Korrespondenz-Nachrichten. London 1852

Autor: Morgenblatt für gebildete Leser. Jahrgang 36, Erscheinungsjahr: 1852
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Witterung, Das deutsche Schauspiel, Ein deutsches Logierhaus, Auswanderer, Wohnungsnot
                                    Witterung

Wir stehen nun schon an der Schwelle des Juli und noch immer will sich der Sommer nicht einstellen. Es ist wirklich zum verzweifeln! Wir haben Winter, wir haben Herbst, wir haben Frühling, das heißt den Frühling des April, wir haben alles, nur keinen Sommer. Und verirren sich auch dann und wann ein paar schöne Tage zu uns, so ist es doch nur, um den Kontrast zwischen der Jahreszeit und dem Wetter noch fühlbarer zu machen.

Es lässt sich kein melancholischeres Schauspiel denken, als die rotten rov in dieser Season. Statt der glänzenden Kavalkaden, die sonst zwischen den dichten Reihen der buntgekleideten Spaziergänger dahin jagen, hier und da ein vereinzelter Reiter, sein Pferd bis an den Hals mit Kot bespritzt, mühsam durch den Schlamm watend, zwei oder drei Fußgänger in Waterproofs und (zum Überfluss) mit ausgespannten Regenschirmen, und zur Seite die Ruine des Kristallpalastes. Und die Parks! An der Stelle der Kinder tummeln sich idyllische Schafherden auf dem üppigen Gras, und die armen, von Regen und Wind zerzausten Rosen blicken uns mit so wehmütig vorwurfsvollen Augen an, als wollten sie den Himmel verklagen, der ihr flüchtiges Dasein zu einem Gewebe von Leiden gemacht hat. — Doch das Schlimme hat auch glücklicherweise seine gute Seite. Freilich, den verlorenen Sommer kann uns niemand mehr zurückgeben, aber die Theatermanager und Konzertgeber haben sich wenigstens bemüht, uns dafür zu entschädigen. Und gewiss, sie werden sich über die Ungunst des Wetters nicht beklagen. —

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          Das deutsche Schauspiel

Da ich gerade das Theater erwähne, gestatten Sie mir einige Worte über das deutsche Schauspiel in St. James. Nicht als ob ich eine Kritik beabsichtige — dies liegt außerhalb der Aufgabe, die ich mir für heute gestellt — nur ein paar Bemerkungen über den Eindruck, den es auf das englische Publikum gemacht.

Das Urteil der Presse ist Ihnen bekannt. Mit Ausnahme der Times, die in künstlerischen Angelegenheiten noch weniger vorurteilsfrei ist als in politischen, haben sich die großen Organe der Journalistik einstimmig im höchsten Grade günstig ausgesprochen. Nur die „Räuber“ fanden keinen Beifall, aber es ist dies dem Stücke selbst und nicht der Darstellung zuzuschreiben. Der nüchterne Britte musste sich von einer Produktion zurückgestoßen finden, die in chaotischer Regellosigkeit „unmotivierte Anklagen gegen Staat und Gesellschaft schleudert,“ und neben unleugbaren Schönheiten „zahllose Verstöße gegen die Vorschriften der Kunst enthält.“ Ja ein Morgenblatt ging sogar so weit, Schiller zum Apostel „des wildesten Kommunismus“ zu machen.

Doch sei dem wie ihm wolle, diese einzelne „failure“ hat dem Erfolg im Ganzen keinen Eintrag getan. Abgesehen davon, dass die Königin samt den vornehmsten Gliedern der Aristokratie, fast in keiner Vorstellung fehlte, hatten sich unsere Landsleute des regelmäßigen Besuchs und der lebhaftesten Anerkennung der in Literatur und Kunst hochgestellten Männer Englands zu erfreuen. Was insbesondere die Londoner Schauspieler betrifft, so kann ich aus guter Quelle versichern, dass Mstr. Kemble und Mr. Kean sich in der vorteilhaftesten Weise ausgesprochen haben. Namentlich erklärten sie die Aufführung des Hamlet für ein Meisterstück, „das sich die englischen Darsteller selbst zum Muster nehmen sollten.“

Jedenfalls hat der deutsche Geist bei dieser Gelegenheit einen neuen Triumph gefeiert, und zwar einen Triumph, der um so schwerer in die Waagschale fällt, da nur wenige der hier anwesenden Schauspieler zu den ersten in unserem Vaterlande gehören.

William Shakespeare (1564-1616) Denkmal in der Westminster Abtey.

William Shakespeare (1564-1616) Denkmal in der Westminster Abtey.

London Westminster Abbey

London Westminster Abbey

London Westminster Bridge

London Westminster Bridge

London Tower

London Tower

London St. Pauls

London St. Pauls

London Rotten Row

London Rotten Row

London Park Piccadilly

London Park Piccadilly