Vorwort des Herausgebers

...

„Ein zweites Werk, welches zu gleicher Zeit mit dem ersten erscheinen soll, ist eine kritisch literarische Übersicht aller bis zum Jahre 1700 unternommenen, gedruckten und ungedruckten Reisen in Russland, etwa 260 an der Zahl, eine Arbeit, deren bisherigen Mangel wohl Jeder, der sich mit dem nähern Studium des Vaterlandes beschäftigt, lebhaft zu fühlen Gelegenheit gehabt hat.“


„Eine dritte Unternehmung, die mit den beiden vorhergehenden in genauer Verbindung steht, aber ihrer Natur nach viel umfassender sein muss, ist eine Nachweisung der ausländischen Nachrichten über das ältere Russland von den frühesten Zeiten an bis zum Ende des siebenzehnten Jahrhunderts, ebenfalls aus gedruckten und ungedruckten Quellen zusammengetragen. Auch zu diesem Werke, welches die ältere Russische Geschichte Regierung für Regierung, ja Jahr für Jahr, begleiten wird, ist ein sehr reicher Vorrat von Materialien vorhanden, die selbst für den Fall, dass ich vor der völligen Bearbeitung derselben abgerufen würde, nicht verloren gehen werden.“

Der Wunsch meines Vaters, diese Arbeiten zu Ende zu führen, ging nicht in Erfüllung. Sein Gesundheitszustand verschlimmerte sich seit jener Zeit immer mehr, so dass er keine seiner Mußestunden vorüber gehen lies, um die Übersicht der Reiseberichte, welche sein Interesse besonders fesselte, so vollständig wie möglich auszuarbeiten. Er war damit ziemlich weit vorgeschritten, als er am 18. Januar 1843 verschied.

In den letzten Tagen seines Lebens hatte meinen Vater oft der Gedanke beschäftigt, auf welche Weise sein Wunsch, jenes Werk über die ältern Reisenden in Russland der Öffentlichkeit zu übergeben, in Erfüllung gehen könnte. Da ich der einzige von seinen Söhnen war, der ihm zur Seite stand, und mir also der Gang, den die Ausarbeitung genommen, am besten bekannt war, so hatte mein Vater darauf gerechnet, dass ich einst seine Absichten in Ausführung bringen würde, falls er selbst es nicht erleben sollte. Es lag mir daher, ohne dass ich mir die im Jahre 1840 ausgesprochenen und später mündlich wiederholten Worte ins Gedächtnis zu rufen nötig hatte, die heilige Verpflichtung ob, für die Veröffentlichung des Werkes Sorge zu tragen.

Es verging einige Zeit, ehe ich in dieser Hinsicht einen festen Entschluss fassen konnte. Meinem Vater lag es sehr am Herzen, dass dieses Werk in dem Lande, dessen Geschichte er so lieb gewonnen hatte, erschiene; doch war es ihm bis an sein Ende noch nicht möglich gewesen, die Mittel zur Herausgabe ausfindig zu machen, da er selbst schon, um sich das nötige Material aus verschiedenen Ländern Europas herbeizuschaffen, bedeutende Opfer — ich darf es wohl sagen — gebracht hatte. Es blieb mir daher nichts übrig, als zu hoffen, dass der innere Wert des Werkes die nötigen Mittel zur Herausgabe mir verschaffen würde.

Getrost reichte ich dann im Oktober des Jahres 1844 dasselbe zu dem Demidow’schen Concurs ein, und sprach zugleich die Absicht aus, wenn die Mittel hinreichend sein würden, dieselben zu dem von meinem Vater beabsichtigten Druck der Original-Berichte zu verwenden. Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften würdigte im April 1845 die Arbeit meines Vaters nicht nur eines vollen Demidow’schen Preises , sondern bewilligte auch außerdem eine Summe zur Bestreitung eines Teiles der Druckkosten. So wurde mir das Glück zu Teil, den letzten Wunsch meines Vaters zu erfüllen, und mich meiner schweren Schuld gegen sein Andenken zu entledigen. Es schien mir notwendig, diese Verhältnisse zu erwähnen, um mich vor jedem Vorwurf der Unberufenheit zu der Aufgabe, der ich mich unterzogen habe, zu schützen. Allerdings war diese eine schwierige; ja, es schien mir im Anfange sogar, als würde aller Eifer und guter Wille nicht genügend sein, um dieselbe zur Ausführung zu bringen, doch musste ich nach meinem Gefühle die Herausgabe des Werkes auf mich nehmen, und ich darf wohl mit Vertrauen auf einige Nachsicht rechnen, wenn ich erkläre, dass nur die angedeuteten Rücksichten mich bewogen, an die Veröffentlichung der Kritisch-Literarischen Übersicht zu gehen.

Von den 265 Reiseberichten, die in diesem Werke besprochen werden sollten, waren von meinem Vater nur 150 vollständig bearbeitet worden; über die andern 115 fanden sich zwar mehr oder minder ausführliche Notizen vor, allein es war meist unbestimmt gelassen, ob dieselben bei der Ausarbeitung benutzt werden sollten, oder ob dieser oder jener Autor ganz unberücksichtigt gelassen werden sollte. Gewiss gehörten mehre jener Autoren zu solchen Personen, über deren Lebensverhältnisse und Reiseunternehmungen es meinem Vater aus objektiven Gründen nicht möglich geworden war, sich nähere Auskunft zu verschaffen. Die vorhandenen Materialien nun habe ich versucht, so viel wie möglich nach dem allgemeinen Plane des Werkes zusammenzustellen, wagte indessen nicht, dieselben in den ausgearbeiteten Hauptbericht meines Vaters einzuschalten, in der Besorgnis, dass diese mangelhafte Redaktion mitunter meinem Vater selbst zugeschrieben werden könnte. Deswegen zog ich vor¿ dieselben von dem eigentlichen Texte des Werkes ganz zu trennen, und sie lieber in Form eines Nachtrages zu drucken. Diese so verschiedenartigen Notizen ganz wegzulassen, konnte ich mich nicht entschließen, in der Meinung, dass selbst die bloßen Namen von Reisenden, spätere Bearbeiter dieses Gebietes der Russischen Geschichte zu weiteren Forschungen anregen könnten.

Die auf die Nachträge folgenden Zusätze enthalten einzelne ergänzende oder berichtigende Bemerkungen, die ich im Texte selbst noch nicht anbringen konnte.

Auf die Korrektur habe ich möglichst große Sorgfalt verwandt; besonders habe ich es mir angelegen sein lassen, die Zahlen und Eigennamen genau nach der mir vorliegenden Handschrift abzudrucken die auch sonst zu verändern ich mich nicht befugt hielt. Ich habe indessen in Beziehung darauf noch zu bemerken, dass ich bei der Korrektur auf das gewissenhafteste diejenigen Original - Werke und Abschriften, aus welchen mein Vater Auszüge mitgeteilt hat, verglichen habe; leider konnte ich mehre derselben nicht auffinden.

Nun sei es mir noch erlaubt, im Namen meines verstorbenen Vaters allen Denjenigen öffentlich zu danken, welche im In- und Auslande mit der größten Zuvorkommenheit ihm behilflich gewesen sind, dieses Werk zu Stande zu bringen. Hätte er das Erscheinen desselben erlebt, so würde er gewiss nicht unterlassen haben, das Publikum näher mit den Beweisen der Gefälligkeit bekannt zu machen, die ihm so oft und von so verschiedenen Seiten zu Teil geworden sind.

Dem Herrn Akademiker von Baer verdanke ich die Ausarbeitung der Berichte über die drei Versuche der Holländer, eine nordöstliche Durchfahrt nach Indien aufzufinden, und außerdem so manchen trefflichen Rat.

Möge denn die letzte Frucht der geistigen Tätigkeit meines Vaters von der literarischen Welt mit Wohlwollen aufgenommen werden, und nicht unberücksichtigt bleiben, dass es ihm nicht vergönnt war, die letzte Hand an sein Werk zu legen.

Nicolai v. Adelung St. Petersburg im Juni 1846