1. bis 6. Dezember 1711

Den 1. Dezember wurden 200 Mann von der Infanterie und fast die ganze Cavallerie ausgesandt, ein Commando, welches die Dänen wieder besetzt hatten, zu befreien; die Thore wurden deshalb fast den ganzen Tag zugehalten. Doch des Abends kam die Cavallerie mehrentheils schon wieder, welcher die übrigen und so auch die Infanterie hernach folgte.

Den 2. Dezember brachte eine Partei einen dänischen Lieutenant, welchen sie bei Wittenburg aufgehoben, desgleichen einen Cornet und einen Rittmeister, nebst dessen Diener (welche sie von der Hamburger Post weggenommen), desgleichen ein Corporal und drei Kürassiere, die sie in einem Wirthshause Wittenburgs zu fassen bekamen, ferner 2 Marketender, 1 Jude, 3 Pferde und einige Sachen herein.


Den 3. Dezember haben die Unsrigen unter einer Eskorte von 40 Mann furagiret. Ein Bassewitzischer Dragoner ist heute desertirt. Aus der Stadt gingen sonst verschiedene dänische Deserteure, welche Pässe mit sich nahmen, zu Wasser nach Fliemstorf und so weiter. Ein Bauer mit wichtigen Briefen wurde herein gebracht, des Abenbs gingen 30 Mann unter Rittmeister Bock und Fähnrich Fersenström auf Partei aus.

Den 4. Dezember ward fast die halbe Garnison aus dem Lübschen Thore gesandt, um, wie man vorgab, eine starke dänische Partei, welche Hafer von Lübeck holen sollte, aufzusuchen. Aber sie kamen des abends schon wieder, da sie zu Wentorf einige dänische Eskadronen verjagt hatten, und vermerkte man, daß dieses nur eine Finte gewesen oder man hatte nur die Dänen (an welchen sonst Vieles verrathen worden) hiemit verleiten und sicher machen wollen, damit sie dasjenige, welches anderwärts vorgenommen werden sollte, ihnen nicht vorstellen möchten.

Den 5. Dezember geschah der unglückliche Wismarische Ausfall, und gänzliche Ruinirung der Wismarischen Garnison, wobei es folgendermassen zuging. Noch spät am vorhergehenden Abend eröffnete der Vice-Gouverneuer den übrigen Officieren sein Vorhaben, daß er gesonnen sei, einen Ausfall zu machen. Einige waren dagegen; besonders haben die Capitains Löwenheim, Bole etc. sich sogleich gegen die Ihrigen vernehmen lassen, daß sie einen unglücklichen Ausgang besorgten. Doch des Generalmajor Vorhaben mußte bewerkstelligt werden. Es ward demnach um 11 Uhr und noch später Alles auf den Markt commandirt, auch denjenigen, welche auf Poel und auf den Wallfisch lagen, Ordre ertheilt, sich bis auf einige Wenige nach der Stadt zu verfügen. Von den Bürgern und Bauleuten mußten einige auf Begehr der Stadtobrigkeit (von welcher der Generalmajor es verlangt hatte) das Nöthige verfertigen und hinausfahren. Indem sich die Miliz versammelte, ward der sämmtlichen Bürgerschaft angesagt, sich vor den Thüren ihrer Offiziere einznfinden, da denn vier Kompagnien von diesen, die Miliz, welche in den inneren Thoren die Wache hatte, ablösen, die übrigen sechs aber auf die Reserve bleiben mußten. Dies alles machte in der Stadt ziemlich Lärm, und waren nicht allein alle Gassen voller Leute, sondern man sah auch, weil es sonst sehr finster war, viele Leuchten und Fackeln auf denselben, ja gar einige Fackeln aus den Wällen, und ward etliche Mal in die Stadt geschossen, viele von den Soldaten ließen in der nicht eben warmen Nacht, ihnen den heißen Branntwein (welchen ihre Weiber ihnen häufig zutrugen, und dabei zum Theil allerlei seltsame Erinnerungen den Männern mit zubrachten) ihnen so wohl schmecken, daß nicht wenig Betrunkene unter ihnen gesehen wurden.

Auf solche Art kam es endlich (ohne daß man ein Gebet gesprochen oder gesungen hätte) um vier Uhr des Morgens zum Marsch, welcher nach dem dänischen Lager und dessen rechten Flügel, und so auf das Dorf Lübau, zuging. Zwölf Kanonen wurden mit hinaus geführt, wie denn auch einige Zimmerleute mitgenommen wurden, welche insonderheit bei der Flöte eine Brücke, den Marsch zu erleichtern, machen mußten. Der Hr. Vive-Gouverneur ging nebst dem Oberst Bassewitz selbst mit, doch ging dieser, das dänische Lager zu recognosciren, etwas voraus, jener aber rückte über die verfertigte Brücke, bei welcher er einen Lieutenant nebst hinreichender Mannschaft, dieselbe Brücke zu bewahren, stehen ließ, mit den übrigen Leuten nach, trafen auch auf den Marsch eben nichts sonderliches an, welches sie hätte aushalten oder hindern können. Was in der Stadt der Eine oder der andere bei dem Ausmarsch gedacht, läßt sich daher schließen, weil es eben der Tag (nämlich der Sonnabend vor dem andern Advents-Sonntage) an welchem im Jahre 1703 durch den entsetzlichen Sturmwind, der Nicolaitanische Thurm, welcher der höchste in Wismar war, heruntergeworfen, und die schöne Kirche ruinirt worden. Welches betrübte Andenken bei denen, die sich dessen erinnerten, leichtlich so viel ausrichten konnte, daß sie wünschten, es möchte ja kein Unglückssturm die Unserigen betreffen. Doch Viele oder die Meisten dachten solches wohl nicht, sondern stellten sich eine glückliche Expedition vor, weil unsere Partheien bisher noch nie unglücklich gewesen.

Die Unserigen kamen nun dem dänischen Lager ganz nahe, und zwar, wie gedacht, auf den rechten glügel bei Lübau, da der Hr. Generalmajor intentionirt gewesen, von da an bis an Mecklenburg, und so von Anfang bis zu Ende das Lager durchzugehen. In diesem Lager mö-gen Einige noch ziemlich sicher gewesen sein (wie man denn wollte bemerkt haben, daß Einige mit ihren Stiefeln hervorgekommen, da schon ein Allarm geworden, andere, insonderheit von den vorhandenen Juden und Marketendern, ihre Sachen einzupacken bemüht gewesen) andere aber hatten sich desto besser gefaßt gemacht, weil der Hr. General -Lieutenant schon in der Nacht von allen Nachricht bekommen. Indem man nun zu schießen anfing, welches zwischen sechs und sieben Uhr etwa war, so ließen sich alsobald die ungarischen oder Bülowschen Reiter finden und gingen auf zwei Kompagnien von dem Ritterhelmischen, und drei Kompagnien von dem National-Regiment, welche um das Dorf Lübau herumgegangen und dort den Angriff gethan, tapfer los. Doch diese Reiter mußten sich zurück ziehen, da gedachte Kompagnien einige Salven mit gutem Nachdruck unter sie gaben, dadurch das Regiment ziemlich ruiuirt wurde. Doch die Dänen setzten sich wieder, und brachten die Unserigen, insonderheit, da man sie nicht secundirte, in Unordnung.

In der Stadt merkte man, vom Marien-Thurm insonderheit, daß ein Feuer im dänischen Lager aufging und machten sich viele dabei die Hoffnung, daß solches ein gutes Zeichen, und daß die Dänen aus dem Lager fortgegangen, worauf das Lager in Brand gesteckt. Allein man erfuhr hernach, daß, bei der allerersten kleinen Avantage der Unserigen, einige in dem Lager, auf expresse Ordre, wie viele sagten, Feuer gemacht, aber es fand sich auch, daß damit das Unglück angeflammt, weil einige, welche die obgedachte Kompagnien hätten sccundiren sollen, hatten so gleich das Lager zu plündern, und, wie sie sonst wohl Beute gemacht, also auch jetzt schon zuzugreifen angefangen, daher die Dänen um so viel mehr Zeit gehabt, die, welche den Angriff gethan, völlig in Konfussion zu bringen, und guten Theils nieder zu machen. Was entlaufen konnte, retirirte sich nach den Zurückgebliebenen diesseits des Lagers, wo aber die aus Stroh und Lehm gemachten Hütten der Dänen, welche angezündet waren, fegt so viel Rauch und Dampf, welcher den Unserigen in die Augen ging, verursachten, daß Einer den Andern kaum sehen und recht erkennen konnte.
Die Dänen, welche außer dem Rauch wohl merkten, daß es Zeit wäre, den Unserigen, welche guten Theils herumschwärmten, auf die Haut zu gehen, setzten von der einen Seite denen nach, welche ihnen hatten entgehen wollen, von der andern Seite aber kamen über das abgebrannte Dorf Triewalck ihrer noch neun Eskadrons hervor und gingen auf den rechten Flügel den Unserigen in den Rücken, fast ehe sie es inne wurden. Daher kamen diese, besonders da die Dänen unsere Stücken bald wegbekamen, und mit denselben auf die Unserigen feuerten, in solche Konfussion, daß kaum Einer, insonderheit von dem Löwenhauptschen-Bataillon, mehr gedachte, sein Gewehr auf die Feinde zu lösen, sondern nur alles von sich zu werfen und sich zu salviren. Und man hat nachher überall gehört, daß fast das ganze, gedachte Bataillon sein Gewehr, so wie sie es in der Stadt geladen, dem Feinde in die Hände gerathen lassen: Ja man hat berichtet, daß wohl ganze Kompagnien geflohen, nach denen auch das ganze Ritterhelmische Regiment nunmehr die Flucht ergriffen, da irgend nur zehn oder fünfzehn Mann vom Feinde hinter ihnen gewesen.

Auf der Wahlstatt war leider solchemnach von den Unserigen Niemand mehr, der Lust zu fechten hatte (denn auch die Dragoner hatten sich, da sie die große Konfusion der Infanterie gesehen, schon zu retiriren angefangen) als die, welche von dem National-Regiment noch übrig waren. Diese wurden von den Dänen gänzlich umringt, die niederhieben, was sie mit ihren scharfen Pallaschen erreichen konnten, besonders da die Schweden kein Quartier, welches ihnen doch hin und wieder angeboten wurde, haben wollten, sie wehreten sich vielmehr aus das Aeußerste, so daß auch Einige, welche schon blessirt waren, daß sie nicht mehr stehen konnten, sich auf die Kniee setzten, oder sonst, so gut sie immer konnten, aufrichteten, und um sich hieben oder von sich feuerten. Besonders war von neun Schweden erzählt, daß sie, nachdem sie von den Uebrigen abgeschnitten, rückwärts einen Triangel formirt, und gegen einen ganzen Pluton Reiter sich so heftig gewehrt, daß selbiger sie auch verlassen mußte; da über Andere von Neuem über sie gekommen, haben sie doch noch ihr Aeußerstes versucht, Einnige, die schon auf der Erde gelegen, um sich gehauen und gestochen, bis sie endlich alle niedergemacht worden. Wesfalls man sicher dafür halten mag, daß, wenn die Uebrigen nicht gelaufen, sondern nur halb so tapfer gefochten, als diese guten Leute, die Dänen gewiß nicht einen solchen Vortheil würden erhalten haben, als sie jetzt erhielten. In der Stadt merkte man bald etwas von dem Unglück, indem man genugsam sehen konnte, daß einige Flüchtlinge nach derselben eilten, welche aber von Andern heftig verfolgt wurden. Auf solche Art retirirten sich Einige nach dem Alt-Wismarischen, Einige nach dem Mecklenburger Thor, Einige wenige sollen gar an der andern Seite in’s Mecklenburgische entkommen sein, Einige blieben in den Morästen stecken, bis sie nicht weiter konnten, in welchen aber die Dänen sie nach Belieben erschossen. Viele von den Flüchtigen wurden aus den obgedachten Brücken, von welchen die, welche sie bewachen sollten, sich auch schon unsichtbar gemacht, niedergeschossen, wie denn unter andern der Hr. Major Falsburg und der Hr. Kapitän Lowenheim ihr Leben daselbst einbüßten, auch hörete man in der Stadt noch bis 10 oder 11 Uhr, wie hin und wieder geschossen wurde.

Endlich kamen die Dragoner, welche, wie oben gedacht, sich bei Zeiten retirirt hatten, mehrentheils in die Stadbt; von der Infanterie aber war alles, was noch entkommen, so zerstreut, daß oft drei oder vier, zuweilen sechs ober acht, selten ihrer zehn zusammenkamen, von welchen Mancher keinen Hut, Mancher keine Schuhe, Mancher keinen Rock, viel weniger sein Gewehr unb völlige Montur, mit zurückbrachte, welche denn bald zu erkennen gaben, daß das Unglück weit größer, als man ihm bisher wohl eingebildet, denn man hörte nun, daß von der Infanterie wohl wenig wieder kommen würden, imgleichen daß die Dänen 9 Stücke mit allem Zugehör weggenommen.

Was für Schrecken und Verwirrung hierdurch in der Stadt entstanden, ist nicht auszusprechen. Man sah an allen Orten erblaßte und betrübte Gesichter, man hörte allenthalben viel Klagen und Lamentiren. Hier liefen Kinder und weinten über ihre Väter; dort schrien Weiber über ihre Männer; anderswo standen ober saßen Eltern unb weinten über ihre Kinder; noch weiter waren andere, die sich ihrer nahen Anverwandten und guten Freunde mit vielen Thränen erinnerten. Hiezu hatten sie um so viel mehr Ursache, indem in dieser Gasse ein todter und dabei ganz nackend ausgezogener Leichnam eines vornehmen Offiziers, auf einem Bauerwagen, einer betrübten Wittwe vor die Thür gefahren wurde; einer Andern ein Knecht, mit seinem vorhin liebgewesenen alten Herrn, welchen er nunmehr todt vor sich auf dem Pferde liegen hatte, zu den Hinterlassenen eilte; noch viele jämmerlich Blessirte ihren Eltern und andern halb todt zu Hause gebracht wurden, welches bis an den späten Abend im größten Kummer so fort währte. Kurz: Es war in der Stadt ein solcher elender Zustand, als wohl seit dem Jahre 1311 oder 12 (da fast eben ein solcher höchst unglücklicherr Ausfall geschehen) nicht gewesen.

Doch man vergaß bei allen diesen betrübten Zufällen nicht, an den Choren alle Präkaution vorzukehren, und alle Posten, so gut und bald man konnte, zu besetzen, deswegen mußte die ganze Bürgerschaft auf den Wall, um allenthalben die Wachen zu versehen, damit, wenn etwa der Feind andringen sollte, demselben doch noch einiger Widerstand entgegengesetzt werden könnte. Doch es fügte der große Gott es also (wofür man billig seinen heiligen Namen preisen mag) daß man weiter nichts vom Feinde merkte, welcher sich der Stadt nähern wollte, daß man dannhero wohl nicht weiß, woher es gekommen, daß bald hierauf in den öffentlichen Zeitungen geschrieben worden, es hätten die Dänen sich in der Contrascharpe vor die Stadt gesetzt und wären etliche Stunden darin stehen geblieben. Was man von dänischer Seite thun wollte, hat man in der Stadt nicht erfahren, aber daß wirklich dergleichen, wie man geschrieben, geschehen, ist unwahr. Nur ein dänischer Trompeter kam des Mittags an das Thor und wollte irgend fragen, wie den Wismarischen das dänische Frühstück geschmeckt hätte, hauptsächlich aber zeigte er an, wie der Herr General Rantzaw es geschehen lassen wollte, daß man die Tobten begraben möchte, wenn Jemand wäre, der solches verrichten wollte, ungleichen wie gedachter Hr. General vergönnen wollte, daß die Blessirten möchten verbunden werden, wenn man dazu Jemand hinaussenden würde.

Darauf wurden gegen den Abend dreißig Mann mit drei Wagen, auf welchen die hin und wieder zerstreuten Leichen sollten zusammen geholt werden, imgleichen drei Feldscherer mit ihren Leuten hinaus gesandt. Aber weil die Tage sehr kurz, der Getödteten viel, der Blessirten auch nicht wenig, konnte man wenig oder nichts ausrichten, daß also unterschiedliche tödlich Blessirte noch die Nacht hindurch, ehe sie verbunden wurden, dahinstarben, das Begraben aber gar damals unterlassen werden mußte. Desselben Abends reisete der Hr. Oberst Bassewitz selbst aus der Stadt nach Bremen, vermutlich nicht nur Bericht von dem erlittenen Unglück abzustatten, sondern auch Rath und Hülfe zu suchen. Ferner wurde eben damals ein Advis-Boote, vergedachter Ursachen wegen, nach Pommern gesandt. Endlich wurden desselben abends noch alle Bürgerhäuser visitirt, um zu sehen, was für Leute in denselben wären, welche zur Zeit der Noth Gewehre tragen konnten, die denn alle notirt wurden.

Des folgenden Tages, es war der andere Advents-Sonntag, oder der 6. December, ward außerhalb der Stadt die Begräbnisse der Getödteten verrichtet, da denn noch viele Leute aus der Stadt sich aufgemacht, die Ihrigen herauszusuchen, aber vergeblich, weil alle Körper ganz nackend dalagen, und dabei mehrentheils an den Köpfen, in der Brust und den Bäuchen, mit vielen Wunden jämmerlich zugerichtet, und also unkenntlich gemacht waren, deswegen mußte man alles, was man vorfand (und also auch den Kapitän Jacobson, der aufs der Wahlstatt allein geblieben, Kapitän Bohlen, der auf der Flucht mit erschossen, zwei Fähnrichs, davon auch einer auf dem Platz umgekommen, einen Bürger, der die Kanonen mit hinaus hat fahren helfen, und dabei nieder gemacht worden, nebst 478 andern von der Miliz, deren auch viele auf der Flucht umgekommen) in den dazu gemachten großen Gruben einscharren, und ohne weitere Ceremonie begraben.

Sonst hörte man in der Stadt, weil es, wie gedacht, Sonntag war, in allen Kirchen, einige bei dergleichen Unglücksfällen nöthige Erinnerungen. Auf den Gassen und sonst merkte man, wie Einer den Andern die Schuld geben wollte, daß man in solchem schlechten Zustand gerathen. Die Offiziere, welche noch vorhanden waren, klagten, daß die Soldaten sich nicht hätten wollen commandiren lassen, und demnach auch nicht gefochten hätten. Die Soldaten aber sagten, es hätte an Kommandirenden gefehlt, und es wären zu wenig Offsiziere gewesen, Die von der Infanterie beschuldigten die Kavallerie, daß sie zu zeitig davon gegangen, und ihnen also die Dänen über den Hals gekommen wären; diese aber sagten von jenen, sie hätten sich gar zu leicht in Konfusion, und sogleich in die Flucht bringen lassen, so daß sie ihnen nicht hätten helfen können. Viele gaben zu erkennen, sie wüßten wohl, an wem es hauptsächlich gelegen, aber sie dürften es nicht sagen, Andere hatten noch andere Gedanken, und begannen sich dabei ziemlich wieder zu erholen, besonders wenn sie sich erinnerten, wie ihrer viele von der gewesenen Garnison sich früher in der Stadt aufgeführt. Indessen waren die Gassen, auf welchen man vorhin die Soldaten sehr häufig gehen und laufen gesehen, jetzt überaus ledig.

Gegen Abend kamen diejenigen wieder, welche die Todten begraben hatten, mit der Nachricht, daß außer den getödteten im dänischen Lager gefangen wären, die Oberst-Lieutenants Wulfrath und Palmfeld, zwei Majors: Liliencrohn und Rosenacker, zehn Kapitäns, ein Kap.-Lieutenant, sechszehn Lieutenants, achtzehn Fähnrichs. An Unteroffizieren 128. An Gemeinen in der Lübauer Kirche 930. An Gemeinen in der Mecklenburger Kirche 400. Noch an Blessirten hin und wieder verlegt 470. Im Ganzen 1928. Die schwedische Fama, S. 678, will nur 1500 Tobte und Gefangene gezählt haben. Aber es sind leider mehr gewesen.

Von obgedachten Offizieren kamen heute noch acht oder zehn auf Kavalier-Parol in die Stadt, sich curiren zu lassen, welche aber nachher meistens gestorben; auch folgten einige Wagen blessirter gemeiner Knechte, aus welchen aber schon Einige, ehe sie noch die Stadt erreichten, gestorben waren. Bei allen diesen machten sich die Dänen im Lager recht lustig, schossen mit den eroberten neun Kanonen Victoria’s in die Luft, so, daß auch eine von demselben gesprungen sein soll; nicht weniger schoß die Miliz Salven und ließen sich die Trompeten und Pauken beständig hören, bekannten dabei, daß sie am vorigen Tage glücklicher gewesen, als sie selbst vermuthet, und demnach den erhaltenen vollkommenen Sieg nicht ihnen, sondern Gott in dem Himmel zuzuschreiben hätten. Der armen Gefangenen aber vergaßen sie so sehr, daß Mancher heftig Blessirte des Tages über nicht einen Trunk Wasser bekam, mit welchem er seinen Durst hätte stillen können. Wiewohl sie doch an ihre Deserteurs gedachten, und selbige unter den Gefangenen suchten, da Einer den andern muthwillig verrathen, zumal da von einem liederlichen Kerl nachmals erzählt ward, daß er vierzehn Mann für so viele Doppelschillinge angegeben. Von dieser ganzen Action schrieb der Hr. General-Lieutenant Rantzaw den 7. December in dem Lager, an den dänischen Residenten in Hamburg, Monsieur Hagedorn, folgendermaßen.

Monsieur!
Ich habe nicht unterlassen wollen, Ihnen mitzutheilen von der Action, welche zwischen den Schweden und Uns, den 5. dieses Monats, des Morgens zwischen sechs und sieben Uhr vorgegangen, in welcher wir eine ganz vollkommene Victorie über sie erhalten haben, und, um ihm solche desto besser vorzustellen, will ich ihm einen exacta, und veritablen Bericht machen, von allen, was in dieser Gegebenheit passirt ist.

,,Dem Feinde wissend, daß ich mehr als 1000 Pferde, von dem Corps, das hier ist, detaschirt hatte, nämlich 700 nach Lübeck, unsern Hafer, welcher von da kommen sollte, zu eskortiren und den Rest, die Fourage zu decken, so das hiesige Land uns liefern sollte, kam der Feind mit seiner ganzen Garnison heraus, welche bestand in 3000 zu Fuß und 300 Dragonern, und neun 4pfündigen Stücken; zwischen den 4. und 5. dieses in der Nacht, mich in meinem Lager unvermuthet zu überfallen, welches eine halbe Meile von der Stadt war, aber durch ein extraordinair Glück habe ich Nachricht davon bekommen, daß der Feind ein groß Dessein gegen mich vorhätte. Auf diese Nachricht habe ich um drei Uhr alles satteln und zäumen lassen, aus daß alles zum Herausrücken fertig wäre, auf dem ersten Trompetenschall. Ich schickte drei Patrouillen aus, um die Contenance vom Feinde zu beobachten, welche aber mit zurückgetrieben wurden. Um 5 Uhr des Morgens aber kam der Feind mit seiner ganzen Macht auf meinen rechten Flügel, nachdem er die Torwache und das Piquet zurückgetrieben hatte, so ungefähr aus 200 Pferden bestand, welche sich hernach an das Dragoner-Regiment von Bülow anschloß, worauf die Feinde mit drei Bataillons und vier Geschützen gegen das Lager vom Bülowschen Regiment avancirten, Feuer in die Baracken steckend. Ich commandirte sofort die Regimenter von Donep, Fustman und Brockdorf, das Regiment von Bülow um das Lager zu souteniren. Es war damals noch nicht Tag und ich konnte mir nimmer einbilden, daß das Dessein dem Feinde recht ein Ernst wäre, uns von der Seite zu attaquiren. Dieses war die Ursache, daß ich dem General-Lieutenant Legard die Ordre gab, wo er war, feste stehen zu bleiben und sich nicht zu engagiren, ehe man hell sehen konnte, um des Feindes Dessein besser zu beobachten. Was mich betrifft, so blieb ich mit dem Hrn. Generalmajor Levetzow auf unserm linken Flügel, wo ich urtheilte, daß uns der Feind erstlich angreifen wollte, und beorderte ein Bataillon von dem Hrn. Oberst Hansen, unsern linken Flügel zu bedecken, und aus der Ursache hatten sie sich in ein Desilee postirt, wo der Feind her durchkommen sollte, soutenirt von dem Regiment des Obersten Löwenhelm. Ich nahm mit dem Regiment des Obersten Juel die Mitte ein, um alles zu observiren und gegenwärtig zu sein, wo es die Noth erfordern würde. Wir blieben über zwei Stunden in dieser Stellung, in welcher die Feinde ein großes Feuer mit ihren Kanonen und Musketen machten, zu verschiedenen Malen versuchend, in unser Lager hinein zu kommen, wo er allemal zurückgetrieben ward durch einige von unsern Eskadronen. Wie es aber Tag war und man alles sehen und unterscheiden konnte, fing der General-Lieutenant Legard an, darauf mit den vier Regimentern los zu gehen, die die Feinde sehr vigoureus und ohne sich zu decontinensiren, aushielten. Hierauf nahm ich die Resolution, in vollem Galopp mit dem Regiment von Juel zu avanciren, um den Feind im Rücken anzugreifen. Die Feinde, dieses sehend, fingen an, ein wenig sich zurückzuziehen, jedoch in Ordnung. Aber wie sie attaquirt waren durch den Hrn. Legard von vorne, Levtzaw und Fustman von den Seiten, und von mir von hinten, nahmen ihre Kavallerie mit vieler Präcipitation die Flucht, desgleichen auch die Infanterie, alle in großer Unordnung. Zu der Zeit schnitt ich ihnen den Weg ab, mit dem Regiment von Hrn. Brigadier Juel; unterdessen machten 2 Bataillone von den Schweden ein Bataille-Caree mit vier Kanonen, welche aber in Unordnung gebracht wurden, durch die Regimenter von Fustman und Donep. Wie sie aber sich nicht gefangen geben wollten, nachdem sie dazu aufgefordert worden, so brach das Regiment von Fustman blindlings hinein und ruinirte ihr Bataille-Caree mit den Säbeln in der Faust, also wurde in der ersten Hitze Alles in Stücken gehauen oder tödtlich blessirt. Dieses, Monsieur, ist ein genauer und wahrhaftiger Bericht von dem, was passirt ist, worin der gütige Gott uns sichtbarlich beigestanden, denn es war nicht zu Vermuthen, daß unsere Behutsamkeit, gute Disposition und Herzhaftigkeit einen so guten Effekt und Avantage hätte zuwege bringen können. Sie werden aus der beigefügten Liste die Zahl der Todten und Gefangenen sehen. Ich kann Sie auf meine Ehre versichern, daß wir eher mehr als weniger hier haben, denn von ihrer ganzen Infanterie, welche ungefähr aus 3000 Mann bestand, sind nicht mehr in allem als 31 Mann zurückgekommen. Ihre Kavallerie hat nicht so viel gelitten, denn sie nahmen die Partei, sich zu salviren. Ich bin etc.
I
P. S. Die ganze Affaire kostet mir nicht mehr als 135 Todte und 144 Blessirte, unter welchen sich befindet der Brigadier Bülow, welcher große Gefahr seines Lebens läuft.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar