Klopstocks dänischer Mäzen und seine Pensionsbeflissenheit

Seitdem die Beziehungen Deutschlands zu Dänemark so unfreundliche geworden sind und die große Streitfrage, die zwischen uns und unsern nordischen Vettern noch ungelöst klafft, wohl kaum anders als durch die Spitze des Schwertes entschieden werden dürfte, möchten Kopenhagens gelehrte und publizistische Kreise noch mehr wie früher geneigt sein, uns vorzuhalten, was man bei ihnen für Klopstock getan und wie die Gunst ihres Königs es einzig ermöglicht habe, dass der Sänger der Messiade ohne herznagende Sorge an seinem erhabenen Werke arbeiten konnte. Ehre, dem Ehre gebührt! Wir fühlen uns dem edlen Friedrich V., der Klopstock in seine Nähe rief, aufs Tiefste verpflichtet, und die Ungerechtigkeit Dänemarks gegen unsere nord-albingischen Brüder trübt keinen Augenblick die Objektivität unsers Urteils, dass wir nicht gern bekennen sollten, wie dieses kleine Land zur Beschämung so vieler großen Reiche für die Leuchten der Kunst und Wissenschaft, insofern sie aus seinem Schoße hervorgingen, seit lange auf eine nachahmungswürdige Weise gesorgt hat. Auch um Klopstock — räumen wir es dankbar ein — hat Dänemark sich große Verdienste erworben. Wenn Feodor Wehl in seinem sehr zu schätzenden Buche: „Hamburgs Literaturleben im achtzehnten Jahrhundert“ bei Gelegenheit Klopstocks Erwähnung tut, Rechner hätten sich ausspintisiert, dass Dänemark sich den Messias über 21.000 Reichsthaler habe kosten lassen, so kommt uns bei unserm sehr schwachen Rechnungsvermögen keineswegs die Verwegenheit in den Sinn, das richtige Zahlenverhältnis dieser Summe prüfen zu wollen, sondern wir erkennen diese Liberalität dankbarst an und lassen uns, auf ein Manövrieren mit den vier Spezies, diesen für uns sehr ungehorsamen Soldaten, durchaus nicht ein. Wir sprechen nur den frommen Wunsch aus, Deutschland möchte ein Einsehen haben und sich zur Nachahmung angetrieben fühlen. Diese Liberalität dänischer Könige gegen einen fremdländischen Dichter ist um so verdienstlicher, da die Gleichgültigkeit Friedrichs des Großen gegen deutsche Literatur ihr parallel lief. Bestand doch Friedrichs ganzes Mäzenat in Bezug auf die poetischen Verdienste seines Volkes darin, dass er, wie Heine voll Spott bemerkt, dem kranken Gellert einen lendenlahmen Schimmel zum Spazierreiten schenkte (das Geschenk dieses Schimmels wird übrigens noch angezweifelt und ist wahrscheinlich eine pikante Erfindung Heines), und dass er der dem Hungertode nahen Dichterin Karschin als Antwort auf einen überaus jämmerlichen Brief zwei Thaler zuzustellen befahl. Die beleidigte Dichterin schickte diese zwei Thaler allerdings mit Protest und mit sehr scharfen Versen zurück, was Friedrich der Große Humor genug hatte, nicht übel zunehmen. Klopstock hätte nun — verhehlen wir es uns nicht — bei keinem deutschen Herrscher eine so zarte und ausgiebige Unterstützung gefunden, wie ihm von Seiten dänischer Könige zu Teil ward. Geben wir dies also ganz uneingeschränkt zu, so müssen wir doch deutschen Männern das Verdienst wahren, den dänischen Herrscher auf Klopstock aufmerksam gemacht und ihn zur Unterstützung aufgefordert zu haben. Das Verdienst des Hinweisens auf Klopstock gebührt nun dem edlen Grafen von Bernstorff. Klüpfel, der Kabinettsprediger des Herzogs von Gotha, der mit Bernstorff häufiger in Paris zusammenkam, wo Letzterer damals dänischer Gesandter war, hatte ihn, entzückt von den Schönheiten der Messiade, auf das neu aufsteigende Gestirn eines großen vaterländischen Dichters aufmerksam gemacht. Bernstorff ließ sich nun die ersten Gesänge der Messiade geben und teilte ganz die Eindrücke des begeisterten Predigers. Erfüllt von dem Schönen und Hohen, das so reichlich in den ersten Gesängen der Messiade enthalten ist, kam Bernstorff in Kopenhagen an und teilte seine Eindrücke dem Oberhofmarschall von Moltke mit, der Friedrichs V. allmächtiger Günstling war. Durch Moltke nun ließ sich der dänische König leicht bereden, Klopstock nach seiner Hauptstadt einzuladen und ihm ein Jahresgehalt auszusetzen. Natürlich folgte Klopstock einer so freundlichen Einladung aufs Bereitwilligste. Hatte er doch schon lange eine Pension ersehnt. Denn bis zu der, ihm so unerwartet kommenden dänischen Einladung hatte Klopstock sich keineswegs dem Treiben des Zufalls überlassen, sondern sich schon vor seiner Reise nach der Schweiz sehr ernstlich mit seiner Zukunft beschäftigt und sich aufs Angestrengteste bemüht, eine Lebensstellung zu finden, die ihn dem gemeinen und den Geist ermattenden Kampfe um die tägliche Existenz überhebe. Gleich in seinem ersten Briefe an Bodmer sucht Klopstock den damals in großem Ansehen stehenden schweizerischen Dichter zu bestimmen, dass er ihm eine Pension beim Prinzen von Oranien erwirke. Er gibt ihm den Weg an, wie man zweifelsohne zum Ziele gelangen müsse. Der Herr van Haaren nämlich, ein geschätzter holländischer Dichter, war kurz zuvor in der Schweiz und, wie Klopstock vermutete, sicher bei dem Patriarchen der Literatur, Bodmer, zum Besuche gewesen. Da nun Herr van Haaren in großer Gunst beim Prinzen von Oranien stehen und Letzterer sehr freigebig und dichterische Bestrebungen gern begünstigen sollte, so würde ein Jahresgehalt, meinte Klopstock, sehr leicht zu erwirken sein. „Wie, wenn der mir eine jährliche Pension aussetzte?“ schreibt unser, bei aller lyrischen Begeisterung und himmlischen Verzückung das Irdische keineswegs aus den Augen lassende Dichter. „Wenn Sie mir hierin etwas helfen könnten, bester Bodmer, so tun Sie es doch; aber ich möchte durchaus nicht, dass bei der Bitte mein Name gebraucht würde.“

Da es sich mit dem Prinzen von Oranien nicht machte, so richtete Klopstock nach kurzem Schwanken sein Auge auf einen andern Fürsten, und zwar auf den Prinzen von Wales. Klopstock hatte die Absicht, dem englischen Thronfolger seinen Messias mit einem Privatschreiben zugehen zu lassen. Doch spricht er in einem Brief an Bodmer klar aus, dass es ihm lieb sein würde, wenn der Schweizer Dichter diese Übersendung vermitteln wolle. „Ein vielleicht zu eigensinniger Widerwille wider die Zuschriften ist Ursache“, bemerkt er, „dass ich Ihnen noch zu überlegen gebe, ob es nicht besser sei, dem Prinzen von Wallis mit einem Privatschreiben den Messias zuzuschicken; und vielleicht wird Dies auch ein Fremder auf eine bequemere und mehr fruchtende Art tun können, als der Verfasser. Eröffnen Sie mir hierüber Ihre Gedanken so frei, wie ich Ihnen die meinigen schreibe, und melden Sie mir, ob Sie vielleicht das Letzte übernehmen wollten?“


In einem späteren Briefe teilt er Bodmer mit:

„Ich habe mich beinah' entschlossen (wiewohl mir dieser Entschluss sehr schwer angegangen ist), mein Gedicht dem Prinzen von Wallis zu dedizieren.“

Klopstock erwarb sich später in Hannover an dem Leibmedikus Werlhof einen großen Verehrer und aufrichtigen Freund, der gern bereit war, ihm mit allen Kräften beizustehen, um ihm eine Pension vom Prinzen von Wales zu verschaffen. Nach seinem Plane sollte Klopstock dem englischen Thronfolger seinen Messias dedizieren. Die Überreichung des Werkes wollte ein Herr von Schrader übernehmen, der, wie Klopstock schreibt, „die tempora fandi“ beim Prinzen kannte.

Doch auch dieser Plan scheiterte. Weder dem Prinzen von Oranien, noch dem Prinzen von Wales war die Ehre beschieden, gleichsam geistige Patenstelle bei der Messiade zu übernehmen.

Klopstock hatte sich übrigens nicht gänzlich allein auf fürstliche Protektion verlassen, sondern unterdessen sich auch nach andern Hilfsquellen umgesehen. Da man, wie er an Bodmer schreibt, ihm von fern zu verstehen gegeben hatte, dass man es nicht ungern sähe, wenn er zu Ostern seine Hofmeisterstelle aufgeben würde (er unterrichtete damals in Langensalza den Sohn eines Kaufmanns Weiß und schrieb diese Zeilen im Dezember 1748), so war er natürlich bemüht, sich eine neue, ihm zusagende Lebensstellung zu verschaffen. Er wünschte nun, da er durch einen Buchführer in Langensalza erfahren hatte, dass man von Erlangen aus im Namen der Akademie nach ihm Erkundigungen eingezogen, dort eine außerordentliche Professur irgend einer der schönen Wissenschaften, am liebsten der Beredsamkeit oder der Poesie, zu finden, die aber mit einem festen Gehalt verbunden sein müsse. Man sieht, dass ein festes Gehalt, mithin ein Geschütztsein gegen die Sorge um den täglichen Unterhalt, damals die Achse war, um welche sich für Klopstock alles drehte.

Wenn übrigens Klopstock stets den richtigen Gedanken hatte, dass die Gunst eines Fürsten ihn am Besten vor den kleinlichen Sorgen des Lebens bewahren könne, so unterließ er, wie wir schon erst bemerkten, doch deshalb nie, sich noch auf andere Weise nach einem gesicherten Auskommen umzusehen. Er war deshalb mit Haller in einen Briefwechsel getreten, um ihn zu ersuchen, falls seine Pläne in Betreff des Prinzen von Wales scheitern sollten, sich in anderer Beziehung für ihn Mühe zu geben. Sein Wunsch ging dahin, falls ihm das prinzliche Mäcenat versagt bliebe, an einer Schule eine feste Anstellung zu finden. Wie er in seinem Schreiben bemerkt, wiesen ihn seine Fähigkeiten mehr dahin, einer Schule, als einer Gemeinde, vorzustehen, da die Natur ihm die Stimme eines Redners versagt habe. Haller hatte ihm in seiner Antwort geraten, sich an Geßner zu wenden, der bei dem vielgeltenden Werlhof (dass Klopstock sich der günstigen Stimmung dieses Mannes später zu erfreuen hatte, sagten wir bereits oben) großen Einfluss habe.

Indes ließ Klopstock, wenn er sich auch im Notfall mit einem Posten an einer Schule begnügt hätte, den Prinzen von Wales deshalb keineswegs ganz aus dem Auge. Er meint in einem Briefe an Bodmer, dass, wenn sein Messias den Herren Glover und Mallet, die bei dem Prinzen viel vermöchten, bekannt würde, dies sein Glück machen könne. Doch wie es des Mannesalters unerbittliches Los ist, dass eine süße jugendliche Hoffnung nach der andern ihm schwindet, und in Folge dieser steten Enttäuschungen eine christliche Seele sich zur sanften Resignation neigt, während ein skeptisches, glaubensloses Gemüt zum Zorn gegen die Ungerechtigkeiten des Geschicks aufgestachelt wird, so blieb es auch Klopstock nicht erspart, einen Plan nach dem andern, über den er in einsamen Stunden mit Liebe gebrütet hatte, durch die Kaltherzigkeit selbstischer Mitmenschen scheitern zu sehen. Aber, da er einen milden christlichen Sinn hatte, so grollte und zürnte er deshalb nicht, sondern sein Herz zuckte nur zuweilen krampfhaft zusammen, wie es den armen Menschenkindern stets geschieht, wenn sie, Neulinge im Erdenleide, in der harten Schule des Lebens noch nicht gestählt wurden gegen die nie ermattenden Hiebe des Schicksals. Später, wenn jedes verrinnende Jahr dem Herzen eine neue Wunde geschlagen und der Mensch längst verlernt hat, das Glück als die Regel und das Unglück als eine Ausnahme zu betrachten, später zuckt das Herz nicht mehr krampfhaft zusammen, sondern bietet seine schon von so manchem Schwerthiebe des Missgeschicks zerrissene Oberfläche sanft und geduldig dar, ob körperliche Pein, Sorge um das tägliche Brot oder Bosheit des Nächsten die kaum verharschten Wunden weiter und breiter aufreißen wollen. Freilich ist diese Resignation nicht so leicht und im Beginn seiner irdischen Pilgerbahn betrachtet auch der Mensch mit dem sanftesten und christlichsten Gemüte jede ihm widerfahrene Kränkung und Enttäuschung als ein himmelschreiendes Unrecht. Deshalb konnte auch Klopstock die Laute des Unwillens nicht unterdrücken, als er seine Hoffnungen in Bezug auf den Prinzen von Wales in ein Nichts zerrinnen sah. In einem Briefe an Bodmer, wo er für die an ihn ergangene Einladung, nach der Schweiz zu kommen, seinen tiefgefühlten Dank abstattet, begegnen wir folgenden ironischen Äußerungen:

„Zu einer Zeit, da sich der Minister im Hannoverschen nachdenkend besinnt, ob es auch den Erblanden Ihrer großbritannischen Majestät wirklich zuträglich sei, wenn man mir eine anständige, nicht so arbeitsvolle Bedienung gäbe; da der Messias vielleicht in der Antichambre, wo doch Popens Bildnis steht, und wo Glover öfters durchgeht, liegen bleibt; da er vielleicht, weil er noch nicht schön gedruckt ist, von einer Prinzessin auf die Seite gelegt wird, deren Mutter doch ein Frauenzimmer allein deswegen glücklich machte, weil sie Miltons Tochter war: zu einer solchen Zeit sind Sie, mein teuerster Freund, so großmütig und laden mich nach Ihrer freien Schweiz ein!“

Dass Klopstocks Herz nach solchen Kränkungen und Enttäuschungen nicht bitter ward, dazu trug die ihm so freundlich angebotene dänische Pension wesentlich bei.

Über den jährlichen Betrag der dänischen Pension finden wir sehr abweichende Angaben. Schmidt, der Bruder Fannys und Klopstocks ältester Freund, schreibt über diese Pension an Gleim:

„Sie werden es unfehlbar schon wissen, dass Klopstock von dem Könige von Dänemark mit vierhundert Thaler Gehalt nach Kopenhagen berufen ist. Er hat dies dem Herrn von Bernstorff zu verdanken.“

Dagegen schreibt Klopstock in einem Briefe an Fanny:

„Der König gibt mir einen jährlichen Gehalt von hundert Thalern, den Messias zu vollenden.“

Da dieser Brief im Jahr 1750 geschrieben ist, wo Klopstocks Liebe zu Fanny noch in ihrer heftigsten Glut loderte, und ihm daran liegen musste, durch die Aussicht auf eine gesicherte Lebensstellung die Abneigung, mit ihm eine Ehe einzugehen, in dem spröden Mädchen zu besiegen, so darf man für gewiss annehmen, dass er die Summe, die ihm vom Könige von Dänemark alljährlich zugesagt worden, nicht zu gering werde angegeben haben. Übrigens scheint es doch, als ob die hundert Thaler ein Druckfehler seien, da Schmidt in einem zweiten Schreiben an Gleim wiederum von vierhundert Thalern spricht. Wir teilen auch diese Stelle, und zwar deshalb, mit, um daran zu zeigen, wie Schmidt die ganz richtige Ansicht hatte, dass vierhundert Thaler Pension für einen so großen Dichter, wie Klopstock, gar nichts Außerordentliches seien. Damit der heutigen Generation, die vielleicht an die ungeheuren Honorare der französischen Romanschriftsteller denkt, diese Summe nicht allzu winzig erscheine, so möge sie nicht außer Acht lassen, dass das Geld damals wenigstens einen doppelten Wert hatte, und dass Schiller für seine Geschichtsprofessur in Jena nur zweihundert Thaler Gehalt bezog. Schmidt nun äußert sich über diese dänische Pension folgendermaßen:

„Es ist meine Meinung auch gar nicht, dass Klopstock für die dänischen vierhundert Thaler in Kopenhagen bleiben soll, ob es gleich dafür verlangt zu werden scheint. Er muss hinreisen und sich die Erlaubnis, es koste, was es wolle, ausmachen, die Kleinigkeit zu verzehren, wo er will.“

Aus einem Briefe, den Klopstock der Vater an Gleim schreibt, kann man nicht deutlich den Betrag der Pension entnehmen, wohl aber, dass der König von Dänemark überaus huldreich gegen den Sänger der Messiade war. Klopstocks Vater schreibt nun:

„Seine Pension ist den ersten Juli in Bancogelde, d. i. der Ducaten zu 2 Rthlr. 8 Gr., ausgezahlt und, was sein großer Gutthäter bei Überreichung seines Buches erklärt hat, Solches will er dem Briefe nicht anvertrauen, welches ich sehr billige.“

Wir sagten oben, dass, so dankbar wir auch das Andenken des edlen dänischen Königs verehrten, der Klopstock gegen die nagenden Sorgen des Lebens sicher stellte, wir doch den deutschen Männern, die Friedrich V. zuerst auf den Sänger der Messiade aufmerksam machten, ihr großes Verdienst ungeschmälert wahren müssten. Es ist dies keine nationale Eitelkeit, sondern nur eine nationale Gerechtigkeit, an der wir Deutschen es leider allzu oft fehlen lassen. Wir nannten bereits den edlen Namen „von Bernstorff“ als den ersten Veranlasser zu der dänischen Pension und erwähnten auch, wie Klüpfel, der Kabinettsprediger des Herzogs von Gotha, den Anstoß zu dieser von Klopstock so lange ersehnten Unterstützung gegeben habe. Die staatsmännischen Verdienste Bernstorffs sind zu bekannt, als dass wir uns weitläuftiger darüber aussprechen sollten. Wenn Klopstock an Gleim schreibt: „Sie müssen wissen, dass Bernstorff ein allerliebster Mann ist!“ so muss jeder, der sich mit dieser anziehenden staatsmännischen Erscheinung bekannt gemacht hat, in diesen lobenden Spruch mit einstimmen und zwar das Wort „allerliebst“ nicht in der gewöhnlichen Bedeutung nehmen, sondern vielmehr so: „ein Mensch, der Allen der Liebste ist“. In einem zweiten Schreiben an Gleim sind Klopstocks Äußerungen über Bernstorff noch viel wärmer. Er hatte, als er diesen Brief schrieb, durch einen einjährigen genauen Umgang Gelegenheit gehabt, die innerste Natur dieses edlen Mannes zu ergründen, und äußert sich über ihn folgendermaßen: „Lieben Sie diesen großen Mann, er verdient es sehr. Welche Rechtschaffenheit in allen seinen Handlungen! welch' ein Verstand! und welche angeborene Bescheidenheit bei Diesem Allen!“

Wir dürfen, indem wir dem edlen Bernstorff das Verdienst vindizieren, dem Sänger der Messiade die Pension erwirkt zu haben, nicht vergessen, auf den Umstand hinzuweisen, dass dieser große Staatsmann kein geborner dänischer Untertan, wir meinen, kein Mitglied der schleswig-holsteinischen Ritterschaft war, sondern in Hannover das Licht der Welt erblickte. Er ist also nicht bloß rein deutschen Blutes, sondern auch in einem rein deutschen Lande geboren. Wenn wir es uns auch bereits oben versagten, auf seine vielfachen Verdienste um die dänische Monarchie hinzuweisen, weil wir dieselben als allbekannt voraussetzen durften, so wollen wir doch in kurzer dankbarer Erinnerung erwähnen, was er für die Bauern Dänemarks tat und wie er ihnen eine der Menschheit würdigere Lage verschaffte. Mit einem Worte, er entließ die dänischen Bauern dem erniedrigenden Zustande der Hörigkeit. Diese einzige Tat eines deutschen Mannes für die dänische Landbevölkerung wiegt reichlich die Schuld auf, die Deutschland wegen der Pension Klopstocks Dänemark gegenüber kontrahiert haben könnte. Wenn überhaupt Deutschland sich mit fremden Reichen in eine Berechnung einlassen wollte, was es von ihnen empfing, und was es ihnen gewährte, so möchte sich das gesamte Ausland als uns tief verschuldet herausstellen. Doch es ist nicht des Deutschen Art, sich mit Dem zu brüsten, was er getan und geleistet hat. Das Spreizen und Wichtigmachen ist das Kennzeichen kleiner Menschen und kleiner Völker.

Es ist sehr möglich, dass Manche-, die von Freiheit und Deutschheit ganz falsche Vorstellungen haben, es Klopstock gar sehr verdenken, dass er überhaupt eine Pension annahm, und dass er zuerst eine solche beim Prinzen von Oranien, dann beim Prinzen von Wales zu erlangen suchte, bis er endlich durch den vom Könige von Dänemark ihm ausgesetzten Jahrgehalt der Mühe überhoben ward, nicht ganz angenehme und oft vergebliche Schritte in dieser Angelegenheit tun zu müssen.

Gewiss ist es ein Zeichen großer Befangenheit, wenn man den Dichtern einen Vorwurf daraus macht, dass sie sich einen Maren suchen. Erhärten es doch zu viele und zu traurige Beispiele, dass die Völker ihre literarischen Berühmtheiten verhungern lassen. Durchirrte nicht der unsterbliche Sänger der Lusiade als Bettler die Straßen von Lissabon? Sah sich Cervantes nicht einer fast ähnlichen Armut ausgesetzt? Doch erleichtern wir uns den Vorwurf, der auf dem Herzen Deutschlands lastet, für seine dichterischen Größen so wenig getan zu haben, nicht dadurch, dass wir zu unserer Entschuldigung das Martyrologium fremdländischer Poeten herzählen. Es ist auch anderwärts des traurigsten Stoffes genug, aber darum werden die Unterlassungssünden gegen vaterländische Berühmtheiten nicht ausgestrichen aus dem Schuldbuche deutscher Fürsten und deutscher Völker.

Nein, nichts wäre ungerechter, als den Dichtern zu verdenken, wenn sie sich eine sorgenfreie Muße zu Hervorbringung von Meisterwerken zu verschaffen suchen. Denn ach! die nagende tägliche Sorge hemmt den Aufschwung des Geistes und lässt die glänzenden Bilder einer farbenreichen Phantasie zu trübem Grau verbleichen.

Der Ausspruch Schillers:

„Es soll der Sänger mit dem König gehen,
Sie Beide wohnen auf der Menschheit Höhen,“


ist ganz und unbedingt wahr. Der Dichter soll kleinlichen und engen Verhältnissen entrückt sein und auf heiterer Höhe neben den Regierern der Völker stehen, der vornehmere Fürst des Geistes neben dem oft bloß vornehmen Fürsten durch die Geburt. Er wird die großen Weltbegebenheiten dann in seiner Nähe abspielen sehen und durch die Geschichte der Gegenwart den Ariadnefaden finden lernen, der ihn durch das Labyrinth der Vergangenheit sicher hindurchleitet. Für das Befreitsein von den nagenden Sorgen des täglichen Lebens, für die gewonnene Menschenkenntnis und den sichern Umblick in dem verschlungenen Getriebe der gegenwärtigen Periode wird er seinem fürstlichen Mäzen in ausgiebigster Weise zu danken im Stande sein. Während die Schar der Höflinge stets nur das Echo der fürstlichen Meinung ist und, gleich dem Polonius, ihre Ansichten im Handumdrehen wechselt, ohne dass ihnen wegen der Feilheit ihrer Gesinnungen je die Röte der Scham ins Antlitz stiege; während also die Schar der Höflinge den selbst reinsten und lautersten Charakter eines Regenten durch ihre Schmeicheleien allmählich vergiftet und ihn verführt, sich für einen Halbgott, frei von aller menschlichen Schwäche, zu halten, wird der Dichter und Künstler, der in der Nähe des Thrones lebt, seinem Mäzen das sein, was Don Carlos von seinem Freunde Posa verlangte, nämlich „ein schreckenloser Hüter seiner Tugend.“ Weil nun die Offenheit der Dichter und Künstler so beschämend absticht gegen die Schmeicheleien der Höflinge, so hassen diese meist die Jünger Apolls auf das Grimmigste. Wie einst die Höflinge des Königs Archelaus von Mazedonien auf den von ihrem Monarchen mit großer Auszeichnung behandelten Euripides wilde Hunde hetzten und den berühmten griechischen Dichter von den hungrigen Bestien verzehren ließen, so mochten es ihre Nachkommen noch heutzutage mit den von Fürsten verhätschelten Dichtern und Künstlern machen. Werden nun die Dichter und Künstler, wenn sie lange in der Hofluft leben, leider oft selbst zu Schmeichlern, so sind dies doch glücklicher Weise nur Ausnahmen, und der von Apollo und den Musen geküsste Sterbliche hat meist eine freie und stolze Stirn. Als Michel Angelo einst auf einem Gerüste stand und der Pabst unten im Saale umherwandelte und die neuen Wandmalereien prüfte, so gab der Statthalter Christi von seiner Infallibilität im künstlerischen Urteile ebenso bedenkliche Proben, wie es in politischer Hinsicht schon seit Jahrhunderten geschieht. Der sehr cholerische Michel Angelo konnte zuletzt diese unsinnigen Urteile nicht länger mehr mit anhören und, einen Farbeneimer in gewaltiger Rechten schwingend, donnerte er dem Pabste zu, falls er den Saal nicht sofort verlasse, werde er ihn anmalen, dass die Posaunenengel dagegen blass aussehen sollten. Der erschrockene Pabst, der wusste, dass Michel Angelo ganz der Mann sei, um seine Drohung auszuführen, sprang mit seinen hochheiligen Pantoffeln so schnell aus dem Saale, wie es nur irgend seine Körperbeschaffenheit zuließ. Auch die griechische Geschichte bewahrt uns ein glänzendes Beispiel von Künstlerfreimut. Alexander der Große besuchte einst den Apelles in seiner Werkstatt, und da der jugendliche König von Makedonien bekanntlich nicht an allzu großer Bescheidenheit laborierte, so sprach er über einige Gemälde, die gerade in der Arbeit begriffen waren, mit großer Verwegenheit, denn er verstand von der Malerei nicht viel mehr, als der roheste seiner Krieger. Apelles hörte mit großer Geduld eine Zeitlang die unverständigen Äußerungen des makedonischen Königs mit an, der immer kühner und kühner in seinen Behauptungen ward. Als es der König aber zu arg machte, flüsterte er ihm zu, indem er nach einer Ecke seiner Werkstatt wies: „Ich bitte Dich um Alles, Alexander, höre endlich mit Deinen Kunsturteilen auf! Die Jungen, die dort die Farben reiben, können sich nur mit größter Mühe das Lachen verbeißen und, wenn noch längere Zeit dieser peinvolle Zwang anhält, so möchten sie mir krank werden.“

Da edler Freimut die schönste Zierde des Dichters und Künstlers ist, so erwähnen wir noch mit Genugtuung, dass, als Ludwig XIV. zu Zeiten seiner Allmacht sich auch beikommen ließ, Verse machen zu wollen, und für seine Reimereien von einem wahrhaften Priester Apollos Anerkennung und Bewunderung verlangte, er von diesem den Rat erhielt, dem Regieren obzuliegen und das poetische Schaffen denen zu überlassen, die dazu die Weihe empfangen.

Des Dichters Beruf ist in folgenden Versen Geibels sehr schön und sehr wahr ausgesprochen:

„Nicht dürft ihr euch vor Thronen beugen,
Noch knieen wo der Pöbel kniet.
Die ew'ge Wahrheit braucht der Zeugen,
Und Opferfeuer sei das Lied,
Dass wenn dereinst nach Sturm und Fluten
Erscheint des Friedensbogens Tag,
Das Volk an euren reinen Gluten
Der Freiheit Fackel zünden mag,“


Klopstock hat sich nun nie vor Thronen gebeugt und nie den Fürsten geschmeichelt.

Über seine würdige und unabhängige Stellung gegenüber den Königen und Herrschern spricht er sich mit berechtigtem Selbstgefühl in der Skizze einer Selbstbiographie folgendermaßen aus:

„Daher beschloss er und verharrte bei dem Beschluss, nie die heilige Dichtkunst durch höfisches Lob zu entweihen; denn ein biegsamer Frühlingsspross bei kleinen Dingen war er, wenn es größere Dinge galt, Eiche, die dem Orkane steht. Die Vergötterer haben's gemacht, dass nun die Geschichte nur, die Dichtkunst nicht, Denkmal ist.“

Klopstock nun vergötterte niemals in blinder Verehrung, sondern, was er in seinen Gedichten pries, war auch des Preises würdig. Ein edles, nach Freiheit strebendes Volk erschien ihm in demselben, ja, in höherem Grade der preisenden Ode würdig, wie ein edler, freisinniger Fürst, der von den ihm überkommenen Rechten zu Gunsten seiner Untertanen einen Teil aufopfert. Deshalb feierte er trotz seiner Pension, die er von Fürsten bezog, die Erhebung des französischen Volkes mit flammender Begeisterung und empfing mit Genugtuung den ihm durch den Minister Roland übersandten französischen Bürgerbrief. Niemals ertönte aus seinem Munde ein preisendes Wort für Friedrich den Großen, da dieser sich gegen heimische Kunst so, kaltherzig verhielt. Er verschmähte ferner, der an ihn von hoher Stelle ergangenen Einladung nach Wien Folge zu leisten, da ihm wenig daran lag, persönlich gefeiert zu werden, und er zuvor beruhigt sein wollte, dass man am kaiserlichen Hofe für deutsche Poesie und Kunst im Allgemeinen etwas zu tun gedenke.

Klopstock blieb trotz seiner von Fürsten bezogenen Pension stets ein unerschrockener Kämpe für Recht und Freiheit, und eben im Bewusstsein seiner großartigen, jeder Augendienerei widerstrebenden Natur konnte er sich unbedenklich um sie bewerben und sie als einen dem berühmten Dichter geschuldeten Tribut ruhig und sicher hinnehmen.

Deshalb dürfen wir verständiger Weise seine Pension ihm keinen Augenblick übel nehmen und müssen dem edlen Friedrich V. dankbar sein, der sie ihm so zartsinnig anbieten ließ.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Klopstock und Meta