Die doppelte Pflicht

Liebster Vater!

Ich befinde mich derzeit in Jaroslau, das heißt in einem Nest, vier Stunden von Jaroslau entfernt. In unserer Brigade sind die Deutschmeister und 84 er, also lauter Wiener. In einigen Tagen werden wir gegen den Feind marschieren. Ich weiß, Du bist ein Mann, und ich kann Dir das ruhig schreiben, damit Du Gewissheit hasst. Mein Geschick liegt jetzt in Gottes Hand. Schau auf die liebe Mutter und tröste und beruhige sie. Ich persönlich habe keine Furcht, und unsere Leute brennen darauf, die Feuertaufe zu empfangen. Ich habe als jüdischer Offizier die doppelte Pflicht, mich mutig und ausdauernd zu erweisen. Ich denke Tag und Nacht an Euch und werde nicht aufhören, an Dich zu denken.


Gott möge mit mir und Euch allen sein, und Du, mein lieber Vater, sei geküsst von Deinem Dich bis zum letzten Atemzug liebenden Sohn
        Poldi.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kriegsbriefe deutscher und österreichischer Juden