Die größeren Herscherhäuser: Die Aragonesen von Neapel — Der letzte Visconti von Mailand — Francesco Sforza und sein Glück — Galeazzo Maria und Lodovico Moro — Die Gonzagen von Mantua — Federigo da Montefeltro, Herzog von Urbino — Letzter Glanz des urbinatischen Hofes — Die Este in Ferrara — Hausgräuel und Fiskalität — Ämterverkauf, Ordnung und Bauten — Persönliche Virtuosität — Loyalität der Residenz — Der Polizeidirektor Zampante — Teilnahme der Untertanen an fürstlicher Trauer — Pomp des Hofes — Das estensische Mäzenat

Von den wichtigeren Dynastien sind die Aragonesen gesondert zu betrachten. Das Lehnswesen, welches hier seit der Normannenzeit als Grundherrschaft der Barone fortdauert, färbt schon den Staat eigentümlich, während im übrigen Italien, den südlichen Kirchenstaat und wenige andere Gegenden ausgenommen, fast nur noch einfacher Grundbesitz gilt und der Staat keine Befugnisse mehr erblich werden lässt. Sodann ist der große Alfons, welcher seit 1435 Neapel in Besitz genommen († 1458), von einer andern Art als seine wirklichen oder vorgeblichen Nachkommen. Glänzend in seinem ganzen Dasein, furchtlos unter seinem Volke, von einer großartigen Liebenswürdigkeit im Umgang, und selbst wegen seiner späten Leidenschaft für Lucrezia d'Alagna nicht getadelt, sondern bewundert — hatte er die eine üble Eigenschaft der Verschwendung, an welche sich dann die unvermeidlichen Folgen hingen. Frevelhafte Finanzbeamte wurden zuerst allmächtig, bis sie der bankerott gewordene König ihres Vermögens beraubte; ein Kreuzzug wurde gepredigt, um unter diesem Vorwand den Klerus zu besteuern; bei einem großen Erdbeben in den Abruzzen mussten die Überlebenden die Steuer für die Umgekommenen weiter bezahlen. Unter solchen Umständen war Alfons für hohe Gäste der prunkhafteste Wirt seiner Zeit und froh des unaufhörlichen Spendens an jedermann, auch an Feinde; für literarische Bemühungen hatte er vollends keinen Maßstab mehr, so dass Poggio für die lateinische Übersetzung von Xenophons Kyropädie 500 Goldstücke erhielt.

Ferrante, der auf ihn kam, galt als sein Bastard von einer spanischen Dame, war aber vielleicht von einem valencianischen Maranen erzeugt. War es nun mehr das Geblüt oder die seine Existenz bedrohenden Komplotte der Barone, was ihn düster und grausam machte, jedenfalls ist er unter den damaligen Fürsten der Schrecklichste. Rastlos tätig, als einer der stärksten politischen Köpfe anerkannt, dabei kein Wüstling, richtete er alle seine Kräfte, auch die eines unversöhnlichen Gedächtnisses und einer tiefen Verstellung, auf die Vernichtung seiner Gegner. Beleidigt in allen Dingen, worin man einen Fürsten beleidigen kann, indem die Anführer der Barone mit ihm verschwägert und mit allen auswärtigen Feinden verbündet waren, gewöhnte er sich an das Äußerste als an ein Alltägliches. Für die Beschaffung der Mittel in diesem Kampfe und in seinen auswärtigen Kriegen wurde wieder etwa in jener mohammedanischen Weise gesorgt, die Friedrich II. angewandt hatte. Mit Korn und Öl handelte nur die Regierung; den Handel überhaupt hatte Ferrante in den Händen eines Oberund Großkaufmannes Francesco Coppola zentralisiert, welcher mit ihm den Nutzen teilte und alle Reeder in seinen Dienst nahm; Zwangsanleihen, Hinrichtungen und Konfiskationen, grelle Simonie und Brandschatzung der geistlichen Korporationen beschufen das übrige. Nun überließ sich Ferrante außer der Jagd, die er rücksichtslos übte, zweierlei Vergnügungen: seine Gegner entweder lebend in wohlverwahrten Kerkern oder tot und einbalsamiert, in der Tracht, die sie bei Lebzeiten trugen, in seiner Nähe zu haben. Er kicherte, wenn er mit seinen Vertrauten von den Gefangenen sprach; aus der Mumienkollektion wurde nicht einmal ein Geheimnis gemacht. Seine Opfer waren fast lauter Männer, deren er sich durch Verrat, ja an seiner königlichen Tafel bemächtigt. Völlig infernal war das Verfahren gegen den im Dienste grau und krank gewordenen Premierminister Antonello Petrucci, von dessen wachsender Todesangst Ferrante immerfort Geschenke annahm, bis endlich ein Anschein von Teilnahme an der letzten Baronenverschwörung den Vorwand gab zu seiner Verhaftung und Hinrichtung, zugleich mit Coppola. Die Art, wie dies alles bei Caracciolo und Porzio dargestellt ist, macht die Haare sträuben. Von den Söhnen des Königs genoss der ältere, Alfonso, Herzog von Calabrien, in den späteren Zeiten eine Art Mitregierung; ein wilder, grausamer Wüstling, der vor dem Vater die größere Offenheit voraus hatte und sich auch nicht scheute, seine Verachtung gegen die Religion und ihre Bräuche an den Tag zu legen. Die besseren, lebendigen Züge des damaligen Tyrannentums muss man bei diesen Fürsten nicht suchen; was sie von der damaligen Kunst und Bildung an sich nehmen, ist Luxus oder Schein. Schon die echten Spanier treten in Italien fast immer nur entartet auf; vollends aber zeigt der Ausgang dieses Maranenhauses (1494 und 1503) einen augenscheinlichen Mangel an Rasse. Ferrante stirbt vor innerer Sorge und Qual; Alfonso traut seinem eigenen Bruder Federigo, dem einzigen Guten der Familie, Verrat zu und beleidigt ihn auf die unwürdigste Weise; endlich flieht er, der bisher als einer der tüchtigsten Heerführer Italiens gegolten, besinnungslos nach Sizilien und lässt seinen Sohn, den jüngeren Ferrante, den Franzosen und dem allgemeinen Verrat zur Beute. Eine Dynastie, welche so regiert hatte wie diese, hätte allermindestens ihr Leben teuer verkaufen müssen, wenn ihre Kinder und Nachkommen eine Restauration hoffen sollten. Aber: Jamais homme cruel ne fut hardi, wie Comines bei diesem Anlass etwas einseitig und im ganzen doch richtig sagt.


Echt italienisch im Sinne des XV. Jahrhunderts erscheint das Fürstentum in den Herzogen von Mailand ausgebildet, deren Herrschaft seit Giangaleazzo schon eine völlig ausgebildete absolute Monarchie darstellt. Vor allem ist der letzte Visconti, Filippo Maria (1412 — 1447), eine höchst merkwürdige, glücklicherweise vortrefflich geschilderte Persönlichkeit. Was die Furcht aus einem Menschen von bedeutenden Anlagen in hoher Stellung machen kann, zeigt sich hier, man könnte sagen, mathematisch vollständig; alle Mittel und Zwecke des Staates konzentrieren sich in dem einen, der Sicherung seiner Person, nur dass sein grausamer Egoismus doch nicht in Blutdurst überging. Im Kastell von Mailand, das die herrlichsten Gärten, Laubgänge und Tummelplätze mit umfasste, sitzt er, ohne die Stadt in vielen Jahren auch nur zu betreten; seine Ausflüge gehen nach den Landstädten, wo seine prächtigen Schlösser liegen; die Barkenflottille, die ihn, von raschen Pferden gezogen, auf eigens gebauten Kanälen dahinführt, ist für die Handhabung der ganzen Etikette eingerichtet. Wer das Kastell betrat, war hundertfach beobachtet; niemand sollte auch nur am Fenster stehen, damit nicht nach außen gewinkt würde. Ein künstliches System von Prüfungen erging über die, welche zur persönlichen Umgebung des Fürsten gezogen werden sollten; diesen vertraute er dann die höchsten diplomatischen wie die Lakaien dienste an, denn beides war ja hier gleich ehrenvoll. Und dieser Mann führte lange, schwierige Kriege und hatte beständig große politische Dinge unter den Händen, d. h. er musste unaufhörlich Leute mit umfassenden Vollmachten aussenden. Seine Sicherheit lag nun darin, dass keiner von diesen keinem traute, dass die Kondottieren durch Spione und Unterhändler und höheren Beamten durch künstlich genährte Zwietracht, namentlich durch Zusammenkoppelung je eines Guten und eines Bösen, irregemacht und auseinandergehalten wurden. Auch in seinem Innersten ist Filippo Maria bei den entgegengesetzten Polen der Weltanschauung versichert; er glaubt an Gestirne und an blinde Notwendigkeit und betet zugleich zu allen Nothelfern, er liest alte Autoren und französische Ritterromane. Und zuletzt hat derselbe Mensch, der den Tod nie wollte erwähnen hören, und selbst seine sterbenden Günstlinge aus dem Kastell schaffen ließ, damit niemand in dieser Burg des Glückes erbleiche, durch Schließung einer Wunde und Verweigerung des Aderlasses seinen Tod absichtlich beschleunigt und ist mit Anstand und Würde gestorben.

Sein Schwiegersohn und endlicher Erbe, der glückliche Kondottiere Francesco Sforza (1450 — 1466), war vielleicht von allen Italienern am meisten der Mann nach dem Herzen des XV. Jahrhunderts. Glänzender als in ihm war der Sieg des Genies und der individuellen Kraft nirgends ausgesprochen, und wer das nicht anzuerkennen geneigt war, durfte doch immerhin den Liebling der Fortuna in ihm verehren. Mailand empfand es offenbar als Ehre, wenigstens einen so berühmten Herrscher zu erhalten; hatte ihn doch bei seinem Eintritt das dichte Volksgedränge zu Pferde in den Dom hineingetragen, ohne dass er absteigen konnte. Hören wir die Bilanz seines Lebens, wie sie Papst Pius IL, ein Kenner in solchen Dingen, uns vorrechnet. „Im Jahre 1459, als der Herzog zum Fürstenkongress nach Mantua kam, war er 60 (eher 58) Jahre alt; als Reiter einem Jüngling gleich, hoch und äußerst imposant an Gestalt, von ernsten Zügen, ruhig und leutselig im Reden, fürstlich im ganzen Benehmen, ein Ganzes von leiblicher und geistiger Begabung ohnegleichen in unserer Zeit, im Felde unbesiegt — das war der Mann, der von niedrigem Stande zur Herrschaft über ein Reich emporstieg. Seine Gemahlin war schön und tugendhaft, seine Kinder anmutig wie Engel vom Himmel; er war selten krank; alle seine wesentlichen Wünsche erfüllten sich. Doch hatte auch er einiges Missgeschick. Seine Gemahlin tötete ihm aus Eifersucht die Geliebte; seine alten Waffengenossen und Freunde Troilo und Brunoro verließen ihn und gingen zu König Alfons über; einen anderen Ciarpollone, musste er wegen Verrats henken lassen; von seinem Bruder Alessandro musste er erleben, dass derselbe einmal die Franzosen gegen ihn auf stiftete; einer seiner Söhne zettelte Ränke gegen ihn an und kam in Haft; die Mark Ancona, die er im Kriege erobert, verlor er auch wieder im Kriege. „Niemand genießt ein so ungetrübtes Glück, dass er nicht irgendwo mit Schwankungen zu kämpfen hätte. Der ist glücklich, der wenige Widerwärtigkeiten hat.“ Mit dieser negativen Definition des Glückes entlässt der gelehrte Papst seinen Leser. Wenn er hätte in die Zukunft blicken können oder auch nur die Konsequenzen der völlig unbeschränkten Fürstenmacht überhaupt erörtern wollen, so wäre ihm eine durchgehende Wahrnehmung nicht entgangen: die Garantielosigkeit der Familie. Jene engelschönen, überdies sorgfältig und vielseitig gebildeten Kinder unterlagen, als sie Männer wurden, der ganzen Ausartung des schrankenlosen Egoismus. Galeazzo Maria (1466 — 1476) ein Virtuose der äußeren Erscheinung, war stolz auf seine schöne Hand, auf die hohen Besoldungen, die er bezahlte, auf den Geldkredit, den er genoss, auf seinen Schatz von zwei Millionen Goldstücken, auf die namhaften Leute, die ihn umgaben, und auf die Armee und die Vogeljagd, die er unterhielt. Dabei hörte er sich gerne reden, weil er gut redete, und vielleicht am allerfließendsten, wenn er etwa einen venezianischen Gesandten kränken konnte. Dazwischen aber gab es Launen, wie z. B. die, ein Zimmer in einer Nacht mit Figuren ausmalen zu lassen; es gab entsetzliche Grausamkeiten gegen Nahestehende und besinnungslose Ausschweifung. Einigen Phantasten schien er alle Eigenschaften eines Tyrannen zu besitzen; sie brachten ihn um und lieferten damit den Staat in die Hände seiner Brüder, deren einer, Lodovico il Moro, nachher mit Übergehung des eingekerkerten Neffen die ganze Herrschaft an sich riss. An diese Usurpation hängt sich dann die Intervention der Franzosen und das böse Schicksal von ganz Italien. Der Moro ist aber die vollendetste fürstliche Charakterfigur dieser Zeit und erscheint damit wieder wie ein Naturprodukt, dem man nicht ganz böse sein kann. Bei der tiefsten Immoralität seiner Mittel erscheint er in deren Anwendung völlig naiv; er würde wahrscheinlich sich sehr verwundert haben, wenn ihm jemand hätte begreiflich machen wollen, dass nicht nur für die Zwecke, sondern auch für die Mittel eine sittliche Verantwortung existiert; ja er würde vielleicht seine möglichste Vermeidung aller Bluturteile als eine ganz besondere Tugend geltend gemacht haben. Den halbmythischen Respekt der Italiener vor seiner politischen Force nahm er wie einen schuldigen Tribut an; noch 1496 rühmte er sich: Papst Alexander sei sein Kaplan, Kaiser Max sein Kondottiere, Venedig sein Kämmerer, der König von Frankreich sein Kurier, der da kommen und gehen müsse, wie ihm beliebe. Mit einer erstaunlichen Besonnenheit wägt er noch in der letzten Not (1499) die möglichen Ausgänge ab, und verlässt sich dabei, was ihm Ehre macht, auf die Güte der menschlichen Natur; seinen Bruder, Kardinal Ascanio, der sich erbietet, im Kastell von Mailand auszuharren, weist er ab, da sie früher bitteren Streit gehabt hatten: „Monsignore, nichts für ungut, Euch traue ich nicht, wenn Ihr schon mein Bruder seid“ — bereits hatte er sich einen Kommandanten für das Kastell, diese „Bürgschaft seiner Rückkehr“ ausgesucht, einen Mann, dem er nie Übles, stets nur Gutes erwiesen. Derselbe verriet dann gleichwohl die Burg. Im Inneren war der Moro bemüht, gut und nützlich zu walten, wie er denn in Mailand und auch in Como noch zuletzt auf seine Beliebtheit rechnete ; doch hatte er in den späteren Jahren (seit 1496) die Steuerkraft seines Staates übermäßig angestrengt, und z. B. in Cremona einen angesehenen Bürger, der gegen die neuen Auflagen redete, aus lauter Zweckmäßigkeit insgeheim erdrosseln lassen; auch hielt er sich seitdem bei Audienzen die Leute durch eine Barre weit vom Leibe, so dass man sehr laut reden musste, um mit ihm zu verhandeln. — An seinem Hofe, dem glanzvollsten von Europa, da kein burgundischer mehr vorhanden war, ging es äußerst unsittlich her; der Vater gab die Tochter, der Gatte die Gattin, der Bruder die Schwester preis. Allein der Fürst wenigstens blieb immer tätig und fand sich als Sohn seiner Taten denjenigen verwandt, welche ebenfalls aus eigenen geistigen Mitteln existierten, den Gelehrten, Dichtern, Musikern und Künstlern. Die von ihm gestiftete Akademie ist in erster Linie in Bezug auf ihn, nicht auf eine zu unterrichtende Schülerschaft vorhanden; auch bedarf er nicht des Ruhmes der betreffenden Männer, sondern ihres Umganges und ihrer Leistungen. Es ist gewiss, dass Bramante am Anfang schmal gehalten wurde; aber Lionardo ist doch bis 1496 richtig besoldet worden — und was hielt ihn überhaupt an diesem Hofe, wenn er nicht freiwillig blieb? Die Welt stand ihm offen wie vielleicht überhaupt keinem von allen damaligen Sterblichen, und wenn irgend etwas dafür spricht, dass in Lodovico Moro ein höheres Element lebendig gewesen, so ist es dieser lange Aufenthalt des rätselhaften Meisters in seiner Umgebung. Wenn Lionardo später dem Cesare Borgia und Franz I. gedient hat, so mag er auch an diesen das außergewöhnliche Naturell geschätzt haben.

Von den Söhnen des Moro, die nach seinem Sturz von fremden Leuten schlecht erzogen waren, sieht ihm der ältere, Massimiliano, gar nicht mehr ähnlich; der jüngere, Francesco, war wenigstens des Aufschwunges nicht unfähig. Mailand, das in diesen Zeiten so viele Male die Gebieter wechselte und dabei unendlich litt, suchte sich wenigstens gegen die Reaktionen zu sichern; die im Jahre 1512 vor der spanischen Armee und Massimiliano abziehenden Franzosen werden bewogen, der Stadt einen Revers darüber auszustellen, dass die Mailänder keinen Teil an ihrer Vertreibung hätten und, ohne Rebellion zu begehen, sich einem neuen Eroberer übergeben dürften. Es ist auch in politischer Beziehung zu beachten, dass die unglückliche Stadt in solchen Augenblicken des Überganges, gerade wie z. B. Neapel bei der Flucht der Aragonesen, der Plünderung durch Rotten von Bösewichtern (auch sehr vornehmen) anheimzufallen pflegte.

Zwei besonders wohlgeordnete und durch tüchtige Fürsten vertretene Herrschaften sind in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts die der Gonzagen von Mantua und der Montefeltro von Urbino. Die Gonzagen waren schon als Familie ziemlich einträchtig; es gab bei ihnen seit langer Zeit keine geheimen Mordtaten, und sie durften ihre Toten zeigen. Marchese Francesco Gonzaga und seine Gemahlin Isabella von Este sind, so locker es bisweilen hergehen mochte, ein würdevolles und einiges Ehepaar geblieben und haben bedeutende und glückliche Söhne erzogen in einer Zeit, da ihr kleiner, aber hochwichtiger Staat oft in der größten Gefahr schwebte. Dass Francesco als Fürst und als Kondottiere eine besonders gerade und redliche Politik hätte befolgen sollen, das würden damals weder der Kaiser noch die Könige von Frankreich noch Venedig verlangt oder gar erwartet haben. Allein er fühlte sich wenigstens seit der Schlacht am Taro (1495), soweit es die Waffenehre betraf, als italienischen Patrioten und teilte diese Gesinnung auch seiner Gemahlin mit. Sie empfindet fortan jede Äußerung heldenmütiger Treue, wie z. B. die Verteidigung von Faenza gegen Cesare Borgia, als eine Ehrenrettung Italiens. Unser Urteil über sie braucht sich nicht auf die Künstler und Schriftsteller zu stützen, welche der schönen Fürstin ihr Mäzenat reichlich vergalten; ihre eigenen Briefe schildern uns die unerschütterlich ruhige, im Beobachten schalkhafte und liebenswürdige Frau hinlänglich. Bembo, Bandello, Ariosto und Bernardo Tasso sandten ihre Arbeiten an diesen Hof, obschon derselbe klein und machtlos und die Kasse oft sehr leer war ; einen feineren geselligen Kreis als diesen gab es eben seit der Auflösung des alten urbinatischen Hofes (1508) doch nirgends mehr, und auch der ferraresische war wohl hier im wesentlichen übertroffen, nämlich in der Freiheit der Bewegung. Spezielle Kennerin war Isabella in der Kunst, und das Verzeichnis ihrer kleinen, höchst ausgesuchten Sammlung wird kein Kunstfreund ohne Bewegung lesen.

Urbino besaß in dem großen Federigo (1444 — 1482), mochte er nun ein echter Montefeltro sein oder nicht, einen der vortrefflichsten Repräsentanten des Fürstentums. Als Kondottiere hatte er die politische Moralität der Kondottieren, woran sie nur zur Hälfte schuld sind; als Fürst seines kleinen Landes befolgte er die Politik, seinen auswärts gewonnenen Sold im Lande zu verzehren und dieses möglichst wenig zu besteuern. Von ihm und seinen beiden Nachfolgern, Guidobaldo und Francesco Maria, heißt es: „Sie errichteten Gebäude, beförderten den Anbau des Landes, lebten an Ort und Stelle und besoldeten eine Menge Leute; das Volk liebte sie.“ Aber nicht nur der Staat war ein wohlberechnetes und organisiertes Kunstwerk, sondern auch der Hof, und zwar in jedem Sinne. Federigo unterhielt 500 Köpfe; die Hofchargen waren so vollständig wie kaum an den Höfen der größten Monarchen, aber es wurde nichts vergeudet, alles hatte seinen Zweck und seine genaue Kontrolle. Hier wurde nicht gespielt, gelästert und geprahlt, denn der Hof musste zugleich eine militärische Erziehungsanstalt für die Söhne anderer großer Herren darstellen, deren Bildung eine Ehrensache für den Herzog war. Der Palast, den er sich baute, war nicht der prächtigste, aber klassisch durch die Vollkommenheit seiner Anlage; dort sammelte er seinen größten Schatz, die berühmte Bibliothek. Da er sich in seinem Lande, wo jeder von ihm Vorteil oder Verdienst zog und niemand bettelte, vollkommen sicher fühlte, so ging er beständig unbewaffnet und fast unbegleitet. Keiner konnte ihm das nachmachen, dass er in offenen Gärten wandelte, in offenem Saale sein frugales Mahl hielt, während aus Livius (zur Fastenzeit aus Andachtsschriften) vorgelesen wurde. An demselben Nachmittag hörte er eine Vorlesung aus dem Gebiet des Altertums und ging dann in das Kloster der Klarissen, um mit der Oberin am Sprachgitter von heiligen Dingen zu reden. Abends leitete er gerne die Leibesübungen der jungen Leute seines Hofes auf der Wiese bei S. Francesco mit der herrlichen Aussicht und sah genau zu, dass sie sich bei den Fang- und Laufspielen vollkommen bewegen lernten. Sein Streben ging stets auf die höchste Leutseligkeit und; Zugänglichkeit; er besuchte die, welche für ihn arbeiteten, in der Werkstatt, gab beständig Audienzen und erledigte die Anliegen der einzelnen womöglich am gleichen Tage. Kein Wunder, dass die Leute, wenn er durch die Straßen ging, niederknieten und sagten: Dio ti mantenga, Signore! Die Denkenden aber nannten ihn das Licht Italiens. Sein Sohn Guidobaldo, bei hohen Eigenschaften von Krankheit und Unglück aller Art verfolgt, hat doch zuletzt (1508) seinen Staat in sichere Hände, an seinen Neffen Francesco Maria, zugleich Nepoten des Papstes Julius II., übergeben können, und dieser wiederum das Land wenigstens vor dauernder Fremdherrschaft geborgen. Merkwürdig ist die Sicherheit, mit welcher diese Fürsten, Guidobaldo vor Gesare Borgia, Francesco Maria vor den Truppen Leos X., unterducken und fliehen; sie haben das Bewusstsein, dass ihre Rückkehr um so leichter und erwünschter sein werde, je weniger das Land durch fruchtlose Verteidigung gelitten hat. Wenn Lodovico Moro ebenfalls so rechnete, so vergaß er die vielen anderen Gründe des Hasses, die ihm entgegenwirkten. — Guidobaidos Hof ist als hohe Schule der feinsten Geselligkeit durch Baldassare Castiglione unsterblich gemacht worden, der seine Ekloge Tirsi (1506) vor jenen Leuten zu ihrem Lobe aufführte, und später (1518) die Gespräche seines Cortigiano in den Kreis der hochgebildeten Herzogin (Elisabetta Gonzaga) verlegte. Vgl. Georg Voigt, Die Renaissance, Paul-Aretz-Verlag, Berlin.

Die Regierung der Este in Ferrara, Modena und Reggio hält zwischen Gewaltsamkeit und Popularität eine merkwürdige Mitte. Im Innern des Palastes gehen entsetzliche Dinge vor; eine Fürstin wird wegen vorgeblichen Ehebruches mit einem Stiefsohn enthauptet (1425); eheliche und uneheliche Prinzen fliehen vom Hofe und werden auch in der Fremde durch nachgesandte Mörder bedroht (letzteres 1471); dazu beständige Komplotte von außen; der Bastard eines Bastards will dem einzigen rechtmäßigen Erben (Ercole I.) die Herrschaft entreißen; später (1493) soll der letztere seine Gemahlin vergiftet haben, nachdem er erkundet, dass sie ihn vergiften wollte, und zwar im Auftrag ihres Bruders Ferrante von Neapel. Den Schluss dieser Tragödien macht das Komplott zweier Bastarde gegen ihre Brüder, den regierenden Herzog Alfons I. und den Kardinal Ippolito (1506), welches beizeiten entdeckt und mit lebenslänglichem Kerker gebüßt wurde. — Ferner ist die Fiskalität in diesem Staate höchst ausgebildet und muss es sein, schon weil er der bedrohteste unter allen großen und mittleren Staaten von Italien ist und der Rüstungen und Befestigungen in hohem Grade bedarf. Allerdings sollte in gleichem Maße mit der Steuerkraft auch der natürliche Wohlstand des Landes gesteigert werden, und Marchese Niccolò († 1441) wünschte ausdrücklich, dass seine Untertanen reicher würden als andere Völker. Wenn die rasch wachsende Bevölkerung einen Beleg für den wirklich erreichten Wohlstand abgibt, so ist es in der Tat ein wichtiges Faktum, dass (1497) in der außerordentlich erweiterten Hauptstadt keine Häuser mehr zu vermieten waren. Ferrara ist die erste moderne Stadt Europas; hier zuerst entstanden auf den Wink der Fürsten so große, regelmäßig angelegte Quartiere; hier sammelte sich durch Konzentration der Beamtenschaft und künstlich herbeigezogene Industrie ein Residenzvolk; reiche Flüchtlinge aus ganz Italien, zumal Florentiner, wurden veranlasst, sich hier anzusiedeln und Paläste zu bauen. Allein die indirekte Besteuerung wenigstens muss einen eben nur noch erträglichen Grad von Ausbildung erreicht haben. Der Fürst übte wohl eine Fürsorge, wie sie damals auch bei anderen italienischen Gewaltherrschern, z. B. bei Galeazzo Maria Sforza, vorkam: bei Hungersnöten ließ er Getreide aus der Ferne kommen und teilte es, wie es scheint, umsonst aus; allein in gewöhnlichen Zeiten hielt er sich schadlos durch das Monopol, wenn nicht des Getreides, doch vieler anderer Lebensmittel: Salzfleisch, Fische, Früchte, Gemüse, welch letztere auf und an den Wällen von Ferrara sorgfältig gepflanzt wurden. Die bedenklichste Einnahme aber war die von dem Verkauf der jährlich neubesetzten Ämter, ein Gebrauch, der durch ganz Italien verbreitet war, nur dass wir über Ferrara am besten unterrichtet sind. Zum Neujahr 1502 heißt es z. B.: die meisten kauften ihre Ämter um gesalzene Preise (salati); es werden Faktoren verschiedener Art, Zolleinnehmer, Domänenverwalter (massarî), Notare, Podestà, Richter und selbst Capitani, d. h. herzogliche Oberbeamte von Landstädten, einzeln angeführt. Als einer von den „Leutefressern“, welche ihr Amt teuer bezahlt haben und welche das Volk hasst „mehr als den Teufel“, ist Tito Strozza genannt, hoffentlich nicht der berühmte lateinische Dichter. Um dieselbe Jahreszeit pflegte der jeweilige Herzog in Person eine Runde durch Ferrara zu machen, das sogenannte „Andar per Ventura“, wobei er sich wenigstens von den Wohlhabenderen beschenken ließ. Doch wurde dabei kein Geld, sondern nur Naturalien gespendet.

Der Stolz des Herzogs war es nun, wenn man in ganz Italien wusste, dass in Ferrara den Soldaten ihr Sold, den Professoren der Universität ihr Gehalt immer auf den Tag ausbezahlt wurde, dass die Soldaten sich niemals eigenmächtig am Bürger oder Landmann erholen durften, dass Ferrara uneinnehmbar sei und dass im Kastell eine gewaltige Summe gemünzten Geldes liege. Von einer Scheidung der Kassen war keine Rede; der Finanzminister war zugleich Hausminister. Die Bauten des Borso (1430 — 1471), Ercolel. (bis 1505) und Alfons I. (bis 1534) waren sehr zahlreich, aber meist von geringem Umfang; man erkennt darin ein Fürstenhaus, das bei aller Prachtliebe — Borso erschien nie anders als in Goldstoff und Juwelen — sich auf keine unberechenbare Ausgabe einlassen will. Alfonso mag von seinen zierlichen kleinen Villen ohnehin gewusst haben, dass sie den Ereignissen unterliegen würden, Belvedere mit seinen schattigen Gärten, wie Montana mit den schönen Fresken und Springbrunnen.

Die dauernd bedrohte Lage entwickelte in diesen Fürsten unleugbar eine große persönliche Tüchtigkeit; in einer so künstlichen Existenz konnte sich nur ein Virtuose mit Erfolg bewegen, und jeder musste sich rechtfertigen und erweisen als den, der die Herrschaft verdiene. Ihre Charaktere haben sämtlich große Schattenseiten, aber in jedem war etwas von dem, was das Ideal der Italiener ausmachte. Welcher Fürst des damaligen Europa hat sich so sehr um die eigene Ausbildung bemüht, wie z. B. Alfonso I.? Seine Reise nach Frankreich, England und den Niederlanden war eine eigentliche Studienreise, die ihm eine genauere Kenntnis von Handel und Gewerben jener Länder eintrug. Es ist töricht, ihm die Drechsler arbeit seiner Erholungsstunden vorzuwerfen, da sie mit seiner Meisterschaft im Kanonengießen und mit seiner vorurteilslosen Art, die Meister jedes Faches um sich zu haben, zusammenhing. Die italienischen Fürsten sind nicht wie die gleichzeitigen nordischen auf den Umgang mit einem Adel angewiesen, der sich für die einzige beachtenswerte Klasse der Welt hält und auch den Fürsten in diesen Dünkel hineinzieht; hier darf und muss der Fürst jeden kennen und brauchen, und ebenso ist auch der Adel zwar der Geburt nach abgeschlossen, aber in geselliger Beziehung durchaus auf persönliche, nicht auf Kastengeltung gerichtet, wovon unten weiter zu handeln sein wird.

Die Stimmung der Ferraresen gegen dieses Herrscherhaus ist die merkwürdigste Mischung aus einem stillen Grauen, aus jenem echtitalienischen Geist der wohlausgesonnenen Demonstration und aus völlig moderner Untertanenloyalität; die persönliche Bewunderung schlägt in ein neues Pflichtgefühl um. Die Stadt Ferrara setzte 1451 dem (1441) verstorbenen Fürsten Niccolò eine eherne Reiterstatue auf der Piazza; Borso genierte sich (1454) nicht, seine eigene sitzende Bronzestatue in die Nähe zu setzen, und überdies dekretierte ihm die Stadt gleich am Anfang seiner Regierung eine „marmorne Triumphsäule“. Ein Ferrarese, der im Ausland, in Venedig, über Borso öffentlich schlecht geredet, wird bei der Heimkehr denunziert und vom Gericht zur Verbannung und Güterentziehung verurteilt, ja beinahe hätte ihn ein loyaler Bürger vor dem Tribunal niedergestoßen; mit dem Strick um den Hals geht er zum Herzog und erfleht völlige Verzeihung. Überhaupt ist dies Fürstentum mit Spähern gut versehen, und der Herzog in Person prüft täglich den Fremdenrapport, auf welchen die Wirte streng verpflichtet sind. Bei Borso wird dies noch in Verbindung gebracht mit seiner Gastfreundschaft, die keinen bedeutenden Reisenden ungeehrt wollte ziehen lassen; für Ercole I. dagegen war es reine Sicherheitsmaßregel. Auch in Bologna musste damals, unter Giovanni II. Bentivoglio, jeder durchpassierende Fremde an dem einen Tor einen Zettel lösen, um wieder zum andern hinauszudürfen. — Höchst populär wird der Fürst, wenn er drückende Beamte plötzlich zu Boden schmettert, wenn Borso seine ersten und geheimsten Räte in Person verhaftet, wenn Ercole I. einen Einnehmer, der sich lange Jahre hindurch vollgesogen, mit Schanden absetzt; da zündet das Volk Freudenfeuer an und läutet die Glocken. Mit einem ließ es aber Ercole zu weit kommen, mit seinem Polizeidirektor, oder, wie man ihn nennen will (capitaneo di giustizia), Gregorio Zampante aus Lucca (denn für Stellen dieser Art eignete sich kein Einheimischer). Selbst die Söhne und Brüder des Herzogs zitterten vor demselben; seine Bußen gingen immer in die Hunderte und Tausende von Dukaten, und die Tortur begann schon vor dem Verhör. Von den größten Verbrechern ließ er sich bestechen und verschaffte ihnen durch Lügen die herzogliche Begnadigung. Wie gerne hätten die Untertanen dem Herzog 10.000 Dukaten und darüber bezahlt, wenn er diesen Feind Gottes und der Welt kassiert hätte; aber Ercole hatte ihn zu seinem Gevatter und zum Cavaliere gemacht, und der Zampante legte Jahr um Jahr 2.000 Dukaten beiseite; freilich aß er nur noch Tauben, die im Hause gezogen wurden, und ging nicht mehr über die Gasse ohne eine Schar von Armbrustschützen und Sbirren. Es wäre Zeit gewesen, ihn zu beseitigen, da machten ihn (1496) zwei Studenten und ein getaufter Jude, die er tödlich beleidigt, in seinem Hause während der Siesta nieder und ritten auf bereitgehaltenen Pferden durch die Stadt, singend: „Heraus, Leute, laufet! wir haben den Zampante umgebracht.“ Die nachgesandte Mannschaft kam zu spät, als sie bereits über die nahe Grenze in Sicherheit gelangt waren. Natürlich regnete es nun Pasquille, die einen als Sonette, die anderen als Kanzonen. Anderseits ist es ganz im Geiste dieses Fürstentums, dass der Souverän seine Hochachtung vor nützlichen Dienern auch dem Hof und der Bevölkerung diktiert. Als 1469 Borsos Geheimrat Lodovico Casella starb, durfte am Begräbnistage kein Tribunal und keine Bude in der Stadt und kein Hörsaal in der Universität offenstehen; jedermann sollte die Leiche nach S. Domenico begleiten, weil auch der Herzog mitziehen würde. In der Tat schritt er — „der erste vom Hause Este, der einem Untertan an die Leiche gegangen“ — in schwarzem Gewande weinend hinter dem Sarge her, hinter ihm je ein Verwandter Casellas von einem Herrn vom Hofe geführt; Adelige trugen dann die Leiche des Bürgerlichen aus der Kirche in den Kreuzgang, wo sie beigesetzt wurde. Überhaupt ist das offizielle Mitempfinden fürstlicher Gemütsbewegungen zuerst in diesen italienischen Staaten aufgekommen. Der Kern hiervon mag seinen schönen menschlichen Wert haben, die Äußerung, zumal bei den Dichtern, ist in der Regel zweideutig. Eines der Jugendgedichte Ariostos auf den Tod der Lianora von Aragon, Gemahlin des Ercole I., enthält außer den unvermeidlichen Trauerblumen, wie sie in allen Jahrhunderten gespendet werden, schon einige völlig moderne Züge: „Dieser Todesfall habe Ferrara einen Schlag versetzt, den es in vielen Jahren nicht verwinden werde; seine Wohltäterin sei jetzt Fürbitterin im Himmel geworden, da die Erde ihr nicht würdig gewesen; freilich, die Todesgöttin sei ihr nicht wie uns gemeinen Sterblichen mit blutiger Sense genaht, sondern geziemend (onesta) und mit so freundlichem Antlitz, dass jede Furcht verschwand.“ Aber wir treffen noch auf ganz andere Mitgefühle; Novellisten, welchen an der Gunst der betreffenden Häuser alles liegen musste und welche auf diese Gunst rechnen, erzählen uns die Liebesgeschichten der Fürsten, zum Teil bei deren Lebzeiten, in einer Weise, die späteren Jahrhunderten als der Gipfel aller Indiskretion, damals als harmlose Verbindlichkeit erschien. Ja, lyrische Dichter bedichteten die beiläufigen Passionen ihrer hohen, dabei legitim vermählten Herren, Angelo Poliziano die des Lorenzo Magnifico, und mit besonderem Akzent Giovanno Pontano die des Alfonso von Calabrien. Das betreffende Gedicht verrät wider Willen die scheußliche Seele des Aragonesen, er muss auch in diesem Gebiet der Glücklichste sein, sonst wehe denen, die glücklicher wären! — Dass die größten Maler, z. B. Lionardo, die Mätressen ihrer Herren malten, versteht sich von selbst.

Das estensische Fürstentum wartete aber nicht die Verherrlichung durch andere ab, sondern es verherrlichte sich selbst. Borso ließ sich im Palazzo Schiffanoja in einer Reihe von Regentenhandlungen abmalen und Ercole feierte (zuerst 1472) den Jahrestag seines Regierungsantrittes mit einer Prozession, welche ausdrücklich mit der des Fronleichnamsfestes verglichen wird; alle Buden waren geschlossen wie an einem Sonntag; mitten im Zuge marschierten alle vom Hause Este, auch die Bastarde, in Goldstoff. Dass alle Macht und Würde vom Fürsten ausgehe, eine persönliche Auszeichnung von seiner Seite sei, war an diesem Hofe schon längst versinnbildlicht durch einen Orden vom goldenen Sporn, der mit dem mittelalterlichen Rittertum nichts mehr zu tun hatte. Ercole I. gab zum Sporn noch einen Degen, einen goldgestickten Mantel und eine Dotation, wofür ohne Zweifel eine regelmäßige Aufwartung verlangt wurde.

Das Mäzenat, wofür dieser Hof weltberühmt geworden ist, knüpfte sich teils an die Universität, welche zu den vollständigsten Italiens gehörte, teils an den Hof- und Staatsdienst; besondere Opfer wurden dafür kaum gebracht. Bojardo gehörte als reicher Landedelmann und hoher Beamter durchaus nur in diese Sphäre; als Ariost anfing, etwas zu werden, gab es, wenigstens in der wahren Bedeutung, keinen mailändischen und keinen florentinischen, bald auch keinen urbinatischen Hof mehr, von Neapel nicht zu reden, und er begnügte sich mit einer Stellung neben den Musikern und Gauklern des Kardinals Ippolito, bis ihn Alfonso in seine Dienste nahm. Anders war es später mit Torquato Tasso, auf dessen Besitz der Hof eine wahre Eifersucht zeigte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kultur und Kunst der Renaissance in Italien. 1. Buch