19. bis 31. Dezember 1711

Den 19. Dezember wurde allen commandirenden Offiziren auf ihren Posten die Defensions-Linien, und wie sie einander secundiren sollten, angewiesen, die Arbeit visitirt und weitere Anordnungen darüber getroffen, desgleichen veranstaltet, wie es bei etwa einfallendem Frost mit dem Aufeisen zu halten sein würde. Aus Rostock erhielt man Nachricht, daß die Dänen aus dem dortigen Zeughause einige Kanonen genommen, desgleichen daß 4000 Moscowiter von Garz in Anmarsch und die Rostocker Garnison gleichfalls hierher beordet wäre, was aber alles nachgehends falsch befunden wurde. Im dänischen Lager ging es heute bei Trompeten- und Paukenschall sehr lustig her, ohne daß man die Ursache, warum Solches geschah, er-fahren konnte.

Den 20. Dezember erließ der General-Major ein schriftliches Reglement an einige choisirte Offiziere. Diese Offiziere waren kommandirt, zur Nachtzeit in den detachirten Außenwerken zu bleiben, bei Tage aber sollten sie von anderen Subalternen abgelöst werden. Der Inhalt der Instruktion war, wie sie ihre Posten verpallisadiren, alles gegen Petarden wohl verwahren, sich in geschlossener Defension setzen und endlich bei einer Attake wohl verhalten sollen. Bei jeder derselben wurden 2 Boote verordnet, welche Tag und Nacht, falls eine Gelegenheit vorfallen sollte, die Wachen und kommandirenden Espions oder Posten aus und einbringen follten, ohne die Zugbrücken zu rühren. Ebenso wurde dem Chef der Posten bei der Windpforte, Sparbüchse, dem Mecklenb., Pöler und Wismarischen Thore schriftliche Listen gegeben, und Specification von aller ihnen zu repartirten Mannschaft von Bürgern und Soldaten, von Artilleristen mit Ammunitions-Sorten, nebst einer Anweisung, wie sie bei Nacht die Feuer-Backen und Windlichter gebrauchen, und wenn ihnen etwas fehle, bei Zeiten solches anmelden und fordern sollen. Es war dabei die Ordre gestellt, daß die Miliz auf den Wachen, Reserve und Piqueten, bei Vermeidung harter Strafe sich nicht anders als verträglich und bescheiden gegen die Bürgerschaft aufführen sollten, welche Ordre hernach öfters wiederholt wurde. Poel verließen die Dänen heute wieder, nachdem sie 400 Rthlr. und 2 Last Hafer davon bekommen hatten.


Den 21. Dezember ward noch ein Expresser über Land mit Briefen nach Stralsund, gesandt, mit wiederholter Vorstellung des hiesigen Züstandes an den königl. hohen Senat, an den Admiral-General, an Graf Steinbock und den General-Lieutenant Dückern. In selbiger Nacht aber arrivirte von Stralsund ein Expresser mit Briefen vom General-Lieutenant Dückern an den hiesigen Vice-Gouverneur, worin wegen des Succurses keine weitere Hoffnung gemacht wurde, als daß derselbe von Carls-Crona kommen müßte. Dieser Expresser berichtete dabei, daß die Feinde seine genommene Route vernichtet, und die Bauern von Dars und Fischland mit Gefängniß und anderen harten Tractamenten übel behandelt, und so starke Wachen ausgesetzt hätten, daß keiner künftig mehr durchkommen könnte, und er selbst mit genauer Noth echappiret. Sonst erfuhr man diesen Abend, daß der General-Lieutenant Rantzow in Schwerin ein gefährlich Patent drucken ließ, worin er die Einwohner dieser Stadt und die Deserteurs theils durch große Versprechungen, theils durch Drohungen zu corrumpiren und aufzuwiegeln intendirte. Hieraus wurde an den Thoren der Befehl ertheilt, daß zukünftig die Wachen keinen mehr aus oder in die Stadt lassen sollten, ohne vorher jeden visitirt und die allenfalls bei sich habenden Briefe zur Erbrechung eingeliefert zu haben. Heute wurden auch die Kaufgesellen, oder junge Kaufleute, unter die Bürgerkompagnien vertheilt, so daß sie von nun an mit auf den Wall gehen mußten. Die noch vorhandenen wenigen Studenten, ebenso die Barbier-Gesellen blieben von dergleichen noch frei.

Den 22. Dezember ward durch den Trommelschlag publicirt, daß alle fremden und unbekannten Personen, desgleichen diejenigen, die sich wegen des bevorstehenden Bombardements aus der Stadt zu retiriren Lust hätten, innerhalb 12 Stunden aus derselben sich begeben möchten, widrigenfalls die ersten als übel Intentionirte confideriret, und gefänglich eingezogen, die andern aber gar nicht mehr herausgelassen werden sollten. Weil auch der Capitain Bülow mit seiner Partei diesen Morgen wieder zurückkam, und bei der dänischen Feldpost, die er mit einbrachte, einen Brief vom General-Lieutenant Devitz an den General-Lieutenant Rantzow gefunden ward, des Inhalts, es wäre seines Königs Wille, daß er die Einwohner allhier theils durch Geschenke, Promessen und Bedrohungen, theils durch Feuereinwerfung wider die Garnison aufbringen und bei eintretendem Frost die Stadt mit dem Degen in der Hand zu ersteigen suchen sollte, so ward selbiges Schreiben zuerst dem königl. hohen Tribunal communicirt, mit dem Ersuchen, seine Autorität bei dem Magistrat und der Bürgerschaft mit Animirung und Zusprechung zu aller Treue zu ernploiren. Darauf kam der General-Major selbst mit dem Landhöffding und Commandanten Baron Possen nach dem Rathhause, stellte daselbst dem ganzen Magistrat und gegenwärtigen Ausschuß der Bürgerschaft die gefährliche Intention unserer Feinde vor, ließ ihnen den intercipirten Brief vorlesen, und gab ihnen auch von dem Placat, so der General-Lieutenant Rantzow zu Schwerin drucken ließ; Part aber führte ihnen dabei zu Gemüthe, wie wenig solche Ränke und Unternehmungen reussiren würden, wenn man nur mit unzertrennter Harmonie in der untertänigsten und pflichtmäßigsten Treu und Devotion bei Ihrer königl. Majestät beharrte, insbesondere da man noch eine Garnison übrig hätte, die bei einem Ueberfall hinlänglich genug wäre, wenn man nur rechtschaffen beitreten wolle. Das Bombardement würde bei ihnen anfänglich einigen Schrecken machen, nach Verlauf einiger Tage aber würden sie es gewohnt werden, und bemerken, daß es an den Häusern zwar einigen Schaden thun dürfe, so ihnen von Ihrer königl. Majestät reichlich würde ersetzt werden, vor Menschen aber würde keine sonderliche Gefahr sein, daß sie auch bisher zwar viele Proben ihrer getreuen Zele ver-spüren lassen, allein daß es bei gegenwärtigen Umständen die rechte Zeit wäre, da der Magistrat sowohl als die Bürgerschaft für alle die Gnaden und Wohlthaten, die Ihre königl. Majestät dieser Stadts, sich auszeichnen könnten, welches der General-Major bei Ihrer königl. Majestät, dem hohen königl. Senat, auch der hohen Generalität, ja bei der ganzen Welt zu rühmen wissen würde: ihnen im Vertrauen zu sagen, so verließ er sich auf ihre Treue und Mannhaftigkeit mehr als ausf den meisten Theil der Soldaten, und wäre dieses die rechte Ursache, warum er die Posten, (weshalb sie sich des Tages vorher doch bei ihm beschwert, und zum Theil Posten prätendirt hätten) mit der Bürgerschaft und Miliz unvermischt gesetzt hätte, damit sie nemlich die andern zu ihrer Pflicht, wenn sie darin wanken würden, mit Güte oder Ernst anhalten könnten. Er nähme Gott zum Zeugen, daß er des festen Vorsatzes wäre, bei ihnen zu leben, mit ihnen zu sterben, und niemals eine Capitulation mit den Feinden einzugehen; würde auch denjenigen, der sich das geringste davon merken lassen würde, als einen Verräther behandeln lassen. Wofern auch Jemand, welch Standes oder Condition er sein möge, das geringste reden oder unternehmen sollte, woraus eine Revolte oder Aufstand erwachsen könnte, den würde er auf der Stelle umbringen lassen, welches er einem jeden wider sich auch frei geben wollte, wenn er in seiner Pflicht wanken sollte. Er warnte schließlich, daß sich keiner mit Annehmung, Lesung, Debitirung oder Verheimlichung der Rantzawischen Patenten abgeben möchte, widrigenfalls die Contravenienten am Leben würden bestraft werden. Nachdem solchem protocollirt, so versicherte der Magistrat sowohl als der Ausschuß der Bürgerschaft einhellig, in ihrer unterthänigsten Treue nimmer zu wanken, sondern Gut und Blut für Ihro Königl. Majestät einzusetzen, welches Versprechen sie auch, wie sie den Nachmittag und des andern Morgens vom Königl. hohen Tribunal vorgefordert worden, wiederholten. Bei dem Hrn. Generalmajor hielten der Rath und die Bürgerschaft indessen an, daß die Schließung der Pforten oder der Thore möge fortgesetzt, und Niemand ein- oder ausgelassen werden, welches er ihnen versprach, und dabei nochmals recommandirte, die Fourage und das Stroh aus den Scheunen zu bringen, weil dadurch der Stadt die größte Gefahr erwachsen könnte, gab ihnen auch einige Instruktion, daß sie ihre Wasserkufen, Hacken, Eimer u. dgl. zur Hand haben möchten, und wie sie die glühenden Kugeln ausreißen, die Brand-Kugeln aber löschen könnten. Die obgedachte Parthei des Hrn. Kapitän Bülow brachten auch etliche Juden und fünfzehn Pferde, nebst einigen andern Sachen mit. Auch wurden heute Kapitän Festring, Lieutenant Cederwald, nebst einem Fähnrich, gegen so viele dänische Offiziere ausgewechselt. Ein dänischer Trompeter kam mit Briefen aus dem Lager an, mußte aber dieselben draußen abgeben. Noch kamen vier Deserteure von unserer gewesenen Garnison, welche unter den Dänen Dienste genommen. Den Handwerks-Burschen wurden heute ihre Plätze angewiesen. Sonst starb heute wieder einer von den hereingebrachten schwer verwundeten Offizieren, nämlich der Fähnrich Lilienhöck.

Den 23. December kamen zwei Trompeter, einer vom König August und der andere vom General-Lieutenant Rantzaw vor die Stadt, und begehrten eingelassen zu werden, unter Vorzeigung einiger Briefe an die beiden polnischen Herren. Es wurden aber die Briefe denselben blos abgenommen, sie selbst wurden nicht eingelassen, sondern die Antwort ihnen auf den folgenden Morgen versprochen, welche ein Tambour an ihre Posten liefern sollte, welches auch geschah. Von hier wurden zwei Kapitäns nach Stade wegen eines Succurses abgefertigt. Die Kundschafter brachten die Nachricht, daß einige Mörser mit Kanonen, nebst einer Anzahl Bomben, in’s feindliche Lager angekommen wären. Die feindliche Generalität visitirte des Nachmittags die Situation um die Stadt und hielt letztlich lange unter dem Galgenberg, aus welchen einige Kanonen abgefeuert wurden. Selbigen itages ward die Garnison vorn Walisisch verstärkt, auch die Anzahl der Unteroffiziere vermehrt, und sowohl dem Kommandanten, als dem sich allda befindlichen Kapitän-Lieutenant Höpken zugeschrieben, was sie hauptsächlich zu beobachten hätten, mit der Ordre, sich bis auf den letzten Mann zu vertheidigen, und keinen Pardon vom Feinde anzunehmen. In der Stadt war sonst alles in Allarm und suchte ein Jeder das Seinige, so viel als möglich in Sicherheit zu bringen und sonst in seinem Hause mit Wasser sich zu versehen, oder sonst Anstalt zu machen, weil nun ein Jeder wußte, daß das Bombardement angehen würde.

Den 24. December ritt der Hr. Generalmajor wieder um die Wälle, ordinirte und veranstaltete dasjenige, was zur Vertheidigung noch nöthig schien, instruirte die Offiziere auf ihre Posten, wie sie die Vertheidigungs-Linien und die Stellung, wo man den Feind am meisten zu vermuthen hätte, beobachten sollten, verschaffte dabei vom Magistrat mehrere Reserve-Häuser, worin die Soldaten, nächst an den Wällen, in der Wärme Tag und Nacht sein und auf Stroh liegen konnten, regulirte ferner mit dem Magistrat die Bürger-Pikets, verstärkte die Außenwerke mit Mannschaft, und ließ die ganze Miliz, nebst einigen Bürgern, für Bezahlung, die Barrikadirung von jedem Allarm-Platz, unter beständiger Aufsicht des Chefs eiligst fortsetzen. Man erhielt heute für verschiedene Leute Passeports, die nach Lübeck und anderen Orten sich retirirten. Wegen der Posten ward Ordre gestellt, daß dieselbe nicht eingelassen, sondern außerhalb vor den Thoren die Briefe ihnen abgenommen werden sollten. Bei welchen allen, auf den morgenden und folgenden Tagen Jedermann wohl betrübte Weihnachten vermuthen mußte.

Den 25. December, oder am ersten heil. Weihnachtstage kam der Hr. General-Quartiermeister Baron Elostiern, mit dem Hrn. Obersten Fürstemberg und andern zu Wasser aus Pommern an. Worauf die Cheff’s von den Allarm-Plätzen verändert wurden, und dem ersten mit dem Hrn. Oberst-Lieutenant Wrangel und Braun, die Wismansche und Poeler Seite, dem andern aber der Posten von der Windpforte anvertraut ward, welche denn mit Achevirung der Barrikaden, und Einrichtung dieser Posten, die ganze Zeit über, eben wie die andern, mit rühmlichen Fleiß gearbeitet. Die Feinde ließen diesen Tag ihre Reiter-Wachen dicht vor den Pforten postiren, die Wege nach dem Galgenberg zurecht machen und einen Haufen Faschinen dahin fahren, welches man im Dunkeln mit Kanonen nicht verhindern konnte.

Den 26. December continuirte man in der Stadt, den noch übrigen Roggen in die Gewölbe, und nach den Wällen, wo sich Gelegenheit fand, zu transportiren; es wurden noch fünf Mörser nach der Mecklenburgischen Seite hingeschleppt, der Planken-Zaun oder das Gelind von dem Klinkowströmschen Garten weggebrochen, und die dort gelegenen Häuser mit Stroh angefüllt, welche die auf dem Camp des Nachts patrouillirende fünf Dragoner in Brand zu setzen Ordre hatten, so bald sich etwas Feindliches bei nächtlicher Zeit verspüren ließ. Es wurden auch zwei mit Eisen beschlagene Boote bereitet, um bei einfallendem Frost die Graben damit zu öffnen, desgleichen zu dieser Aufeisung die Soldaten-Weiber, deren Männer gefangen, annotirt, weil sie frei Quartier vom Rath genossen und dazu ihnen von der Kammer eine Ergötzlichkeit gereicht werden sollte. Des Abends machte der Feind mit seiner Arbeit bei den Batterien den Anfang, welches man zwar hören, aber mit Kanonen nicht verhindern konnte.

Den 27. December, oder den dritten Weihnachts-Tag, welcher zugleich ein Sonntag war, merkte man bei anbrechendem Tage, daß der Feind vor dem Mecklenburger Thor auf dem Galgenberg und hinter demselben etwas ausgeworfen. Der Hr. Generalmajor ritt indessen, nebst dem Hrn. General-Quartiermeister Elostierne und der Hr. Oberst Fürstemberg, um die Wälle, und ließ auf des Feindes Werke (des Morgens unter der Predigt, halb neun Uhr ging es an, mit ziemlicher Störung des Gottesdienstes) Arbeiter kanoniren und bombardiren bis an den Mittag, und hernach wieder gegen Abend, wodurch des Feindes Arbeit ziemlich ruinirt ward, daß die Arbeiter endlich cessiren mußten (wiewohl andere sagen wollten, sie hätten sich daran nicht gekehrt). Der Hr. General-Lieutenant Rantzaw schrieb heute an den Hrn. Vice-Gouverneur, daß er von seinen Tambouren keinen aus dem Mecklenburger und Poeler-, wohl aber aus dem Lübecker- und Wismarischen Thor an ihn hinaus schicken möchte. Noch ließ der Hr. Generalmajor an demselben Tage die Bürger vor sich fordern, und stellte ihnen, in Gegenwart der beiden Bürgermeister, Gröning und Kuhlmann, die neuen Chefs von ihren Allarm-Plänen vor, nahm Information von ihnen, wie stark ihre Kompagnien wären, mit wie viel ein Jeder an Ammunition versehen; verlangte, daß, wenn ihnen etwas fehlte, sie es in Zeiten melden und fordern möchten; ermahnte sie dabei, gute Anstalt zu machen, daß ein Jeder bei seinem Gewehr bleiben, und, wenn entweder die Lärm-Trommel gerührt, oder mit den Glocken ein Zeichen gegeben würde, sich auf seinem Posten einfinden sollte; endlich recommandirte er ihnen gute Kameradschaft, und Einigkeit mit den Offizieren und Soldaten. Weil auch an diesem Tag ein Schreiben einlief, daß man sich durchaus in keine Kapitulation einlassen, sondern bis aus den letzten Mann halten sollte, so ließ der Hr. Generalmajor denselben Abend alle Regiments-Offiziere zu sich kommen, und ihnen dasselbe vorlesen, mit dem bemerken, daß, wer im Geringsten von einer Kapitulation sich etwas würde merken lassen, derselbe als ein Verräther angesehen und die Strafe desselben auf der Stelle an ihn vollzogen werden sollte, welches ein Jeder seinen untergebenen Offizieren und Gemeinen eröffnen, und dieselbe zur standhaften Herzhaftigkeit ermuntern möchte. Weil man auch gegen den Abend einige Kanonen gegen des Feindes Retrenchement gerichtet hatte, so wurden selbige um Mitternacht langsam eine nach der andern abgefeuert und einige Bomben dahin geworfen.

Den 28. December remarquirte man, daß der Feind in der Nacht seine Werke wieder ausgebessert und um ein merkliches erhöht. Weil die Frau Gräfin Wolfrath für ihre Kinder einen Paß nach Schwerin erhalten, so sandte der Hr. Generalmajor in der Suite einen Espion mit, welcher von da auf Rostock reiten und von des Königs von Dänemark Marsch Nachricht einziehen sollte. Uebrigens ward, wie vorigen Tages, vom Morgen bis am Abend auf die feindlichen Werke kanonirt, und mit Verbarricadirung des Wismarischen Thors und der Windpforte, möglichst continuirt. Die Herren Chefs blieben auch beständig Tag und Nacht auf ihren Allarm-Posten. Die Feuerspritzen und andere Feuergeräthschaften wurden auf dem Markt und in den Straßen postirt, da denn viele Bürger Kufen und Tonnen mit Wasser vor ihre Thüren felten. Einige Personen, welche bei dem Bombardement zu bleiben keine Lust hatten, worunter auch die Frau Generalmajorin, reiseten nach erhaltenen Pässen zur Stadt hinaus. In den öffentlichen Zeitungen schrieb man, daß der Hr. General-Lieutenant Crassaw heute in die Stadt gekommen, des geschehenen Ausfalls wegen eine Untersuchung anzustellen; aber dieses ist nicht geschehen.

Den 29. December brachte Kapitän Bremers Knecht einen Brief an den Hrn. Generalmajor von obgedachtern Espion, so aus dem Amt Mecklenburg geschrieben war, welches sonst seine Route nicht war, worin er berichtete, daß die Quartiere für den König von Dänemark da gemacht., und die Infanterie auch erwartet würde, wie viel Rationen und anderes schwere Geschütz sie aber bei sich hätten, wüßte er nicht. Nachmittags gegen drei Uhr machte der Feind bei regnerischem Wetter mit dem Schießen einen Anfang und schickte einige Bomben und glühende Kugeln herein; eine von den ersten glühenden Kugeln fiel unten in die St. Johannis-Straße, die erste Bombe in ein Beutler-Haus in der Danckwart-Straße, zu gleicher Zeit fiel eine in’s Salzfäßchen auf die Gasse, nicht lange hernach eine bei des Hrn. Superintendenten Hause, imgleichen eine in das Gasthaus in der Grünen Straße, welche dasselbe fast ganz ruinirte. Noch ward bald im Anfang das gewöhnliche Syndicat-Haus, ein Leineweber-Haus vor dem Mecklenburger Thor, ein Pelzer-Haus am Poeler-Thor, ein Tuchbereiters-Haus in der Spiecker-Straße beschädigt; eine Bombe fiel auf den Reiser-Wall, eine bei der heil. Geist-Kirche, und viele anderwärts, andere zersprangen in der Luft, so daß diesen halben Tag wenigstens 100 Schüsse auf die Stadt geschahen. Doch ward, Gott sei gedankt, kein einziger Mensch heute beschädigt, auch ist kein Brand bemerkt worden. Ein Jeder suchte in dieser Schreckenszeit seine Sicherheit so gut er konnte, viele flüchteten sich in die Kirchen und in die Sacristeien, viele Leute krochen in den Weinkeller, in welchen der Hr. Generalmajor sich selbst mit der Kanzlei und Königl. Kammer-Beidienten flüchtete. Die beiden polnischen Herren, die wegen dieses Bombardements sehr ängstlich waren, wurden bei dem Hrn. Landshöfding Possen in ein Gewölbe unter dem Lübschen Thor, auf seinem Allarm - Posten einquartiert. Aus der Stadt ward zwar hinaus geschossen, aber nicht so viel wie gestern und vorgestern, weil die Schieß-Angel nicht zum Besten auf den Wällen eingerichtet, deswegen in der Nacht der Hr. Major Tiegerhelm dieselbe verändern mußte, womit denn so viel ausgerichtet ward, daß man des folgenden Tages sieben und zwanzig Kanonen gebrauchen konnte. Sonst nahm der Hr. Oberst Bassewitz mit seinen Dragonern die Wache über sich, weil die vorhandene Infanterie insgesannnt entweder in die Außenwerke gelegt, oder in der Arbeit bei den Barrikaden ausgetheilt war. Bei allen diesen hielten so gleich beim Anfang des Schießens die Glocken zu schlagen ein, doch ging der Zeiger an der Marien-Kirche beständig.

Den 30. December fing der Feind des Morgens um zwei Uhr, mit Anfang des Mondes, aus neun Kanonen, fünf Mörsern und vier Haubitzen stark an zu bombardiren und zu kanoniren, so daß fast in einer Viertelstunde Zeit und noch wohl ehe alle Kanonen, auch alle Mörser und Haubitzen abgebrannt wurden, und dauerte solches bis gegen den Abend, dahingegen aus der Stadt wenig geantwortet wurde. Daß durch solch heftiges Schießen viel Schaden geschehen, ist leicht zu erachten, denn obgleich viele Bomben in der Lust zersprangen, viele in die Gräben und in die Moräste, viele auf die Gassen, auf den Kirchhöfen und sonst auf öffentlichen Orten, oder in die Höfe und Gärten in der Stadt fielen, und also eben deshalb keinen Schaden thaten, so wurden doch die Kirchen mehr oder minder beschädigt. In die Marien-Kirche fiel eine Bombe recht mitten in den Kirchenschooß und zerschmetterte einige Stühle; einige Kugeln kamen auch hinein, daher die Leute, welche sich ziemlich häufig hinein geflüchtet hatten, in der größten Verwirrung hinausliefen. An der St. Jürgens-Kirche ward das Dach hin und wieder beschädigt; in die St. Nikolai-Kirche kamen auch zwei Bomben, machten aber keinen Schaden, außerdem wurden beschädigt des Hrn. Assessor Koch Haus in der Lübschen Straße, des Hrn. Assessor Oldenburg Haus in der Danckwart-Straße, des Hrn. Superintendenten Haus, das Archidiaconat-Haus an St. Marien, das Pastorat-Haus zu St. Jürgen, des Hrn. Registrators Haus in der Mecklenburger Straße, des Kanzelisten Reiser, Eckert, Lembke, Padderau, Berend Steffensen und viele andere Bürgerhäuser, it. des Hrn. Emmen. Eine Scheune in der Baustraße ward heute in Brand geschossen, weil noch viel Stroh darin war, desgl. ein Fuhrmanns Haus in selbiger Gegend, aus eben der Ursache. Dem Feuer nach, schoß der Feind überaus heftig, doch wurden beide Gebäude niedergerissen, insonderheit die Scheune, und dadurch das Feuer glücklich (wiewohl mit großer Gefahr derer, die daran arbeiteten) Gott sei Dank! gelöscht. Vor der Windpforte ward von einer Bombe ein Garde-Corps umgeworfen und zugleich ein anderer Soldat getödtet, ein Anderer jämmerlich in der Brust blessirt, der auch bald hernach sterben mußte. Wäre diese Bombe ein Paar Ellen näher gefallen, so wäre ein weit größerer Schaden geschehen, da nicht nur unterschiedliche Leute daselbst postirt standen, sondern auch fünf bis sieben Tonnen Pulver daselbst waren, die nun, Gott Lob! noch ohne Schaden blieben. Sonst ward auch noch auf dem St. Marien - Kirchhof eine Frau gequetscht und ein Kind von einer Bombe in Stücken zerschlagen. Imgleichen in einem Hause in der Mecklenburger Straße von einer andern Bombe eine Frau in der Seite tödtlich blessirt, welche auch hernach gestorben. Unter währendem Schießen sandte der Hr. General-Lientenant Rantzaw des Tages einen Trompeter vor das Wismarische Thor mit einen Brief an dem Hrn. Generalmajor, welcher von der Vorwache abgenommen, und der Trompeter sofort zurück zu reisen angewiesen ward. In dem Brief verlangte der Hr. General-Lieutenant inständigst, daß die polnischen Herren auf seine Parole nur auf wenig Stunden zu ihnen zu reisen möchte erlaubt werden, welches aber bei ermangelnder Ordre refusirt und das Awortsschreiben sofort an die Vorwachten abgegeben ward. Sonst ward den ganzen Tag, mit Ausbringung der Fourage und Strohes aus den Scheunen, auch mit der Barricadirungs-Arbeit von der Miliz fleißig fortgefahren. Die Bürger warfen das Stroh allenthalben aus den Häusern, daher manche Gasse, desgleichen einige Kirchhöfe sehr voll zu liegen kamen. Von den Dragonern wurden Einige beordert, des Nachts auf den Straßen zu patreuilliren und auf das Feuer Acht zu geben. In den öffentlichen Zeitungen schrieb man, es hätte der Kommandant in Wismar die Straßen aufreißen und die Steine auf die Seite bringen lassen, da die Bombardirung angefangen, ungleichen daß gleich beim Anfang der Bombardirung an drei Orten Feuer aufgekommen und in die 80 Häufer in die Asche gelegt, allein dergleichen ist nicht geschehen.

Den 31. December fing der Feind des Nachts um ein Uhr mit dem aufgehenden Mond wieder an sehr stark zu bombardiren und Feuer hereinzuwerfen, welches den ganzen Tag bis aus den Abend unaufhörlich fortdauerte. Durch dieses Schießen geschah abermals großer Schaden, schon vor Tag waren in der Schüttings-Straße drei Häuser sehr ruinirt, und in dem einen (eines Pantoffelmachers) durch eine Bombe eine Frau sogleich getödtet, ein Knabe an seinen beiden Füßen sehr beschädigt, der aber nachgehends, Gott Lob! wieder curirt wurde, imgleichen ein kleines Kind ebendaselbst etwas verletzt. An einem Hause bei der Grube, wurden einer Frau und einem Mädchen die Beine weggeschossen, welche dann nachher beide gestorben. Eine Scheune gerieth auch des Morgens in Brand, und machte ein heftiges Feuer, wurde aber doch, Gott Lob! endlich ohne ferneren Schaden gelöscht, und abgerissen. Sonst fielen eine Bombe in die St. Marien-Kirche, ohnweit von dem großen Altar, und verursachte einigen Schaden; eine in des Hrn. Doktor Köckert Haus, etliche in des Hrn. Vice-Präsidenten, imgleichen in des Hrn. Protonotarius, ferner wieder etliche in des Hrn. Superintendenten in das Archidiaconat-Haus und so anderwärts. Nach dem Rathhause ward sehr viel geschossen und das Dach ziemlich durchlöchert; eine Bombe fiel von oben hinein und zerplatzte recht mitten in denselben, that aber, Gott Lob! wenig Schaden, so kamen auch einige Feuer-Kugeln in dieses Gebäude in einige Zimmer, die aber, Gott sei Dank! keinen Brand verursachten. Noch fast mehr waren die Bomben nach dem Königl. Tribunal, gerichtet, aber auch mit wenig Erfolg, da nur etliche wenige Gemächer beschädigt wurden. Auch mußte der Feind von dem Königl. Magazin Kunde haben, weil ein Konstabler, auch sonst andere, während des Bombardements desertirt waren, deshalb ward am meisten heute nach den Orten und auch nach des. Hrn. Oberst Bassewitz Hause vor dem Lübschen Thore gezielt, aber auch hier war der Schaden, Gott sei gelobt! nicht erheblich, nur wurden am Wasser, da die Dragoner-Pferde längs der Mauer aufgestellt waren, einige von diesen Pferden getödtet. Es ist demnach abermals übertrieben gewesen, wenn man in den Berichten sagte, daß gegen zwanzig Häuser in Brand gerathen; denn außer den gedachten Scheunen hat man, Gott Lob! an keinem Ort einen bedeutenden Brand bemerkt, indem man die Feuer-Kugeln glücklich fast durchgehend gefunden, desgleichen die Pechkränze alle mit einander, ehe sie andere Gegenstände anzündeten, gelöscht wurden. Auch kam heute des Mittags obgedachter Espion vor das Lübsche Thor, und ließ sich als ein Mecklenburgischer Einspänner anmelden. Nachdem er aber erkannt, und zu dem Hrn. Generalmajor geführt worden, vernahm man, daß er, der genommenen Absprache nach, von Schwerin nicht wohl nach Rostock kommen können, sondern von der Stadt aus jetzt über Poel den Weg dahin nehmen wollte. Er berichtete dabei, die dänische Wache hätte ihn auf der Herreise arretirt und zum General-Lieutenant Rantzaw gebracht, der mit ihm gesprochen, und ihn für den Kutscher der Frau Gräfin Wulfrath gehalten, zuletzt auch Erlaubniß erhalten, hieher zu reisen; im vorbeireiten hätte er die feindliche Batterie gesehen, und die Kanonen und Mortiers gezählt. Auch berichtete er dabei, daß der König mit der ganzen Infanterie da erwartet würde; an dem Marsch der Moskowiter aber wäre nichts. Der Hr. Generalmajor bezeugte seinen Unwillen gegen ihn, daß er seinen Weg nicht dahin genommen, wohin er beordert; er versprach aber, sofort über Poel solches zu thun, so bald er nur mit der Frau Gräfin Wulfsrath gesprochen, und selbiger einen Brief von ihren Fräulein Töchtern zugestellt, zu der man ihn auch nach dem Wallfisch übersetzen ließ. Des folgenden Tages kam er wieder zurück, und gab vor, unpäßlich in dem Wulfrathschen Hause zu sein. Diese Nacht ließ der Hr. Oberst Bassewitz seine Dragoner-Pferde vor einen beladenen Wagen spannen, und mit selbigen noch zehn Mörser zu den obigen fünf, nach der Mecklenburgischen Seite, auf die Batterien bringen; es ward auch eine Quantität Bomben, Kugeln und Pulver dahingefahren. Mit der übrigen Arbeit, als der Ausfuhr des Strohs aus den Scheunen, und mit der Barrikadirung, wurde gleichfalls (besonders am Wasser) ununterbrochen fortgefahren. Sonst hörte man, daß heute, obgleich nur wenig an diesem Tage hinaus geschossen worden, einige von unsern Mörsern und Kanonen gesprungen, und wollte man von dem feindlichen Geschütz eben dergleichen sagen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar