Korrespondenz-Nachrichten. Stralsund, Januar 1830

Aus: Morgenblatt für gebildete Stände. Nr. 46. Dienstag, 23. Februar 1830.
Autor: Autor: Anonym, Chefredakteur: Gustav Schwab1792-1850), Erscheinungsjahr: 1830

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Stralsund, Rügen, Reisebeschreibung, Land und Leute, Natur und Umwelt, Ostsee, Ostseeküste, Wasser und Wellen, Jahreszeiten, Sitten und Bräuche, Jasmund, Wittow, Herthaburg, Arkona, Putbus, Königsstuhl, Mönchgut, Nordstrand, Norddeutschland,
Stralsund, Januar 1830.

Lassen Sie sich nicht befremden, Nachrichten aus einer Stadt zu empfangen, von der bisher wenig verlautete und die mit dem unvergänglichen Ruhm sich einzig zu begnügen schien, den starren Sinn des gewaltigen Despoten Wallenstein durch die Tapferkeit ihrer Bürger gebeugt zu haben. Nicht immer hat der gerade wenig zu sagen, der sich schweigend verhält, und wenn ich für unsere Stadt auch keine besondere literarische Wichtigkeit in Ihre Waagschale zu legen habe, könnte ich Ihnen doch eine Anzahl Literaten aufzählen, welche ihr angehören, die eine ehrwürdige Galerie ausmachen und einer Residenz zur höchsten Zierde gereichen möchten. Doch unser literarischer Ruhm soll gar nicht einmal in Rechnung kommen, weil noch andere Interessen vorhanden sind, die es zu einem dankbaren Geschäft machen, den Korrespondenten abzugeben. Wer wünschte nicht eine Federzeichnung von der bemoosten Feste am Nordstrand, an deren unerschütterlichen Mauern sich die ewig die Wogen des baltischen Meeres brechen und welche die große Fährbrücke und der Verbindungspunkt mit Schweden ist? Wer hätte nicht gern freundliche Kunde von dem paradiesischen Eilande Rügen, das wegen seiner Nähe zum Weichbilde der ehrwürdigen Stadt gerechnet wird? Bekannt sind dem Süddeutschen durch Wort und Schrift und eigenen Augen die romantischen Gefilde des lieblichen Jasmunds, das wogenumrauschte Wittow, der Glanzhügel Hiddensee; bekannt der majestätische Königsstuhl, die düsteren Trümmer der grauen Herthaburg mit ihrem schwarzen See, Arkonas luftige Höhe mit dem weitschauenden Leuchtturm und das elysische Seebad Putbus. Darum werden meine Nachrichten Ihren Lesern keine ganz unwillkommene Gabe sein.

Unter allen Städten Norddeutschlands behauptet Stralsund eine ehrwürdige Eigentümlichkeit, und wer nicht hiergewesen ist, möchte sich schwerlich ein Bild von ihr entwerfen können. Ihre Lage ist reizend, denn sie liegt unmittelbar an der See, und die Feuerschlünde auf den Wällen der Fährbastion beherrschen den Spiegel des Meeres. Dafür herrscht hier aber auch ein raues Klima, und an den Mai wird man durch den Namen erinnert. Hier küsst im Lenz der Himmel die Erde nicht wie eine junge Braut, und traurig, unter Nachtfrösten und schneidenden Ostwinden, vergeht die schöne Blütenzeit. Der Sommer ist veränderlich, und ein Tag wechselt oft mit seiner Temperatur wie das Jahr: am Morgen linde Frühlingsluft, Mittags die glühende Hitze, Nachmittags heitere Herbstluft und am Abend der raueste Wind. Die macht die Nähe der See. Auf Rügen ist’s noch ärger, besonders auf dem hohen, waldentblösten Wittow, das dadurch den Seestürmen völlig ausgesetzt ist. Dort haben wir am zweiten Pfingsttage im vorigen Jahre [08.Juni 1829] die Zähne vor Frost geklappert und ich fand geheizte Stuben. Deshalb gewöhnen sich auch Fremde nicht leicht an das hiesige Klima, und wäre ich nicht ein Kind der Ostsee, möchte ich’s hier schwerlich aushalten. Die schönste Ansicht der altertümlichen Stadt gewährt die Fährstelle auf Rügen, besonders in der Abendbeleuchtung. Den Mittelpunkt des großen Gemäldes bildet die Stadt mit ihren hohen Kirchtürmen- Zu beiden Seiten reihen sich die liebliche Brunnenau, die Triebseer- und die Frankenvorstadt mit ihren Gärten und Windmühlen an. Vor der Stadt sieht man den Hafen mit seinen buntflaggenden Schiffen.

Stralsunds Einwohner, kernige, treuherzige Menschen, haben viel von der nordischen Sitte angenommen, da sie so lange zu Schweden gehörten. So ist hier noch in vielen Privathäusern die Suppe das letzte Essen wie in Schweden, und das schöne Geschlecht trägt wegen der stets herrschenden rauen Luft beständig einen Schleier, wie im hohen Norden. Da derselbe als edelster Schmuck der Frauen anzusehen ist und eine gewisse Grazie gibt, so können Sie denken, wie sehr dadurch die ohnehin schönen Stralsunderinnen an Reiz gewinnen müssen, deren Holdseligkeit nicht mit Unrecht schon ein Geschichtsschreiber des vorigen Jahrhunderts preist. Die Männer sind offen und bieder, machen wenig Umstände mit Fremden, aber meinen es gut mit ihnen. Man kann sich fest auf sie verlassen und hat man einmal ihre Gunst erworben, sind sie die Treuesten Freunde, Bei allen herrscht eine große Vorliebe für ihre alte, ehrwürdige Verfassung, die viel mit der alten reichsstädtischen in Ulm und Augsburg gemein hat, und von Preußen nach dem Vertrag mit Schweden vollkommen respektiert wird.

In Stralsund findet man noch alle Zünfte und Gilden, wie in der Väterzeit. „Herr Aldermann“ ist hier ein vielsagender Titel, und ich wollte es keinem jungen Bürger raten, ihn nicht hoch in Ehren zu halten. Der Bürgermeister hat Gewicht und Ansehen, und alles grüßt ihn mit Ehrfurcht, wenn er in Begleitung eines Herrendieners zum Rathaus geht. Das Kollegium, dem er vorsitzt, bestrebt aus sogenannten gelehrten und ungelehrten Ratsherrn oder Ratsverwandten. Die gelehrten sind Juristen, die anderen nur Kameralisten. Und haben mit der Justizpflege nichts zu tun. Wer Bürger werden will, muss blau gekleidet mit Ober- und Untergewehr auf dem Rathaus erscheinen und seinen Eid leisten. Die Zünfte halten streng auf ihr Recht, und noch im vorigen Jahr rügten es öffentlich in der Zeitung die Alterleute der Sattler, dass sich ein Riemermeister das Prädikat eines Sattlermeisters in einer Ankündigung beigelegt hatte. Fast in der ganzen Welt sind beide gleichbedeutend, aber hier unterscheiden sich diese Gewerke noch streng voneinander. Rühmlich bekannt wegen ihrer Treue und Befahrenheit sind die Stralsunder Schiffer, und überhaupt die Neuvorpommerer. Sie haben Kredit in der ganzen Welt, und in den Häfen der Ost- und Nordsee und des mittelländischen Meeres dürfen sie für Fracht nicht besorgt sein. Fast alle Schiffe gehen unter schwedischer und dänischer Flagge, weil die Barbaresken immer noch den preußischen Adler nicht respektieren wollen. Trotz der Unfreundlichkeit des Klimas lebt es sich hier recht angenehm unter den gemütlichen, treuherzigen Menschen, denen der Väter biedre Sitte noch heilig ist, und die dankbar der Taten ihrer Vorfahren eingedenk sind. Die spricht sich in den Volksfesten aus, die hier alljährlich gefeiert werden. Das erste ist das Wallensteinfest, welches auf den 21. Juli fällt und 1825 erstmalig begangen wurde. An diesem Tag, im Jahre 1628, zog der drohende Wallenstein ab, wie einst der gewaltige Attila von Azimunt, ohne es bezwungen zu haben. Im Jahr 1828 fiel die zweite Säkularfeier desselben ein und wurde aufs glänzendste begangen.

Ein zweites jährliches Volksfest, der Vogelschuss, tritt bald nach dem Wallensteintag ein. Es schreibt sich gleichfalls aus der Zeit her, wo Stralsunds Bürger dem Friedländer widerstanden, und soll dazu dienen, sie an den Rum zu erinnern, den die Väter mit ihren Waffen errangen, und den Heldengeist in ihnen zu erhalten, wogegen das Wallensteinfest mehr ein Dankfest ist, dass der Barbar verdrossen abzog, weil er seine Drohung nicht erfüllen konnte.*)

*) Herzog Wallenstein vor Stralsund.
Aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 106

Der Friedländer, nachdem er mit seinen großen Heeren das ganze nördliche Deutschland überzogen hatte, und das Glück ihm überall günstig gewesen war, fasste, wie männiglich bekannt, in seinem Übermut den Plan, sich an der Ostsee ein eignes Reich zu stiften, in welchem er, unabhängig von Kaiser und Reich, als König regieren wollte. Dazu war ihm ganz besonders daran gelegen, die mächtige und reiche Stadt Stralsund zu besitzen. Er verlangte daher zuerst hinterlistiger Weise von der Stadt, dass sie Soldaten von ihm einnehmen solle. Das verweigerten die Stralsunder, und der Herzog zog nun mit einer großen Kriegsmacht vor die Stadt, um sie mit Gewalt einzunehmen. Er schwur in seinem Zorne, dass von der Stadt Stralsund nichts übrig bleiben solle, und wenn es ihm auch hunderttausend Mann und sein eignes Leben kosten solle, und er müsse sie haben, wenn sie auch mit Ketten an den Himmel geschlossen wäre. Mit solchen Schwüren kam er am 27. Juni 1628 vor der Stadt an. Er legte sein Hauptquartier in das Hainholz, und ließ noch denselben Tag Sturm laufen. Allein die Stralsunder hatten Hülfe von den Dänen und Schweden bekommen, und wehrten sich so tapfer, dass die Kaiserlichen nichts ausrichten konnten. Auf einen Tag verloren sie 500 Mann, und auf einen andern sogar 1500. Da wurde der Herzog immer zorniger, und er verschwor sich, dass er den König von Schweden mit Ruthen aus dem deutschen Reiche jagen wolle, und wenn er die Stadt bekomme, so wolle er des Kindes im Mutterleibe nicht schonen.

In solchen Schwüren saß er eines Tages in seinem Gezelte, welches im Hainholze unter einer Eiche errichtet war. Um ihn saßen seine Generale und Offiziere, und er hatte gerade ein Glas mit Wein in der Hand, und wollte dasselbe zum Munde führen; da kam auf einmal eine Passkugel aus der Stadt, die das Glas traf, und es ihm vor dem Munde in tausend Stücke zerschlug. Das ist ihm ein Zeichen gewesen, dass er hier solle zu Schanden werden, und dass er gegen Stralsund seine Drohungen nicht ausführen könne. Er brach daher sein Lager stracks auf, und zog nach Mecklenburg zurück, nachdem er 12.000 Mann vor der Stadt verloren hatte.


Die Eiche, unter welcher das Zelt des Herzogs gestanden, und unter welchem ihm Jenes passiert, steht noch, und es liegt jetzt zum Andenken der Begebenheit ein Stein an der Stelle. Auf diesem wird alljährlich am 24. Julius, als an welchem Tage der Friedländer abzog, und die Stralsunder das Wallensteinfest feiern, lustig und fröhlich von den jungen Bürgern und Jungfrauen der Stadt getanzt.

Die Schützenzunft zieht dazu feierlich aus und steht mehrere Tage förmlich im Lager, an das sich die Zelte und Buden der übrigen Einwohner anschließen. Acht Tage, denn so lange dauert es, kampiert der größte Teil der Stralsunder auf dem Schützenplatz; alle Stände mischen sich mit Herzlichkeit unter einander und alle Geschäfte ruhen. Ist der Vogel endlich abgeschossen, geht es mit Jubel in die Stadt zurück und jeder Bürger such nun durch emsigen Fleiß die versäumten Tage nachzuholen.

Trotz ihres alten kriegerischen Rufes sind die Stralsunder herzlich und gemütlich, und neben ihrer Wehrhaftigkeit für die Kunst so empfänglich, wie die Berliner. Es besteht hier ein Gesangsverein, der recht gute Konzerte aufführt, und eine Catalani hat sich hier so gut hören lassen, wie in Berlin und Paris. Es existieren wenig Zeitschriften, die hier nicht gehalten würden, und das Bestreben für das Gute und Schöne wird überall anerkannt. So halten ohne Unterschied fast alle Familien für sich, aus bloßer Liebe und um einen guten Zweck zu fördern, seit drei Jahren eine Zeitschrift: „die Sundine“, die hier erscheint, und es gibt gewiss kein Blatt, welches mehr Abonnenten in dem Ort zählt, wo es herausgegeben wird, als dieses. Hier gibt es keine Schreier und dämische Krittler, und alle Künstler, die hier auftreten, verlassen stets mit hoher Achtung ein Publikum, das so gebildet, als human ist. Das hiesige Schauspielhaus ist den vorigen Winter hindurch geschlossen gewesen; aber dies lag nicht an dem Sinn der Einwohner fürs Theater, sondern an dem Mangel an anständigen Gesellschaften in unserem nordischen Winkel. Zur Freude der Stralsunder hat sich aber für diesen Winter ein Mäcenas, der bekannte G*** H***, gefunden, welcher mit großer Aufopferung eine sehr anständige Gesellschaft hält, und gewissermaßen als Intendant derselben anzusehen ist. Die Liebe dieses Mannes für die Kunst ist groß und verdient Anerkennung, wenn es gleich nicht zu leugnen ist, das seine Neigung für seinen Stand nicht recht passt. Wer will ihn aber tadeln, da er sich so konsequent bleibt? Und dann treibt er die Sache auch so höchst anständig, dass man füglich nicht viel dagegen einwenden kann.

Weil das Theater uns völlig befriedigt, haben wir diesen Winter noch kein Konzert gehabt, dagegen häufig Bälle und Schlittenfahrten. Eine bessere Gelegenheit dazu findet sich wohl nirgends, wie hier; denn die Ostsee friert zwischen Stralsund und Rügen gewöhnlich zu, und dann ist es ein Vergnügen, auf dem glatten Spiegel zu fahren. Er dient im Winter zur Promenade, und Sonntags können Sie die schönen Stralsunderinnen mit Wangen, so lieblich wie das Morgenrot, und Augen, so leuchtend wie die Sterne, auf diesem Boulevard sehen.

Im Sommer sollten Sie einmal hier sein und an der Fährbrücke das bunte Gewühl von romantischen Wallfahrern schauen, die nach Rügen überschiffen, welche das Seebad in dem elysischen Puttbus gebrauchen wollen, vor der Gefahr der Überfahrt zittern und sich nicht entschließen können, das Fährboot zu besteigen, besonders wenn die See etwas stürmt. Auf eine Berlinerin unter anderen machte das unruhige Meer einen solchen Eindruck, dass sie ihren Wagen an der Fahrbrücke umkehren ließ und zurückreiste, weil sie ihr Leben nicht wagen wollte, wie sie meinte. Damit hätte es nun gar keine Gefahr gehabt, denn die Fährboote werden gerudert, was ungemein sicher ist, wenn die See noch so hoch geht. Dagegen sollten Sie aber einmal unsere Schönen oder die hochbusigen Rügianerinnen sehen, wie gleichgültig sie selbst bei wildstürmender See das Fährboot besteigen, als ob es ein Schlitten oder eine Sänfte wäre, und es nicht achten, wenn eine Sturzwelle sie benetzt. Ich habe oft meine stillen Betrachtungen darüber angestellt, die anmutigen Heldinnen mit einer Agandecla, Malvina und Fiona Ossians verglichen. Hier oben auf Rügen muss an denselben lesen, wenn man den Zauber der nordischen Dichtung ganz empfinden will.

Mehrere unserer Schiffe sind an den Küsten Rügens eingefroren und die Ladung hat auf Schlitten hierher transportiert werden müssen, was große Kosten verursachte. Gegenwärtig sieht das Auge am Strande eine Eisdecke, die sich meilenweit in die See erstreckt und wohl lange ihre Herrschaft über Sturm und Wellen behaupten wird, da die Kälte sich immer gleich bleibt. Es ist aber nicht so arg damit, wie Sie vielleicht denken, denn sie überstieg in diesen Winter noch nicht 11 Grad. An der See ist es nie so kalt, wie mitten im Lande; dagegen ist es aber das ganze Jahr hindurch rau an derselben, und es heißt in Pommern:

„Was ist ein Mann von guter Art,
Trägt seinen Pelz bis Himmelfahrt.“*)

*) Christi Himmelfahrt wird am 40. Tag der Osterzeit, also 39 Tage nach dem Ostersonntag gefeiert (z. B. 2019, Donnerstag, 30. Mai)

Nun noch einige Worte von Rügen. Die Reize, die diese interessante Eiland im Sommer darbietet, sind allbekannt; aber freilich muss die Sonne aus blauem Himmel auf glatter See lachen, wenn man den Vergleich unseres scharfsinnigen Lappe, der nächst Kosegarten die meisten Verdienste um Rügen sich erworben hat, so richtig sie ist, natürlich und treffend finden soll. Wenn man nämlich die Putbuser Strandbucht vom Ufer oder dem fürstlichen Schloss aus übersieht, fällt einem eine Ähnlichkeit mit dem Gemälde mit dem Golf von Neapel auf. Blicken Sie in Ihre Karte. Der Vilm ist die Insel Capri, der Zudar, Ischia, die Goore und Mönchgut, Sorrento und Salerno. Dieses Bild noch weiter zu verfolgen, würde die Pommersche Küste, Sardinien, der Rüden und die Oie, Stromboli und Lipari sein, hinter ihnen, meint Lappe, könnte Sizilien liegen, und in dem weißen Berge auf Usedom oder dem blauen Wollin vielleicht der Etna gefunden werden. Der Veteran hat Recht und es muss ihn überrascht haben, als im August vorigen Jahres (1829) auf der Küste von Rügen, wie auf der Küste von Sizilien eine Fata morgana am Horizont zu schauen war, wodurch sein Vergleich gewissermaßen gekrönt wurde. „Am 6. August“, so berichtet ein geschätzter, glaubwürdiger Mann hieselbst, der Advokat Mirendorff, in unserer Sundiene, „Vormittags 9 Uhr befand ich mich bei Anfangs trübem und regnerischem, doch allmählich sich erheiterndem Himmel auf dem Wege von dem Gute Quoltitz auf Jasmund nach Stubbenkammer. Als ich die Höhe erreicht hatte und von dort den freien Anblick des Meeres genoss, welches nur gegen Nordwesten durch das hervorragende Arkona, gegen Osten aber durch den Stubnitz begrenzt wurde, überraschte mich in dem Mittelpunkt dieser weiten Aussicht auf das Meer eine Erscheinung, die ich früher nie gesehen hatte und die nach der Angabe mehrerer Bewohner Jasmunds niemals daselbst wahrgenommen worden ist.“

„Es zeigt sich hier“; fährt Herr Mirendorff fort, „an dem Rande des Horizonts, wo sich dieser ins Meer senkt, in einer Entfernung, die ich dem Augenmaße nach auf einige Meilen schätze, das Bild einer beträchtlichen, mit vielen spitzen und stumpfen, Türmen, hoben und niederen Giebeln und Dächern versehenen Stadt, und zwar so deutlich, dass ich ungeachtet der Nebelwolken, worin dies Bild gehüllt lag, den grellen Farbenanstrich an den unteren Teilen der Gebäude erkannte. In der Richtung gegen Arkona hin, dem Augenschein nach etwa eine halbe Meile seitwärts von dort entfernt, gestaltete sich eine kleine Abteilung von einigen hohen Gebäuden, ohne Turmspitze, und anscheinend mit Bäumen umgeben, so dass diese das Ansehen einer kleinen bebauten Insel um so mehr gewann, da zwischen ihr und dem von dort ostwärts gelegenen größeren Bilde eine lichte Durchsicht bemerklich war. Das ganze Gebilde war übrigens, wie schon bemerkt, schwach umwölkt und es zogen sich von demselben gegen den Scheitelpunkt hin auch noch durchsichtige Wolken, wogegen die seitwärts angrenzende Luft ganz heiter war und eine weitere Aussicht in das Meer darbot. Ungeachtet jener, die Erscheinung umhüllenden Nebelwolken, waren die Umrisse der Gebäude so scharf gezeichnet, dass der Anblick keinen anderen Gedanken aufkommen ließ, als den, er müsse das eine hier sonst nie gesehene Stadt sein. Hierin stimmte mein Reisegefährte, ein in dortiger Gegend geborener Jasmunder, beim ersten Anblick dieses Luftgebildes nicht nur, sondern noch später, als bei Fortsetzung unserer Reise die Erscheinung sich stundenlang unverändert erhielt, mit mir überein, und unser Fuhrmann, ein geborener Rüganer, wollte es sich gar nicht einreden lassen, dass dies nur eine Luftspiegelung sei, behauptete vielmehr, das müsse wirkliches Land, das müsse eine Stadt sein. Wir fuhren nach Stubbenkammer und sahen auch hier von dem Königsstuhl aus noch immer das nämliche Bild, an nämlicher Stelle, und so erhielt es sich, bis der Horizont sich gegen 12 Uhr Mittags auch an jener Stelle erheiterte und , bei aufkommenden sanften Winde, die von Westen gegen Osten abziehenden Wolken das schöne Bild allmählich verwischten, Mag nun diese getreu von mir geschilderte Luftspiegelung eine Fata Morgana gewesen sein, worüber diejenigen entscheiden werden, welche in Gegenständen dieser Art tiefere Einsichten besitzen, oder mag sie mit der Sage in Zusammenhang stehen, dass von Wittow aus früher schon die Stadt Kopenhagen gesehen worden, mir wir der bezaubernde Eindruck, welchen dieses herrliche Bild auf mich machte, stets unvergesslich bleiben.“

Im Sommer ist Rügen ein Paradies; aber im Herbst und Winter geben seine Küsten ein Bild des hohen Nordens, und man braucht nicht nach Schottland zu gehen, um Walter Scotts Schilderungen mit der Natur zu vergleichen. Wenn die Blätter fallen und die Zugvögel in endlosen Schwärmen über den Ozean nach dem fernen Süden gezogen sind, beginnt das Toben der Elemente. Vom wilden Sturm gepeitscht, umheult das Meer die öden Küsten, und der Donner der schäumenden Brandung erschüttert das mächtige Pert auf Mönchgut, das luftige Arkona und den majestätischen Königsstuhl in ihren Grundfesten; von dem bewaldeten Ufer der Stubnitz lösen sich Riesenstücke mit Bäumen ab und stürzen mit Krachen in die schwarzauftaumelnden Wogen. Dem Paradiese des Insellandes droht der Untergang in dem großen Naturstreit, bis eine gewaltige Eisdecke dem Toben der Elemente Schranken setzt. Das großartigste Schauspiel der empörten Natur gewähren die Eisberge an den Küsten. Es gibt viele Ufer auf Rügen, welche, wie die Höhen von Jasmund, Wittow und Mönchgut, dem Ost und Nordost eine schroffe Seite entgegenstellen. Wenn nun im milden Strahl der Frühlingssonne oder bei anhaltendem Tauwetter die Eisdecke bricht, welche das Meer gefesselt hält, und der erwachte Sturm die Trümmer an das Ufer treibt, so schieben sich Anfangs die in der Ferne zuerst getrennten Massen leise über die am Ufer noch hängenden Schollen dahin. Bald aber wird das Ufereis zerbrochen und es bildet sich am Fuß der Anhöhe allgemach ein Eisfelsen. Die sogenannten Schollen drängen sich mit leisem Gemurmel über denselben hinauf und heben in stückweise mit sich fort. Immer höher und höher steigt der nasse Fels, sich selbst zerstörend und wieder ergänzend; eine Scholle überflügelt die andere, bis der dem Meere in einzelnen Bruchstücken entstiegene Berg so fest zusammengeschoben ist, dass die nachfolgenden Blöcke sich ihren Weg darüber hinaus bahnen. Mit namenlosen Gesause und Gebrause schiebt sich einer über den andern bis über den Rand des Ufers hinaus, wo die nachgeschobenen Stücke noch weit über das Trockene hingleiten.

Dieses Naturspiel ist zwar weniger furchtbar, als der Wellenschlag, der bei hohlgehender See hoch zu den Ufern hinaufspringt und weit über das Trockene hin unendlichen Meeresregen ergießt, aber doch einzig in seiner Art und so mannigfaltig in seinem Entstehen und Zergehen, dass das Auge sich nicht daran sättigen kann. Da steht der unermessliche Felsen von Eis, auf tausendfache Weise gezahnt und gezackt, und ein leises Summen und Knarren, wie von Hundert Wagen, ertönt ringsum, ein Zischen und zwitschern, wie von Legionen heiserer Vögel, ein Kochen und Sieden, wie wenn alle Fluten des Meeres sich über das Land ergießen wollen, und das Alles doch so gemach, so leise und langsam nahend, wie wenn die Lava des Vesuvs sich über die Fluren Neapels Tod und Verderben bringend wegdrängt, nur mit dem Unterschied, dass das Gebilde des Meeres nur drohend und nie zerstörend ist. Lange steht oft das Gebäude der Meeresflut, prächtig funkelnd im Sonnenstrahl des heiteren Tages, bis wärmere Lüfte langsamer, als es entstand, seine rauen Zacken abschleifen, und es in rieselnden Bächen seinem Ursprung wieder entgegeneilt. Th

Stralsund vor der Alten Fähre

Stralsund vor der Alten Fähre

Arcona

Arcona

Kleine Stubbenkammer auf Rügen

Kleine Stubbenkammer auf Rügen

Schloss Puttbus auf Rügen

Schloss Puttbus auf Rügen

Vitte bei Arcona

Vitte bei Arcona

Stralsund, Alte Giebelhäuser in der Semlowerstraße 8, 1910

Stralsund, Alte Giebelhäuser in der Semlowerstraße 8, 1910

Stralsund, Am Kütertor

Stralsund, Am Kütertor

Bergen (Rügen), Jagdschloss Granitz

Bergen (Rügen), Jagdschloss Granitz

Bergen (Rügen), Marktplatz 1917

Bergen (Rügen), Marktplatz 1917

Bergen (Rügen), Marktplatz 1921

Bergen (Rügen), Marktplatz 1921

Stralsund, Böttcherstraße mit Jakobikirche

Stralsund, Böttcherstraße mit Jakobikirche

Stralsund, Hafenpartie 1909

Stralsund, Hafenpartie 1909

Stralsund, Jakobiturmstraße und Jakobikirche

Stralsund, Jakobiturmstraße und Jakobikirche

Stralsund, Johanniskloster, Räucherbodenhaus

Stralsund, Johanniskloster, Räucherbodenhaus

Stralsund, Kniepertor 1913

Stralsund, Kniepertor 1913

Stralsund, Rathaus 1925

Stralsund, Rathaus 1925

Stralsund, Semlowertor

Stralsund, Semlowertor

Albrecht von Wallenstein

Albrecht von Wallenstein

Wallenstein (1583-1634) Herzog von Friedland und Sagan, 1628-1631 Herzog zu Mecklenburg, Graf von Schwerin, Herr von Rostock etc.

Wallenstein (1583-1634) Herzog von Friedland und Sagan, 1628-1631 Herzog zu Mecklenburg, Graf von Schwerin, Herr von Rostock etc.

Wallenstein

Wallenstein

Rügen Trachten Mönchgut

Rügen Trachten Mönchgut