Kirchen

Der Anblick von Moskau oder richtiger Moskwa, dem religiösen Heiligtum der Russen, — einem Terrain von hundert Quadrat-Kilometern auf Hügeln gelegen, — ist aus der Ferne ein äußerst prächtiger, vornehmlich wegen der vielfarbigen Fülle seiner Kuppeln. Denn jede der über dreihundert griechischen Kirchen hat in der Regel eine große Kuppel, die von vier kleineren umgeben ist, alle bunt glasiert und mit blauen Sternen überstreut. Auf jeder Spitze leuchtet aufwärts gekehrt der goldene Halbmond und siegreich darüber ein vergoldetes Kreuz, von dem noch vielfach bronzierte Ketten herabhängen; bei hellem Sonnenschein, dessen Strahlen sich an all diesem Glanz brechen, ein zauberhafter Anblick.
Im Innern ist Moskwa mit seinen ca. 800.000 Einwohnern, von der Twerskaja, der Hauptverkehrsader durchzogen, mehr eine hölzerne schmutzige Stadt. Alte Paläste mit altem Adel vereint muss man in Moskwa jetzt weniger suchen. Die findet man vornehmlich noch in Smolensk und im Inneren Russlands, wo der alte Adel auf seinen Gütern weilt, oder allenfalls noch in Twer. Die vielen Edelleute des Petersburger Hofes abgerechnet, sind die Mehrzahl der reichen Russen in Petersburg und Moskwa Kaufleute, die prächtige mit Marmor und Seidendamasttapeten ausgestattete Häuser haben und jährlich zwei Champagnerfeste geben, sonst aber in ihrem Palais sich auf zwei Zimmer und geringe Kost beschränken. Zum großen Teil gehören nun ihnen jene fremdartigen schönen, von Gärten umrahmten, Privathäuser der alten Moskowiter, jedes nach eigenem Geschmack erbaut: armenisch oder im Schweizerstil, gotisch, venezianisch oder florentinisch, die der Stadt, von der Höhe des Kremls aus gesehen, ihr eigenartiges Gepräge aufdrücken; während die Petersburger und die meisten übrigen Russen in Reih und Glied bauen.
In der Mitte der Stadt auf einem Hügel über dem Moskwastrom liegt die mauerumschlossene Feste Kreml, zu der im vierzehnten Jahrhundert der Grundstein gelegt ward. Mit dem alten Zarenpalaste und ihrer Fülle von Kirchen hat sie mehr als eine Stunde im Umfang. Gleichfalls mauerumschlossen reiht sich ostwärts an die Kremlfeste der Kitai Gorod, die City Moskaus. In ihre Umfassungsmauer ist die Iwerische Kapelle: Iwerskaja Tschassownja eingebaut mit dem wundertätigen Muttergottesbilde vom Berge Athos, die der Kaiser, wenn er nach Moskau kommt, einer frommen Sitte gemäß, immer zuerst besucht, ehe er den Kreml, den Palast seiner Väter betritt. Um den Kitai Gorod mit seinem ausgedehnten Handelstreiben lagert sich im Halbkreise der Bjälüj - Gorod, die weiße Stadt mit Theater, Universität, Museum, Findelhaus und einer Fülle von öffentlichen Anstalten. Der Bjälüj - Gorod wird durch die Inneren Boulevards am Moskwaufer vom Semtjanoj Gorod, dem Handwerkerviertel getrennt. Und der Semtjanoj Gorod mündet auf die sechszehn Kilometer langen äußeren Boulevards, an welche sich die Vorstädte anschließen mit Kasernen, Krankenhäusern, Kirchhöfen, Klöstern, Villen und Fabriken.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Krim- und Kaukasus-Fahrt - Bilder aus Russland