Newa

Nach dieser Abschweifung über das Staatsräderwerk kehren wir zum Newa-Quai zurück.
In der Tat, der Newa-Quai, der nouveau Boulevard ist die Perle von Petersburg; und schöner als alles der weite Ausblick auf den stellenweise über tausend Meter breiten Strom und darüber hinaus auf das üppige Grün und die im Sommer wahrhaft südliche Vegetation der Landschaft an der kleinen Newa. Diese künstlerisch angelegten und wohlgepflegten herrlichen Parks von Petrowsk und Christowsk und wie die mit weißem geschnitzten Holzwerk verzierten Sommersitze der ,,alten“ und „neuen“ „staruy“ und „nowuy“ Datsche alle heißen, sie suchen ihres Gleichen in der ganzen Welt. Denn nicht im winterlichen Schneegestöber, sondern im leuchtenden Sommerschmuck muss man Petersburg sehen, wenn die schönen Frauen vor den Türen ihrer Datsche vorn an der Wegstraße sitzen, auf einer der Brückenbänke, die über den kleinen Bach führen, zwanglos in ländlicher Einsamkeit und mit ihren dunklen sprechenden Augen die Fremden verwundert anschauen, die ungewohnt zur Sommerszeit herüberkommen.
Und wie bezaubernd mutet uns dann der Striok an mit seinen Bankreihen, der wunderliebliche Abendspaziergang am Kanal, und einer der schönsten Punkte, von dem aus man die Sonne untergehen sieht. Gegen diese Fülle von Schönheit der, durch Millionen von Rubel geschaffenen, Natur vermag der ganze Zauber der Salons nicht aufzukommen. Auch der Glanz der Kirchen und Klöster, selbst die prachtvolle Isaakskirche und das Alexander-Newski-Monastyr mit dem den Ostersarkophag Christi umschließenden Malachittempel und mit der ganzen Fülle ihrer gold- und demantfunkelnden Madonnen und Heiligenbilder vermögen der Schönheit der Newainseln den Rang nicht streitig zu machen.
Ein guter Landauer oder leichter Halbwagen, der circa 10 Rubel pro Tag kostet, bespannt mit den flinken klugen russischen Pferden, denen das leichte zierliche Geschirr so vortrefflich ansteht, führt uns mit Blitzesschnelle nach allen Richtungen. Und ebenso sympathisch wie das ganze russische Gefährt, d. h. nur dasjenige der haute-volée, ebenso sympathisch ist mir der russische Kutscher mit seinem würdevollen Ernst, dem charakteristisch geformten schwarzen Filzhütchen und dem kurztailligen, dunkelblauen Kaftan von blauem Atlasgurt gehalten, mit kleinen, runden Silberknöpfchen an beiden Seitennähten, unter dessen schweren Falten die leuchtend blaue Leine sich halb verbirgt, mit der er, vornehm nachlässig, auf geschickteste Weise seine feurigen Rosse lenkt.
Im Innern der Stadt werfen wir einen Blick in den Gostinnoy Dwor, den russischen mehr europäisch hausartigen Bazar und den Marché-Marie, ein asiatisches Bazarviertel, durch dessen Thore man in das Gewirr der Bazarstraßen eingeht. Weiter fesselt uns nächst der innen prächtigen, aber düsteren Isaakskirche mit den vergoldeten Kuppeln die Kasan-Kathedrade mit ihrer Säulenhalle, eine nicht gelungene Nachbildung des römischen Petersdomes. Beide sind im Renaissancestil gehalten, dessen einfache graue Außenmauern zu der inneren Pracht der griechischen Kirchen wenig stimmt. Dann besichtigte ich die zierliche Smolnoi-Kirche in weißem vergoldeten Marmor, mit ihren fünf blauen sternbesäten Kuppeln und die mit Trophäen überdeckte Kirche Preobrashensky, deren eigenartiger Kirchhof rings im Umkreise von dreihundert türkischen und französischen Kanonen umgeben ist, die untereinander mit Ketten verbunden sind.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Krim- und Kaukasus-Fahrt - Bilder aus Russland