Strostnoi-Kloster

Durch die rings Moskwa umgebenden alleengeschmückten Boulevards lenkte der russische Kutscher die feurigen Rappen mit den klugen Köpfen und den leichten zierlichen, die ganze Schönheit des Pferdes durchschimmern lassenden Riemenzeug zum großen Sommer-Exerzierplatz, auf dem einst Napoleons Truppen lagerten. Für die Winterkälte dient zweckmäßigerweise in allen großen russischen Städten der Bolschoi-Manesh, die gewaltige Winter-Exerzierhalle. Von dort ging es nach Petrowskij-Park, wo man die hübschesten Partien der Moskauer Datsche findet. Und wahrhaft reizend anheimelnd sind diese Sommersitze oft mit ihren Zelten und dem weiß gestrichenen Schnitzwerk, das den dunkeln Holzhäusern ihr charakteristisch russisches Gepräge aufdrückt. Aber die silberblinkende Newa und die hübschen Petersburgerinnen fehlen und somit schwindet der Hauptreiz. Die Moskauer Damen sind meist stark und kräftig gebaut, nicht schlank und graziös, wie jene. — Äußerst anmutig fand ich das in hübschem Garten gelegene Sommerlokal des deutschen Clubs im Petrowskij-Park; steif sagt man dagegen ist der englische Club, der kein Sommerlokal hat.

Bei meinen Ausflügen kam mir wesentlich die günstige Temperatur zu statten, denn vor kaum einer Woche hatte das Thermometer 40° R. gezeigt, jetzt aber kaum 15°; so schnell wechselt die Temperatur. Gesunde Luft jedoch und gesundes Quellwasser geben Moskau vor dem auf Sümpfen erbauten Petersburg den Vorzug, wo häufig in Folge des schlechten weichen Wassers Fieber auftreten. Auch die Schwindsucht sagt man ist mehr in Petersburg als in Moskau zu Hause und wird als spezifisch russisches Volksmittel dagegen Arnika-Tee mit Branntwein und Aloëtropfen versetzt angewendet, das vielleicht in den ersten Anfängen den gewünschten Erfolg haben dürfte, da Arnika einer der besten Bazillentöter ist.


Weiter machte ich einen reizenden Ausflug nach dem hochgelegenen, zwei Stunden entfernten Sperlingsberg, Warobeïnüja Garüj, 61 Meter über dem Moskwastrome gelegen, wo vornehmlich die Deutschen ihre Datsche haben und wohin ich in leichtem Halbwagen mit Troika und den harmonisch gestimmten Troikaglöckchen hinüber sauste, abermals dem russischen Fuhrwerk mein Kompliment machend, beim Klang des Glöckchen von Waldai. Was uns hier fesselt ist der wunderbare Blick auf die Hauptstadt mit ihren kuppelgekrönten Türmen, dem wogenden Häusermeer und dem silbernen Moskwastrom, ein Blick, der wohl demjenigen vom Iwan Welikoij nichts nachgeben dürfte. Es ist ein farbenschillerndes Bild, das nur von dem, vom Bosporus umspülten, Konstantinopel übertroffen wird, wo schlanke weiße Minaretts die schwerfälligen Glockentürme ersetzen und statt gedrückter Zwiebelknäufe die Rundkuppel die Form des Himmelsgewölbes wiederspiegelt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Krim- und Kaukasus-Fahrt - Bilder aus Russland