Kritisch-Literarische Übersicht der Reisenden in Russland bis 1700 deren Berichte bekannt sind. Band 1

Vorwort des Herausgebers

Indem ich das vorliegende Werk meines verstorbenen Vaters der Öffentlichkeit übergebe, sei es mir gestattet, einige Worte über die Entstehung und die Anordnung desselben vorauszuschicken.

Zu der Zeit, als mein Vater dem Studium der älteren Geschichte Russlands, seines zweiten Vaterlandes, sich mit besonderer Vorliebe zuwandte, war bereits Karamsin mit Erfolg an die Bearbeitung der einheimischen Quellen der Russischen Geschichte gegangen, und es stand zu hoffen, dass dem verehrten Historiographen bald Andere auf der von ihm eingeschlagenen Bahn nachfolgen würden.

Mein Vater, ohne im geringsten den hohen Wert der einheimischen Quellen zu verkennen, hielt es indessen für unerlässlich, den ausländischen Nachrichten über das ältere Russland eine noch größere Aufmerksamkeit zu schenken, als ihnen bis auf jene Zeit im allgemeinen zu Teil geworden war. Unter den Männern, welchen seine Bestrebungen von Anfang an besonderes Interesse einflößten, ist Russlands großer Mäcenas, der verstorbene Reichs-Kanzler Graf Nikolai Petrowitsch Rumänzow zu nennen, auf dessen Kosten mein Vater, die ersten Früchte seiner Studien auf dem Gebiete der russischen Geschichte herausgab. Es waren dieses die Monographien über die beiden deutschen Reisenden Herberstein*) und Meyerberg**). Auch nach dem Erscheinen dieser zwei Schriften war mein Vater unablässig darauf bedacht, seine Sammlungen zu vermehren und zu erweitern, wozu ihm der aufgeklärte Beistand eines hohen Gönners, man darf wohl sagen, außergewöhnliche Mittel darbot.

Im Jahre 1840 endlich entschloss sich mein Vater, bei Gelegenheit der Herausgabe eines sich auf die mittlere Geschichte Russlands beziehenden Dokuments***), den Freunden der Geschichte nähere Auskunft über diese Sammlungen zu geben. Es mögen hier aus jener kleinen Schrift, die ohne dies außerhalb Russlande fast gar nicht bekannt geworden ist, diejenigen Seiten wieder abgedruckt werden, in welchen von dem Plane der Arbeiten meines Vaters die Rede ist:

„Ich beschäftige mich nämlich seit mehr ale zwanzig Jahren mit einer Zusammentragung ausländischer Nachrichten zur Aufklärung des Zustandes des altern Russlands, bei welcher ich durch die günstigsten Umstände und die gefälligste Bereitwilligkeit in den Archiven und Bibliotheken des Auslandes unterstützt worden bin. Der Vorrat meiner gesammelten Materialien, zu denen ich besonders die Auffindung und Erwerbung der Papiere Buhles zur Fortsetzung seines bekannten Werkes rechne****), ist unterdessen so stark angewachsen, dass ich glaube, die Verarbeitung und Bekanntmachung derselben, besonders bei meinem bereits vorgerückten Alter nicht länger verschieben zu dürfen. Meine Absicht ist daher, sie in drei verschiedenen Werken herauszugeben, von denen ich hier vorläufig folgende nähere Nachricht mitteilen zu dürfen glaube.“

*) Siegmund Freiherr von Herberstein. Mit besonderer Rücksicht auf seine Reisen in Russland, geschildert von Friedrich Adelung etc. St. Petersburg 1818. 8°. m. K. u. Kpf.

**) Augustin Freiherr von Meyerberg und seine Reise nach Russland. Nebst einer von ihm auf dieser Reise veranstalteten Sammlung von Ansichten, Gebräuchen, Bildnissen u. s. w. Von Friedrich Adelung etc. St. Petersburg

***) Schreiben des Fürsten Dmitrj Michailowitsch Posharsky an den Römischen Kaiser Mathias d. d. Jaroslawl d. 20 Juni 1612. Zum ersten Male aus der deutschen Übersetzung bekannt gemacht. St. Petersburg 1827.

****)“Versuch einer kritischen Literatur der Russischen Geschichte, von Johann Gottlieb Buhle, Moskva 1810. Von diesem mit großem Fleiße ausgearbeiteten Werke erschien nur der erste Teil, welcher die Literatur der allgemeinen Nordischen Geschichte enthält. Eine strenge, vielleicht hier und da ungerechte Rezension desselben von Rühs verleidete dem Verfasser seine Arbeit für immer, und die Fortsetzung derselben, von welcher der zweite Band ganz und der dritte zum Teil ausgearbeitet war, schien für die Literatur völlig verloren, als es mir vor einigen Jahren glückte, die Handschrift derselben in Braunschweig zu entdecken, und mit nicht unbedeutenden Opfern an mich zu bringen.“

Das erste Werk soll eine Sammlung von noch ungedruckten Original - Berichten der Ausländer über das ältere Russland enthalten. Zur nähern Bezeichnung des Inhalts derselben wird es hinreichend sein, anzuführen, dass ich im Besitze sehr interessanter Aktenstücke dieser Art bin, welche ich so glücklich war, mir aus den Archiven und Bibliotheken in Rom, Wien, Wolfenbüttel und London zu verschaffen, und dass ich in Kurzem noch viele Beiträge dazu aus Berlin und Stockholm erwarten darf. Vorläufig nenne ich hier von den zunächst zum Abdrucke bestimmten Handschriften nur folgende: die sämtlichen Original - Berichte der Römisch - Kaiserlichen Gesandten an den Russischen Hof, vom fünfzehnten bis zum Ende des siebenzehnten Jahrhunderts, die Relazione dell’ Imperio di Moscovia von 1553, eine bedeutende Anzahl von römischen Documenten über den falschen Deinetrius und die Regierung Wassilij lwanowitsch Schuiskij’s, des berühmten Engelb. Kämpfers Diarium Itineris ad aulam Moscoviticam suscepti und vieler andern mehr.“