Köln am Rhein vor fünfzig Jahren

Sittenbilder nebst historischen Andeutungen und sprachlichen Erklärungen
Autor: Weyden, Ernst (1805-1869) Kölner Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Köln am Rhein, Sittenbild, Stadtbeschreibung, Land und Leute, Lebensweise, Feste und Vergnügungen, Reisen, Juden, Judentum, jüdische Geschichte
Die mehr als freundliche Aufnahme, welche meine Skizzen: „Köln vor fünfzig Jahren" als Feuilleton der Kölnischen Zeitung in Köln selbst und anderwärts gefunden haben, war die nächste Veranlassung, die mich bewog, den von vielen Seiten an mich ergangenen Aufforderungen nachzukommen, diese Skizzen weiter auszuführen. So sind aus den Skizzen Sittenbilder entstanden, in welchen ich es versucht habe, Köln am Rhein nach der Natur zu schildern, wie es vor fünfzig Jahren in den Hauptbeziehungen seines äußeren und inneren Wesens und Treibens, aller seiner sozialen Verhältnisse in die Erscheinung trat.



Notwendig musste ich mich bei diesen Bildern auf Umrisse beschränken, durfte nicht zu sehr ausmalen, nicht zu weit in die Details gehen und durchaus nicht künstlerisch ausschmücken, musste vor Allem der Wahrheit treu bleiben. Und treu bin ich der Wahrheit geblieben, mag auch Manchem, der zwischen dem jetzigen Köln und dem geschilderten eine Parallele zieht, vielleicht das Eine oder dass Andere übertrieben erscheinen. Ich darf aber die Versicherung geben, dass ich, als geborener Kölner, nach bestem Wissen und Können versucht habe, ein möglichst lebenstreues Bild meiner Vaterstadt und ihres Bürgerlebens vor fünfzig Jahren zu entwerfen. In wie weit mir dies gelungen, das zu beurteilen, überlasse ich Anderen.

Meinen Zweck habe ich vollkommen erreicht, findet der Stammkölner in meinen Sittenbildern ein treues Gemälde seiner Vaterstadt, wie er sie vor fünfzig Jahren gekannt, frischen dieselben seine Erinnerungen auf, und rufen sie den Nichtkölnern ähnliche Zustände der Städte ihrer Heimat in die Erinnerung, da wir in den meisten Städten Deutschlands vor fünfzig Jahren in ähnlichen Ursachen ähnliche Wirkungen finden, wie ich dieselben aus Köln zu schildern versucht habe.

Bei meinen geschichtlichen Andeutungen, die sicher nicht unwillkommen sein werden, habe ich einen mehr allgemeinen Leserkreis vor Augen gehabt, weshalb dieselben, fußen sie auch auf Quellen-Studium, keineswegs Ansprüche machen, für streng wissenschaftliche Abhandlungen gelten zu wollen. Man nehme dieselben für das, was sie sind, für allgemein gehaltene Andeutungen, namentlich zur Geschichte der Protestanten und Israeliten in Köln, welche Aufschlüsse geben sollen über zwei in der inneren Geschichte der Stadt so höchst wichtige Momente.

In meinen sprachlichen Erklärungen habe ich ebenfalls weniger den eigentlichen Sprachforscher, als einen allgemeineren Leserkreis berücksichtigt, dem sie das Verständnis des kölnischen Dialektes erleichtern sollen.
Ein kölnisches Sprichwort sagt:

„Wae jitt, watt hae hatte, es waeth, datt hae lèv!"

Köln, im Mai 1860


                                Inhalt

Vorwort
Einleitung
I. Das Äußere der Stadt
II. Das Innere der Stadt
III. Straßen-Leben
IV. Das Innere der Häuser
V. Kinder-Zeit
VI. Kinder-Spiele
VII. Kleidung
VIII. Lebens-Weise
IX. Feste
X. Vergnügen. — Reisen
XI. Wissenschaft und Kunst
XII. Wallrafs-Platz
Historische Andeutungen und sprachliche Erklärungen


Köln ist nicht mehr Köln! — Jeder geborene Kölner wird sich dieser Redensart als einer stehenden Lieblings-Phrase in dem Munde seiner Großeltern, oder gar seiner Eltern erinnern. Ja, Köln ist nicht mehr Köln, wie es noch der Anfang dieses Jahrhunderts gesehen, wie es noch vor fünfzig Jahren war, ein düsteres, trauriges Denkmal seiner bedeutungsvollen, großen Vergangenheit, deren Monumente in ihrem Verfalle vielberedte Leichensteine. Der lebensfrische Hauch einer neuen Zeit hat den Grabesmoder verweht. Die Stadt hat in ihren Chroniken den Beginn einer neuen Ära verzeichnet; eine neue vielverheißende Lebensperiode hat ihr begonnen.

In ihrer ganzen äußeren Erscheinung, in allen ihren kommerziellen und industriellen, und daher in allen ihren sozialen Verhältnissen ist die Stadt eine völlig andere geworden. Die Umgestaltung ist aber eine so gewaltig große, eine in allen ihren Elementen so völlige und durchgreifende, dass man kaum begreifen kann, wie dieselbe das Werk von noch nicht fünfzig Jahren.

Bedingt in den Zeitverhältnissen, steht die Zukunft der Stadt Köln fest. Sind jene keiner Umwälzung unterworfen, braucht man eben kein Weissager zu sein, um der Stadt die glänzendste Zukunft vorherzusagen, ein stätiges, noch rascheres und fruchtbareres Entfalten, als das der Glanzepochen, deren sich ihre Geschichte rühmt. Köln lebt in der Übergangs-Periode, unter Deutschlands Städten wieder eine der ersten Großstädte zu werden. Dass Köln eine Großstadt wird, werden muss, bedeutender, als es in seiner mittelalterlichen Blütezeit gewesen, ist unter den bestehenden Verhältnissen eine Notwendigkeit. Hoffen wir, voll treuer Zuversicht, dass dieselbe möglichst unerschütterlich, denn Köln kann bei jeder denkbar politischen Umwälzung nur verlieren.

Wir freuen uns einer lebenstätigen, hoffnungsreichen Gegenwart, genießen in der Erwartung einer noch reicheren Zukunft die Früchte des Werdens, und mitwirkend in der allgemeinen Umgestaltung der Dinge und Verhältnisse, haben wir selbst nicht wahrgenommen, mit welchen Riesenschritten sich dieselben um uns her neu gestaltet haben.

Vielleicht, mein geneigter Leser — wenn ich Dich so nennen darf —, ist Deine Phantasie aber noch im Stande, sich ein lebendiges Bild der Stadt Köln zu entwerfen, wie dieselbe vor etwa fünfzig Jahren in ihrem Äußeren und Inneren, im Wesen und Treiben ihrer Einwohner in die Erscheinung trat.

Ist dies nicht der Fall, reicht Deine Erinnerung nicht so weit, so findest Du doch wohl Gefallen, mit mir einen Rundgang um und durch das damalige Köln zu machen, mitunter einen verstohlenen Blick in das innere Familienleben seiner damaligen Bürger zu tun, sie in ihren traulichen Kreisen, in ihren Freuden und Leiden zu belauschen, Dich mit mir um etwa ein halbes Jahrhundert in die Übergangs-Periode aus der guten alten Zeit, wie unsere Großeltern die Tage ihrer Jugend nannten, zurückzuversetzen.

Weyden, Ernst (1805-1869) Kölner Schriftsteller

Weyden, Ernst (1805-1869) Kölner Schriftsteller

001 Der alte Dom. (Aus einer Miniatur des 11. Jahrhunderts)

001 Der alte Dom. (Aus einer Miniatur des 11. Jahrhunderts)

002 Ansicht des Domes vor dem Ausbau zu Anfang des 19. Jahrhunderts

002 Ansicht des Domes vor dem Ausbau zu Anfang des 19. Jahrhunderts

003 Ansicht des Domes von Osten

003 Ansicht des Domes von Osten

004 Aus dem Strebewerk des Domes

004 Aus dem Strebewerk des Domes

005 Blick auf die Westfassade des Doms

005 Blick auf die Westfassade des Doms

005 Köln. Romanisches Stadtsiegel von Köln. Nachweisbar 1149-1269

005 Köln. Romanisches Stadtsiegel von Köln. Nachweisbar 1149-1269

006 Dom-Inneres. Chorpartie

006 Dom-Inneres. Chorpartie

007 Ansicht der Chorpartie des Domes

007 Ansicht der Chorpartie des Domes

007 Köln. Gotisches Stadtsiegel von Köln, 1271-1794

007 Köln. Gotisches Stadtsiegel von Köln, 1271-1794

008 Figuren vom Grabmal Engelberts III. im Dom

008 Figuren vom Grabmal Engelberts III. im Dom

Köln. Alter Markt mit Rathaus

Köln. Alter Markt mit Rathaus

Köln. Basilika S. Gereon

Köln. Basilika S. Gereon

Köln. Blick von Deutz auf die Hängebrücke und das Stadtbild

Köln. Blick von Deutz auf die Hängebrücke und das Stadtbild

Köln. Dom, St. Matin und Stapelhaus

Köln. Dom, St. Matin und Stapelhaus

Köln. Großer Gürzenich-Saal

Köln. Großer Gürzenich-Saal

Köln. Gürzenich (2)

Köln. Gürzenich (2)