1. bis 16. Dezember 1675

Den 1. December ging ein Schuß vom Lübschen Thor hinaus recht mitten in einen Trop. Einem Soldaten wurde die, Patrontasche von der Seite mit einer glühenden Kugel ohne Verletzung des Leibes und der Kleider weggeschossen. Die Reiterei ließ sich draußen stark sehen. Den Noth leidenden Bürgern wurden Lebensmittel destinirt, damit alles bei gutem Willen erhalten wurde. In der Nacht wurde auf die Orte, die man füllen wollte, mit Stücken und Musketen stark gefeuert.

Den 2. December wurde abermals auf gedachte Orte des Nachts stark geschossen, dessen ungeachtet wurde doch die Brücke beim Neuen-Werk bis auf das Werderchen mitten im Graben befestiget, auch ein Einschnitt allda gemacht.


Den 3. December wurde besonders des Nachmittags seht stark hereingeschossen, wovon ein Schuß recht unter der Betstunde in die St. Nicolai-Kirche auf’s Chor kam. Es wurden auch große Steine, als Stücke von Mühlsteinen, Bomben und Bettel-Säcke hereingeworfen, doch alles ohne besonderen Schaden. In der Nacht wurde, wie vorhin, die Auusfüllung des Grabens beim Neuen-Werk abzuwenden, unaufhörlich hinausgeschossen.

Den 4. December wurde von allen Posten starf hereingeschossen, doch meist auf die Wälle und Mauern. Eine Kugel kam unter der Betstunde in die St. Georgi-Kirche. Granaten und Steine wurden auch hereingeworfen, thaten jedoch keinen Schaden. Im Neuen-Werk wurde ein Soldat erschossen. Die Schrot-Stücke wurden auch mit Muskelenkugeln geladen, die Ausfüllung des gedachten Grabens zu verhindern.

Den 5. December wurde des Abends um vier Uhr heftig hereingeschossen und viele Granaten und Bettel-Säcke hereingeworfen. Eine Granate fiel auf dem Schilde in das Haus eines Töpfers, schlug die Hausdiele ein, da denn die Stube, worin ein Junge, eine Dirne und ein kleines Kind in der Wiege war, in den Keller fiel, aber alle drei unbeschädigt blieben. In der Nacht wurde das Schießen mit unsern Schrot-Stücken aus vorgedachten Ort continuirt. Es geschah auch ein Versuch auf unsere Contrascarpen vor dem Poeler und Lübschen Thor, der sich bald endigte, als unsere Soldaten, sich kühn und tapfer erwiesen und wacker Feuer auf die Anläufer gaben.

Den 6. December fand man, daß noch eine Schanze gegen der Brücke des Mecklenburgschen Thors aufgeworfen. Item, daß sie den Einschnitt auf dem Werderchen gegen das Neue-Werk ziemlich erhöht hätten. Es wurde zum öftern hereingeschossen und ein Reiter getroffen. Unter der Betstunde fiel auf die St. Marien-Kirche eine Granate, und noch eine andere in ein Haus in der Danckwarter Straße, und weil dieselbe mit Pech und andern brennen Materialien umgeben, so haben sie an beiden Orten Feuer gemacht, welches aber, Gott Lob! bald, ohne sonderlichen Schaden gemacht zu haben, gedämpft wurde. Es kamen auch Bomben herein. Die Unsrigen continuirten das Schießen auf dem vorgedachten Ort beim Neuen-Werk.

Den 7. December sind in der Stadt Contrascarpen vor dem Lübschen und Poeler Thor verschiedene Zettel in dänischer und deutscher Sprache, datirt im dänischen Lager, den 4. December gefunden worden; der Inhalt war, daß die Soldaten, welche überliefen, zehn Thaler und ihre Freiheit haben sollten; die Bürger sollten ihre Privilegien behalten, und sollten selbige noch vermehrt werden, wenn sie sich würden ergeben. Im andern Falle möchten sie es sich selbst beimessen, wenn sie Feuer und Schwert sich über den Hals zögen. Es zersprangen den Dänischen auf einer Mühle eine große Anzahl Granaten durch Versehen eines Feuerwerkers, welches einen großen Knall verursachte, doch nichts desto weniger hat man mit Hereinschießung und Werfen des Feuers und der Bomben diesen Tag und die folgende Nacht fast heftiger als früher, fortgefahren, doch ward der angerichtete Schaden nicht so sehr erheblich. - Die ganze Nacht hindurch wurde bei dem Neuen-Werk, wie vorhin, chargirt. - Eine glühende Kugel flog in des Predigers Haus zum heil. Geist durch die hinterste Stube und Küchen-Kannobort zu dem Dienstmädchen auf’s Bette zur Seite, also, daß das Mädchen im Schlafe nicht gewahr wurde, was sie für einen Gast bekommen hatte, als aber der Prediger von dem harten Schlag erwachte, das Mädchen aufweckte und aus dem Bett hervorbrachte und selbst ihr Oberbett berunterwarf, in der Meinung, daß die Kugel unter der Bettstätte sein müßte, siehe, da fiel die glühende sechspfündige Kugel durch das Ober- aufs Unter-Bette und wurde mit einer Feuerzange vom Bette abgenommen.

Den 8. December wurde observirt, daß viele Reiterei und Fußvolk aus den Aprochen kamen, daraus geschlossen wurde, daß man eine Attaque zu thun gemeinet, welches zwei Ueberläufer bekräftigten, so berichteten, daß es aufs Neue-Werk abgesehen gewesen, wie auch, daß der König die Stadt würde eingesperrt lassen, obgleich er mit einigen Regimentern hinweg ginge. Es wurde an diesem Tage dann und wann hereingeschossen, wodurch zwar Feuer in eine Scheune kam, welches aber bald gelöscht wurde, weil nicht viel Korn mehr darin gewesen war. Das Ausfüllen am Neuen-Werk wurde, so viel es möglich war, verwehret.

Den 9. December wurden wieder Granaten und Bomben hereingeworfen, wovon eine auf das Königl. Tribunal-Gebäude durch zwei Böden fiel und nicht geringen Schaden that. Es wurden aber die darauf vorhandenen Personen nicht beschädigt, wie dum auch die Akten unversehrt geblieben sind. Des sel. Herrn Mävius Hintergebäude wurde auch sehr zerstört und ein Konstabler erschossen. Das Hinausschießen, besonders am Neuen-Werk wurde durch die ganze Nacht, wie vorher, continuirt. - Des Abends wurde begehrt, daß die Kellerthür an des heil. Geists Keller nach der Straße möchte zugemistet werden, es wurde aber geantwortet, daß die beiden Thüren so verwahrt wären, daß keine Kugel zum Pulver eindringen könnte. Was geschah? Des Morgens früh schlug eine Granate über der Thür im Kirchenfenster ein, zer-sprang und ein Stück von der Granate flog durch die erste Thür zum Keller hinein. Die Schildwache wurde da so blessirt, daß sie sterben mußte.

Den 10. December wurde mit Schießen und Einwerfen der Granaten, Bomben und Bettelsäcke continuirt, hat aber keinen sonderlichen Schaden gethan, außer daß des Herrn Registrators Haus durch eine Granate hinten merklich versehrt wurde. In der Nacht wurde auch stark hinausgeschossen, gleichwohl aber ist die Schanze auf dem Werderchen gegen das Neue-Werk noch weiter erhöht worden.

Den 11. December wurde den ganzen Tag erschrecklich, auch mit glühenden Kugeln hereingeschossen, auch viele Granaten hereingeworfen, wodurch ein Haus ruinirt wurde, auch sonst hin und wieder Schaden geschah. Die Dänischen zogen sich zusammen und schleppten sich mit Faschinen. Zwei Boten wurden nach Lübeck gesandt, Nachricht vom Succurs einzuholen; sie kamen glücklich durch.

Den 12. December wurde dann und wann hereingeschossen. Auf den Abend wurden sechs Musketire ausgeschickt, die in aller Stille eine Schildwache einbrachten, die, was in derselben Nacht vorgehen sollte, berichtete, deswegen man dawider alle Anstalt machte. Unterdessen würde in der Nacht von allen Posten heftig hereingeschossen, als früher kaum geschehen war, und allerhand Feuerwerk heringeworfen. Der Schaden war nicht geringe, besonders in des Herrn Assessors Klinckowen neu erbautem Hause. Die Brücke am Neuen-Werk wurde fest gemacht, welches von dannen sogleich gemeldet wurde, man konnte sie aber nicht ruiniren, obgleich continuirlich darnach geschossen worden war. Die feindlichen Anfälle, die darauf gegen Morgen bei der Sparbüchse und Lärmschanze geschahen, weil sich allda die Bürgerschaft mit den Soldaten vereinigten, wurden glücklich abgeschlagen und einige Gefangene eingebracht.

Den 13. December wurde mit dem Tage über die neue Brücke am Neuen-Werk in Gegenwart des Königs bei nassem Wetter stark angelaufen. Und obwohl gute Gegenwehr, bevor mit den Schrot-Stücken, auf die angeworfene Brücke, dieselbe zu brechen, geschah, mußten sich doch die Unserigen in’s Neue-Werk zurückziehen, und wurde dabei ein Rittmeister mit einer Pique durchgestochen und einige Gemeine beschädigt, dadurch denn das Neue-Werk verloren geachtet wurde. Indem ein Accords-Zeichen ausgesteckt wurde, kam ein Trompeter, und fort darauf noch einanderer an das Thor, welche die ihnen erfreuliche Zeitung empfingen, daß man einen ehrlichen Accord begehrte, worauf alsobald ein Stillstand erfolgte, und wurde von dänischer Seite ein Generalmajor und General-Auditeur zu Geißeln herein, hingegen ein Oberst und Oberst-Lieutenant hinausgesandt. Die von dänischer Seite herein geschickte tractirten allhier mit den Unserigen und wurde der Entwurf von den Accords-Punkten gegen vier Uhr des Nachmittages von den dazu Verordneten unterzeichnet, die in folgenden Stücken bestanden: 1. Sollte noch an demselben Abend das Mecklenburgische Thor Ihrer Königl. Majest. von Dänemark Völkern eingeräumt und zu besetzen zugilassen werden. 2. Die Garnison zu Roß und Fuß sollte des andern Tages zu Mittag nach Soldaten Manier ausziehen und jedem Offizier seine eigene Bagage mitzunehmen vergönnt sein. Damit auch selbige, und die Bürgerschaft gegen einander liquidiren könnten, sollte die Garnison auf ein Dorf gelegt und den Offizieren drei Tage zugelassen werden, die Liquidationen zu verfertigen. Bis Neuen-Buckow sollten sie selbst Brod nehmen, hernach wollte man ihnen mit Brod und Bauerfuhren behülflich sein und sie nach Stralsund convoyiren lassen. 3. Den andern Königl. schwedischen Civil- und Militär- auch Tribunal-Bedienten, so in der Stadt wohnhaft sind, sollte freier Ausgang für ihre Personen und Sachen zugelassen werden, wollten sie aber bleiben, in der Stadt wohnen, und sich in Sr. Majestät Schutz begeben, sollten sie bei den Ihrigen beschützt werden. 4. Die Provision der Magazine von Lebens- und Kriegsmitteln, auch Materialien, sollte ohne arge List mit dem Inventar ausgeliefert und Sr. Königl. Majestät zu Dänemark übergeben werden. 5. Das Archiv des Tribunals sollte mit allen Dokumenten und Akten Sr. Majestät in Dänemark eingeräumt werden und wollten Seine Königl. Majestät solche Akten wohl verwahren lassen, damit die Privaten in ihren Justiz-Sachen nicht gefährdet würden. 6. Der Stadt und Bürgerschaft Freiheit und Gerechtigkeit wollen Ihro Königl. Majestät allergnädigst lassen, und daß sie in solchem guten Stande conservirt bleiben möge, als sie vom römischen Reiche an die Kron-Schweden ist übergeben worden. 7. Weil die Bürgerschaft und Tribunals-Bediente zwei Memorialia übergeben und darüber Sr. Königl. Majestät Bewilligung untertänigst gesucht, als sollen dieselben Ihrer Königl. Majestät vorgetragen, untertänigst recommandirt und deren Inhalt in Form extradirt ihnen gegeben, auch dieser Accord in Form ihnen gebührlich eingeschickt werden, ohne Arglist und Gefahr. Datum den 13. December im Jahre 1675. Darauf ist noch selbigen Abend das Mecklenburger Thor den Dänischen eingeräumt worden, die sich höchlich verwunderten, daß Brod, Bier und dergleichen, nicht so theuer in der Stadt sei, als in ihrem Lager.

Den 14. December zogen die schwedischen Völker mit 12 Fahnen aus der Stadt nach Krieges-Manier. In Beschreibung des nordischen Krieges, die aus dem europäischen Tageblatte gezogen, wird Seite 352 erzählt, daß die Reiterei 150, die Infanterie 500 Mann stark gewesen. Sie waren aber stärker und wurden von dem Hrn. Gouverneur Wrangel und Kommandanten Graf Carls-Sohn hinausgeführt, die in Begleitung zweier dänischer Generals-Personen zurückkamen und allhier das Mittagsmahl hielten.

Den 16. dito gegen den Mittag hielt Seine Königl. Majestät mit Dero Frau Gemahlin und Herrn Bruder Prinz Georg, und dem ganzen Kgl. Hofstaat ihren Einzug in die Stadt Wismar, und wurde von dem Stadt-Magistrat vor dem Mecklenburger Thor empfangen, welcher vor Deroselben mit entblößten Häuptern bis vor die Haupt-Kirche, St. Maria genannt, ging, wo Sie abstiegen, und wurden von den Personen des Kömgl. schwedischen Tribunals, auch Ehrw. Ministeriums empfangen, denen der König und sein Herr Bruder die Hände darreichten und fort darauf auf das Königl. Chor gingen. Das De Teurn laudamus ward gesungen und hielt der Königl. Hofprediger, Herr Doktor Joh. Lette, eine Dank-Predigt aus dem XLI. Psalm, V. 12, 13, 14 in dänischer Sprache.

Nach beendigtem Gottesdienst verfügte sich Se. Königl. Majestät mit Ihrem Comitat auf’s Rathhaus und empfingen von der Stadt den Eid der Treue, worauf Sie zwar daselbst Tafel hielt, aber noch selbigen Abend sich wieder hinaus nach Dero gewöhnlichen Quartier Mecklenburg begab. Es wurden Kommissorien hier gelassen, welche die übrigen Sachen in Richtigkeit bringen mußten. Weil nun etliche Personen des Königl. Tribunals Bedenken trugen, hier zu bleiben, zogen sie in den folgenden Tagen aus Wismar.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar