Ein verfrühtes Versöhnungsfest.

Brief des Unteroffiziers Siegfried Rothschild.

Mit dem Jaum Kippur ging mir's gut. Ich hatte die Idee, derselbe sei am Dienstag, und infolgedessen aß ich Montag mittag 4 Uhr Wurst und Schokolade im freien Feld, und abends nach 6 Uhr beim Einrücken trank ich Schokolade und aß einige Stücke zufällig verschafften Zwetschgenkuchen. Auf den nächsten Tag war früher Abmarsch angesagt nach einem Ort etwa 10 km entfernt. Statt dessen wurde erst gegen 9 Uhr abmarschiert mit einem Marschziel von 15 bis 18 km, die ich auch mit leerem Magen, da die Straßenbeschaffenheit und die Witterung günstig waren, gut zurückzulegen gedachte. Als wir jedoch mittags 2 Uhr dort ankamen, wurde abgekocht und um ½4 Uhr mehr als 10 km weiter marschiert. Da ich einmal solange gefastet hatte, wollte ich wegen der paar Stunden nicht mehr vorzeitig anbeißen; wir marschierten bis nach 7 Uhr, und ich aß während des Marsches um ½7 Uhr etwas Brot und trank aus der Feldflasche etwas kalten Kaffee. Später im Wald auf der Wache hatte ich dann warmen Kaffee, Biskuit, Sardinen und Wurst. Einen schlimmen Moment hatte ich: Kurz nach 5 Uhr machten wir einen längeren Halt mitten in einem Weinberg; alle um mich herum pflückten mit Wollust die reifen Beeren, und hungrig und durstig wie ich war — es war heiß geworden — hätte ich auch gern ein paar davon genommen. Aber es ging auch so. Das Schönste ist, daß ich zwei Tage später aus einer Annonce der Tübinger Chronik ersah, daß nicht Dienstag, sondern Mittwoch Versöhnungstag war. Na, ich denke, der liebe Herrgott wird es nicht so genau nehmen. Übrigens habe ich auch Sukkaus verlebt, denn die drei Tage im Wald bei . . . habe ich in richtigen Laubhütten zugebracht.