Begegnung.

Brief des Unteroffiziers d. Res. Eugen Seelig, Mannheim.

10. Sept. 14


Mein lieber Doktor!
Ich will Dir ein Erlebnis berichten: Ich sehe zwei junge Soldaten, unverkennbar jüdischer Typus, die mich betrachten, wie ich sie betrachte. Ich schreite auf sie zu; Sporengeklirr, Hackenzusammenschlagen; es sind zwei Artilleristen, Kriegsfreiwillige aus der Fuldaer Gegend; die beiden einzigen Söhne eines jüdischen Landwirts. Sie sind soeben ganz frisch von der Garnison an die Front gekommen und überschütten mich alten Feldzugssoldaten mit einer Flut teilweise sehr naiver Fragen, die ich nach bestem Wissen zu beantworten suche. Es sind prächtige junge Menschen; gut jüdisch.

Wir sind in wenigen Minuten bekannt, und ich erzähle und rate ihnen, was ich den jungen Leuten, vielleicht kurz vor einer Schlacht, alles mitteilen und anraten kann.

Dann muss ich weiter; Abschied, Hackenzusammenschlagen und Sporengeklirr, und mit einem kräftigen „Schalom“ und „Hedad“ schultere ich mein Gewehr und bin um die nächste Straßenecke verschwunden.

Ich glaube, ich habe psychisch und körperlich auf die beiden ganz jungen Leute recht gut eingewirkt.

Hedad!

Dein Eugen Seelig.