren heute noch weit mehr Leute als sonst, welche zum Theil mit vielen Thränen um Gottes Willen baten, ihnen etwas von Korn für Geld zu assigniren. Ein preußischer Trompeter brachte Geld und Zeug für ihre Gefangenen herein. Abends um 8 Uhr und die folgende ganze Nacht hindurch ward auf die in dem Hafen herumschwärmenden Feinde kanonirt.

Den 2. April Morgens sah man, daß die Preußen an ihrer Seite in der vergangenen Nacht von den äußersten Pfählen oder von dem sogenannten alten Schweben an bis fast an ihre Pfähle ins Wasser gesetzt, weswegen an dem Ort kein Boot mehr passiren konnte, auf der Sparbüchse ward heute ein hoher Baum oder eine Stange aufgerichtet, von welchem man zur Zeit der Noth denen die auf dem Wallfisch waren, ein Zeichen geben wollte. Die Armen bekamen wieder etwas im Schwarzen Kloster, weil aber die Anzahl so groß war und bei 2100 Personen erschienen, so wurde heute nur denen aus der Bürgerschaft, folgenden Tages aber nur denen von der Miliz etwas gereicht.


Den 3. April gegen Abend um 4 Uhr ließ der Generalmajor eine besondere Vsitation in den Bäcker-, Mehlkäufer- und Hackenhäusern anstellen, alles genau durchsuchen, messen, wägen und notiren, doch ward keinem etwas genommen. Bei der Parole ward den Soldaten angesagt, sich auf den in der Nacht zu gebenden Lärmzeichen, Trommeln, Sturmläuten und einen Kanonenschuß alsbald auf ihren angewiesenen Lärmplätzen einzufinden. Auf dem Zeughofe ward je länger je mehr alles so veranstaltet, als wenn alles bald in andere Hände überliefert werden sollte.

Den 4. April Morgens ward man gewahr, daß der Hafen mit aufgerichteten und festgemachten Bäumen ganz geschlossen, außer daß in der Mitte noch ein kleines Loch, wie etwa der Baum, offen war. Gegen Mittag kam E. E. Rath und Bürgerschaft zusammen und resolvirte endlich, an Metall für 8000 Rthlr. anzunehmen; es wurden zu dem Ende alsbald gewisse Assignationen gedruckt und denen, die Geld auszahlen sollten, hiernächst eingeliefert. Die, welche es benöthigten, bekamen vielfältige Assignationen von der Proviant-Commission, wo dann der Scheffel Roggen oder Mehl mit anderthalb Rthlr. bezahlt wurde an gestempeltem Gelde. In den Fleischschranken waren heute 16 Kühe geschlachtet, von welchen das Pf. zu 3 ½ auch 4 ½ ßl. verkauft wurde und waren, zur Verhütung aller Confusion, gewisse Schranken für die Bürgerschaft und andere für die Miliz verordnet. Auch erfuhr man, daß einige 1000 Moskowiter im Anmarsch wären, welche Wismar mit blockiren oder gar belagern wollten. Den Deserteuren, die ehedem herein gekommen waren, gab man jetzt ihren Abschied, um sich so gut sie konnten zu retiriren.

Den 5. April (es war Palmsonntag) nach der letzten Predigt ward in einer Zusammenkunft des Raths und der Bürgerschaft der Preis festgesetzt, wofür das Metall und Eisen anzunehmen wäre, nämlich das Schiffspf. Metall für 58 Rthlr., das Schiffspf. Eisen für 6 auch 5 Rthlr., das Schiffspf. gegossenes Eisen zu 2 Rthlr. Auch ward der Stadt eine Partie Salz für Geld angeschlagen und zwar der Scheffel zu 40 ßl.

Den 6. April wurden 36 Pferde, unter welchen 4 Dragonerpferde waren, geschlachtet. Von heute an wurde das Metall und Eisen auf dem Zeughause den Bürgern nach den Assignationen zugefahren und sie hingegen mußten Geld dafür bezahlen.

Den 7. April und in der Folge suchle sich ein Jeder, weil man merkte, daß die Uebergabe der Stadt nicht weit sein könnte, so gut er konnte, von dem gestempelten Gelde los zu machen. Einige verwechselten es gegen ungestempeltes und gaben 12 bis 16 ßl. auf einen Reichsthlr., Andere kauften dafür in den Krambuden was sie nur irgend nöthig hatten oder bezahlten damit alte Rechnungen und Schulden. Obgleich der Hafen von den Feinden bereits geschlossen war, so kamen doch in der Nacht einige Leute, die ihr Boot über den Baum und die Ketten gehoben hatten, vom Wallfisch herein, woselbst der General-Adjutant Bock aus Schonen wieder angekommen war.

Den 8. April wurden noch 5 Dragonerpferde für die Miliz geschlachtet; auch wurden einige Kühe und anderes Vieh in den Schranken verkauft. Ein dänischer Trompeter wie auch ein feindlicher Tambour brachten Briefe an den Generalmajor. Dagegen ward ein Lieutenant mit einem Tambour aus der Stadt ins feindliche Lager gesandt, welches zu einem Gerücht von einem vorhandenen Accord mit den Feinden Anlaß gab. Weil die Miliz schon wiederum Noth litt, so wurden wiederum einige Assignationen ausgegeben, nach welchen die, die noch etwas Vorrath hatten, einiges davon ins kön. Magazin liefern sollten, welche auch

den 9. April (es war Gründonnerstag) geschah. Ein Offizier ward mit einem Tambour wieder ins Lager gesandt. Die Thore wurden indessen in der Stadt gesperrt und Niemand hinaus gelassen.

Den 10. April wurden gedruckte Zettel einer abermaligen Visitation ausgetheilt. Der eine Loots, der sich bisher auf dem Wallfisch aushalten mußte und aufs Fischen ausgegangen war, ward von den Feinden weggenommen. Auch wurden heute 30 Kühe geschlachtet. In der Nacht kam der General-Adjutant Bock vom Wallfisch in die Stadt herein.

Den 11. April, von 5 Uhr Morgens an, ward eine abermalige Visitation wegen der Victualien durch eben die Personen und auf dieselbe Art wie es bei der vorigen geschah, vorgenommen, es wurde aber überall nur ein ganz geringer Vorrath gefunden. Das Salz in dem kön. Magazin sollte nun das Faß für 10 ßl. verkauft werden.

Den 12. April (es war der erste Ostertag) spielte man die Orgel in den Kirchen wieder, die wegen des Todesfalls der Königl. Frau Großmutter eine Zeitlang nicht gebraucht worden war. Von Krongütern ward heute, wie auch den 13. und 14., an Holz, Stein, Kupfer, Blei etc. viel verkauft. Auch hörte man, daß 14 Bataillons und einige Escadrons Moskowiter vor der Stadt angekommen und die Anzahl der Feinde sich merklich verstärkt hätte.

Den 13. April Nachmittags kam der Hr. von der Lühe zu Pantschau als General-Kriegs-Commissarius mit einem Trompeter und Diener herein, dessen Ankunft man als ein Vorbote eines Accords ansah; er trat bei dem Generalmajor ab, dem Trompeter und Diener aber ward nicht erlaubt auszugehen, oder mit Jemandem, der nicht in des Generalmajors Hause gehörte, zu sprechen; Abends um 6 Uhr gingen sie wieder hinaus. Heute ward auch ein Boot nach dem Wallfisch gesandt.

Den 14. SJpril wurden noch 36 Pferde, die für die Miliz geschlachtet werden sollten, geliefert. Der Herr von der Luhe kam heute mit einem Trompeter und mit einem Brief an das Thor, welchem der General-Adjutant Bock entgegen kam; auch ritten Andere von beiden Seiten ab und zu, weshalb überall von einem Accord gesprochen wurde und einige Collegia mußten schon auf Verlangen des Generalmajors die Punkte, welche sie für sich ausbedingen wollten, einliefern.

Den 15. April wurden 36 Kühe für die Miliz geschlachtet. Der Hr. von der Lühe kam wieder herein, Andere dagegen ritten wieder hinaus und man wollte wissen, daß der Accord wirklich schon angegangen, ja einige Punkte schon richtig wären. Weil nunmehr Niemand das gestempelte Geld mehr annehmen, Andere aber es Manchem wider Willen aufdringen wollten, so war dieserhalb viel Lärm. Die hereingekommenen Deserteure retirirten sich so gut sie konnten.

Den 16. April hielten sich einige vornehme Offiziere in der Stadt ganz fertig nach dem Lager zu gehen und die Tractate wegen eines Accords anzufangen, auch erwartete man von feindlicher Seite wieder einige, allein diese blieben zurück, weil die angekommenen Moskowiter der Tractate wegen allerlei Schwierigkeiten machten. Des Abends um 6 Uhr kam endlich der Hr. von der Lühe wieder herein und ritt um 9 Uhr wieder weg; man konnte eigentlich nicht erfahren was passirte; indessen ward der Miliz diesen Abend angesagt, des Nachts in den Kleidern zu bleiben. Auch wurden noch 40 Kühe, welche die Eigenthümer gerne behalten und mit Geld bezahlt hätten, für die Miliz geschlachtet.

Den 17. April des Morgens früh ward der Bürgerschaft im Namen des Raths angesagt, sich des gestempelten Geldes nicht zu weigern, bis es öffentlich abgesetzt; doch waren dieserhalb viele Unordnungen. Heute sind noch 27 Kühe geschlachtet worden. Auch waren einige Obersten ins Lager gegangen, nachdem ein dänischer Tambour Briefe an den Generalmajor gebracht hatte. Abend um 8 Uhr kam der Hr. von der Lühe ins Lübsche -Chor und ritt gegen Morgen wieder weg. Die Dragoner mußten ihre Pferde, welche sie etwa noch hatten, heute den Offizieren hergeben, die sich derselben beim Abzuge ihrer Bagage bedienen wollten; Sattel, Pistolen und dergl. ward ihnen zu verkaufen frei gegeben.

Den 18 April war wenig Fleisch in den Scharren weil das meiste, das gestern geschlachtet wurde, nachdem es gewogen war, der Miliz zugestellt werden mußte, doch wurden noch 8 Kühe geschlachtet. Um Mittag, ritten der Oberst Fürstenberg, der Oberst Lagerberg und der Ober-Auditor ins Lager hinaus, und es ging die Rede, daß heute der Accord mit der Stadt geschlossen werden würde. Heute Abend ward die geheime Commission, welche des Proviants wegen bisher auf dem Rathhause gehalten worden war, geendigt, weil nunmehr aller Proviant consumirt war. Diese Woche sollten bei 200 Mann, meistens mit voller Montour, und wie man meinte, mit gutem Willen desertirt sein.

Den 19. April des Morgens sehr früh kamen 2 Trompeter herein, wovon einer, nebst unsern Gen.-Adjut. nach dem Wallfisch ging; gegen 6 Uhr kamen die Hrn. Obersten mit dem Hrn. von der Lühe herein, ritten aber bald wieder hinaus, sie hatten die Accordspuncte dem Generalmaj. zur Subscription herein gebracht. Gegen Abend ließ der Generalmajor einige Hrn. des Raths zu sich bitten und zeigte ihnen nicht allein an, daß der Accord wirklich getroffen, sondern ließ ihnen auch die Accordspuncte vorlesen. So gerne man auch gesehen hätte, daß Jemand im Namen der Stadt bei dem Accord gewesen wäre, so hatte man solches doch nicht erhalten können

Den 20. April Morgens um 5 Uhr rückten die Dänen und die Hannoveraner heran, die Moskowiter wollten zwar die Stadt durch Gewalt mit besetzen, mußten aber endlich, als besonders die Hannöverschen Miene machten sich ihnen zu widersetzen, zurück bleiben, da denn die Dänen und die Hannöverschen die Außenwerke vor dem Lübschen Thor bis am innern Schlagbaum besetzen.

Den 21. April kam schon etwas Zufuhr von Brod, Mehl, Bier und andern Victualien.

Den 22. April ward das Zeughaus und was noch auf dem Zeughof und den Wällen war, den Alliirten nach dem gemachten Inventarium abgeliefert. Um Mittag ward der Wallfisch den Dänen eingeräumt, die darin gelegenen schwedischen Soldaten wurden mit Böten herein gebracht, der Hafen aber, welcher bisher gesperrt gewesen war, wurde sogleich geöffnet und es kamen schon einige Schiffe mit Waaren herein. Von Seiten der Stadt waren einige Herren im Lager, bei der dortigen Generalität zum Besten der Stadt dieses oder jenes auszuwirken, was ihnen zum Theil auch gelang.

Den 23. April des Morgens früh besetzten die Alliirten alle Posten auf den Wällen und in der Stadt. Die bisherige schwedische Garnison, welche außer einigen Kranken in etwa 3000 Mann bestand, versammelte sich auf dem Markte und zog um 9 Uhr mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen zum Lübschen Thor hinaus. Diejenigen, welche nach Schweden transportirt werden sollten, gingen voran und waren die besten, welche man aus allen Regimentern heraus genommen hatte; sodann folgten die noch übrigen wenigen Dragoner zu Fuße, nebst denen kamen die, welche als Kriegsgefangene angenommen werden sollten, Deutsche und Schweden Compagnieweise durch einander. Die von der Artillerie und Fortification beschlossen nebst einigen Bagagewägen den Marsch. Zuletzt ritt der Generalmajor nebst einigen von den Seinigen zu Pferde nach. Nachmittags um 3 Uhr marschirten die Alliirten, und zwar von jeden 2 Bataillons, mit großer Pracht herein und bekamen sogleich Quartier. Und so hatte auch diese Blockade ein Ende.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar