Oktober 1711

Den 1. Oktober, Nachmittags, erfuhr man in der Stadt, daß die Dänen vor Wismar ihre bei Carow aufgeworfenen Schnitzen einzuwerfen anfingen. Desgleichen kamen Einige von der Frei-Kompagnie, welche gegen acht Tage auogeweseii, wieder; sie hatten aller Orten gestreift, waren 35 Manu stark ausgegangen, aber so zerstreut in den Morästen stecken geblieben und sonst von einander abgekommen, daß jetzt nur 15 Mann wiederkehrten, doch kamen die übrigen 20 den 5. dito nach.

Den 2. Oktober sah man, von dem Marianischen Thurm insonderheit, daß die Dänen ihr Lager aufgehoben und im Marsch begriffen, allein man merkte weiter hernach, daß sie von Lübau bis Mecklenburg sich wieder gesetzt und also ihr Lager nur verändert hätten. Die Unserigen warfen an dem Bach bei der Clütz-Mühle an beiden Seiten etwas von Brustwehren auf, den Dänen die Passage über den Bach zu hindern. Von des Hrn. Bürgermeister Rathken Hof, und andern Orten, ward heute viel Fourage hereingebracht, welches hinter der Koggenau in Mieten gesetzt wurde.


Den 3. Oktober sandte der Hr. General-Lieutenant Rantzaw, welcher im dänischen Lager kommandirte, einen Obersten gleichen Namens an das Thor, welcher mit unserm Hrn. Vice-Gouverneur redete, und zwar anfänglich von der Leiche des in der Stadt verstorbenen und beigesetzten dänischen Oberst-Lieutenants, um deren Auslieferung, nach erlegten Unkosten, angehalten wurde; denn auch von Bestellung des Ackerbaues, und daß selbiger von beiden Seiten nicht möchte oder sollte gehindert werden; imgleichen von denen den 23. September überkommenen Gefangenen und deren Auswechselung. Ja man wollte aus der gehaltenen Unterredung so viel schließen, daß der dänische Oberst, was die Ihrigen bisher von Feindseligkeiten ausgeübt, improbirt, die Loslassung der gefangenen Bürger zugesagt, und gar zu erkennen gegeben, man würde in Zukunft von ihrer Seite keine Feindseligkeiten weiter verüben, in der Hoffnung, daß man von dieser Seite sich auch friedlich erweisen würde. Die Deserteurs, deren bisher täglich drei oder vier angekommen, stellten sich nun so häufig wieder ein, daß täglich zehn bis zwölf ankamen, so daß bis diesen Tag ihrer in allen bis acht Hundert gezählt worden, da doch von der Wismarischen Garnison bisher kaum drei oder vier desertirt.

Den 4. Oktober schossen die Dänen aus ihrem Schiff bei Poel wacker, ließen die Wimpfel wehen, und machten sich lustig, ohne daß man erfahren konnte, warum es geschehen; man muthmaßete, daß andere dänische Schiffe vorbeigesegelt wären. Aus den Aemtern Grevis-Mühlen und Buckau waren jetzt der ausgeschriebenen Fourage wegen einige Leute in Wismar, welche vernehmen wollten, wie es damit eigentlich sollte gehalten werden.

Den 5. Oktober kamen die den 7. September gefangen genommene Wismarische Bauleute, nebst einem Unteroffizier, welchen die Dänen den 18. September weggenommen, wieder; sie waren aus einer Scheune, in welcher sie bewacht worden, entflohen. Sonst kamen heute noch zwanzig Deserteure an. Ein dänischer Trompeter, welcher an’s Thor kam, versicherte, daß der Ackerbau, wie oben gedacht, ungehindert sollte bestellt werden.

Den 5t. Oktober verlangte der Hr. Vice-Gouverneur einen Ersatz von Pferden und Hornvieh, so viel in der Stadt bei den Bürgern vorhanden. Ein Tambour ward hinausgesandt, anzuzeigen, daß man der Gefangenen Auswechselung sich gefallen ließ. Es wurden etwa 50 Mann, unter dem Kapitän Schmidt, nach Clüß gesandt, den dänischen Schiffskapitän, von welchem man wußte, daß er last täglich mit 15 oder 20 Mann von seinem Schiff dort an’s Land trete, sich entweder daselbst zu divertiren, oder einige Nothwendigkeiten zu holen, aufzupassen; allein sie kamen unverrichteter Sache wieder. An Fourage ward noch immer mehr hereingeschleppt.

Den 7. Oktober geschah die Auswechselung der Gefangenen bei der Flinkers-Mühle; ein schwedischer Sergeant ward gegen einen dänischen Trompeter, und neun gemeine Schweden gegen so viel Dänen ausgewechselt. E. E. Rath erklärte sich heute, bei gegenwärtigen sehr schweren Zeiten, der Bürgerschaft zu Liebe, zu der noch nicht untergebrachten Dragoner-Einquartierung monatlich 50 Rthlr. beizutragen, doch mit der ausdrücklichen Bedingung, daß solches in keine Konsequenz sollte gezogen werden. In den öffentlichen Zeitungen schrieb man, daß an diesem Tage die Wismarischen zwei Ausfälle gethan, und beide Mal repusirt worden, welches aber eine vollkommene Unwahrheit gewesen.

Den 8. Oktober kam der Schlachter, welchen die Dänen den 7. September bei Greds weggenommen, auch wieder; er war gewissermaßen echappirt, und man vernahm, daß die Dänen bei seiner Flucht ihm drei Reiter nachgeschickt, diese aber, anstatt daß sie den andern wieder zurückholen sollten, kamen selbst herein. Bei der Vogelstange hatten die Dänen einige Pferde weggeholt, mit denen man auf dem Acker gearbeitet, da aber der Ackerbau frei gegeben, sandten die Dänen die Pferde wieder, aber auch diejenigen, welche selbige herbrachten, hatten keine Lust wieder nach dem Lager, sondern desertirten nach der Stadt. Desgleichen fouragirten die Unserigen zu Stavin, denen man eine Bedeckung, und bei derselben 14 Stücke aus der Stadt mitgegeben. Aber die Dänen ließen die Fouragiere unbelästigt.

Den 9. Oktober fing das Wasser in der alten Kunst wieder an zu laufen, ein dänischer Trompeter ward mit dem Hrn. Generalmajor zu reden, herein gesandt. Von Poel kam heute, insonderheit in einem großen Prahm viel Fourage herein. Bei der Clütz-Mühle charmuzirten beiderseits Torwachen aus einander, doch ohne Schaden. Jetzt ging die Lieferung des Korns aus dem Lande nach des Hrn. Vice-Gouverneurs geschehenem Ausschreiben wirklich an.

Den 10. Oktober war der gestern herein gekommene Trompeter, wieder abgefertigt, er hatte 1) wegen eines noch im dänischen Lager gefangenen Bürgers etwas vorgetragen, nämlich es sollte unter E. E. Rathsiegel verificirt werden, daß er ein Bürger wäre und darnächst gehalten sein, sich auf Begehren Ihro Königl. Majestät von Dänemark, wieder zu sistiren, so wollte man ihn frei lassen. 2) Einen Paß für des Hrn. General-Lieutenant Rantzaw Gemahlin (welche aus Rostock nach dem Lager vor Wismar kommen wollte) begehrt, welchen er auch erhalten. 3) Mit den Feindseligkeiten einzuhalten, vorgeschlagen, worauf man ihm zur Antwort gegeben, man würde sich nach den Dänen richten, und ebenso friedlich, als sie, sich verhalten, sonst aber Gewalt mit Gewalt vertreiben. - Das Rostocksche Schiff, welches die Unserigen am 12. September bekommen, ward heute wieder frei gegeben sammt den darin vorhandenen Waaren, zwar solches nicht nur auf Anhalten der Stadt Rostock, sondern auch der mit interessirten Lübeckschen Kaufleute, die wirklich nach Wismar kamen. Dasjenige, was herausgenommen, ward baar bezahlt, wie denn der Kommandant auf dem Wallfisch allein 105 Mark hergegeben für das, was er bekommen. Was noch von Waaren übrig, ward in Wismar für baar Geld verkauft. Auch heute wurden von einer streifenden dänischen Partei sechs Pferde nebst einem Knecht bei der Vogelstange von dem Pflug weggenommen; wie aber die Leute in der Stadt solches klagten, ward ein Tambour hinausgesandt, solche zu reklamiren, welchem sie auch sogleich wieder zugestellt wurden.

Den 11. Oktober kamen gegen 20 Deserteure herein, welche aussagten, daß in dem dänischen Lager alles theuer wäre, weswegen sie zu desertiren genöthigt würden, ja sie wollten versichern, daß zuweilen ganze Partheien, welche aus dem Lager gesandt würden, weggingen, die Angekommenen nahmen größtenteils Pässe in der Stadt und gingen weiter. Nachmittags kam ein dänischer Trompeter vor das Thor eines dänischen Kapitäns wegen, welchem sein Knecht mit etwas Geld und zwei Pferden weggegangen, und die Pferde in der Stadt für 24 Rthlr. verkauft; der Trompeter brachte das Geld mit und verlangte die Pferde, welche er auch erhielt, aber das Geld, welches der Knecht mitgenommen, war schon verzehrt, und also nicht wieder zu erhalten. Der Knecht war ein geborener Schwede und wie er sagte, früher auf Schonen gefangen genommen, und jetzt unter dem National-Regiment wieder Dienste ge-nominell.

Den 12. Oktober ward eine große Menge Häxel von Poel hereingebracht, und am Wasser in den Schiffen, die doch ledig an der Brücke lagen, geladen. Auch ward Triwalik gänzlich abgebrannt, und alles was bisher noch übrig, völlig ruinirt.

Den 13. Oktober kam ein Paquet-Boot aus Pommern, mit Nachricht, daß dort etwas von Transport angekommen. Ein Rostockscher Bürger, welcher von dem dortigen dänischen Kommandanten dem Hrn. Grafen Sponeck, an den Hrn. General-Lieutenant Rantzawen vor Wismar einige Briefe überbringen sollte, ward mit den Briefen hereingebracht. Desgleichen kam der obgemeldete Brauer, aus dem dänischen Lager, wieder in die Stadt. Er war nach der am 10. genommenen Abrede, dimittirt worden.

Den 14. Oktober kam eine Parthei, die acht Tage ausgewesen, wieder, und hatte nichts ausrichten können, weil sie von den Bauern hin und wieder verrathen worden. Heute ist ein Dragoner aus der Stadt zu den Dänen übergegangen, welcher von den Dragonern, so viel man weiß, der aller erste gewesen, der desertirt.

Den 15. Oktober haben die Unserigen abermals zu Stevin fouragirt, unter einer Eskorde von Reitern und Fußvolk, welche acht Kanonen bei sich hatten, welche auf dem Galgenberg postirt waren. Die Dänen ließen sich anfänglich ziemlich stark sehen, so, daß wohl neun oder zehn Eskadrons zum Vorschein kamen. Sobald sie aber merkten, daß Kanonen vorhanden wären, gingen sie wieder zurück. In dem Wismarischen Hafen haben die von dem dänischen Schiff ein Boot mit zwei Personen aus der Stadt (welche Sand holen wollten) weggenommen. Sie bekamen noch zwei andere Wismarische Boote, aber die Leute waren aus demselben an’s Land geflohen und entkommen. Man merkte noch mehr dänische Schiffe bei Poel und auch, bei Garz, daher man muthmaßen mußte, daß die Dänen die Correspondence, welche bisher zu Wasser noch offen gewesen, zu hemmen trachten würden. Doch diese Schiffe haben sich hernach wieder verloren und ist die Correspondence offen geblieben.

Den 16. Oktober zogen die Leute, welche von der Walk- und Papiermühle bei Ankunft der Dänen hereingeflüchtet, wieder hinaus nach ihren Mühlen, und zwar auf Begehren des Hrn. General-Lieutenant Rantzaw, welcher zu erkennen gegeben, wenn sie nicht wieder kämen, würden ihre Mühlen von der Marode ruinirt werden, da er denn solches weiter nicht verhindern könnte, oder wollte. Doch sie kamen bald wieder und berichteten, es stand draußen so übel, daß sie ihre Häuser nicht bewohnen könnten. Aus dem dänischen Lager kam heute ein Tambour mit einem Lieutenant an und ersuchte, die Leiche des Oberst-Lieutenants Pottendorf, wenn man kommen würde, sie abzuholen, folgen zulassen, welches zugestanden ward; auch wurde ein Paß, den man im Namen des Hrn. Brigadiers Bülow verlangt, mitgegeben. Aus der Stadt desertirten zwei Franzosen von der Infanterie.

Den 17. Oktober kamen von der Frei-Kompagnie einige, welche ausgewesen, mit zwanzig dänischen Pferden und einem Marquetenter wieder zurück. Von der Ankunft der Dänen vor Wismar bis auf heute, waren in allen 1034 Deserteure, sowohl von der Kavallerie als Infanterie, in die Stadt gekommen.

Den 18. Oktober und hernach, ward nach dem geschehenen Ausschreiben des Hrn. Vice-Gouverneurs die Zufuhr aus dem Mecklenburgischen nach der Stadt fleißig coutinuirt, ohnerachtet die Dänen alle Mühe anwandten, solches zu verhindern, und der dänische commandirende General es, wie man hörte, durch ein Gegen-Schreiben den Mecklenburgischen verbieten lassen. Sonst spürte man nun in der Stadt immer mehr Vorrath am Wasser wieder, als vorhin gewesen.

Den 20. Oktober brachte eine Partei, welche auskommandirt gewesen, ihren Partisan gebunden mit zurück, weil er in’s dänische Lager gegangen und die ganze Parthei an die Dänen hatte liefern wollen. Der Gebundene war dabei so geprügelt, daß er kaum einem Menschen ähnlich sah.

Den 22. Oktober kamen anfänglich vier, nachher noch vier dänische Reiter, welche einstimmig aussagten, daß aus dem Lager vor Wismar 800 Mann von der Kavallerie nach Pommern marschirt, imgleichen daß die Dänen vor Stralsund, da sie auf Rügen landen wollten, derbe Stöße bekommen.

Den 23. Oktober kamen wieder drei Deserteure von der Kavallerie, sie brachten einen Bauerknecht mit, welcher etwas von Apotheker-Sachen bei sich hatte. Diesen Knecht hatten sie gezwungen, ihnen den Weg nach Wismar zu zeigen, aber er hatte sie unvermerkt nach dem dänischen Lager geführt, und war nicht mehr weit davon gewesen; da dieses die Deserteure gemerkt, hatten sie ihn gezwungen, sie nicht nur den rechten Weg nach der Stadt zu führen, sondern auch mit in die Stadt zu reiten. Er war von dem Hrn. Vice-Gouverneur scharf examirnirt, aber endlich wieder losgelassen, nur ward ihm sein Pferd sammt den übrigen Sachen genommen, welches aber alles des folgenden Tages einem dänischen Tambour, der deswegen herkam, wieder zugestellt wurde. Eine Wismarische Parthei ertappte noch heute auf dem Wege nach Rostock einige Wagen mit Wein, Gewürz, ja goldenen und silbernen Tressen beladen, welche Wagen aus Altona nach Pommern wollten. Bei den Wagen waren sechs oder acht Juden, von welchen vier, die für die übrigen caviret hatten, eingebracht wurden. Die Wagen selbst hatte man, weil eine dänische Convoie nahe dabei gewesen, nicht mit fortbringen können, indessen waren die Pferde vor denselben ausgespannt, viele Waaren ruinirt, und von den übrigen, so viel man gewollt und gekonnt, mitgenommen.

Den 25. Oktober fand eine Parthei von der Frei-Kompagnie zu Neuenburg ohnweit Wismar zwei mit Wein und Brandwein beladene Wagen, weil aber in dem Kruge eine starke dänische Eskorte war, welche zu dem Wagen gehörte, konnten sie weiter nichts thun, als nur die Strenge abschneiden und die Pferde wegnehmen, deren sie auch 10 einbrachten.

Den 26. Oktober kamen die Fuhrleute, welchen die gestern eingebrachten Pferde zugehörten, und baten um ihre Pferde; aber sie mußten sehen, daß dieselben in der Stadt an den Meistbietenden verkauft wurden. Zwei Wismarische Bürger, welche nach Bukau reisen wollten, wurden heute von den Dänen weggenommen.

Den 28. Oktober ist die Papiermühle von den Dänen gänzlich ruinirt worden.

Den 29. Oktober bekam eine Parthei einen Wagen, welcher von Lübeck nach dem Lager vor Wismar fahren wollte, und mit Wein, Brandwein, Gewürz, Käse und anderen Esswaaren beladen war, wobei ein dänischer sogenannter Stabs-Marketenter war, welcher mit dem Wagen herein mußte; dem Bauer, welchem die Pferde vor dem Wagen zugehörten, gab man dieselbe wieder, das übrige aber behielt man.

Den 30. Oktober haben die Dänen die Grönings- oder Schultzen-Mühle geplündert.

Den 31. Oktober ward den Bürgern angezeigt, daß sie den Dragonern, welchen sie bisher Geld geben mußten, künftighin nichts mehr geben, sondern sie nur blos in Quartier behalten sollten, ja es ward ihnen versprochen, was sie bisher an Geld gegeben, sollte ihnen wieder ge-geben werden, welches denn allen eine höchst angenehme Sache war. Aus der Stadt ward dem Hrn. General-Lieutenant Rantzaw eine halbe Last Tonnen-Bier in sein Quartier gesandt; er hatte zwei Tonnen verlangt, und etwas Kniesenack dagegen wieder in die Stadt fahren zu lassen versprochen, aber ihm ward ein mehreres geliefert. Ja es wurden jetzt einige Sauveguarde-Briefe in Wismar gedruckt, und dem Hrn. General Rantjaw hinaus gesandt, selbige in den Dörfern und auf den Mühlen, dem getroffenen Vergleich nach, auszuteilen, daß es sich ziemlich gut von beiden Seiten ansehen ließ.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar