Korsakow und die Beteiligung der Russen an der Schlacht bei Zürich am 25. und 26. September 1799.

Vortrag gehalten im Militärwissenschaftlichen Verein des K. k. Kasinos in Wien am 15. Oktober 1869.
Autor: Vivenot, Alfred Ritter von Dr. (1836-1874) österreichischer Offizier und Historiker, Erscheinungsjahr: 1869

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Russen, Schweizer, Österreicher,
Inhaltsverzeichnis
  1. Erste Fortsetzung
Hochansehnliche, hochgeehrte Versammlung!

Das löbl. Comité hat mir die Ehre erwiesen mich aufzufordern, die Serie der Winter-Vorträge in unserem wissenschaftlichen Verein zu eröffnen. Indem ich dieser Aufforderung nachkomme, kann ich mir nicht verhehlen, wie vieler Nachsicht ich von Seite eines so ausgezeichneten Auditoriums bedarf. Die freundliche Aufnahme, die ein früherer Vortrag in diesen Räumen gefunden hat, lässt mich jedoch hoffen, dass mir dies Wohlwollen auch heute entgegen gebracht wird, und ich gehe deshalb sofort zu meinem Gegenstande über.

Als ich an dieser Stelle gelegentlich meines letzten Vortrages die Ehre hatte, Sie, meine Herren, in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückzuführen, geschah dies mit der ausgesprochenen Absicht, Ihnen das Gefühl der Befriedigung mitempfinden zu lassen, das in meiner Brust wach wird, wenn ich jener großen und gewaltigen Zeit gedenke, in welcher ich auf den österreichischen Fahnen die Worte „Standhaftigkeit und Beharrlichkeit im Erreichen großer Ziele" lese. Was mich betrifft, so habe ich immer in der Geschichte der 90er Jahre den heilkräftigen Talisman gegen die in der Gegenwart unserem Vaterlande geschlagenen Wunden gefunden, und wer in den Geist dieser 90er Jahre eindringt, wird gleich mir in ihnen, nach den tiefsten Erschütterungen unglückschwangerer Zeiten, eine unversiegbare Quelle lebendiger Hoffnungen für Österreichs Zukunft entdecken.

Im April dieses Jahres habe ich Ihnen, meine verehrten Herren, eine Parallele zwischen zwei österreichische Feldherren vorgeführt, die lebhaft an den Ausspruch des allen Römers erinnert:

Haec est bellorum pessima conditio: prospera omnes sibi vindicant; adversa uni soli imputantur!

„Das ist das Schlimmste bei der Kriegführung: Den Erfolg schreiben sich Alle selbst zu, das Unglück wird einem Einzelnen aufgebürdet." In diesem Salz liegt die Wahrheit, welche von der Geschichte durchwegs bestätigt wird.

Was ich Ihnen damals vorzutragen die Ehre halte, schien mir ein erhebenderer Stoff, als mein heutiger Vortrag. Es war eine Tragödie, reich an glücklichen und unglücklichen Episoden: — die Erstürmung der Mainzer Contravallationslinien und der Fall von Mantua! Es waren die glücklichen Jahre 1795 und 1796, deren Früchte leider im Jahre 1797 zu Leoben und Campo Formio verloren gehen sollten. Aber nach dem tiefen Sturz, welchen unser militärischer Ruhm bei Areola und Rivoli erlitt, erhebt uns schon nach wenigen Jahren wieder ein mächtiger, wunderbarer Aufschwung! Magnano, Stockach, Ostrach! Nach entsetzlichen Niederlagen — die rühm würdigsten Siege! Unsere, zur Zeit von Campo Formio verhöhnten Adler werden neuerdings im Siegeslauf des unvergesslichen Erzherzogs an den Rhein und in die Schweiz getragen, und in Italien teilt der stürmische Suworow mit einem Häuflein Russen die Lorbeeren, die sich unsere Armeen unter Kray und Melas zu erringen wussten!

Indem ich mir für eine andere Gelegenheit die Schilderung der österreichischen Heereszüge von 1799 und 1800 vorbehalte, gehe ich nach dieser kurzen Einleitung, die ich dem angeregten Stoff zu Gute zu halten bitte, auf unsere russischen Freunde von 1799 über. Denn eine Episode aus dieser russischen Bundesgenossenschaft ist eigentlich das Thema meines heutigen Vortrages. Dieses Thema wäre neu und unerschöpflich, wollte man z. B. untersuchen, wie viel uns der Russe Suworow als österreichischer Marschall geschadet hat; wie wenig Nutzen die österreichische Regierung von diesem begabten, aber höchst perfiden Freund gezogen; endlich wie wenig Suworow überhaupt den Nimbus verdient, den man ihm zumeist auf Kosten der österreichischen Generale und der österreichischen Waffenehre bisher zuerkannte. Ferne sei es von mir, an wahrer Größe zu rütteln! Suworow war einer der bedeutendsten Feldherrn Russlands, und es ist nur billig, wenn ihm die Russen Monumente setzen. Für Österreich aber, meine Herren, war dieser russische Feldherr ein großes Unglück, und von uns Österreichern hat er keinen Dank verdient. Wer diesen Ausspruch nach den glorreichen Siegen in Italien, die von österreichischen Truppen unter Suworows Kommando geschlagen wurden, paradox findet, den verweise ich einfach auf die einseitige Darstellung des russischen Obersten Miliutin, nach dessen fünfbändigem Werke über den Feldzug von 1799 es für denjenigen, der Urkunden zu lesen versteht, gar keinem Zweifel unterliegt, dass die Russen nach Deutschland und Italien zogen, nicht um uns als treue Alliierte zu helfen, sondern um uns in ihrer Verblendung und in ihrem verderblichen Neid gegen das Anwachsen und die Präponderanz der österreichischen Macht in Europa, um die blutigen Früchte aller unserer eigenen Anstrengungen zu bringen. Das gefeierte Werk Miliutins, meine Herren, ist in einer Weise gegen das verbündete Österreich voreingenommen, dass Sie mit mir darüber wie billig erstaunen werden, wie es so lange von österreichischer Seite ohne Widerlegung bleiben konnte, da doch Jedem, bei der allerflüchtigsten Lektüre zwei Dinge auffallen müssen: 1. die große Unkenntnis der Zielpunkte der österreichischen Politik. 2. die perfide Verkennung und Verunstaltung der einfachsten Tatsachen, sobald sie auf Österreich ein günstiges Streiflicht werfen könnten. — Ich glaube hier eine Frage von nicht ganz ungewöhnlicher Bedeutung angeregt zu haben, denn das glänzende Auditorium, welches ich heute hier versammelt sehe, wird sicherlich mit mir darin einverstanden sein, dass wir Österreicher es durchaus nicht mehr nötig haben, unsere Geschichte von allen Seiten verlästern zu lassen, am allerwenigsten aber von den Russen des Jahres 1799, da doch sie es waren und nicht wir, die, mit Ausnahme — doch nein — ohne Ausnahme, und selbst m i t ihrem bedeutenden Feldherrn Suworow, in diesem Feldzuge die traurigste Rolle gespielt haben.

Und was war das für ein Feldzug, meine Herren? Es war einer der furchtbarsten, der merkwürdigsten Kriege von dem die Geschichte zu erzählen weiß, — ein Krieg, der durch die blutigen Tage von Magnano, Stockach, Ostrach, Zürich, Piacenza, Novi, Marengo und Hohenlinden für die Nachwelt unvergesslich geworden ist! Von der Küste Bataviens, vom deutschen Meer bis an den Golf von Neapel brandeten die Fluten dieses gewaltigen Kampfes; an den tosenden Strömen der lombardischen Gefilde wurde noch einmal um den Besitz Italiens blutig gestritten; in den Alpenschluchten der Schweiz, auf Gletschern und in Gebirgspässen, in welchen sonst nur Gemsen und Adler zu hausen pflegen, sehen wir Armeen lagern — Schlachten liefern! Das fallende deutsche Kaisertum in Österreich, groß und mächtig gehoben vom Geiste eines seiner bedeutendsten Staatsmänner: der letzte deutsche Kaiser, vom Freiherrn von Thugut treu und gut beraten, erschloss noch Einmal alle Hilfsquellen seiner getreuen Erblande, um mit österreichischem Blut das deutsche Reich vor seinem gänzlichen Untergang zu bewahren, seinen Thron und seinen Reichen die Unabhängigkeit und Freiheit zu behaupten und die Krone Karls des Großen dem Hause Habsburg so zu bewahren, wie sie ihm die Vorsehung anvertraut hatte!

Niemals noch hatte Österreich eine so zahlreiche Armee aufgestellt — niemals seit dem Beginn der Revolutionskriege wurden so glorreiche Feldherrn-Namen an die Spitze unserer Armeen berufen, — niemals begrüßte die österreichische Politik mit aufrichtigeren und uneigennützigeren Wünschen für Europas Wohl die Namen fremder Feldherrn, wie jene Suworows und Korsakows! Endlich sollten in Wirklichkeit die russischen Truppen vereint mit denen Österreichs kämpfen. Die Hilfe Russlands, von der großen Katharina in bindenden Verträgen seit 7 Jahren versprochen, die russische Waffenhilfe, die von 1792 bis 1799 nur eine Lockspeise schien, um unter dem Deckmantel trügerischer Versprechen dem deutschen Reich und der österreichischen Monarchie ein moskowitisches Grabgeläute zu geben, sie wurde endlich unter ihrem Nachfolger Paul I im Jahre 1799 durch den Anmarsch der gewaltigen russischen Heeressäulen zur vollendeten Tatsache. Allein, nie sind leider schönere und berechtigtere Hoffnungen schmählicher getäuscht worden als die Hoffnungen, die Österreich auf diese Hilfe zu bauen berechtigt schien.

Allerdings, wenn wir dem russischen Obersten Miliutin glauben sollen, rührt Alles Gute, was im Feldzuge 1799 geschehen ist, von den Russen her, und Alles Schlechte von den Österreichern. Vor dieser Auffassung und vor Miliutin, nach dessem Quellenwerk in unseren Kriegsschulen doziert wird, nachdrücklichst zu warnen, ist Zweck und Ziel meines heutigen Vortrages. Vielleicht wird es mir selbst einmal vergönnt werden, das Gegenteil nach urkundlichem Material zu beweisen und den russischen Urkunden österreichische Urkunden entgegenzustellen. Um Ihnen aber, meine Herren, heute schon einen Begriff davon zu geben, wie diese russische Hilfe eigentlich beschaffen war, greife ich auf eine Episode dieses großen Kampfes, und zwar nur auf eine einzige Schlacht zurück, in welcher die Russen sich selbst überlassen waren, und in welcher es selbst für Miliutin schwer wird einen Grund zu finden, um das vollendete Missgeschick den unglücklichen Dispositionen des Hofkriegsrates, oder der österreichischen Missgunst, oder endlich dem Zerwürfnis der Kabinette zuzuschreiben. Es ist dies die zweite Schlacht von Zürich, welche am 25. und 26. September des Jahres 1799 geschlagen wurde. Bei der Analyse derselben werde ich mich jedes eigenen Urteils möglichst enthalten. Es ist mir nicht darum zu tun, über das Unglück des Verbündeten schadenfrohen Bericht zu erstatten, sondern einfach um die Beantwortung der Frage: Was war für Österreich und das deutsche Reich im Allgemeinen und für die Koalition in ihrer Gesamtheit, von Truppen und Feldherrn zu erwarten, die so verkehrt beschaffen waren wie diese Russen? Denn Korsakow (1753-1840) und sein Corps repräsentierten einen ansehnlichen Teil, von dem man auf das Ganze schließen kann; nach Miliutin bestand gerade dieses Corps aus der Blüte der russischen Armee; der Kommandant desselben, Fürst Rimski-Korsakow, galt nach dem russischen Autor für einen der erfahrensten Generale seines Landes, für einen Mann von hoher Bildung und großer Charakterstärke.

Nur auf die Erzählung von Tatsachen beschränke ich also meine heutige Studie, die ich zum Teil aktenmäßigen Aufzeichnungen eines begabten Zeitgenossen verdanke, — der im Jahre 1799 der Korsakow’schen Armee als österreichischer Felddiplomat zugeteilt war und erst im Jahre 1848 als österreichischer Minister des Äußern seine amtliche Karriere schloss — des Freiherrn von Wessenberg (1773-1858).

Napoleon Bonaparte (1769-1821) französischer Kaiser

Napoleon Bonaparte (1769-1821) französischer Kaiser

Hotze, Friedrich Freiherr von (1739-1799) schweizer General

Hotze, Friedrich Freiherr von (1739-1799) schweizer General

Jellachich, Franz (1746-1810) kroatisch-österreichischer General

Jellachich, Franz (1746-1810) kroatisch-österreichischer General

Karl von Österreich (1771-1847) Erzherzog von Österreich

Karl von Österreich (1771-1847) Erzherzog von Österreich

Masséna, André (1758-1817) französischer Militär im Dienst Napoleons

Masséna, André (1758-1817) französischer Militär im Dienst Napoleons

Miljutin (1816-1912) russischer Kriegsminister

Miljutin (1816-1912) russischer Kriegsminister

Rimski-Korsakow, Alexander Fürst (1753-1840) russischer General

Rimski-Korsakow, Alexander Fürst (1753-1840) russischer General

Suworow, Alxander (1730-1800) russischer Feldherr und Militärstratege

Suworow, Alxander (1730-1800) russischer Feldherr und Militärstratege

Wessenberg, Johann Freiherr von (1773-1858) östereichischer Diplomat und Staatsmann

Wessenberg, Johann Freiherr von (1773-1858) östereichischer Diplomat und Staatsmann