Köln am Rhein vor fünfzig Jahren - Das Äußere der Stadt
Sittenbilder nebst historischen Andeutungen und sprachlichen Erklärungen
Autor: Weyden, Ernst (1805-1869) Kölner Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Die Tore oder Burgen der Landseite — Mauern und Stadtgraben — Spielplätze — Bayenturm — Huppet-Huhhot — das Wertchen — Rheinhalsen — Leistapel — Schürger — Hexemächer — Krahnen — Fliegende Brücke — Markmannsgasse — Schmuggler — Freihafen — Stapel — Speditionshandel — Handelsfirmen — Holländische Beurtschiffer — Frankenturm — Rhingroller — Kohlenhandel — Weckschnapp — Junkere Kirchhof — Köln, das turmreiche — Domainen-Verkäufe — Münz — Mumms'-Gut.
Inhaltsverzeichnis
Von welcher Seite wir uns der Stadt nähern, Schmutz und Kot, altherkömmliche Unwegsamkeit der Wege nicht scheuend, ihren fast zwei Stunden weiten Bering umwandern: ernst, Achtung gebietend ist ihr Anblick. Von ihrer einstigen Macht, von der hohen Bedeutung ihrer Vergangenheit unter Deutschlands Großstädten geben Kunde die stattlichen, Burgvesten ähnlichen Turmwarten, nicht umsonst „Burgen" genannt, welche die Haupttore der ganzen Landseite und einige Tore der Rheinseite schützen; dieses Ansehen bekundet die weite und mächtige Ringmauer, mit ihren seit 1497 überdachten Wehrgängen, zwischen den Toren von vierundsechzig Halbtürmen oder Wichhäusern überragt, seit der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts von sechsundzwanzig festen Bastionen oder Bollwerken geschirmt.
Und welchen romantisch malerischen Charakter hat die Zeit, die unvergleichlichste Bildnerin und Malerin, der ganzen Außenseite der Stadt verliehen! Seit Jahrhunderten haben ihre Gehilfen, Sturm und Wetter, Frost und Regen, von Menschenhand durchaus nicht gestört, an den Außenwerken gemeinschaftlich mit ihr gewirtschaftet, an Mauerwerk und Türmen gebildnert, Zinnen und Schießscharten phantastisch umgemodelt, und dem Ganzen eine Färbung gegeben, welche in dem mannigfaltigen Reichtum ihrer Töne und Übergänge nicht zu schildern ist. Die meisten der Wichhäuser erinnern sich nicht mehr der Turmkappen, die sie einst schützten, streckenweise hat der Wehrgang auch seine Bedachung eingebüßt. Statt der drohenden Stadtbüchsen*) drängen sich Schlingpflanzen und Strauchwerk aus den Schießscharten der Bastionen und Rondelle, deren Zinnen die Zeit in fröhlich grünende Gärten umgeschaffen hat, in welchen weißer und spanischer Hollunder, wilde Kirschen- und Apfelbäume lustig grünen und blühen. Der üppigste Efeu hat seinen, wer weiß, wie viele Geschlechter alten Mantel um die meisten der Türme geworfen, mit seinem frischen Saftgrün die grauen Mauern bis über ihre zerbröckelten Zinnen im reichsten Sommerschmuck ausgeschlagen, den gelbgrauen Lokalton des Mauerwerks in eigentümlichster Weise hebend. Waldfrisch lugen um den weiten Kranz der Landseite die laubmächtigen Kronen der kräftigsten Ulmen neugierig über die Mauerzinnen in die Stadt, und über ihnen sausen die Flügel der Windmühlen, die auf ehemaligen Tortürmen des Mauerringes erbaut sind. Massenhaft wuchert Unkraut, grünt Baum- und Strauchwerk in dem eigentlichen Stadtgraben, dem so genannten „tiefen Graben". In früheren Jahrhunderten des ehrsamen Rates Wildbahn**), jetzt für die Knaben ein Ort der Sehnsucht, denn mit Lebensgefahr, die bröckelnden Basaltmauern hinabkletternd, holten wir uns dort das Hollunderholz zu den oft Neid erregenden „Knabbüssen" oder Knallbücksen, deren Munition gewöhnlich die gekauten Schulschreibhefte und auch wohl die Schulbücher selbst. Zwischen dem Haupt- und dem Vorgraben laden schattenreiche Baumreihen uns zum Lustwandeln auf den nicht gesperrten Wallgräben, der Bürger Sonntags-Spaziergänge, welche die Stadt dem Bürgermeister Balthasar von Mülheim († 1775) verdankte. Konnte es für das Kind eine fröhlichere Botschaft geben, als: „Do jeiss met op der Pôze-Graven"?
Horch! Lauter Jugendjubel schallt aus den Außengräben. Die muntere Knabenwelt tummelt sich hier an ihren Spieltagen herum. Das Jubelgeschrei wird zum Kriegsruf. Heiß entbrannt ist der Kampf. Wahrscheinlich hat sich eine Schule auf das Grabengebiet der anderen gewagt; denn die Knaben jeder Schule, jedes Stadtviertels haben ihre bestimmten Gräben, deren Besitz sie männlich zu behaupten wissen, um welchen mitunter die hartnäckigsten Schlachten geliefert und die Kämpfer nicht selten mit blutigen Köpfen heimgeschickt werden. Razzias aus den Gräben nach den nahliegenden Rüben- und Möhrenfeldern wurden auch wohl zuweilen von Einzelnen unternommen, die es auf eine Tracht Prügel von der eben nicht sanften Hand eines Kappesbauern hin wagten.
Wie majestätisch bauen sich die riesigen Torwarten mit ihren weiten, den Hauptgraben durchschneidenden festen Zwingern und Brücken! Basalt, Tuffsteine, Trachyt-Werksteine und Ziegel, das Material, aus denen sie gebaut, mit welchem sie ausgestickt sind, haben die Zeit wesentlich in ihrer Staffierung unterstützt, den Burgvesten, deren Torwärter in vorfranzösischer Zeit auch „Burggräven" hießen, in ihrer Färbung eine unbeschreiblich malerische Wirkung verliehen. Jede Torburg ein Bild. Auf jedem Tore hing ein riesiges Hängeschloss, dessen Schlüssel der Burggraf bewahrte. Die Rentmeister der Stadt, welche in vorfranzösischer Zeit die Aufsicht über die Tore und Türme führten, mussten alle vierzehn Tage oder höchstens alle Monate in eigener Person die Klauster oder Vorhangschlösser der Tore wechseln.
Längs der verwahrlosten Schlehdorn-Hecke, welche den sein sollenden Weg um den Vorgraben vom Felde scheidet, gelangen wir zu dem mächtigen Zwingerbaue des Bayenturmes, einem düstern Gewölbe, das sich an die Nordseite der stattlichen Bastion, die 1603 begonnen und 1650 ganz vollendet war, schließt.
Und welchen romantisch malerischen Charakter hat die Zeit, die unvergleichlichste Bildnerin und Malerin, der ganzen Außenseite der Stadt verliehen! Seit Jahrhunderten haben ihre Gehilfen, Sturm und Wetter, Frost und Regen, von Menschenhand durchaus nicht gestört, an den Außenwerken gemeinschaftlich mit ihr gewirtschaftet, an Mauerwerk und Türmen gebildnert, Zinnen und Schießscharten phantastisch umgemodelt, und dem Ganzen eine Färbung gegeben, welche in dem mannigfaltigen Reichtum ihrer Töne und Übergänge nicht zu schildern ist. Die meisten der Wichhäuser erinnern sich nicht mehr der Turmkappen, die sie einst schützten, streckenweise hat der Wehrgang auch seine Bedachung eingebüßt. Statt der drohenden Stadtbüchsen*) drängen sich Schlingpflanzen und Strauchwerk aus den Schießscharten der Bastionen und Rondelle, deren Zinnen die Zeit in fröhlich grünende Gärten umgeschaffen hat, in welchen weißer und spanischer Hollunder, wilde Kirschen- und Apfelbäume lustig grünen und blühen. Der üppigste Efeu hat seinen, wer weiß, wie viele Geschlechter alten Mantel um die meisten der Türme geworfen, mit seinem frischen Saftgrün die grauen Mauern bis über ihre zerbröckelten Zinnen im reichsten Sommerschmuck ausgeschlagen, den gelbgrauen Lokalton des Mauerwerks in eigentümlichster Weise hebend. Waldfrisch lugen um den weiten Kranz der Landseite die laubmächtigen Kronen der kräftigsten Ulmen neugierig über die Mauerzinnen in die Stadt, und über ihnen sausen die Flügel der Windmühlen, die auf ehemaligen Tortürmen des Mauerringes erbaut sind. Massenhaft wuchert Unkraut, grünt Baum- und Strauchwerk in dem eigentlichen Stadtgraben, dem so genannten „tiefen Graben". In früheren Jahrhunderten des ehrsamen Rates Wildbahn**), jetzt für die Knaben ein Ort der Sehnsucht, denn mit Lebensgefahr, die bröckelnden Basaltmauern hinabkletternd, holten wir uns dort das Hollunderholz zu den oft Neid erregenden „Knabbüssen" oder Knallbücksen, deren Munition gewöhnlich die gekauten Schulschreibhefte und auch wohl die Schulbücher selbst. Zwischen dem Haupt- und dem Vorgraben laden schattenreiche Baumreihen uns zum Lustwandeln auf den nicht gesperrten Wallgräben, der Bürger Sonntags-Spaziergänge, welche die Stadt dem Bürgermeister Balthasar von Mülheim († 1775) verdankte. Konnte es für das Kind eine fröhlichere Botschaft geben, als: „Do jeiss met op der Pôze-Graven"?
Horch! Lauter Jugendjubel schallt aus den Außengräben. Die muntere Knabenwelt tummelt sich hier an ihren Spieltagen herum. Das Jubelgeschrei wird zum Kriegsruf. Heiß entbrannt ist der Kampf. Wahrscheinlich hat sich eine Schule auf das Grabengebiet der anderen gewagt; denn die Knaben jeder Schule, jedes Stadtviertels haben ihre bestimmten Gräben, deren Besitz sie männlich zu behaupten wissen, um welchen mitunter die hartnäckigsten Schlachten geliefert und die Kämpfer nicht selten mit blutigen Köpfen heimgeschickt werden. Razzias aus den Gräben nach den nahliegenden Rüben- und Möhrenfeldern wurden auch wohl zuweilen von Einzelnen unternommen, die es auf eine Tracht Prügel von der eben nicht sanften Hand eines Kappesbauern hin wagten.
Wie majestätisch bauen sich die riesigen Torwarten mit ihren weiten, den Hauptgraben durchschneidenden festen Zwingern und Brücken! Basalt, Tuffsteine, Trachyt-Werksteine und Ziegel, das Material, aus denen sie gebaut, mit welchem sie ausgestickt sind, haben die Zeit wesentlich in ihrer Staffierung unterstützt, den Burgvesten, deren Torwärter in vorfranzösischer Zeit auch „Burggräven" hießen, in ihrer Färbung eine unbeschreiblich malerische Wirkung verliehen. Jede Torburg ein Bild. Auf jedem Tore hing ein riesiges Hängeschloss, dessen Schlüssel der Burggraf bewahrte. Die Rentmeister der Stadt, welche in vorfranzösischer Zeit die Aufsicht über die Tore und Türme führten, mussten alle vierzehn Tage oder höchstens alle Monate in eigener Person die Klauster oder Vorhangschlösser der Tore wechseln.
Längs der verwahrlosten Schlehdorn-Hecke, welche den sein sollenden Weg um den Vorgraben vom Felde scheidet, gelangen wir zu dem mächtigen Zwingerbaue des Bayenturmes, einem düstern Gewölbe, das sich an die Nordseite der stattlichen Bastion, die 1603 begonnen und 1650 ganz vollendet war, schließt.
000 Köln
001 Der alte Dom. (Aus einer Miniatur des 11. Jahrhunderts)
002 Ansicht des Domes vor dem Ausbau zu Anfang des 19. Jahrhunderts
003 Ansicht des Domes von Osten
004 Aus dem Strebewerk des Domes
005 Blick auf die Westfassade des Doms
Köln. Basilika S. Gereon
Köln. Blick von Deutz auf die Hängebrücke und das Stadtbild
Köln. Dom, St. Matin und Stapelhaus
Köln. Groß S. Martin, Dom, Stapelhaus
Köln. Stadtansicht 1499
Köln. Dom im Stadtbild 1632