1. bis 30 November 1675

Am 1. November sah man, daß vorm Hafen noch eine Schanze aufgeworfen, und Pfähle mit doppelten Bäumen geschlagen waren; in der Mitte waren Boote mit Musketiren, um desto sicherer die Ein- und Ausfahrt zu verwehren. Es wurde wieder stark geschossen, und zwar meistentheils mit glühenden Kugeln, wodurch eine Scheune und ein Stall, mit Korn und Futter angefüllt, zwischen der Danckwerter- und Mecklenburger-Straße in Brand gerieth. Auf dieses erste offenbare Feuer wurde stark zugeschossen, damit es nicht sollte gelöscht werden, was jedoch bald geschah. Ein Copiist vom königl. Tribunal, dem ein Stein, der von einer Stück-Kugel auf der Gasse losgerissen wurde, auf die Brust fiel, mußte dadurch sein Leben einbüßen. In dem Hause eines Bürgers und im Tribunalstall entstund auch Feuer, welches aber bald gedämpft wurde. Von Entsetzung des Wallfisches wurde geredet, aber nicht ausge-führt. Die ganze Nacht hindurch wurde mit glühenden Kugeln geschossen, wobei jedoch bei guter Aufsicht kein Schaden geschah.

Den 2. November bei Beantwortung der dänischen Lose wurde einem schwedischen Soldaten im äußersten Werk vorm Pöler-Thor aus Unvorsichtigkeit der eine Arm abgeschossen. Die Bürger wagten abermals einen Ausfall, bei dem nur wenige fielen. Ein dänischer Trompeter brachte einen auf dem Wasser gefangenen Bürger herein. Die feindliche Schanze gegen den platten Kamp wurde mit drei Stücken besetzt.


Am 3., früh Morgens, wurde aus aßen Batterien stark hereingeschossen, und es gerieth abermals eine Scheune bei der faulen Grube in Brand. Es wurde gleichfalls sehr stark nach diesem Feuer geschossen, doch nur ein Träger mit seinem Pferde getödtet, und einer Magd das Aufbindel sammt der Haube, ohne daß sie verletzt worden wäre, mit einer Stück-Kugel vorn Kopfe genommen. Die Dänen zogen sich zusammen, und kamen uns näher, weil es mit einem Südost-Wind hart zu gefrieren anfing, desfalls alles in der Stadt allart war.

Den 4. November änderte sich das Wetter, und wurde über 20 mal nicht herein geschossen. Vorm Pöhler-Thor wurden etliche Bomben hereingeworfen, wovon eine auf dem Spiegelberg ein Haus sehr beschädigte, eine andere aber schlug auf dem St. Nicolai-Kirchhof in die Erde und zerschmetterte einen Todtensarg.

Den 5. November verlief das Wasser im Strande ungeheuer, und man wurde gewahr, daß die Dänen eine kleine Schanze gegen unser Orlog-Schiff aufgeworfen hatten, und darauf losgeschossen. Gegen den Mittag ergab sich beides, Kronenschiff und die Schanze, Wallfisch genannt, welches in der Stadt sehr übel aufgenommen wurde, und war die Bürgerschaft besonders deswegen ungeduldig, daß vorher um Erhaltung des Schiffes so viele gute Vorschläge gemacht wurden. Es wurde stark hereingeschossen, und viele Granaten herein geworfen, die beim Pöhler- und Mecklenburger-Thore etliche Gebäude beschädigten. In der Nacht geschahen drei Ausfälle, wobei nur ein Reiter beschädigt wurde, noch zwei andere sollen nicht wieder zurück gekommen sein. Was draussen für Schaden angerichtet wurde, das hat die finstere Nacht bedeckt.

Den 6. November war von beiden Seiten eine heftige Kanonade, wobei viel Granaten in die Stadt geworfen wurden; die eine beschädigte ein Haus auf dem Spiegelberge bedeutend, eine andere zersprang auf der Straße, und zerschmetterte verschiedene Fenster. Es wurden zwei Boten nach Pommern gesandt, um den Succurs zu befördern.

Den 7. November wurde wenig geschossen, ein Trompeter aber herein geschickt, der abermals einen gefangenen Bürger mitbrachte, und die gefangenen Dänen los haben wollte; er soll auch wegen der Uebergabe eine harte Anmahnung gethan haben, wodurch man sich aber hat nicht schrecken lassen. Es wird erzählt, daß die Stadt einen Accord gesucht habe, welches dem vorhergehenden und folgenden Bericht ganz zuwider ist.

Den 8. November wurde das beliebte Kriegsiconsilium zum erstenmal gehalten, und beschlossen, daß man sich beständig vertheidigen wolle. Es wurde oft herein geschossen und verschiedene Granaten hereingeworfen, aber ohne bedeutenden Schaden.

Den 9. November wurde wenig herein, aber desto stärker hinaus geschossen. Etliche Granaten wurden jedoch herein geworfen, unter welchen die eine einen Spar an der St. Nicolai-Kirche zerbrach, und das Gewölbe etwas beschädigte. Mit den Aprochen kamen die Dänen so nahe bei dem neuen Werke an, daß mit Musketen chargirt wurde. Im Tagebuch wird gemeldet, daß an diesem Tage erst die Feuer-Mörsel wären fertig geworden, welches jedoch abermals falsch ist.
Den 10. Nov. wurde das angefangene Consilium fortgesetzt, und das Brod für die Soldateska bewilligt, wie auch ein Ausfall auf folgenden Tag. In der nächstfolgenden Nacht wurde aus der Stadt heftig auf die feindlichen Aprochen geschossen. Im neuen Werk wurde ein Reiter getödtet. Die Königin von Dänemark kam im Lager an, wie „der verwirrte Zustand Europas“ meldet.

Den 11. Nov. geschah vom Lübschen-Thore aus ein Ausfall um 2 Uhr Nachmittags; es wurde von beiden Seiten stark geschossen, wiewohl die Dänen erst später dazu kamen. Das Fußvolk eroberte den ersten Kessel der Dänen, und erlegte den darin commandirenden Capitain sammt Soldaten; sie verfolgten ihren Sieg bis auf die nächste Schanze. Die Reiterei kam zu sehr auf die linke Seite nach dem Fischberg, wobei der Major das Bein verlor, der Quartiermeister getödtet, und dem Lieutenant in den Arm geschossen wurde. Die dänischen Reiter, welche auch Stroh wie die schwedischen auf ihren Hüten hatten, drangen auf die Bürger, denen von der Stadt aus mit Stücken secundirt wurde, ohne Erfolg ein; ein dänischer Reiter wurde gefangen. Als nun unsere Reiterei zurückkam und auf die dänische traf, wichen sie zurück. Drei Gefangene wurden hereingebracht; von unsern Leuten wurden 6 Musketire vermißt, 2 Bürger gefangen und 4 verwundet. Wäre dieser Ausfall ein wenig anders geordnet gewesen, so hätte man, nach Aussage der Gefangenen, vor dem Lübschen Thore alles aufheben, Feuermörsel und Stücke zersprengen und alle Granaten ruiniren können. Den Verlust auf dänischer Seite konnte man nicht erfahren. Der Gefangenen wegen wurde ein Trompeter herein geschickt.

Am 12. Nov. wurde man gewahr, daß die Dänen die Längde gegen dem Neuenwerke ihre Aprochen, auch die Schieß-Angel verfertiget. Es wurde wenig herein, desto öfters hinaus geschossen; einige Stunden lang wurde Stillstand gemacht, und die Gefangenen ausgewechselt, unter welchen der eine allhier verstorben war.

Am 13. Nov. wurden die Stücke vorn Galgenberg näher an die Stadt in eine aufgeworfene Batterie gebracht, in der Stadt aber wurden zur guten Vertheidigung weitere Anstalten gemacht.

Am 14. Nov. wurde man gewahr, daß auch die Schießlöcher gegen das Mecklenburger-Thor geöffnet, noch ein Kessel vorm Lübschen Thor verfertigt, und die Aprochen vorm Pöhler-Thor fast bis an die Lärm-Schanze geführt, worauf des Nachts immer mit glühenden Kugeln hereingeschossen wurde, die wenig schadeten.

Den 15. u. 16. November war es still; ein Trompeter kam der Gräfl. Oxenstirnischen Sachen wegen herein, und meldete, daß kein Schiff nach Stockholm würde gelassen werden, wie begehrt wäre.

Den 17. November wurde befunden, daß die Dänen den Damm vorm Alt-Wismarischen Thore durchzustechen beschäftigt gewesen, sie waren aber durch unsere Schrotstücke davon verjagt worden. Am Abend kamen die Boten aus Pommern wieder zurück, und brachten schriftliche Vertröstungen zum Succurs zu Lande, und Nachricht, daß die schwedische Flotte in der See wäre. Des Nachts wurde von beiden Seiten heftig canonirt.

Den 18. November Nachts wurde mit Musketen chargirt.

Den 19. November wurde ein schwedischer Soldat erschossen, weil sowohl bei Tag als bei Nacht stark mit Musketen chargirt wurde.
Am 20. Nov. wurde man gewahr, daß das Schießen einige Zeit aus Mangel an Ammunition nachblieb, und daß die angekommenen Schiffe frischen Vorrath gebracht hatten, denn diesen Mittag fing man von außen auf allen Batterien, besonders vorm Pöhler-Thor, aufs Heftigste mit 6, 12, 24 und 36 Pfündern zu schießen an, auch flogen mehrere Bomben und Granaten herein; von 12 Uhr Mittags bis 4 Uhr Nachmittags zählte man 230 Kanonenschüsse und 50 Granaten, wodurch viele Häuser beschädigt wurden, jedoch wenig Menschen umkamen. Zwei Kinder wurden am Kopf blessirt, eine Baumannsfrau, die eine Granate löschen wollte, wurde zerschmettert. Etliche Soldaten wurden theils blessirt, theils erschlagen. Ein Kornboden mit Korn wurde auf die Gasse geworfen. Außer der Mauer am Lübschen Thor gerieth gegen den Abend eine Reper-Bude und Stall in Brand, in der Stadt aber des Nachts zwei Scheunen in der Mühlenstraße und hätte das Feuer leicht weiter um sich greifen können, wenn der Wind sich nicht gewendet hätte. Auff dieses wurde gewaltig zugeschossen, doch nur ein Zimmermann tödtlich perwundet. Draußen wurde Lärm bei diesem Brand geschlagen, wie auch in der Stadt. Man schoß die ganze Nacht hindurch aus allen Laufgräben und Aprochen kontinuirlich mit Stücken und Musketen herein, worauf tapfer geantwortet wurde, hörten also nicht allein am folgenden Tage, wie in den Kirchen vom Gräuel der Verwüstung gepredigt wurde, sondern sahen auch mit Augen, wie leicht Gott einen Ort verwüsten könne, wenn Er nicht Hülfe leistet, die wir merklich verspüren.

Den 24. November wurde mit Schießen und Granatenwerfen des Morgens heftig fortgefahren. Um Mittag war es still, aber um zwei Uhr ging es wieder an. Es wurden auch Bomben und Bettel-Säcke, die voller kleiner Granaten waren, herein geworfen. Vor dem Mecklenburger Thor hat man 24 Granaten gezählt, die in der Nacht hereingeworfen und verschiedene Häuser sehr stark beschädigt haben. Ein Reiter wurde im Neuen-Werk erschossen. Es fing wieder so scharf zu frieren an, daß man das Eis brechen mußte, wo es sicher geschehen konnte. - Drei kleine Kinder sind von Gott auf wunderbare Weise erhalten worden.

Den 22. November kamen die Dänen allenthalben den Stadtmauern näher; es wurde nicht so stark wie vorher hereingeschossen, jedoch flogen mehrere glühende Kugeln herein. Der Frost nahm so zu, daß man über die Gräben gehen konnte, was große Sorgfalt brachte. Das Musketenfeuer dauerte von beiden Seiten die ganze Nacht hindurch fort; ein Soldat wurde im Neuen-Werk getödtet.

Den 23. November wurde das gegenseitige Feuer fortgesetzt. Da der Frost zunahm, besprach man sich unter einander, ob man das platte Kamp und andere Außenwerke, die ohnedies wegen Mangel an Militz nicht vertheidigt werden konnten, verlassen solle.

Den 24. November änderte sich das Wetter; es fing zu regnen an. Mit großem Geschütz wurde wenig geschossen, mit Musketen aber desto stärker. Ein Bote wurde abermals, um Succurs anzuhalten, nach Pommern geschickt.

Den 25. November wurde etliche Mal hinaus-, nicht aber, außer der Losung, mit Stücken herein geschossen, sonst gingen die draußen mit ihren Aprochen gegen die Oevelgünne vor dem Poeler Thor stark fort, und gegen das Mecklenburger Thor gerade auf die draußen gelegten Minen los.

Den 26. November wurde mit Feuerkugeln hereingeschossen. Eine brachte in eine Bude Feuer, eine andere zündete auf des heiligen Geistes Hof Kegel an, das Feuer wurde aber bald an beiden Orten gelöscht. In der Nacht ward stark hinaus geschossen und Steine aus Feuermörsern hinausgeworfen.
Den 27. November wurden vor dem Poeler Thor zwei Soldaten vom Feinde erschossen und zwei blessirt. Vor dem Mecklenburger Thor schlug eine Kugel, welche vom Thurme zurückprallte, gleichfalls zwei Soldaten todt, auch wurde daselbst ein Lieutenant erschossen.

Den 28. November fing es abermals zu frieren an, wobei ein dicker Nebel sich fand. Draußen wurde Vergadderung geschlagen, welches auch in der Stadt geschah. Am Abend fand ein Ausfall Statt, um Gefangene zu haben, da man vernahm, daß man zum Sturm auf den nächsten Morgen resolvirt war. Beim Ausfall wurde auf beiden Seiten stark geschossen.

Den 29. November wurde die Lose nicht geschossen und man fand, daß die draußen noch einen Kessel dicht am Graben des Neuen-Werks gemacht und vor dem Lübschen Thor ebenfalls fortgearbeitet hatten. Der Frost schlug um mit einem Regen. Die rothe Ruhr befiel einige unserer Soldaten.

Den 30. November fand sich’s, daß der Graben beim Neuen Werk an einem Ort bis an das darin belegene Werderchen ausgefüllt, an einem andern Ort aber der Anfang mit Fachinen zu dämpfen gemacht war, da wieder alles angeschafft wurde, was man haben konnte, und wurden die Schrot-Stücke im Mecklenburger Thor dahin gerichtet, und fortwährend des Nachts losgeschossen. Die Musketen feuerten auch nicht. In der Nacht wurden des Orts oft Thär- und Thrantonnen angezündet. Eine glühende Kugel schlug an des Predigers zum heiligen Geist Hintergiebel, fiel zurück und blieb an einem Spaar am Hintergebäude zwischen zwei Latten, die weit genug von einander waren, liegen, als wenn sie mit Fleiß wären dahin gelegt worden, da sie doch leicht auf beiden Seiten hätten herunterfallen, und einen Brand verursachen können. Es ist fast nicht zu beschreiben, wie wunderlich die Kugeln gefallen und keinen Schaden gethan haben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar