8. Vorschlag zur Güte, d. h. zur Schlechtigkeit (1918)

Mit dem größten Befremden verfolge ich den Kampf, den maßgebende Kreise gegen die Schundliteratur, den Kino, die schwarze Hand, den Kannibalismus usw. führen. Seit Jahrtausenden sind Religionsstifter, Oberlehrer und Traktätchenverkäuf er bemüht, der Menschheit eine Vorstellung vom Wesen des Guten beizubringen und sie nach besten Kräften zur praktischen Ausübung der Tugend anzuleiten. Mit welchem Erfolg, lehrt zur Genüge die Geschichte. Je eifriger und inbrünstiger die Propheten ihres Amtes walteten, um so niederträchtiger und gottloser gebärdet sich jenes kleinhirnige Säugetier, welches mit Unrecht den Namen Mensch führt. Die Tugend ist eine Sensation: als negatives Stimulans nur ihrem sogenannten Leben eingeordnet. Denn ihr Leben vollzieht sich nur aus dem Geist des Widerspruchs heraus. Jedermann ist bemüht, das Gegenteil von dem zu tun, was die immanente Vernunft von ihm erwartet. Wird dieses Gesetz der konträren Einstellung erst in seiner ganzen Wucht einmal erkannt, so ist der ethisch-logische Schluss auch von Minderbegabten leicht zu ziehen. Man lehre die Menschen das Schlechte — und sie werden das Gute von selbst tun. Man propagiere in den Volks- und öffentlichen Bibliotheken die Lektüre von Nat-Pinkerton, Otto Ernst, Courths-Mahler, Theodor Körner. In Millionen Exemplaren verbreite das Ministerium für Volksbildung: Rosa, den Backfisch, und Emil, den siebenfachen Massenmörder. Agenten sollen durch die Straßen ziehen, die im staatlichen Auftrag zu Raubund Lustmord auffordern: in flammenden Phrasen. Was wird die Folge sein? Eine Welle von Sanftmut und Opferbereitschaft, von Güte und Liebe wird über die Menschheit dahinströmen. Warum hat die Zensur noch immer nicht jene kindlich frommen, presbyterianisch harmlosen Aufklärungsfilme verboten? Der wahre Aufklärungsfilm muss erst noch geschaffen werden: sämtliche Verbrechen der Menschheit sind in wahrheitsgetreuem Filmbild der unmündigen Jugend in extra Kindervorstellung bei freiem Eintritt vorzuführen. Welch ein herrliches Geschlecht werden wir aufziehen. Es wird künftig ein wahres Vergnügen sein, Kinder zu zeugen. Wir werden den Himmel auf Erden haben. Ein Wort noch an die Pazifisten, jene närrischen Halunken Gottes. Sie haben den ewigen Frieden propagiert und haben den ewigen Krieg geerntet. Wir vom B. d. B. (Bund der Bösen) propagieren den ewigen Krieg: Krieg muss sein den ganzen Tag von früh bis spät, hundert Jahre lang. Dann werden wir den ewigen Frieden haben. Treten Sie unserem Bunde bei, wenn Sie es ernst mit der Aufwärtsentwicklung der Menschheit meinen. Für die Menschheit ist das Schlechteste gerade gut genug.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kunterbuntergang des Abendlandes