Fortsetzung

Die im Jahre 1553 fertig gewordenen südlichen Werftbauten sind verschüttet, versandet; halsgefährlich ist für Fuhrwerk das, was man Weg zu nennen beliebt. Nur wenige Häuser mit ihren Spitzdächern, ihren düstern zerfallenen Treppengiebeln schauen über die Mauer. Auf derselben erhebt sich der Vorbau des „Zum Pützchen Hofes", der Sitz des „Huppet-Huhhot", eines Alt und Jung neckenden Kobolds, von dem man uns die erbaulichsten Schwänke erzählte, wie er die Mägde quälte, ihnen Pferdestaub in die Betten streute, Erbsen auf die Treppen, dass sie fielen, das Vieh im Stall losmachte, die Kühe ausmelkte, aber sich auch oft ganz gemütlich an den Winterabenden mit seinem stolpernden Gange: hobedehop! hobedehop! seinem spitzen und langen Flachsbart und Spitzhut in ihrer Mitte am Herde niederließ.

Einzelne aus Tuffstein in romanischem Style des 13. Jahrhunderts erbaute malerische Giebel überragen weiter nach Norden die Mauer, welche seit 1497 aus den Strafgeldern von Zinswuchern bis zum Filzengraben erhöht worden, oder verstecken sich hinter den hier längs der Stadtmauer aufgetürmten Holzstößen, den so genannten „Erken". Mit der Abnahme des Verkehrs hatte man die Mehrzahl der Tore dieser Mauer verschüttet oder vermauert ***).


Einer Düne gleich, an einzelnen Stellen von mageren Grasplätzen unterbrochen, die Bleichstätte des ganzen Stadtviertels, zieht sich die Insel, das so genannte „Wertchen" hin. Mephitische Dünste steigen im Sommer aus dem verschlammten Rheinarme der Stadtseite. Ein paar Schiffs-Oberdecke sind zu Residenzen der Bleichwärterinnen umgewandelt. Monoton klingt in seinem stets einförmigen Takte der weitschallende Hammerschlag einiger Schiffbauern, die sich das Wertchen zum Werft erkoren, und in ihr Gehämmer mischt sich das langgezogene Ju! Ju! Ho! Ho! Hoho! der Rheinhalfen, mit diesem Rufe, derben Flüchen und noch derberen Peitschenhieben ein Rudel, magerer, abgehetzter Pferde vor einem zu Berg schleichenden Schiffe auf dem Leinpfade antreibend.

An der Rheingasse ändert sich die Szene des Werftes. Der Schiffsverkehr gewinnt einige Rührigkeit. Hier liegen, wie es die Jahreszeit bringt, die hoch über Deck mit Stroh und Heu oder mit Lohe, den ein französischer Commissär in seinem Bericht für Zimmet ansah, beladenen kleinen Fahrzeuge, auf welche die schmalen, zwei- und dreistöckigen Häuser düster und trostlos herabsehen, vielleicht besserer Zeiten eingedenk. Äußerst bescheiden, eine schlichte Bürgerwohnung mit ihren Spitzdächern, ihren einfachen grünen Jalousieladen und blendend weißen Gardinen, schaut der „heilige Geist", eines der ersten Gasthäuser der Stadt, das Absteige-Quartier der höchsten Herrschaften, aus seinen spiegelblanken, kleinen Scheiben hinüber nach dem öden, von der Rheinseite dorfähnlichen, traurig verfallenen Deutz. Vom Rheintor bis zur Hafengasse sind längs den Häusern Kohlenlager, Gerießhütten gebaut, mit den hier lagernden „Leien", woher der Name „Leistapel", oder Schieferplatten die größte Breite des Werftes einnehmend.

Gruppen von Schürgern und Packträgern, welche den Facchini Italiens im dolce far niente und in der unverschämtesten Zudringlichkeit nichts nachgeben, dieselben in der Unverschämtheit ihrer Forderungen selbst überbieten, lungern, der Werfte Staffage, gewöhnlich am Leistapel umher. Sie haben sich jetzt zum Ufer gedrängt, denn eben treibt in voller Majestät ein schwimmendes Dorf, ein schönes, stolzes Rheinfloß, mit einigen Hundert Ruderern bemannt, vorbei; die Steuerleute winken von ihren erhabenen Steuerstühlen den vom Ufer Grüßenden mit Hutschwenken zu.

Eine Gesellschaft Männer, wenn auch an einem Werkeltag, in Floere Catunge (Manchester) Jacken und Hosen, schwere silberne Schnallen auf den Schuhen, aus stark mit Silber beschlagenen Ulmer-Köpfen dampfend, spielt „Galöschje“ 4). Sie werfen mit einem Kronenthaler nach einem, in gewisser Entfernung aufgestellten Korkstöpsel, auf welchem so viele Fünffrankenthaler liegen, als die Gesellschaft Köpfe zählt. Der Werfende gewinnt das Geldstück, bei dem der Kronenthaler liegt, mit dem er geworfen hat. Derbe Witze, Flüche, und eben nicht feingewählte Glossen über die ab- und zugehenden Douaniers oder „Commis", wie der Kölner die Zollbeamten nannte, beleben das Spiel, reizen die Lachmuskeln der Schürger und Fuhrleute, welche um die Spielenden einen Kreis gebildet haben.

Wer sind die Spieler? „Hexemächer", so heißt die mit jedem Tage wachsende Zunft der Schmuggler. Das Schmuggeln wird systematisch betrieben, denn nicht unzugänglich der Bestechung sind die ersten, wie die geringsten Zollbeamten. Welcher Kaufmann schmuggelt nicht? Schmuggelhandel war das einträglichste Geschäft. Es bestehen sogar Schmuggel-Assekuranzen. In Deutz, Mülheim, Hittorf haben die Kölner Kaufleute ihre Niederlagen der zollpflichtigen Waren, und von dort werden die „Hexen" gemacht. Oft im Einverständnisse mit den Douaniers, die mit verstärkten Wachtposten einen Punkt des Ufers besetzt halten, während die Hexemächer am entgegengesetzten über den Rhein gehen, oder, wenn vereinzelte Posten, lassen sich die Douaniers knebeln, als wenn sie der Übermacht erlegen. Nicht selten ist das einträgliche Hexemächer-Handwerk aber auch gefährlich, wird eine Pascherei, die man auf eigene Faust machen will, verraten, und die Posten mit fremden Zollbeamten besetzt. Dann geht es auf Leben und Tod; was der List nicht gelingt, sucht man durch Gewalt zu erreichen. Häufig finden Scharmützel zwischen Zollbeamten und Paschern bis in die Stadt hinein Statt, müssen Kellerlöcher, Gartenzäune und Vorhäuser die Ladungen der verfolgten Hexemächer aufnehmen.

Ein paar „Rihführer", so heißen die Rhein-Fuhrleute, zanken sich mit lautem Geschrei, weil einer dem andern eine Ladung weggeschnappt. Sonst knuppern aus Langweile die Rosinanten der hier aufgestellten Rihkarren oder Lastfuhren an dem in aller Gemütlichkeit zwischen den mächtigen Basaltblöcken des Pflasters wuchernden Grase, oder machen die Brosamen ihrer Futtersäcke ganzen Flügen der unverschämtesten Spatzen, oder den hier ungestört ruckenden und girrenden Tauben streitig.

Durch den engen Durchgang an dem Bollwerke der Hafengasse gelangen wir aus dem Leistapel in den 1804 neuangelegten Freihafen. Zwei runde turmähnlich massiv aus Stein aufgeführte Krahnen, der Hafengasser und der Mühlengasser, mit beweglichen Dächern, unterbrechen bis zur Mühlengassen-Bastion die Linie des neuen Werftes. Unbeholfen strecken sie ihre riesigen Schnäbel in die Luft; langsam dreht sich knarrend und stöhnend das große Gangrad, von Menschen, den so genannten „Eichhörnchen" getreten; laut schallt der Kommandoruf der Kettenmänner, dazwischen die Gewicht- und Zeichen-Angaben der Wagenknechte: „Ae Kloverblatt N. 11, Ae Krützge N. 12, en einfach Beescheldche, en duppel Beerscheldche, e Rüttge met em Stätzjen dran usw. usw.", damit die Wagenmeister das gelöschte Gut buchen können. Gibt es der Güter viele, ist auch noch ein kolossaler schwimmender Krahn tätig, in seinem einfachen Mechanismus den steinernen gleich konstruiert, sind noch einige „Wippen" in Betrieb.

Eben landet die fliegende Brücke an der Markmannsgasse, jetzt Friedrich-Wilhelm-Straße 5). Mit Argus-Augen harren die Zoll-Aufseher an der Landbrücke, und, ihrer Argus-Augen zum Trotz, werden doch der verbotenen Früchte viele, besonders Kaffee und Zucker, für den Hausbedarf eingeschmuggelt, denn auch dem frömmsten, dem gewissenhaftesten Kölner ist Schmuggeln keine Sünde, und einen Kronenthaler, einen Thaler 16 Sgr. — ein Capital — kostet ein Pfund Kaffee oder Zucker. Fast bei jeder Fahrt, deren die Brücke täglich fünfzehn bis achtzehn von einem Ufer zum anderen schleicht, bietet sich den Lungern und Gaffern, den Brücken-Passagieren das Schauspiel, die Zollbeamten einen Schmuggler aufgabeln zusehen. Besonders fahnden sie auf die Frauenzimmer, die sich in das Zollhäuschen neben dem Tor bequemen müssen, wo Frauen zu ihrer Visitation angestellt sind. Die raffinierteste Schmugglerklugheit, die selbst den Ulysses in der Schlauheit der Erfindung ihrer Mittel überbietet, und scheinbarer Diensteifer stehen hier stets in offenem Kampfe. Ein paar Schmuggler sind glücklich an der Cerberus-Höhle vorbei, rasch drängen sie sich durch das enge Markmannsgassen-Tor, auch eine gewaltige Torveste, und eilen die vielleicht zehn Fuß breite, von vier- bis fünfstöckigen, rußigen Giebeln umdüsterte Markmannsgasse hinauf. So enge ist die Markmannsgasse, deren Hauptbewohner Gerber, dass ein, etwas über die Achse geladener Karren, nicht selten die an den Türen aufgehängten Sohlleder-Häute, selbst die hölzernen Blenden der Fenster mitnimmt, Ursachen der erbaulichsten Schimpf-Intermezzi. So schauerlich düster ist diese Straße, dass im Winter in den meisten Häusern die Lampe nie ausgeht.

Unter dem lautesten Jubel der Umstehenden, die stets Partei für die Schmuggler nehmen, machen ein paar Douaniers Jagd auf einen Zollfrevler, der sein Heil in der Schnelligkeit seiner Füße sucht und gewöhnlich in dem Labyrinthe der Winkel und Gässchen dieses Stadtteils glücklich entkommt.

Regeres Treiben herrscht im eigentlichen Freihafen, denn die Stadt hat noch das Stapelrecht, jetzt Umladerecht, aus der politischen Umwälzung gerettet, das sie seit den ältesten Zeiten beanspruchte, ihr aber erst Erzbischof Conrad von Hochstaden, der Gründer des Domes, 1259 urkundlich bestätigte 6). Speditionshandel, jetzt vom Schmuggelhandel en gros tätigst unterstützt, ist daher noch immer die Haupt-Nahrungsquelle der kölnischen Kaufleute. Mit wenigen Ausnahmen finden wir den eigentlichen Properhandel in den Händen der Protestanten, da diese vor der französischen Zeit keinen Speditionshandel treiben durften 7). In aller Gemächlichkeit geht das Speditionsgeschäft vom Vater auf den Sohn, und sicher ist es keine müßig erfundene Anekdote, wenn man von Spediteuren, die Mühlensteine oder Zinnblöcke zu spedieren hatten, erzählt, dass sie in ihren Spesen-Rechnungen auch den Posten für Reparatur und Küferlohn aufzuführen nicht vergaßen.

Merkwürdig ist es, dass nur wenige der bedeutendsten, jetzt noch bestehenden Handelsfirmen, noch hinauf in die Zeit reichen, von der ich rede. Und wie bescheiden war der Beginn vieler neuen Firmen! Ein eigentliches Kaufherren-Patriziat, welches sich in seinen Geschlechtern Jahrhunderte rühmen darf, besitzt Köln nicht mehr. Vor fünfzig Jahren bestand der Handels-Vorstand, seit 1803 „Handels-Kammer", aus den Herren: Friedr. Carl Heimann, Präsident, Nic. Jos. Hamm, Johann Georg Bletscher, Joh. Jak. Strömer, Wilh. Boisserée, Hub. Feckler, Heinr. Ferd. Schöler und Joh. Stöhr; das Handelsgericht aus den Herren: Abraham Schaaffhausen, Pet. Bemberg, Pet. Jos. Cassinone, David Herstadt, als Richter, Melchior Birkenstock, D. E. Kerr und Ludwig Foveaux als Suppleanten. Und wie viele der angeführten Firmen bestehen noch?

Im Jahre 1795 ließ sich der erste Israelit wieder in Köln nieder, da sie seit 1425 zum zweiten Male ganz aus der Stadt verwiesen, weil sie sich weigerten, das Schutzgeld zu zahlen 8).

Mit der Aufhebung des so genannten Stapels im Jahre 1830 beginnt Kölns neue Ära.

Ist auch die Tätigkeit im Freihafen selbst eine rührige von Küfern, Rheinarbeitern, Fuhrleuten und Karrenpäckern, strolchen hier auch eine Menge Knaben umher, Jagd auf Pflaumenfässer und ähnliche Leckerbissen machend, so wie auf Stuhlrohr, das zu den ersten Rauch-Experimenten benutzt wird: so zeigt die Reihe der Häuser, seit 1804 in Lagerräume umgeschaffen, die verschiedenen Stuben (Stuvven), die Namen der Verwaltungs-Schreibstuben, in ihrem Äußeren den Grundcharakter, Verwitterung und Vernachlässigung — Alles predigt über den Text: „Alles ist vergänglich! Es waren einst bessere Zeiten!" Und so auch der alte Edelsitz der Familie von der Mühlengassen, die man nannte „zum Turm", welchen man auch teilweise in Lagerräume, und teilweise zum Zollamte umgeschaffen hat. Ein ernster, stattlicher Bau des 15. Jahrhunderts, zinnengekrönt, mit schlankem Ritterturme. Hinter dem Mühlengassen Bollwerke, vor dem Neugassentor eine neue Welt. Längs der Stadtmauer türmen sich, dieselbe hoch überragend, Stöße von Brettern, Erken, und zwischen denselben der braungraue, düstere Frankenturm mit seinem Satteldache und schrillend knarrender Wetterfahne. Drei Basrelief-Figuren in die Mauer eingelassen, zerbröckelt und verwittert, deuten wir Knaben als die drei Könige. Der Turm wird als Militär-Gefängnis benutzt. Aus den Mauerlöchern lassen die Gefangenen an Kordeln Säckchen herunter, mit dem: „Ayez pitié d’un pauvre prisonnier! La charité!" im kläglichsten Tone gerufen, die Mildtätigkeit der Vorübergehenden anflehend, und nicht selten wurden hier von uns die zu Hause spärlich gespendeten Fettmännchen geopfert.

In der Überlieferung lebte es noch, dass in freistädtischer Zeit auf dem Frankenturm die Kriminal-Verbrecher gesessen, ehe sie den Gräven, dem Kriminal-Gericht überwiesen, dass hier manche Exekutionen Statt gefunden, wie auch die Essen des Gräven und Schöffen nach einer Überweisung des Angeklagten an den Gräven 9). Hier hatte sich der berüchtigte Fetzer durchgebrochen, noch in jüngster Zeit der Raubmörder Heckmann den alten Schließer Hittorf mit einem Sauerwasserkrug, in welchem dieser dem sich krank Stellenden Wein gebracht hatte, erschlagen, und war, sich der Schlüssel bemächtigend, entflohen. Stoff genug, um dem Turm und seiner ganzen Umgebung für die Knaben einen schauerlichen Charakter zu verleihen.

Nur eine kleine Strecke des Ufers am Neugassentore hat Steinwerfte, sonst ist bis zum Türmchen nichts für den Uferbau geschehen, das ausgespülte Ufer, eine wüste Grasfläche, im Sommer immerfort mit Wäsche zum Bleichen staffiert.

An der Neugasse selbst liegen weit in den Rhein hinaus, in stattlichen Reihen die stolzen holländischen Beurtschiffe, große Fahrzeuge mit zwei hohen schlanken Masten, rundem breitem Vorderteile, gewöhnlich mit zwei rot, weiß und blau bemalten Rosetten verziert. Holländischer Komfort und dem damaligen Kölner ungewohnter Luxus zeigen die über Deck gebauten geräumigen Kajüten, ein redender Beweis, dass damals der holländische Rheinschifferstand goldenen Boden hatte. Die Baas oder Patrone der Schiffe machen es sich bei ihrem Geschäfte möglichst gemakkelyck. Vierzehn Tage war, bei äußerst günstigem Winde, eine sehr, sehr seltene, sechs Wochen von Rotterdam nach Köln eine rasche Fahrt, zwei oder drittehalb Reisen wurden, letztere ausnahmsweise, jährlich gemacht. Die Fracht tat aber auch noch 3 Franken 50, und jetzt vielleicht 50 Cents. Den Schiffen sieht man bei ihrer einladenden blendenden Reinlichkeit den Wohlstand, die scheinbar unerschütterlich zuversichtliche Behäbigkeit ihrer Eigentümer an, wenn diese mit ihrer langen holländischen Pfeife selbstvergnügt auf dem Verdecke stehen, und wie ihre Schiffe mit einem selbstgefälligen Stolze auf die weit kleineren, bescheidenen höher liegenden oberländischen Fahrzeuge herabsehen.

Hat sich der Schiffer glücklich und in aller Bequemlichkeit von zwanzig bis dreißig Gäulen — der Hauptbeschäftigung der Bewohner der am Rhein liegenden Dörfer, der so genannten Rheinhalfen — bis nach Köln herauspferden lassen, kümmert er sich nicht weiter um seine Ladung, dafür hat er seine Knechte und die städtischen Bestätter, welche ihm die Frachtgelder einziehen. Die bedeutendsten Beurtschiffer trieben auch Eigenhandel, sie brachten häufig für eigene Rechnung ganze Ladungen von Kolonial-Waren und so genanntem holländischem oder Vent-Gut: Fische, Käse und Spirituosen herauf.

Unterhalb des Trankgassen-Tores, auch eine riesige Burgveste, liegen die ruhr'schen Kohlennachen, bilden die Schiffszieher und die Kohlenträger der Werfte stehende Staffage. Unter denselben führt eine, in ganz Köln bekannte Persönlichkeit, der „Schüllers Kobes", ein allgefürchteter Raufbold und Schmuggler, das Regiment, nach welchem neben ihm ein Esser mit der gespaltenen Wange und ein Denz geizen, die Volkstribunen der „Rheinroller", Rhingrolle, wie man den Rheinarbeiter bezeichnet. Ein Ehrgeiz, der nicht selten zu blutigen Köpfen, zerschnittenen Gesichtern und ähnlichen Verletzungen, und dann ins Arresthaus führt; denn, nach der Sitte der holländischen und ruhr'schen Schiffsknechte, regiert hier das in der Seitentasche der Hosen getragene Messer, auch wohl der zwischen die Finger geklemmte scharfe Stüber, mit dem geschnitten wird. Esser starb durch das Messer seines Neffen. Die uralte Überlieferung, selbst der von dem gewöhnlichen kölnischen Dialekte unterschiedene barsche Sprachton und ein gesunder, kerniger, wenn auch derber Mutterwitz, hat sich in dieser Klasse erhalten. Einen durchaus originellen Typus, selbst in der Gesichtsbildung, verrät die Rasse, wenn sie eben nicht schön ist.

Das hier betriebene Kohlengeschäft war früher Monopol in den Händen von vier Familien. Überfüllt konnte der Markt nicht werden; denn sie schafften so viel Brandgerieß und Kohlen von der Ruhr herauf, als eben der Bedarf erheischte, und bestimmten die Preise. Das neue Regiment hat mit Einem Schlage allen Monopolen ein Ende gemacht, aber noch lange blieb man bei der alten Gewohnheit. Der urherkömmliche Schlendrian übte in Köln noch lange in vielen Dingen einen magischen Zauber.

Nach dem Türmchen wird das Ufer mit jedem Schritte öder und trauriger. Drohend erhebt sich hier zum Schluss der Stadt der Unterbau des Ryle oder Kunibertsturmes mit seinen malerischen Umbauten, und dem Vorsprung oder Grundbau der alten „Ark", deren niedergerissener Turm von der blutigen Sage als die „Weckschnapp" bezeichnet wird, wo, nach ihren Erzählungen, so manches Opfer der heimlichen Gerichte sein Ende im Rheine fand, wenn der Unglückliche, durch Hunger gezwungen, nach einem an der Decke seines Kerkers hängenden Laib Brot sprang, und dann spurlos in die Tiefe versank. Besonders gegen ungeratene Söhne der vornehmen Familien wurde, wie die Sage wissen wollte, diese furchtbare Strafe angewandt, und nur ein Junker, der bei seinem leichtfertigen, ausschweifenden Leben die Andacht zur Mutter Gottes treu beibehalten, wird gerettet, fällt durch die Messer, mit denen die Sage den, in die Tiefe des hier sich im Wirbel kreisenden Stromes führenden Turm ausstattet, ohne sich zu verletzen, und rettet sich durch Schwimmen. Als Richtstätte des heimlichen Gerichtes bezeichnet die Sage auch den Klapperhof. Ein ähnlicher Strafort für die Söhne der Patrizier war der Junker-Kirchhof am Elend 10), eine Richtstätte, wo, der Sage nach, die ausgearteten Junker bei nächtlicher Weile hingerichtet wurden. Noch wühlte dort in den Quatertemper-Nächten ein großer, schwarzer, zottiger Hund mit glühenden Augen die Gräber auf. Orte der Schauer und des Grausens für die Jugend und manchen alten ehrsamen Bürger, deren Glauben, trotz aller französischen Philosophie und Freigeisterei, noch ein rein kindlicher; hatten die Franzosen auch schon angefangen, unter den Gespenstern und Spukereien weidlich aufzuräumen. Da der Turm der Art verschwunden, deutete man auch das zinnenbekrönte zierliche Türmchen auf der Bastion als die„Weckschnapp".

Noch einmal wendest Du den Blick nach der Stadt, und fühlst Dich überrascht durch ihre monumentale Bauherrlichkeit, durch die malerischen Gruppierungen ihrer zahlreichen Türme: ein Charakter ihres Äußeren, welcher ihr den Namen „die Turmreiche" gab, und sie vor allen Städten des deutschen Vaterlandes am Schlusse des Mittelalters auszeichnete. Ruft doch Aeneas Silvius Piccolomini, Friedrichs III. Geheimschreiber, Papst unter dem Namen Pius II. (1458—1464), mit staunender Bewunderung aus: „Wo findest Du in ganz Europa eine prachtvollere Stadt, als das von Neros Mutter, Agrippina erbaute und durch die heiligen drei Könige verschönerte Köln, mit seinen glänzenden Kirchen, Rathäusern, Türmen und mit Blei gedeckten Häusern, seinen reichen Einwohnern, seinem schönen Strome und seinen fruchtbaren Gefilden!" Man erbaue sich an den Abbildungen der Stadt, die uns am Anfang des 16. Jahrhunderts Antonius von Worms von Köln und später Hollar geliefert hat 11).

Sind auch mit dem Jahre 1802 sämtliche geistliche Korporationen aufgelöst, ihre Stifte, Kirchen und Klöster dem Staate zugefallen, so trägt doch die Stadt noch in ihrer Ansicht die malerische, ernst imposante Majestät ihres mittelalterlichen Charakters. Noch hat die Nivellierungswut erst begonnen, die Domainen-Verkäufe sind noch nicht recht im Zuge, denn viele Bürger trauten lange nicht dem Zustande der Dinge, oder kauften kein geistliches Gut aus Pietät, aus Gewissensskrupel, während die Wenigen, die kauften, um Spottpreise — Meierhöfe, die jetzt für 150.000 Thaler nicht feil, vielleicht für 18- bis 20.000 Franken, kaufte doch der Kaufmann Laurenz Fürth die Jesuiten-Kirche mit ihrer Ausstattung für 5- oder 6.000 Franken, um dieselbe der Stadt als Pfarrkirche zu schenken — und legten so den Grund zu ihrem Reichtum, wurden die Matadoren der Stadt.

Vom majestätischen Bayenturm bis zum Rylenturm war der weite Bering der Stadt, mit seinen Torvesten, seinen Halbtürmen der Ringmauer gefestigt, von 241 Türmen und Türmchen überragt, von denen 203 der Kirchen himmelanstrebende Zierde, 34 die Patrizier-Wohnungen, die Höfe der auswärtigen Stifte und die Edelsitze schmückten 12). Welch' einen gewaltigen Eindruck muss es gemacht haben, verkündeten die Hunderte von Glocken in feierlich ernster Harmonie der Stadt und Umgegend einen Festtag?

Ausgedehnte Weinberg-Anlagen nehmen noch teilweise am Nordende die ganze Strecke bis zur Eigelsteinpforte ein, sind aber schon abgesteckt und ausgegraben zum Baue des Sicherheitshafens 13). Unterhalb des späteren Hafens sehen wir ein paar Häuser am Ufer, einen wahren Prachtbau für uns, das jetzige „Mumm'sche Gut" mit seinem weiten Garten eine Weinschenke, ein Sonntags-Vergnügungsort für die Bürger, die einen Spaziergang nach der „Münz" machten.