Verflechtung von antikem und neuerem Aberglauben: Die Astrologie — Ihre Verbreitung und ihr Einfluss — Ihre Gegner in Italien — Picos Widerlegung und deren Wirkung — Verschiedene Superstitionen — Aberglauben der Humanisten — Gespenster von Verstorbenen — Dämonenglaube — Die italienische Hexe — Das Hexenland bei Norcia — Einmischung und Grenzen des nordischen Hexenwesens — Zauberei der Buhlerinnen — Der Zauberer und Beschwörer — Die Dämonen auf der Strafte nach Rom — Einzelne Zaubergattungen — Die Telesmata — Magie bei Grundsteinlegungen — Der Nekromant bei den Dichtern — Zauber geschickte des Benvenuto Cellini — Abnahme des Zauberwesens — Nebengattungen desselben — Alchimie

Der Glaube an die göttliche Weltregierung war, wie gesagt, bei den einen durch die Masse des Unrechtes und Unglückes erschüttert; die anderen, wie z.B. Dante, gaben wenigstens das Erdenleben dem Zufall und seinem Jammer preis, und wenn sie dabei dennoch einen starken Glauben behaupteten, so kam dies daher, dass sie die höhere Bestimmung des Menschen für das Jenseits festhielten. Sobald nun auch diese Überzeugung von der Unsterblichkeit wankte,, bekam der Fatalismus das Übergewicht — oder, wenn letzteres geschah, so war ersteres die Folge davon.

In die Lücke trat zunächst die Astrologie des Altertums, auch wohl die der Araber. Aus der jedesmaligen Stellung der Planeten unter sich und zu den Zeichen des Tierkreises erriet sie künftige Ereignisse und ganze Lebensläufe und bestimmte auf diesem Wege die wichtigsten Entschlüsse. In vielen Fällen mag die Handlungsweise, zu welcher man sich durch die Gestirne bestimmen ließ, an sich nicht unsittlicher gewesen sein als diejenige, welche man ohnedies befolgt haben würde; sehr oft aber muss der Entscheid auf Unkosten des Gewissens und der Ehre erfolgt sein. Es ist ewig lehrreich zu sehen, wie alle Bildung und Aufklärung gegen diesen Wahn nicht aufkam, weil derselbe seine Stütze hatte an der leidenschaftlichen Phantasie, an dem heißen Wunsch, die Zukunft vorauszuwissen und zu bestimmen, und weil dos Altertum ihn bestätigte.


Die Astrologie tritt mit dem XIII. Jahrhundert plötzlich sehr mächtig in den Vordergrund des italienischen Lebens. Kaiser Friedrich II. führt seinen Astrologen Theodorus mit sich und Ezzelino da Romano einen ganzen stark besoldeten Hof von solchen Leuten, darunter den berühmten Guido Bonatto und den langbärtigen Sarazenen Paul von Bagdad. Zu allen wichtigen Unternehmungen mussten sie ihm Tag und Stunde bestimmen, und die massenhaften Gräuel, welche er verüben ließ, mögen nicht geringen Teiles auf logischer Deduktion aus ihren Weissagungen beruht haben. Seitdem scheut sich niemand mehr, die Sterne befragen zu lassen; nicht nur die Fürsten, sondern auch einzelne Stadtgemeinden halten sich regelmäßige Astrologen, und an den Universitäten werden vom XIV. bis zum XVI. Jahrhundert besondere Professoren dieser Wahnwissenschaft, sogar neben eigentlichen Astronomen angestellt. Die Päpste bekennen sich großenteils offen zur Sternbefragung; allerdings macht Pius II. eine ehrenvolle Ausnahme, wie er denn auch Traumdeutung, Prodigien und Zauber verachtete; aber selbst Leo X. scheint einen Ruhm seines Pontifikates darin zu finden, dass die Astrologie blühe, und Paul III. hat kein Konsistorium gehalten, ohne dass ihm die Sterngucker die Stunde bestimmt hätten.

Bei den besseren Gemütern darf man nun wohl voraussetzen, dass sie sich nicht über einen gewissen Grad hinaus in ihrer Handlungsweise von den Sternen bestimmen ließen, dass es eine Grenze gab, wo Religion und Gewissen Einhalt geboten. In der Tat haben nicht nur treffliche und fromme Leute an dem Wahn teilgenommen, sondern sind selbst als Repräsentanten desselben aufgetreten. So Maestro Pagolo von Florenz, bei welchem man beinahe diejenige Absicht auf Versittlichung des Astrologentums wiederfindet, welche bei dem späten Römer Firmicus Maternus kenntlich wird. Sein Leben war das eines heiligen Asketen; er genoss beinahe nichts, verachtete alle zeitlichen Güter und sammelte nur Bücher; als gelehrter Arzt beschränkte er seine Praxis auf seine Freunde, machte ihnen aber zur Bedingung, dass sie beichten mussten. Seine Konversation war der enge, aber berühmte Kreis, welcher sich im Kloster zu den Engeln um Fra Ambrogio Camaldolese sammelte, — außerdem die Unterredungen mit Cosimo dem Älteren, zumal in dessen letzten Lebensjahren; denn auch Cosimo achtete und benutzte die Astrologie, wenngleich nur für bestimmte, wahrscheinlich untergeordnete Gegenstände. Sonst gab Pagolo nur den vertrautesten Freunden astrologischen Bescheid. Aber auch ohne solche Sittenstrenge konnte der Sterndeuter ein geachteter Mann sein und sich überall zeigen; auch gab es ihrer ohne Vergleich viel mehr als im übrigen Europa, wo sie nur an bedeutenden Höfen, und selbst da nicht durchgängig, vorkommen. Wer in Italien irgendein größeres Haus machte, hielt sich auch, sobald der Eifer für die Sache groß genug war, einen Astrologen, der freilich bisweilen Hunger leiden mochte. Durch die schon vor dem Bücherdruck stark verbreitete Literatur dieser Wissenschaft war überdies ein Dilettantismus entstanden, der sich so viel als möglich an die Meister des Faches anschloss. Die schlimme Gattung der Astrologen war die, welche die Sterne nur zu Hilfe nahm, um Zauberkünste damit zu verbinden oder vor den Leuten zu verdecken.

Doch selbst ohne eine solche Zutat ist die Astrologie ein trauriges Element des damaligen italienischen Lebens. Welchen Eindruck machen all jene hochbegabten, vielseitigen, eigenwilligen Menschen, wenn die blinde Begier, das Künftige zu wissen und zu bewirken, ihr kräftiges individuelles Wollen und Entschließen auf einmal zur Abdikation zwingt! Dazwischen, wenn die Sterne etwa gar zu Ungünstiges verkünden, raffen sie sich auf, handeln unabhängig und sprechen dazu: Vir sapiens dominabitur astris, der Weise wird über die Gestirne Meister; — um bald wieder in den alten Wahn zurückzufallen.

Zunächst wird allen Kindern angesehener Familien das Horoskop gestellt, und bisweilen schleppt man sich hierauf das halbe Leben hindurch mit irgendeiner nichtsnutzigen Voraussetzung von Ereignissen, die nicht eintreffen. Dann werden für jeden wichtigen Entschluss der Mächtigen, zumal für die Stunde des Beginnens, die Sterne befragt. Abreisen fürstlicher Personen, Empfang fremder Gesandten, Grundsteinlegungen großer Gebäude hängen davon ab. Ein gewaltiges Beispiel der letzteren Art findet sich im Leben des oben genannten Guido Bonatto, welcher überhaupt durch seine Tätigkeit sowohl als durch ein großes systematisches Werk der Wiederhersteller der Astrologie im XIII. Jahrhundert heißen darf. Um dem Parteikampf der Guelfen und Ghibellinen in Forli ein Ende zu bereiten, beredete er die Einwohner zu einem Neubau ihrer Stadtmauern und zum feierlichen Beginn desselben unter einer Konstellation, die er angab; wenn dann Leute beider Parteien in demselben Moment jeder seinen Stein in das Fundament würfen, so würde in Ewigkeit keine Parteiung mehr in Forli sein. Man wählte einen Guelfen und einen Ghibellinen zu diesem Geschäfte; der hehre Augenblick erschien, beide hielten ihre Steine in der Hand, die Arbeiter warteten mit ihrem Bauzeug, und Bonatto gab das Signal — da warf der Ghibelline sogleich seinen Stein hinunter, der Guelfe aber zögerte und weigerte sich dann gänzlich, weil Bonatto selber als Ghibelline galt und etwas Geheimnisvolles gegen die Guelfen im Schilde führen konnte. Nun fuhr ihn der Astrolog an: Gott verderbe dich und deine Guelfenpartei mit eurer misstrauischen Bosheit! dies Zeichen wird 500 Jahre lang nicht mehr am Himmel über unserer Stadt erscheinen! In der Tat verdarb Gott nachher die Guelfen von Forli, jetzt aber (schreibt der Chronist um 1480) sind Guelfen und Ghibellinen hier doch gänzlich versöhnt und man hört ihre Parteinamen nicht mehr.

Ghirlandaio : Ein vornehmer Florentiner. Detail aus der Berufung Petri Rom, Vatikan

Vittore Carpaccio: Traum der heiligen Ursula, Venedig, Akademie

Dosso Dossi: Die Zauberin Circe. Rom, Galleria Borghese

Buchminiatur des 15. Jahrhunderts. Horoskop des Galeazzo Maria Sforza Mailand, Sammlung Trivulzio


Das nächste, was von den Sternen abhängig wird, sind die Entschlüsse im Kriege. Derselbe Bonatto verschaffte dem großen Ghibellinenhaupt Guido da Montefeltro eine ganze Anzahl von Siegen, indem er ihm die richtige Sternenstunde zum Auszug angab; als Montefeltro ihn nicht mehr bei sich hatte, verlor er allen Mut, seine Tyrannis weiter zu behaupten, und ging in ein Minoritenkloster; noch lange Jahre sah man ihn als Mönch terminieren. Die Florentiner ließen sich noch im pisanischen Krieg von 1362 durch ihren Astrologen die Stunde des Auszuges bestimmen; man hätte sich beinahe verspätet, weil plötzlich ein Umweg in der Stadt befohlen wurde. Frühere Male war man nämlich durch Via di Borgo S. Apostolo ausgezogen und hatte schlechten Erfolg gehabt; offenbar war mit dieser Straße, wenn man gegen Pisa zu Felde zog, ein übles Augurium verknüpft, und deshalb wurde das Heer jetzt durch Porta rossa hinausgeführt; weil aber dort die gegen die Sonne ausgespannten Zelte nicht waren weggenommen worden, so musste man — ein neues übles Zeichen — die Fahnen gesenkt tragen. Überhaupt war die Astrologie vom Kriegswesen schon deshalb nie zu trennen, weil ihr die meisten Kondottieren anhingen. Jacopo Caldora war in der schwersten Krankheit wohlgemut, weil er wusste, dass er im Kampfe fallen würde, wie denn auch geschah; Bartolommeo Alviano war davon überzeugt, dass seine Kopfwunden ihm so gut wie sein Kommando durch Beschluss der Gestirne zuteil geworden; Nicolò Orsini-Pitigliano bittet sich für den Abschluß seines Soldvertrages mit Venedig (1495) von dem Physikus und Astrologen Alessandro Benedetto eine gute Sternenstunde aus. Als die Florentiner den 1. Juni 1498 ihren neuen Kondottiere, Paolo Vitelli, feierlich mit seiner Würde bekleideten, war der Kommandostab, den man ihm überreichte, mit der Abbildung von Konstellationen versehen, und zwar auf Vitellis eigenen Wunsch.

Bisweilen wird es nicht ganz klar, ob bei wichtigen politischen Ereignissen die Sterne vorher befragt wurden oder ob die Astrologen nur nachträglich aus Kuriosität die Konstellation berechneten, welche den betreffenden Augenblick beherrscht haben sollte. Als Giangaleazzo Visconti mit einem Meisterstreich seinen Oheim Bernabò und dessen Familie gefangen nahm (1385), standen Jupiter, Saturn und Mars im Hause der Zwillinge — so meldet ein Zeitgenosse, aber wir erfahren nicht, ob dies den Entschluss zur Tat bestimmte. Nicht selten mag auch politische Einsicht und Berechnung den Sterndeuter mehr geleitet haben als der Gang der Planeten.

Hatte sich Europa schon das ganze spätere Mittelalter hindurch von Paris und Toledo aus durch astrologische Weissagungen von Pest, Krieg, Erdbeben, großen Wassern u. dgl. ängstigen lassen, so blieb Italien hierin vollends nicht zurück. Dem Unglücks jähr 1494, das den Fremden für immer Italien öffnete, gingen unleugbar schlimme Weissagungen nahe voraus, nur müsste man wissen, ob solche nicht längst für jedes beliebige Jahr bereit lagen.

In seiner vollen, antiken Konsequenz dehnt sich aber das System in Regionen aus, wo man nicht mehr erwarten würde, ihm zu begegnen. Wenn das ganz äußere und geistige Leben des Individuums von dessen Genitura bedingt ist, so befinden sich auch größere geistige Gruppen, z. B. Völker und Religionen, in einer ähnlichen Abhängigkeit, und da die Konstellationen dieser großen Dinge wandelbar sind, so sind es auch die Dinge selbst. Die Idee, dass jede Religion ihren Welttag habe, kommt auf diesem astrologischen Wege in die italienische Bildung hinein. Die Konjunktion des Jupiter, hieß es, mit Saturn habe den hebräischen Glauben hervorgebracht, die mit Mars den chaldäischen, die mit der Sonne den ägyptischen, die mit Venus den mohammedanischen, die mit Merkur den christlichen und die mit dem Mond werde einst die Religion des Antichrist hervorbringen. In frevelhaftester Weise hatte schon Checco d’Ascoli die Nativität Christi berechnet und seinen Kreuzestod daraus deduziert; er musste deshalb 1327 in Florenz auf dem Scheiterhaufen sterben. Lehren dieser Art führten in ihren weiteren Folgen eine förmliche Verfinsterung alles Übersinnlichen mit sich.

Um so anerkennenswerter ist aber der Kampf, welchen der lichte italienische Geist gegen diese ganze Wahngespinst geführt hat. Neben den größten monumentalen Verherrlichungen der Astrologie, wie die Fresken im Salone zu Padua und diejenigen in Borsos Sommerpalast (Schifanoja) zu Ferrara, neben dem unverschämten Anpreisen, das sich selbst ein Beroaldus der Ältere erlaubt, tönt immer wieder der laute Protest der Nichtbetörten und Denkenden. Auch auf dieser Seite hatte das Altertum vorgearbeitet, doch reden sie hier nicht den Alten nach, sondern aus ihrem eigenen gesunden Menschenverstande und aus ihrer Beobachtung heraus. Petrarcas Stimmung gegen die Astrologen, die er aus eigenem Umgang kannte, ist derber Hohn, und ihr System durchschaut er in seiner Lügenhaftigkeit. Sodann ist die Novelle seit ihrer Geburt, seit den Cento novelle antiche, den Astrologen fast immer feindlich. Die florentinischen Chronisten wehren sich auf das tapferste, auch wenn sie den Wahn, weil er in die Tradition verflochten ist, mitteilen müssen. Giovanni Villani sagt es mehr als einmal: „keine Konstellation kann den freien Willen des Menschen unter die Notwendigkeit zwingen noch auch den Beschluss Gottes“; Matteo Villani erklärt die Astrologie für ein Laster, das die Florentiner mit anderem Aberglauben von ihren Vorfahren, den heidnischen Römern, geerbt hätten. Es blieb aber nicht bei bloß literarischer Erörterung, sondern die Parteien, die sich darob bildeten, stritten öffentlich; bei der furchtbaren Überschwemmung des Jahres 1333 und wiederum 1345 wurde die Frage, über Sternenschicksal und Gottes Willen und Strafgerechtigkeit zwischen Astrologen und Theologen höchst umständlich diskutiert. Diese Verwahrungen hören die ganze Zeit der Renaissance hindurch niemals völlig auf, und man darf sie für aufrichtig halten, da es durch Verteidigung der Astrologie leichter gewesen wäre, sich bei den Mächtigen zu empfehlen als durch Anfeindung derselben.

In der Umgebung des Lorenzo magnifico, unter seinen namhaftesten Platonikern, herrschte hierüber Zwiespalt. Marsilio Ficino verteidigte die Astrologie und stellte den Kindern vom Hause das Horoskop, wie er denn auch dem kleinen Giovanni geweissagt haben soll, er würde ein Papst — Leo X. — werden. Dagegen macht Pico della Mirandola wahrhaft Epoche in dieser Frage durch seine berühmte Widerlegung. Er weist im Sternglauben eine Wurzel aller Gottlosigkeit und Unsittlichkeit nach; wenn der Astrologe an irgendetwas glauben wolle, so müsse er am ehesten die Planeten als Götter verehren, indem ja von ihnen alles Glück und Unheil hergeleitet werde; auch aller übrige Aberglaube finde hier ein bereitwilliges Organ, indem Geomantie, Chiromantie und Zauber jeder Art für die Wahl der Stunde sich zunächst an die Astrologie wendeten. In betreff der Sitten sagt er: eine größere Förderung für das Böse gäbe es gar nicht, als wenn der Himmel selbst als Urheber desselben erscheine, dann müsse auch der Glaube an ewige Seligkeit und Verdammnis völlig schwinden. Pico hat sich sogar die Mühe genommen, auf empirischem Wege die Astrologen zu kontrollieren; von ihren Wetterprophezeiungen für die Tage eines Monats fand er drei Vierteile falsch. Die Hauptsache aber war, dass er (im IV. Buche) eine positive christliche Theorie über Weltregierung und Willensfreiheit vortrug, welche auf die Gebildeten der ganzen Nation einen größeren Eindruck gemacht zu haben scheint als alle Bußpredigten, von welchen diese Leute oft nicht mehr erreicht wurden.

Vor allem verleidet er den Astrologen die weitere Publikation ihrer Lehrgebäude, und die, welche bisher dergleichen hatten drucken lassen, schämten sich mehr oder weniger. Gioviano Pontano z. B. hatte in seinem Buche „Vom Schicksal“ die ganze Wahnwissenschaft anerkannt und sie in einem eigenen großen Werke theoretisch in der Art des alten Firmicus vorgetragen; jetzt in seinem Dialog „Aegidius“ gibt er, zwar nicht die Astrologie, wohl aber die Astrologen preis, rühmt den freien Willen und beschränkt den Einfluss der Sterne auf die körperlichen Dinge. Die Sache blieb in Übung, aber sie scheint doch nicht mehr das Leben so beherrscht zu haben wie früher. Die Malerei, welche im XV. Jahrhundert den Wahn nach Kräften verherrlicht hatte, spricht nun die veränderte Denkweise aus: Raffael in der Kuppel der Kapelle Chigi stellt ringsum die Planetengötter und den Fixsternhimmel dar, aber bewacht und geleitet von herrlichen Engelgestalten, und von oben herab gesegnet durch den ewigen Vater. Noch ein anderes Element scheint der Astrologie in Italien feindlich gewesen zu sein: die Spanier hatten keinen Teil daran, auch ihre Generale nicht, und wer sich bei ihnen in Gunst setzen wollte, bekannte sich auch wohl ganz offen als Feind der für sie halbketzerischen, weil halbmohammedanischen Wissenschaft. Freilich noch 1529 meint Guicciardini: wie glücklich doch die Astrologen seien, denen man glaube, wenn sie unter hundert Lügen eine Wahrheit vorbrächten, während andere, die unter hundert Wahrheiten eine Lüge sagten, um allen Kredit kämen. Und überdies schlug die Verachtung der Astrologie nicht notwendig in Vorsehungsglauben um, sie konnte sich auch auf einen allgemeinen, unbestimmten Fatalismus zurückziehen.

Italien hat in dieser wie in anderen Beziehungen den Kulturtrieb der Renaissance nicht gesund durch- und ausleben können, weil die Eroberung und die Gegenreformation dazwischen kam. Ohne dieses würde es wahrscheinlich die phantastischen Torheiten völlig aus eigenen Kräften überwunden haben. Wer nun der Ansicht ist, dass Invasion und katholische Reaktion notwendig und vom italienischen Volk ausschließlich selbst verschuldet gewesen seien, wird ihm auch die daraus erwachsenen geistigen Verluste als gerechte Strafe zuerkennen. Nur schade, dass Europa dabei ebenfalls ungeheuer verloren hat.

Bei weitem unschuldiger als die Sterndeutung erscheint der Glaube an Vorzeichen. Das ganze Mittelalter hatte einen großen Vorrat desselben aus seinen verschiedenen Heidentümern ererbt, und Italien wird wohl darin am wenigsten zurückgeblieben sein. Was aber die Sache hier eigentümlich färbt, ist die Unterstützung, welche der Humanismus diesem populären Wahn leistet; er kommt dem ererbten Stück Heidentum mit einem literarisch erarbeiteten zu Hilfe.

Der populäre Aberglaube der Italiener bezieht sich bekanntlich auf Ahnungen und Schlüsse aus Vorzeichen, woran sich dann noch eine meist unschuldige Magie anschließt. Nun fehlt es zunächst nicht an gelehrten Humanisten, welche wacker über diese Dinge spotten und sie bei diesem Anlass berichten. Derselbe Gioviano Pontano, welcher jenes große astrologische Werk verfasste, zählt in seinem „Charon“ ganz mitleidig allen möglichen neapolitanischen Aberglauben auf: den Jammer der Weiber, wenn ein Huhn oder eine Gans den Pips bekommt; die tiefe Besorgnis der vornehmen Herren, wenn ein Jagdfalke ausbleibt, ein Pferd den Fuß verstaucht; den Zauberspruch der apulischen Bauern, welchen sie in drei Samstagsnächten hersagen, wenn tolle Hunde das Land unsicher machen usw. Überhaupt hatte die Tierwelt ein Vorrecht des Ominösen gerade wie im Altertum, und vollends jene auf Staatskosten unterhaltenen Löwen, Leoparden u. dgl. gaben durch ihr Verhalten dem Volke um so mehr zu denken, als man sich unwillkürlich gewöhnt hatte, in ihnen das lebendige Symbol des Staates zu erblicken. Als während der Belagerung 1529 ein angeschossener Adler nach Florenz hereinflog, gab die Signorie dem Überbringer vier Dukaten, weil es ein gutes Augurium sei. Dann waren bestimmte Zeiten und Orte für bestimmte Verrichtungen günstig oder ungünstig oder überhaupt entscheidend. Die Florentiner glaubten, wie Varchi meldet, der Sonnabend sei ihr Schicksalstag, an welchem alle wichtigen Dinge, gute sowohl als böse, zu geschehen pflegten. Ihr Vorurteil gegen Kriegsauszüge durch eine bestimmte Gasse wurde schon erwähnt; bei den Peruginern dagegen gilt eines ihrer Tore, die Porta eburnea, als glückverheißend, so dass die Baglionen zu jedem Kampfe dort hinaus marschieren ließen. Dann nehmen Meteore und Himmelszeichen dieselbe Stelle ein wie im ganzen Mittelalter, und aus sonderbaren Wolkenbildungen gestaltet die Phantasie auch jetzt wieder streitende Heere und glaubt, deren Lärm hoch in der Luft zu hören. Schon bedenklicher wird der Aberglaube, wenn er sich mit heiligen Dingen kombiniert, wenn z. B. Madonnenbilder die Augen bewegen oder weinen, ja, wenn Landeskalamitäten mit irgendeinem angeblichen Frevel in Verbindung gebracht werden, dessen Sühnung dann der Pöbel verlangt. Als Piacenza 1478 von langem und heftigem Regen heimgesucht wurde, hieß es, derselbe werde nicht aufhören, bis ein gewisser Wucherer, der unlängst in S. Francesco begraben worden war, nicht mehr in geweihter Erde ruhe. Da sich der Bischof weigerte, die Leiche gutwillig ausgraben zu lassen, holten die jungen Burschen sie mit Gewalt, zerrten sie in den Straßen unter gräulichem Tumult herum und warfen sie zuletzt in den Po. Freilich, auch ein Angelo Poliziano lässt sich auf dieselbe Anschauungsweise ein, wo es Giacomo Pazzi gilt, einen Hauptanstifter der nach seiner Familie benannten Verschwörung zu Florenz in demselben Jahre 1478. Als man ihn erdrosselte, hatte er mit fürchterlichen Worten seine Seele dem Satan übergeben. Nun trat auch hier Regen ein, so dass die Getreideernte bedroht war; auch hier grub ein Haufe von Leuten (meist Bauern) die Leiche in der Kirche aus, und alsobald wichen die Regenwolken, und die Sonne erglänzte — „so günstig war das Glück der Volksmeinung“, fügt der große Philologe bei. Zunächst wurde die Leiche in ungeweihter Erde verscharrt, des folgenden Tages aber wiederum ausgegraben und, nach einer entsetzlichen Prozession durch die Stadt, in den Arno versenkt.

Solche und ähnliche Züge sind wesentlich populär und können im X. Jahrhundert so gut vorgekommen sein als im XVI. Nun mischt sich aber auch hier das literarische Altertum ein. Von den Humanisten wird ausdrücklich versichert, dass sie den Prodigien und Augurien ganz besonders zugänglich gewesen, und Beispiele davon wurden bereits erwähnt. Wenn es aber irgendeines Beleges bedürfte, so würde ihn schon der eine Poggio gewähren. Derselbe radikale Denker, welcher den Adel und die Ungleichheit der Menschen negiert, glaubt nicht nur an allen mittelalterlichen Geister- und Teufelsspuk, sondern auch an Prodigien antiker Art, z. B. an diejenigen, welche beim letzten Besuch Eugens IV. in Florenz berichtet wurden. „Da sah man in der Nähe von Como des Abends 4.000 Hunde, die den Weg nach Deutschland nahmen; auf diese folgte eine große Schar Rinder, dann ein Heer von Bewaffneten, zu Fuß und zu Ross, teils ohne Kopf, teils mit kaum sichtbaren Köpfen, zuletzt ein riesiger Reiter, dem wieder eine Herde von Rindern nachzog.“ Auch an eine Schlacht von Elstern und Dohlen glaubt Poggio. Ja, er erzählt, vielleicht, ohne es zu merken, ein ganz wohl erhaltenes Stück antiker Mythologie. An der dalmatinischen Küste nämlich erscheint ein Triton, bärtig und mit Hörnchen, als echter Meersatyr, unten in Flossen und in einen Fischleib ausgehend; er fängt Kinder und Weiber vom Ufer weg, bis ihn fünf tapfere. Waschfrauen mit Steinen und Prügeln töten. Ein hölzernes Modell des Ungetüms, welches man in Ferrara zeigt, macht dem Poggio die Sache völlig glaublich. Zwar Orakel gab es keine mehr, und Götter konnte man nicht mehr befragen, aber das Aufschlagen des Virgil und die ominöse Deutung der Stelle, auf die man traf (sortes varglianae), wurde wieder Mode. Außerdem blieb der Dämonenglaube des spätesten Altertums gewiss nicht ohne Einfluss auf denjenigen der Renaissance. Die Schrift des Jamblichus oder Abammon über die Mysterien der Ägypter, welche hiezu dienen konnte, ist schon zu Ende des XV. Jahrhunderts in lateinischer Übersetzung gedruckt worden. Sogar die platonische Akademie in Florenz z. B. ist von solchem und ähnlichem neuplatonischen Wahn der sinkenden Römerzeit nicht ganz frei geblieben. Von diesem Glauben an die Dämonen und dem damit zusammenhängenden Zauber muss nunmehr die Rede sein. Der Populärglaube an das, was man die Geisterwelt nennt, ist in Italien so ziemlich derselbe wie im übrigen Europa. Zunächst gibt es auch dort Gespenster, d. h. Erscheinungen Verstorbener, und wenn die Anschauung von der nordischen etwas abweicht, so verrät sich dies höchstens durch den antiken Namen ombra. Wenn sich noch heute ein solcher Schatten zeigt, so lässt man ein paar Messen für seine Ruhe lesen. Dass die Seelen böser Menschen in furchtbarer Gestalt erscheinen, versteht sich von selbst, doch geht daneben noch eine besondere Ansicht einher, wonach! die Gespenster Verstorbener überhaupt bösartig wären. Die Toten bringen die kleinen Kinder um, meint der Kaplan bei Bandello. Wahrscheinlich trennt er hierbei in Gedanken noch einen besonderen Schatten von der Seele, denn diese büßt ja im Fegefeuer, und wo sie erscheint, pflegt sie nur zu flehen und zu jammern. Andere Male ist, was erscheint,, nicht sowohl das Schattenbild eines bestimmten Menschen als das eines Ereignisses, eines vergangenen Zustandes. So erklären die Nachbarn den Teufelsspuk im alten viscontinischen Palast bei S. Giovanni in Conca zu Mailand; hier habe einst Bernabò Visconti unzählige Opfer seiner Tyrannei foltern und erdrosseln lassen, und es sei kein Wunder, wenn sich etwas zeige. Einem ungetreuen Armenhausverwalter zu Perugia erschien eines Abends, als er Geld zählte, ein Schwärm von Armen mit Lichtern in den Händen und tanzte vor ihm herum; eine große Gestalt aber führte drohend das Wort für sie, es war S. Alò, der Schutzheilige des Armenhauses. — Diese Anschauungen verstanden sich so sehr von selbst, dass auch Dichter ein allgemein gültiges Motiv darin finden konnten. Sehr schön gibt z. B. Castiglione die Erscheinung des erschossenen Lodovico Pico unter den Mauern des belagerten Mirandola wieder. Freilich, die Poesie benutzt dergleichen gerade am liebsten, wenn der Poet selber schon dem betreffenden Glauben entwachsen ist.

Sodann war Italien mit derselben Volksansicht über die Dämonen erfüllt wie alle Völker des Mittelalters. Man war überzeugt, dass Gott den bösen Geistern jedes Ranges bisweilen eine große zerstörende Wirkung gegen einzelne Teile der Welt und des Menschenlebens zulasse; alles, was man einbedang, war, dass wenigstens der Mensch, welchem die Dämonen als Versucher nahten, seinen freien Willen zum Widerstand anwenden könne. In Italien nimmt zumal das Dämonische der Naturereignisse im Munde des Volkes leicht eine poetische Größe an. In der Nacht vor der großen Überschwemmung des Arnotales 1333 hörte einer der heiligen Einsiedler oberhalb Vallombrosa in seiner Zelle ein teuflisches Getöse, bekreuzte sich, trat unter die Tür und erblickte schwarze und schreckliche Reiter in Waffen vorüberjagen. Auf sein Beschwören stand ihm einer davon Rede: „Wir gehen und ersäufen die Stadt Florenz um ihrer Sünden willen, wenn Gott es zulässt“. Womit man die fast gleichzeitige venezianische Erscheinung (1340) vergleichen mag, aus welcher dann irgendein großer Meister der Schule von Venedig, wahrscheinlich Giorgione, ein wundersames Bild gemacht hat: jene Galeere voller Dämonen, welche mit der Schnelligkeit eines Vogels über die stürmische Lagune, daher jagte, um die sündige Inselstadt zu verderben, bis die drei Heiligen, welche unerkannt in die Barke eines armen Schiffers gestiegen waren, durch ihre Beschwörung die Dämonen und ihr Schiff in den Abgrund der Fluten trieben.

Zu diesem Glauben gesellt sich nun der Wahn, dass der Mensch sich durch Beschwörung den Dämonen nähern, ihre Hilfe zu seinen irdischen Zwecken der Habgier, Machtgier und Sinnlichkeit benützen könne. Hierbei gab es wahrscheinlich viele Verklagte früher als es viele Schuldige gab; erst als man vorgebliche Zauberer und Hexen verbrannte, begann die wirkliche Beschwörung und der absichtliche Zauber häufiger zu werden. Aus dem Qualm der Scheiterhaufen, auf welchen man jene Verdächtigen geopfert, stieg erst der narkotische Dampf empor, der eine größere Anzahl von verlorenen Menschen zur Magie begeisterte. Ihnen schlössen sich dann noch resolute Betrüger an.

Die populäre und primitive Gestalt, in welcher dieses Wesen vielleicht seit der Römerzeit ununterbrochen fortgelebt hatte, ist das Treiben der Hexe (strega). Sie kann sich so gut als völlig unschuldig gebärden, solange sie sich auf die Divination beschränkt, nur dass der Übergang vom bloßen Voraussagen zum Bewirken helfen oft unmerklich und doch eine entscheidende Stufe abwärts sein kann. Handelt es sich einmal um wirkenden Zauber, so traut man der Hexe hauptsächlich die Erregung von Liebe und Hass zwischen Mann und Weib, doch auch rein zerstörende, boshafte Malefizien zu, namentlich das Hinsiechen von kleinen Kindern, auch wenn dasselbe noch so handgreiflich von Verwahrlosung und Unvernunft der Eltern herrührt. Nach allem bleibt dann noch die Frage übrig, wieweit die Hexe durch bloße Zaubersprüche, Zeremonien und unverstandene Formeln oder aber durch bewusste Anrufung der Dämonen gewirkt haben soll, abgesehen von den Arzneien und Giften, die sie in voller Kenntnis von deren Wirkung mag verabfolgt haben.

Die unschuldigere Art, wobei noch Bettelmönche als Konkurrenten aufzutreten wagen, lernt man z. B. in der Hexe von Gaeta kennen, welche Pontano uns vorführt. Sein Reisender Suppatius gerät in ihre Wohnung, während sie gerade einem Mädchen und einer Dienstmagd Audienz gibt, die mit einer schwarzen Henne, neun am Freitag gelegten Eiern, einer Ente und weißem Faden kommen, sintemal der dritte Tag seit Neumond ist; sie werden nun weggeschickt und auf die Dämmerung wieder herbeschieden. Es handelt sich hoffentlich nur um Divination; die Herrin der Dienstmagd ist von einem Mönch geschwängert, dem Mädchen ist sein Liebhaber untreu geworden und ins Kloster gegangen. Die Hexe klagt: „Seit meines Mannes Tode lebe ich von diesen Dingen und könnte es bequem haben, da unsere Gaetanerinnen einen ziemlich starken Glauben besitzen, wenn nicht die Mönche mir den Profit vorwegnähmen, indem sie Träume deuten, den Zorn 3er Heiligen sich abkaufen lassen, den Mädchen Männer, den Schwangern Knaben, den Unfruchtbaren Kinder versprechen und überdies des Nachts, wenn das Mannsvolk auf dem Fischfang aus ist, die Weiber heimsuchen, mit welchen sie’ des Tages in der Kirche Abreden getroffen haben.“ Suppatius warnt sie vor dem Neid des Klosters, aber sie fürchtet nichts, weil der Guardian ihr alter Bekannter ist.

Der Wahn jedoch schafft sich nun eine schlimmere Gattung von Hexen; solche, die durch bösen Zauber die Menschen um Gesundheit und Leben bringen. Bei diesen wird man auch, sobald der böse Blick usw. nicht ausreichte, zuerst an Beihilfe mächtiger Geister gedacht haben. Ihre Strafe ist, wie wir schon bei Anlass der Finicelle sahen, der Feuertod, und doch lässt der Fanatismus damals noch mit sich handeln; im Stadtgesetz von Perugia z. B. können sie sich mit 400 Pfund loskaufen. Ein konsequenter Ernst wurde damals noch nicht auf die Sache gewendet. Auf dem Boden des Kirchenstaates, im Hochapennin, und zwar in der Heimat des hl. Benedikt, zu Norcia, behauptete sich ein wahres Nest des Hexen- und Zauberwesens. Die Sache war völlig notorisch. Es ist einer der merkwürdigsten Briefe des Aeneas Sylvius, aus seiner früheren Zeit, der hierüber Aufschluss gibt. Er schreibt an seinen Bruder: „Überbringer dieses ist zu mir gekommen, um mich zu fragen, ob ich nicht in Italien einen Venusberg wüsste? In einem solchen nämlich würden magische Künste gelehrt, nach welchen sein Herr, ein Sachse und großer Astronom, Begierde trüge. Ich sagte, ich kenne ein Porto Venere unweit Carrara an der ligurischen Felsküste, wo ich auf der Reise nach Basel drei Nächte zubrachte; auch fand ich, dass in Sizilien ein der Venus geweihter Berg Eryx vorhanden sei, weiß aber nicht, dass dort Magie gelehrt werde. Unter dem Gespräch jedoch fiel mir ein, dass in Umbrien, im alten Herzogtum (Spoleto), unweit der Stadt Nursia, eine Gegend ist, wo sich unter einer steilen Felswand eine Höhle findet, in welcher Wasser fließt. Dort sind, wie ich mich entsinne, gehört zu haben, Hexen (striges), Dämonen und nächtliche Schatten, und wer den Mut hat, kann Geister (spiritus) sehen und anreden und Zauberkünste lernen. Ich habe es nicht gesehen, noch mich bemüht, es zu sehen, denn, was man nur mit Sünden lernt, das kennt man besser gar nicht.“ Nun nennt er aber seinen Gewährsmann und ersucht den Bruder, den Überbringer des Briefes zu jenem hinzuführen, wenn er noch lebe. Aeneas geht hier in der Gefälligkeit gegen einen Hochstehenden sehr weit, aber für seine Person ist er nicht nur freier von allem Aberglauben als seine Zeitgenossen, sondern er hat darüber auch eine Prüfung bestanden, die noch heute nicht jeder Gebildete aushalten würde. Als er zur Zeit des Baseler Konzils zu Mailand 75 Tage lang am Fieber darniederlag, konnte man ihn doch nie dazu bewegen, auf die Zauberärzte zu hören, obwohl ihm ein Mann ans Bett gebracht wurde, der kurz vorher 2.000 Soldaten im Lager des Piccinino auf wunderbare Weise vom Fieber kuriert haben sollte. Noch leidend, reiste Aeneas über das Gebirge nach Basel und genas im Reiten.

Weiter erfahren wir etwas von der Umgegend Norcias durch den Nekromanten, welcher den trefflichen Benvenuto Cellini in seine Gewalt zu bekommen suchte. Es handelt sich darum, ein neues Zauberbuch zu weihen, und der schicklichste Ort hiefür sind die dortigen Gebirge; zwar hat der Meister des Zauberers einmal ein Buch geweiht in der Nähe der Abtei Farfa, aber es ergaben sich dabei Schwierigkeiten, die man bei Norcia nicht anträfe; überdies sind die nursinischen Bauern zuverlässige Leute, haben einige Praxis in der Sache und können im Notfall mächtige Hilfe leisten. Der Ausflug unterblieb dann, sonst hätte Benvenuto wahrscheinlich auch die Helfershelfer des Gauners kennen gelernt. Damals war diese Gegend völlig sprichwörtlich. Aretino sagt irgendwo von einem verhexten Brunnen: es wohnten dort die Schwester der Sybille von Norcia und die Tante der Fata Morgana. Und um dieselbe Zeit durfte doch Trissino in seinem großen Epos jene Örtlichkeit mit allem möglichen Aufwand von Poesie und Allegorie als den Sitz der wahren Weissagung feiern.

Mit der berüchtigten Bulle Innozenz’ VIII. (1484) wird dann bekanntlich das Hexen wesen und dessen Verfolgung zu einem großen und scheußlichen System. Wie die Hauptträger desselben deutsche Dominikaner waren, so wurde auch Deutschland am meisten durch diese Geißel heimgesucht und von Italien in auffallender Weise diejenigen Gegenden, welche Deutschland am nächsten lagen. Schon die Befehle und Bullen der Päpste selber beziehen sich z. B. auf die dominikanische Ordensprovinz Lombardia, auf die Diözesen Brescia und Bergamo, auf Cremona. Sodann erfährt man aus Sprengers berühmter theoretisch-praktischer Anweisung, dem Malleus Maleficarum, dass zu Como schon im ersten Jahre nach Erlass der Bulle einundvierzig Hexen verbrannt wurden; Scharen von Italienerinnen flüchteten auf das Gebiet Erzherzog Sigismunds, wo sie sich noch sicher glaubten. Endlich setzt sich dies Hexenwesen in einigen unglücklichen Alpentälern, besonders Val Camonica, ganz unaustilgbar fest; es war dem System offenbar gelungen, Bevölkerungen, welche irgendwie speziell disponiert waren, bleibend mit seinem Wahn zu entzünden. Dieses wesentlich deutsche Hexentum ist diejenige Nuance, an welche man bei Geschichten und Novellen aus Mailand, Bologna usw. zu denken hat. Wenn es in Italien nicht weiter um sich griff, so hing dies vielleicht davon ab, dass man hier bereits eine ausgebildete Stregheria besaß und kannte, welche auf wesentlich anderen Voraussetzungen beruhte. Die italienische Hexe treibt ein Gewerbe und braucht Geld und vor allem Besinnung. Von jenen hysterischen Träumen der nordischen Hexen, von weiten Ausfahrten, Incubus und Succubus ist keine Rede; die Strega hat für das Vergnügen anderer Leute zu sorgen. Wenn man ihr zutraut, dass sie verschiedene Gestalten annehmen, sich schnell an entfernte Orte versetzen könne, so lässt sie sich dergleichen insofern gefallen, als es ihr Ansehen erhöht; dagegen ist es schon überwiegend gefährlich für sie, wenn die Furcht vor ihrer Bosheit und Rache, besonders vor der Verzauberung von Kindern, Vieh und Feldfrüchten überhand nimmt. Es kann für Inquisitoren und Ortsbehörden eine höchst populäre Sache werden, sie zu verbrennen.

Weit das wichtigste Feld der Strega sind und bleiben, wie schon angedeutet wurde, die Liebesangelegenheiten, worunter die Erregung von Liebe und Hass, das rachsüchtige Nestelknüpfen, das Abtreiben der Leibesfrucht, je nach Umständen auch der vermeintliche Mord des oder der Ungetreuen durch magische Begehungen und selbst die Giftküche begriffen sind. Da man sich solchen Weibern nur ungern anvertraute, so entstand ein Dilettantismus, der ihnen dieses und jenes im stillen ablernte und auf eigene Hand damit weiter operierte. Die römischen Buhlerinnen z. B. suchten dem Zauber ihrer Persönlichkeit noch durch anderweitigen Zauber in der Art der horazischen Canidia nachzuhelfen. Aretino kann nicht nur etwas über sie wissen, sondern auch in dieser Beziehung Wahres berichten. Er zählt die entsetzlichen Schmierereien auf, welche sich in ihren Schränken gesammelt vorfinden: Haare, Schädel, Rippen, Zähne, Augen von Toten, Menschenhaut, der Nabel von kleinen Kindern, Schuhsohlen und Gewandstücke aus Gräbern; ja sie holen selbst von den Kirchhöfen verwesendes Fleisch und geben es dem Galan unvermerkt zu essen (nebst noch Unerhörterem). Haare, Nestel, Nägelabschnitte des Galans kochen sie in Öl, das sie aus ewigen Lämpchen in den Kirchen gestohlen. Von ihren Beschwörungen ist es die unschuldigste, wenn sie ein Herz aus heißer Asche formen und hineinstechen unter dem Gesang:

Prima che’l fuoco spenghi
Fa ch’a mia porta venghi;
Tal ti punga il mio amore
Quale io fo questo cuore.

Sonst kommen auch Zauberformeln bei Mondschein, Zeichnungen am Boden und Figuren aus Wachs oder Erz vor, welche ohne Zweifel den Geliebten vorstellen und je nach Umständen behandelt werden.

Man war an diese Dinge doch so sehr gewöhnt, dass ein Weib, welches ohne Schönheit und Jugend gleichwohl einen großen Reiz auf die Männer ausübte, ohne weiteres in den Verdacht der Zauberei geriet. Die Mutter des Sanga (Sekretär bei Clemens VII.) vergiftete dessen Geliebte, die in diesem Falle war; unseligerweise starb aber auch der Sohn und eine Gesellschaft von Freunden, die von dem vergifteten Salat mitaßen.

Nun folgt, nicht als Helfer, sondern als Konkurrent der Hexe, der mit den gefährlicheren Aufgaben noch besser vertraute Zauberer oder Beschwörer, incantatore. Bisweilen ist er ebensosehr oder noch mehr Astrologe als Zauberer; öfter mag er sich als Astrologen gegeben haben, um nicht als Zauberer verfolgt zu werden, und etwas Astrologie zur Ermittlung der günstigen Stunden konnte der Zauberer ohnehin nicht entbehren. Da aber viele Geister gut oder indifferent sind, so kann auch ihr Beschwörer bisweilen noch eine leidliche Reputation behaupten, und noch Sixtus IV. hat 1474 in einem ausdrücklichen Breve gegen einige bolognesische Karmeliter einschreiten müssen, welche auf der Kanzel sagten, es sei nichts Böses, von den Dämonen Bescheid zu begehren. An die Möglichkeit der Sache selber glaubten offenbar sehr viele; ein mittelbarer Beweis dafür liegt schon darin, dass auch die Frömmsten ihrerseits an erbetene Visionen guter Geister glaubten. Savonarola ist von solchen Dingen erfüllt, die florentinischen Platoniker reden von einer mystischen Vereinigung mit Gott, und Marcellus Palmgenius gibt nicht undeutlich zu verstehen, dass er mit geweihten Geistern umgehe. Ebenderselbe ist auch überzeugt vom Dasein einer ganzen Hierarchie böser Dämonen, welche, vom Mond herwärts wohnend, der Natur und dem Menschenleben auflauern, ja er erzählt von einer persönlichen Bekanntschaft mit solchen, und da der Zweck unseres Buches eine systematische Darstellung des damaligen Geisterglaubens ohnehin nicht gestattet, so mag wenigstens der Bericht des Palingenius als Einzelbeispiel folgen.

Antonello da Messina: Der heilige Hieronymus in der Klause London, National Gallery

Italienische Plaketten der Renaissance


Er hat bei einem frommen Einsiedler auf dem Soracte, zu S. Silvestro, sich über die Nichtigkeit des Irdischen und die Wertlosigkeit des menschlichen Lebens belehren lassen und dann mit einbrechender Nacht den Weg nach Rom angetreten. Da gesellen sich auf der Straße bei hellem Vollmond drei Männer zu ihm, deren einer ihn beim Namen nennt und ihn fragt, woher des Weges er komme? Palingenio antwortet: von dem Weisen auf jenem Berge. O du Tor, erwidert jener, glaubst du wirklich, dass auf Erden jemand weise sei? Nur höhere Wesen (Divi) haben Weisheit, und dazu gehören wir drei, obwohl wir mit Menschengestalt angetan sind; ich heiße Saracil, und diese hier Sathiel und Jana; unser Reich ist zunächst beim Mond, wo überhaupt die große Schar von Mittelwesen haust, die über Erde und Meer herrschen. Palingenio fragt, nicht ohne inneres Beben, was sie in Rom vorhätten? — Die Antwort lautet: „Einer unserer Genossen, Ammon, wird durch magische Kraft von einem Jüngling aus Narni, aus dem Gefolge des Kardinals Orsini, in Knechtschaft gehalten; denn merkt euch’s nur, Menschen, es liegt beiläufig ein Beweis für eure eigene Unsterblichkeit darin, dass ihr unser einen zwingen könnt; ich selbst habe einmal, in Kristall eingeschlossen, einem Deutschen dienen müssen, bis mich ein bärtiges Mönchlein befreite. Diesen Dienst wollen wir nun in Rom unserem Genossen zu leisten suchen und bei dem Anlass ein paar vornehme Herren diese Nacht in den Orkus befördern.“ Bei diesen Warten des Dämons erhebt sich ein Lüftchen, und Sathiel sagt: „Höret, unser Remisses kommt schon von Rom zurück, dieses Wehen kündigt ihn an.“ In der Tat erscheint noch einer, den sie fröhlich begrüßen und über Rom ausfragen. Seine Auskunft ist höchst antipäpstlich; Clemens VII. ist wieder mit den Spaniern verbündet und hofft, Luthers Lehre nicht mehr mit Gründen, sondern mit dem spanischen Schwerte auszurotten; lauter Gewinn für die Dämonen, welche bei dem großen bevorstehenden Blutvergießen die Seelen Unzähliger zur Hölle führen werden. Nach diesen Reden, wobei Rom mit seiner Unsittlichkeit als völlig dem Bösen verfallen dargestellt wird, verschwinden die Dämonen und lassen den Dichter traurig seine Straße ziehen.

Wer sich von dem Umfang desjenigen Verhältnisses zu den Dämonen einen Begriff machen will, welches man noch öffentlich zugestehen durfte trotz des Hexenhammers usw., den müssen wir auf das vielgelesene Buch des Agrippa von Nettesheim „von der geheimen Philosophie“ verweisen. Er scheint es zwar ursprünglich geschrieben zu haben, ehe er in Italien war, allein er nennt in der Widmung an Trithemius unter anderen auch wichtige italienische Quellen, wenn auch nur, um sie nebst den anderen schlecht zu machen. Bei zweideutigen Individuen, wie Agrippa eines war, bei Gaunern und Narren, wie die meisten anderen heißen dürfen, interessiert uns das System, in welches sie sich etwa hüllen, nur sehr wenig, samt seinen Formeln, Räucherungen, Salben, Pentakeln, Totenknochen usw. Allein fürs erste ist dies System mit Zitaten aus dem Aberglauben des Altertums ganz angefüllt; sodann erscheint seine Einmischung in das Leben und in die Leidenschaft der Italiener bisweilen höchst bedeutend und folgenreich. Man sollte denken, dass nur die verdorbensten Großen sich damit eingelassen hätten, allein das heftige Wünschen und Begehren führt dem Zauberer hie und da auch kräftige und schöpferische Menschen aller Stände zu, und schon das Bewusstsein, dass die Sache möglich sei, raubt auch den Fernstehenden immer etwas von ihrem Glauben an eine sittliche Weltordnung. Mit etwas Geld und Gefahr schien man der allgemeinen Vernunft und Sittlichkeit ungestraft trotzen zu können und die Zwischenstufen zu ersparen, welche sonst zwischen dem Menschen und seinen erlaubten oder unerlaubten Zielen liegen.

Betrachten wir zunächst ein älteres, im Absterben begriffenes Stück Zauberei. Aus dem dunkelsten Mittelalter, ja aus dem Altertum bewahrte manche Stadt in Italien eine Erinnerung an die Verknüpfung ihres Schicksals mit gewissen Bauten, Statuen usw. Die Alten hatten einst zu erzählen gewusst von den Weihepriestern oder Telesten, welche bei der feierlichen Gründung einzelner Städte zugegen gewesen waren und das Wohlergehen derselben durch bestimmte Denkmäler, auch wohl durch geheimes Vergraben bestimmter Gegenstände (Telesmata) magisch gesichert hatten. Wenn irgend etwas aus der römischen Zeit mündlich populär überliefert weiterlebte, so waren es Traditionen dieser Art; nur wird natürlich der Weihepriester im Laufe der Jahrhunderte zum Zauberer schlechthin, da man die religiöse Seite seines Tuns im Altertum nicht mehr versteht. In einigen neapolitanischen Virgilswundern lebt ganz deutlich die uralte Erinnerung an einen Telesten fort, dessen Name im Laufe der Zeit durch den des Virgil verdrängt wurde. So ist das Einschließen des geheimnisvollen Bildes der Stadt in ein Gefäß nichts anderes als ein echtes antikes Telesma; so ist Virgil der Mauerngründer von Neapel nur eine Umbildung des bei der Gründung anwesenden Weihepriesters. Die Volksphantasie spann mit wucherndem Reichtum an diesen Dingen weiter, bis Virgil auch der Urheber des ehernen Pferdes, der Köpfe am Nolaner Tor, der ehernen Fliege über irgendeinem anderen Tore, ja der Grotte des Posilipp usw. geworden war — lauter Dinge, welche das Schicksal in einzelnen Beziehungen magisch binden, während jene beiden Züge das Fatum von Neapel überhaupt zu bestimmen scheinen. Auch das mittelalterliche Rom hatte verworrene Erinnerungen dieser Art. In S. Ambrogio zu Mailand befand sich ein antiker marmorner Herkules; so lange derselbe an seiner Stelle stehe, hieß es, werde auch das Reich dauern, wahrscheinlich das der deutschen Kaiser, deren Krönungskirche S. Ambrogio war. Die Florentiner waren überzeugt, dass ihr (später zum Baptisterium umgebauter) Marstempel stehen werde bis ans Ende der Tage, gemäß der Konstellation, unter welcher er zur Zeit des Augustus erbaut war; die marmorne Reiterstatue des Mars hatten sie allerdings daraus entfernt, als sie Christen wurden; weil aber die Zertrümmerung derselben großes Unheil über die Stadt gebracht haben würde — ebenfalls wegen einer Konstellation — , so stellte man sie auf einen Turm am Arno. Als Totila Florenz zerstörte, fiel das Bild ins Wasser und wurde erst wieder herausgefischt, als Karl der Große Florenz neu gründete; es kam nunmehr auf einen Pfeiler am Eingang des Ponte vecchio zu stehen — und an dieser Stelle wurde 1215 Bondelmonte umgebracht, und das Erwachen des großen Parteikampfes der Guelfen und Ghibellinen knüpft sich auf diese Weise an das gefürchtete Idol. Bei der Überschwemmung von 1333 verschwand dasselbe für immer.

Allein dasselbe Telesma findet sich anderswo wieder. Der schon erwähnte Guido Bonatto begnügte sich nicht, bei der Neugründung der Stadtmauern von Forli jene symbolische Szene der Eintracht der beiden Parteien zu verlangen; durch ein ehernes oder steinernes Reiterbild, das er mit astrologischen und magischen Hilfsmitteln zustandebrachte und vergrub, glaubte er, die Stadt Forli vor Zerstörung, ja, schon vor Plünderung und Einnahme geschützt zu haben. Als Kardinal Albornoz etwa sechs Jahrzehnte später die Romagna regierte, fand man das Bild bei zufälligem Graben und zeigte es, wahrscheinlich auf Befehl des Kardinals, dem Volke, damit dieses begreife, durch welches Mittel der grausame Montefeltro sich gegen die römische Kirche behauptet habe. Aber wiederum ein halbes Jahrhundert später (1410), als eine feindliche Überrumpelung von Forli mißlang, appelliert man doch wieder an die Kraft des Bildes, das vielleicht gerettet und wieder vergraben worden war. Es sollte das letztemal sein, dass man sich dessen freute; schon im folgenden Jahr wurde die Stadt wirklich eingenommen. — Gründungen von Gebäuden haben noch im ganzen XV. Jahrhundert nicht nur astrologische, sondern auch magische Anklänge an sich. Es fiel z. B. auf, dass Papst Paul II. eine solche Masse von goldenen und silbernen Medaillen in die Grundsteine seiner Bauten versenkte, und Piatina hat keine üble Lust, hierin ein heidnisches Telesma zu erkennen. Von der mittelalterlich religiösen Bedeutung eines solchen Opfers hatte wohl freilich Paul so wenig als sein Biograph ein Bewusstsein.

Doch dieser offizielle Zauber, der ohnedies großenteils ein bloßes Hörensagen war, erreichte bei weitem nicht die Wichtigkeit der geheimen, zu persönlichen Zwecken angewandten Magie.

Was davon im gewöhnlichen Leben besonders häufig vorkam, hat Ariost in seiner Komödie vom Nekromanten zusammengestellt. Sein Held ist einer der vielen aus Spanien vertriebenen Juden, obgleich er sich auch für einen Griechen, Ägypter und Afrikaner ausgibt und unaufhörlich Namen und Maske wechselt. Er kann zwar mit seinen Geisterbeschwörungen den Tag verdunkeln und die Nacht erhellen, die Erde bewegen, sich unsichtbar machen, Menschen in Tiere verwandeln usw., aber diese Prahlereien sind nur das Aushängeschild; sein wahres Ziel ist das Ausbeuten unglücklicher und leidenschaftlicher Ehepaare, und da gleichen die Spuren, die er zurücklässt, dem Geifer einer Schnecke, oft aber auch dem verheerenden Hagelschlag. Um solcher Zwecke willen bringt er es dazu, dass man glaubt, die Kiste, worin ein Liebhaber steckt, sei voller Geister, oder er könne eine Leiche zum Reden bringen u. dgl. Es ist wenigstens ein gutes Zeichen, dass Dichter und Novellisten diese Sorte von Menschen lächerlich machen durften und dabei auf Zustimmung rechnen konnten. Bandello behandelt nicht nur das Zaubern eines lombardischen Mönches als eine kümmerliche und in ihren Folgen schreckliche Gaunerei, sondern er schildert auch mit wahrer Entrüstung das Unheil, welches den gläubigen Toren unaufhörlich begleitet. „Ein solcher hofft, mit dem Schlüssel Salomonis und vielen anderen Zauberbüchern die verborgenen Schätze im Schoß der Erde zu finden, seine Dame zu seinem Willen zu zwingen, die Geheimnisse der Fürsten zu erkunden, von Mailand sich in einem Nu nach Rom zu versetzen und ähnliches. Je öfter getäuscht, desto beharrlicher wird er . . . Entsinnt Ihr Euch noch, Signor Carlo, jener Zeit, da ein Freund von uns, um die Gunst seiner Geliebten zu erzwingen, sein Zimmer mit Totenschädeln und Gebeinen anfüllte wie einen Kirchhof?“ Es kommen die ekelhaftesten Verpflichtungen vor, z. B. einer Leiche drei Zähne auszuziehen, ihr einen Nagel vom Finger zu reißen usw., und wenn dann endlich die Beschwörung mit ihrem Hokuspokus vor sich geht, sterben bisweilen die unglücklichen Teilnehmer vor Schrecken.

Benvenuto Cellini, bei der bekannten großen Beschwörung (1532) im Kolosseum zu Rom, starb nicht, obgleich er und seine Begleiter das tiefste Entsetzen ausstanden; der sizilianische Priester, der in ihm wahrscheinlich einen brauchbaren Mithelfer für künftige Zeiten vermutete, machte ihm sogar auf dem Heimweg das Kompliment, einen Menschen von so festem Mute habe er noch nie angetroffen. Über den Hergang selbst wird sich jeder Leser seine besonderen Gedanken machen; das Entscheidende waren wohl die narkotischen Dämpfe und die von vornherein auf das schrecklichste vorbereitete Phantasie, weshalb denn auch der mitgebrachte Junge, bei welchem dies am stärksten wirkt, weit das meiste allein erblickt. Dass es aber wesentlich auf Benvenuto abgesehen sein mochte, dürfen wir erraten, weil sonst für das gefährliche Beginnen gar kein anderer Zweck als die Neugier ersichtlich wird. Denn auf die schöne Angelica muss sich Benvenuto erst besinnen, und der Zauberer sagt ihm nachher selbst, Liebschaften seien eitle Torheit im Vergleich mit dem Auffinden von Schätzen. Endlich darf man nicht vergessen, dass es der Eitelkeit schmeichelte, sagen zu können: die Dämonen haben mir Wort gehalten, und Angelica ist genau einen Monat später, wie mir verheißen war, in meinen Händen gewesen. Aber auch wenn sich Benvenuto allmählich in die Geschichte hineingelogen haben sollte, so wäre sie doch als Beispiel der damals herrschenden Anschauung von bleibendem Werte.

Sonst gaben sich die italienischen Künstler, auch die „wunderlichen, kapriziösen und bizarren“, mit Zauberei nicht leicht ab; wohl schneidet sich einer bei Gelegenheit des anatomischen Studiums ein Wams aus der Haut einer Leiche, aber auf Zureden eines Beichtvaters legt er es wieder in ein Grab. Gerade das häufige Studium von Kadavern mochte den Gedanken an magische Wirkung einzelner Teile derselben am gründlichsten niederschlagen, während zugleich das unablässige Betrachten und Bilden der Form dem Künstler die Möglichkeit einer ganz anderen Magie aufschloss.

Im allgemeinen erscheint das Zauberwesen zu Anfang des XVI. Jahrhunderts trotz der angeführten Beispiele doch schon in kenntlicher Abnahme, zu einer Zeit also, wo es außerhalb Italiens erst recht in Blüte kommt, so dass die Rundreisen italienischer Zauberer und Astrologen im Norden erst zu beginnen scheinen, seitdem ihnen zu Hause niemand mehr großes Vertrauen schenkte. Das XIV. Jahrhundert war es, welches die genaue Bewachung des Sees auf dem Pilatusberg bei Seariotto nötig fand, um die Zauberer an ihrer Bücherweihe zu verhindern. Im XV. Jahrhundert kamen dann noch Dinge vor, wie z. B. das Anerbieten, Regengüsse zu bewirken, um damit ein Belagerungsheer zu verscheuchen; und schon damals hatte der Gebieter der belagerten Stadt — Nicolò Vittelli in Città di Castello — den Verstand, die Regenmacher als gottlose Leute abzuweisen. Im XVI. Jahrhundert treten solche offizielle Dinge nicht mehr an den Tag, wenn auch das Privatleben noch mannigfach den Beschwörern anheimfällt. In diese Zeit gehört allerdings die klassische Figur des deutschen Zauberwesens, Dr. Johann Faust; die des italienischen dagegen, Guido Bonatto, fällt bereits ins XIII. Jahrhundert.

Auch hier wird man freilich beifügen müssen, dass die Abnahme des Beschwörungsglaubens sich nicht notwendig in eine Zunahme des Glaubens an die sittliche Ordnung des Menschenlebens verwandelte, sondern dass sie vielleicht bei vielen nur einen dumpfen Fatalismus zurückließ, ähnlich wie der schwindende Sternglaube.

Ein paar Nebengattungen des Wahns, die Pyromantie, Chiromantie usw., welche erst mit dem Sinken des Beschwörungsglaubens und der Astrologie einigermaßen zu Kräften kamen, dürfen wir hier völlig übergehen, und selbst die auftauchende Physiognomik hat lange nicht das Interesse, das man bei Nennung dieses Namens voraussetzen sollte. Sie erscheint nämlich nicht als Schwester und Freundin der bildenden Kunst und der praktischen Psychologie, sondern wesentlich als eine neue Gattung fatalistischen Wahnes, als ausdrückliche Rivalin der Sterndeuterei, was sie wohl schon bei den Arabern gewesen sein mag. Bartolommeo Code z. B., der Verfasser eines physiognomischen Lehrbuches, der sich einen Metoposkopen nannte und dessen Wissenschaft, nach Giovios Ausdruck, schon wie eine der vornehmsten freien Künste aussah, begnügte sich nicht mit Weissagungen an die klügsten Leute, die ihn täglich zu Rate zogen, sondern er schrieb auch ein höchst bedenkliches „Verzeichnis solcher, welchen verschiedene große Lebensgefahren bevorständen“. Giovio, obwohl gealtert in der Aufklärung Roms — in hac luce romana! — findet doch, dass sich die darin enthaltenen Weissagungen nur zu sehr bewahrheitet hätten. Freilich erfährt man bei dieser Gelegenheit auch, wie die von diesen und ähnlichen Voraussagungen Betroffenen sich an den Propheten rächten; Giovanni Bentivoglio ließ den Lucas Gauricus an einem Seil, das von einer hohen Wendeltreppe herabhing, fünfmal hin und her an die Wand schmeißen, weil Lucas ihm den Verlust seiner Herrschaft vorhersagte; Ermes Bentivoglio sandte dem Code einen Mörder nach, weil der unglückliche Metoposkop ihm, noch dazu wider Willen, prophezeit hatte, er werde als Verbannter in einer Schlacht umkommen. Der Mörder höhnte, wie es scheint, noch in Gegenwart des Sterbenden: Dieser habe ihm ja selber geweissagt, er würde nächstens einen schmählichen Mord begehen! — Ein ganz ähnliches, jammervolles Ende nahm der Neugründer der Chiromantie, Antioco Tiberto von Cesena, durch Pandolfo Malatesta von Rimini, dem er das Widerwärtigste prophezeit hatte, was ein Tyrann sich denken mag: den Tod in Verbannung und äußerster Armut. Tiberto war ein geistreicher Mann, dem man zutraute, dass er weniger nach einer chiromantischen Methode als nach einer durchdringenden Menschenkenntnis seinen Bescheid gebe; auch achteten ihn seiner hohen Bildung wegen selbst diejenigen Gelehrten, welche von seiner Divination nichts hielten.

Die Alchimie endlich, welche im Altertum erst ganz spät, unter Diokletian, erwähnt wird, spielt zur Zeit der Blüte der Renaissance nur eine untergeordnete Rolle. Auch diese Krankheit hatte Italien früher durchgemacht, im XIV. Jahrhundert, als Petrarca in seiner Polemik dagegen es zugestand: das Goldkochen sei eine weitverbreitete Sitte. Seitdem war in Italien diejenige besondere Sorte von Glauben, Hingebung und Isolierung, welche der Betrieb der Alchimie verlangt, immer seltener geworden, während italienische und andere Adepten im Norden die großen Herren erst recht auszubeuten anfingen. Unter Leo X. hießen bei den Italienern die wenigen, die sich noch damit abgaben, schon „Grübler“ (ingenia curiosa), und Aurelio Augurelli, der dem großen Goldverächter Leo selbst sein Lehrgedicht vom Goldmachen widmete, soll als Gegengeschenk eine prächtige, aber leere Börse erhalten haben. Die Adeptenmystik, welche außer dem Gold noch den allbeglückenden Stein der Weisen suchte, ist vollends erst ein spätes nordisches Gewächs, welches aus den Theorien des Paracelsus usw. emporblüht.

Mit diesem Aberglauben sowohl als mit der Denkweise des Altertums überhaupt hängt die Erschütterung des Glaubens an die Unsterblichkeit eng zusammen. Diese Frage hat aber überdies noch viel weitere und tiefere Beziehungen zu der Entwicklung des modernen Geistes im großen und ganzen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kultur und Kunst der Renaissance in Italien. 6. Buch