Erste Fortsetzung

Ende August hatte der Erzherzog Karl (1771-1847) seinen Gegner André Masséna (1758-1817) auf allen Punkten zurückgedrängt und überlies dem Fürsten Korsakow die Kriegsoperationen in der Schweiz. Die Österreicher übergaben am 28. die Früchte ihrer Siege, das Resultat einer fünfmonatlichen Anstrengung, russischen Händen. Nur General Hotze blieb in den kleinen Ur-Kantonen und bewachte mit einem aus Österreichern und Schweizern zusammengesetzten Corps die mühsam errungenen Positionen eines Landes, dessen Terrain- Hindernisse schwerer als der feindliche Widerstand zu überwinden waren. Die Russen schienen stolz auf die Ausführung ihres Wagestückes zu sein, das nichts Geringeres leisten sollte, als den Rest der Schweiz, der sich noch in französischen Händen befand, mit einem Gewaltstreich zu erobern. Sie sahen dieses Land nicht als einen weitläufigen Kriegsschauplatz an, aus welchem der Feind durch ausgedehnte kombinierte Bewegungen hinausmanövriert werden sollte, sondern sie betrachteten die Schweiz als eine große Festung, die man im Sturm erobern müsse. Da die russischen Generale von diesem Grundsatz ausgingen, so war es auch natürlich, dass sie alle Dispositionen des Erzherzogs verwarfen und ihren Truppen eine ganz andere als jene Dislokation gaben, welche die abziehenden Österreicher bisher eingenommen hatten.

Für ihren Übermut und den Charakter Korsakows bezeichnend ist ein Vorfall, der bei Gelegenheit der Ablösung der österreichischen Truppen stattgefunden haben soll. Erzherzog Carl wies dem russischen General auf der Karte die Stellungen der österreichischen Truppen und bemerkte, wie stark jeder Posten besetzt werden müsse. So oft nun der Erzherzog die Zahl der Bataillone bezeichnete, zählte Korsakow für sich eben so viele Compagnien. Der Erzherzog, in der Meinung missverstanden zu sein, korrigierte den General und betonte das Wort Bataillone. „Ja wohl," erwiderte Korsakow, „österreichische Bataillone oder russische Compagnien."


Die Stellung, welche der Erzherzog in der Schweiz innegehabt hatte, war folgende:

Kloten, als der Mittelpunkt aller Positionen, von welchem aus seine Trappen sich gegen Baden und Utznach wie ein Fächer entfalten konnten, war sein Hauptquartier. Die Hauptreserve der Infanterie lag in der Krümmung bei Kloten in guter Deckung hinter Hügeln und Waldungen. Die Reserve der Feldartillerie stand unmittelbar an der Anhöhe des Züricher Berges, mit einigen Kavallerie-Regimentern zugleich zu einem Observations-Corps und zur Vereitlung aller feindlichen Unternehmungen auf Zürich, wie auch zur Deckung für den Fall eines Rückzuges bestimmt. Kleinere Reserven waren an der Thur und am Rhein verteilt

Korsakow stieß diese Dispositionen um; er nahm sein Hauptquartier in Zürich und verlegte den größten und besten Teil seiner aus 26.000 Mann bestehenden Truppen in die Nähe der Stadt.

Ein kleines Lager bei Würen (rechts an der Straße nach Baden) bildete seinen äußerst schwachen rechten Flügel. Das Ufer der Limmat besetzte er nur schwach durch einige Kosaken-Pikets.

General Hotze (1739-1799) deckte mit seinem Corps die Positionen am Züricher See, längs der Lint und der Gebirgskette bis gegen Altdorf. Unter seinen Befehlen bewachte Jellachich (1746-1810) die Pässe Graubündtens.

Der Erzherzog hatte dem russischen Feldherrn mit vielem Ruhme und mit vieler Klugheit vorgearbeitet. Er überließ diesem eine zusammenhängende Linie militärischer Positionen vom Ausfluss der Aar an längs der Limmat, dem Züricher-See, der Lint, und eine sichergestellte Verbindung mit der italienischen Armee.

So kam der längst erwartete Moment heran, in welchem die koalisierten Armeen auf dem Kontinent auf allen Punkten zugleich angriffsweise gegen den Feind vorrücken sollten. Suworow (1730-1800) zog unter fast unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten mit seinem russischen Corps über den St. Gotthard, um alle Teile der russischen Armee unter seinem Kommando in der Schweiz zu vereinen; er stand mit einem beträchtlichen Corps nur noch wenige Tagemärsche von den kleinen Kantonen entfernt. Mittlerweile hatte der Erzherzog die Schweiz gänzlich verlassen und im raschen Siegeslauf Mannheim erstürmt.

Korsakow fasste nun seine eigenen Pläne. Er wollte durchaus Suworows Ankunft nicht abwarten und wünschte, auf die Gefahr gänzlicher Vernichtung hin, vor derselben kriegerische Lorbeeren zu pflücken.

Als er in der Schweiz anlangte, wollte er nicht glauben, dass der Albis-Berg eines jener vielen Hindernisse bilde, das die österreichische Armee seit dem 4. Juni an die nämliche Position bei Zürich gefesselt gehalten. Dieses Gebirge erhebt sich südwestlich von Zürich und steht en front des Sees, zeigt der Stadt seinen höchsten Gipfel, vertieft sich gegen den Süden und ist nur zum Teil fruchtbar und bevölkert. Hier fanden die Franzosen unter ihrem erfahrenen Feldherrn Massena eine treffliche Verteidigungslinie, eine von der Natur gebaute Bastion, die ihnen mehr als jede Festung nützte. — Korsakow fasste sogleich bei seiner Ankunft den kühnen Entschluss, den Albis-Berg mit dem Bajonett zu erstürmen. Das Vertrauen auf die unerschütterliche Kühnheit der russischen Infanterie und der Ruhm, den sich diese bei den Erstürmungen von Ismail und Oczakow erworben hatte, mögen die Verwegenheit dieses Planes einigermaßen entschuldigen.

General Hotze, dessen Erfahrungen und topographischen Kenntnisse Vertrauen erwecken konnten, verhehlte dem russischen Feldherrn die Schwierigkeit seines gewagten Unternehmens nicht Hotzes Meinung war, dass man vorläufig die Vereinigung mit Suworow abwarten und dann zuerst die kleinen Kantone wieder erobern müsse, um der feindlichen Position auf dem Albis-Berg, wenn nicht in den Rücken, doch dort, wo der Abhang des Berges sich verflacht, wenigstens in die Flanke zu kommen. Hotze bat dringend, die Operationen nur noch einige Tage aufzuschieben, dann scheue er sich nicht, ihren vereinten Truppen einen glücklichen Erfolg in Aussicht zu stellen.

Die Einwendungen des unter Siegen grau gewordenen Schweizers fanden aber kein Gehör, denn er war ja ein österreichischer General, und Suworow hatte seine Leute oft genug vor diesen „Zöpfen" gewarnt! — Korsakow bestimmte, unbekümmert um Hotze und ohne ihm irgend einen gemeinsamen Angriffsplan vorzulegen, den 25. September zur Ausführung seines Planes, den er zwar sein Geheimnis nannte, der jedoch schon acht Tage zuvor von jedem russischen Munde mit Enthusiasmus als unfehlbar ausposaunt wurde. So erfuhr der kriegserfahrene Massena nur zu bald die Absicht der Russen. Er wollte begreiflicher Weise noch weniger als Korsakow die Ankunft Suworows erwarten. Durch einen gleichzeitigen Angriff von allen Punkten seiner Linie kam er der Offensive der Russen, — welche diese Entwicklung der Dinge weder erwarteten, noch vorhergesehen hatten, — mit einer Gegen-Offensive zuvor. An eben diesem 26. September passierte die letzte österreichische Kolonne der Armee des Erzherzogs die Brücke von Schaffhausen; Massena hatte denselben Tag für seinen Angriff festgesetzt.