Mesopotamien

Das fruchtbarste Land des Altertums war bekanntlich das untere Stromgebiet des Euphrat und Tigris, namentlich im später sogenannten Mesopotamien und da auch die heiligen Bücher der Hebräer von hier aus ihren Stammvater wandern lassen, so ist es anziehend, von seiner ehemaligen und jetzigen Fruchtbarkeit zu sprechen. „Das Land der Hauptkanäle, sagt Richter, ist jetzt durchaus wüst und verödet, ohne Ortschaft und Ansiedlung, eine verdorrte Verwilderung!“ Den fruchtbarsten Alluvialboden, durchschnitten mit zahllosen Linien trocken liegender Kanalbette und Wassergräben, bedecken jetzt holzige Salzkräuter, Kappernranken und Mimosengebüsch, da, wo einst „der Garten der Welt“ lag, sagt schon Strabo von Babylon.

Mit Recht drängt sich uns vorerst die Frage auf, wohin denn das Alles befruchtende Wasser, wenn auch nicht durch Kanäle besonders geleitet, wohin das Wasser für den sonst schiffbaren Pallakopas (den trocknen Fluss von Dszärrizaade) gekommen ist, der sonst die bevölkerte und reiche Landschaft von Altbasra oder Zobeir befruchtete und jetzt durch eine wasserlose Wüste zieht, den Tummelplatz räuberischer Beduinen? Wenn so viele Kanäle, die meist nur den Überfluss des Euphrat (und Tigris?) ableiteten, jetzt trocken sind, wo ist denn die ursprüngliche Wassermasse oder vielmehr ihre Quelle, die sie speißte, hingekommen, da wir weder von neugebildeten Versumpfungen, noch größeren Überschwemmungen, als ehedem vorkamen, noch auch von einer Erweiterung des Flussbettes, dessen Schmalerwerden an der Mündung auch jetzt noch Chesney berichtet, etwas hören? El Masudi sagt im 9ten Kapitel seiner goldenen Wiesen: „Der Euphrat, nachdem der Isakanal von ihm sich gegen Ost abgezweigt hat, nämlich von Feludja nach Bagdad hinüber, setzt seinen Lauf fort nach Sur, Kasr Ibn Hobeirah, nach El Kufak etc.; dann ergießt er sich in die Marschen und Sümpfe zwischen el Basra und el Wasset; sein ganzer Lauf ist 500 Farsang. Der größte Teil der Wasser des Euphrat, fährt Masudi fort, hatte einst seinen Lauf durch el Hira, sein Bett lässt sich noch heute nachweisen, es heißt Atik d. i. das Alte . . . . . . . . Vor Zeiten fiel der Euphrat, bei dem Orte, der jetzt en Najaf (bei Kufa) heisst, in das abyssinische Meer (d. i. das erythräische) denn das Meer stieg einst aufwärts bis zu diesem Orte und an ihm landeten die Schiffe von Chin d. i. Hinterindien oder China und Vorderindien.“


Derselbe führt ferner wirklich außerordentliche, derartige Trockenlegungen durch Meeresrücktritt an, spricht von seiner eigenen Überzeugung in Bezug auf diesen Wechsel von See und Land und geht dann zum Nachweis ähnlicher Wechsel am Tigris über, sowie auch Abulfeda, doch mehr allgemein, von dem früheren großen Wasserreichtum dieser Landschaft und ihrer Schifffahrt spricht.

Der Grund dieser großartigen, auf organisches Leben überhaupt und auf Landwirtschaft insbesondere so sehr influenzierenden Veränderungen ist nach dem Vorausgehenden unschwer in klimatischen Veränderungen zu suchen, jenen nämlich, die durch langjährige Kultur gesetzt werden. Versuchen wir bei so sparsamen historischen Behelfen einige Beweise dafür zu finden.

Der Name Arabien, der bis an die Ufer des Euphrat mit dem hervorstechenden Charakter der Unfruchtbarkeit von Xenophon und den Alten überhaupt einem Teile Mesopotamiens gegeben ward, die gleiche Breite der Schiffsbrücke bei Sittace, die von Xenophon auf 37 Pontons übersetzt werden musste, ganz ähnlich den Angaben der Neueren von derselben Flussbreite daselbst, der Holzmangel damals schon um Babylon, wie zu Alexanders Zeit, der Cypressen aus Hainen und Gärten für die Flotte schlagen ließ und, wie spätere Eroberer Holz aus den Vorbergen Armeniens oder von Nisibis holen lassen musste, diese und ähnliche Angaben deuten wenigstens manche klimatische Verhältnisse an, die sich gleich geblieben zu sein scheinen.

Dagegen sagt Herodot, dass in Mesopotamien wegen zu großer Feuchtigkeit Wein nicht wachse. *)

*) Herod. 1, 193 „zum Baumwuchs hat das Land durchaus keinen Trieb, keinen Feigenbaum, keinen Ölbaum, keinen Weinstock.“

Strabo aber findet das Land reich an Wein und bekannt sind selbst die kernlosen Trauben am persischen Golf, wohl die Stammpflanze der Korinthen. Nach Theophrast pflanzten die Griechen Reben und Epheu vergeblich um Babylon, Xenophon aber hatte in den Dörfern um Babylon Getreide, Wein und Datteln in Fülle gefunden. Auch den Ölbaum fanden die Alten nur selten, eine Erscheinung, die nicht bloß ihren Grund in der Gleichgültigkeit der Perser gegen das Öl hat. Das Klima dieser Gegenden war nämlich in jener Zeit dem Gedeihen des Ölbaumes hinderlich, es war noch zu feucht, wie für den Wein, so noch um so mehr für die Olive. Wenn aus Ägypten (Nomos Arsinoë nach Strabo) der ölgebende Olivenbaum zunehmender Hitze und Trockenheit halber verdrängt wurde, den doch Strabo und Theophrast als häufig dort kannten, so ist klar, dass er aus denselben Gründen in andere Länder vorrücken konnte, wie wir in der Tat wissen von Italien, Gallien und Spanien oder von Persien selbst, wo er an die Provinzen am kaspischen Meere vorrückte, die ihn früher nicht kannten, so wenig als damals auch Lorbeer und Myrte, selbst Wein am cimmerischen Bosporus gediehen, wo alle zur Zeit häufig sind. Griechenland, Syrien und ein Teil Kleinasiens ist des Ölbaumes Vaterland, von dem aus er sich verbreitete, und wenn Ritter meint, der Mythus der Griechen von der Ölbaum pflanzenden Athene und ihr Gebrauch des Bekränzens mit Olivenzweigen deute auf ein Verpflanztsein der Olive aus anderen Ländern nach Griechenland, so geben wir zu bedenken, dass dem gemäß nur sehr wenige Bäume in Griechenland einheimisch sein dürften, da die meisten zur Begrenzung benützt wurden. Auch Links Ansicht von den 2 verschiedenen Arten des Ölbaumes können wir nicht teilen und halten den edleren für lediglich durch Kultur entstanden, geben aber zu, dass der edle in Hellas erst eingeführt worden sein kann. Auch das Vordringen des unfruchtbaren Ölbaumes aus dem gebirgigen Indien (Elaeagnus angustifolia) nach Vorderasien und bis nach Griechenland selbst, wo er jetzt so häufig ist, Theophrast ihn aber noch nicht kannte, spricht für unsere Ansicht. Am kräftigsten aber beweiset die großartige Veränderung des Klima- und damit veränderte Vegetation zumal die um sich greifende Steppenbildung und der Übergang zur völligen Wüste da, wo die Alten die fruchtbarsten Länder der Welt kannten. Jener eigentümliche, lockere, salzhaltige, mit Grus und Schlamm bei jeder Überschwemmung bedeckte Boden der fruchtbaren Mesene verfällt, sowie er nicht andauernd bewässert, beschlammt und zugleich ausgelaugt wird, einer eigentümlichen Veränderung, ähnlich jener Zersetzung des Nilschlammes in Ägypten, wie Russegger dargetan hat, oder an den Küsten Griechenlands, wie wir selbst beobachteten. Salz und Grus werden vorherrschend und die Steppenflora findet sich ein. Chenopodien, Salsola und Salicorniaarten, Arenarien, viele Succulenten, insbesondere auch Artemisiaarten, worunter Art. Absynthium und Abrotonum, die wohl von da aus mit den Menschengeschlechtern die Erde durchzogen, dazwischen eine ephemere Vegetation von einjährigen Gräsern überziehen die Flächen, welche ehedem die edelsten Kulturpflanzen trugen. Nur allein das von bindenden Bodenarten, nicht durch Schlamm bloß gebildete Diluvium bleibt sich gleich und wird nach Ainsworth in der Plaine Mesopotamiens bis zu 1.000 Elevation über dem Meere charakterisiert durch das Vorkommen der Glycirrhiza glabra und echinata, Mimosa agrestris, Nigella damascena, durch wilde Reben (!), Pistazien, Oleander, Rosen, Platanen etc. Schwieriger wohl damals, als heutzutage, wo beide Länder gleich ausgebraucht erscheinen, mochte es gewesen sein, Pflanzen aus Griechenland nach Mesopotamien überzusiedeln, damals, als Griechenland noch in der Blüte seiner Kraft stand und ein Dasein, erheblich für die Kultur, erst von kaum 800 Jahren zeigte, während Babylon sich seiner früheren Geschichte schon selbst kaum mehr erinnerte und nach einem Cyklus von Völkerentwicklung unter angestammten Herrschern bei einem schon sehr halt - und charakterlosen Zustande angekommen war, dessen Willenslosigkeit vom begeisterten Verfasser der Apokalypse manchfaltigst angedeutet wird, zu einer Zeit übrigens, wo schon der Perser, Seleuciden und Römer Herrschaft über dasselbe hingegangen war, welcher bald jene der Parther, Sassaniden und Araber folgte, schließend mit der prinzipiellen Tyrannei turkmannischer Stämme, ein Sarkasmus den Stammländern europäischer Kultur! Auch ein historischer Beleg selbst für die großartigen Veränderungen des Klima in der Zeit, dieser und nahe angrenzender Länder zunächst, steht uns zu Gebote, die Angabe eines früher 10 Monate langen Winters und nur 2 Monate kurzen Sommers in Eeri-ene-Veedscho (Armenien, Medien und Nordmesopotamien) nach dem Vendidad in den Zendschriften, worüber wir die schönen Untersuchungen von Rhode besitzen, denen wir viel mehr Zutrauen schenken, als man sonst geneigt ist. Wer möchte auch wohl an großartige klimatische Änderungen zweifeln seit der Zeit nämlich, als an den Euphratmündungen noch Ichthyophagen, Chelonophagen, Helobier überhaupt in vorgetreidlichen Perioden die Vorläufer nachfolgender Agrikultur bildeten bis auf unsere Tage, wo schwerlich mehr dort ein Volk in der Natur die Mittel zu seiner Zivilisation finden möchte? Es ist uns auch in der Tat schon oft der Gedanke gekommen, ob nicht alles Land vom Himalaya an westlich bis ans mittelländische Meer durch fortdauernde vulkanische Nachwirkung jener großen Erhebung des Taurussystems in eine so fortschreitende klimatische Veränderung, Hitze und Trockenheit der Atmosphäre bei durch Gebirgskälte bewirkten sehr kalten Nächten und Wintern und so deprimierter mittlerer Jahrestemperatur geworfen wurde, für welche Idee wir nur den Engel mit dem flammenden Schwerte in der Bibel, die Andeutungen von Erdbeben in den Zendschriften, die Erhebung des Steppenplateaus vom kaspischen bis zum schwarzen Meer in Erinnerung bringen. Muss übrigens denn nicht die ganze Erdoberfläche auf Grund der erwiesenen topischen Zu- und Abnahme des Meeres in einer Art Fluktuation beständig gedacht werden? –

Den oben berührten Veränderungen schreiben wir auch die auffallenden klimatischen Extreme der Jetztzeit zu. Ainsworth hat Extreme in Einem Jahre von 36° R. Sommerhitze bis zu –8° R. Winterkälte selbst erlebt (Ritters Asien X.). Vom milden syrischen Gestade, das noch mehr unter dem sänftigenden Einfluss des Mittelmeeres steht, bis zum Tigris ist nach ihm die Kälte zunehmend in gleichen Parallelen von West nach Ost. Die schneereichen Taurusketten tragen weit hinab in das mesopotamische Flachland ihre erkälteten Luftströme und drängen daher die südliche Vegetation weiter hinab, als auf gleicher Breite in anderen Ländern ohne dieselben Einflüsse.

„Jenes Extrem der Kälteeinwirkung gegen den Süden hindert aber nicht, dass die Sommerhitze bei der starken Radiation auf demselben so gleichförmig ausgebreiteten mesopotamischen Boden, auf der Grenze des kontinental-asiatischen Trockenklima, wo die Evaporation fast Null ist, desto intensiver gesteigert zum anderen Extrem übergeht.“

Wenn trotz dieser Zunahme der Trockenheit des Landes sich dennoch die Dattelpalme, dieser „Repräsentant der subtropischen Zone der alten Welt ohne Regenniederschlag“ nicht weiter nach Norden vorgerückt ist, so ist dies leicht erklärlich aus der gänzlichen Sorglosigkeit in Nachpflanzung und bei herrschender Devastation des Bestehenden durch die dort wohnenden Völker. Dazu rechnet von Martius noch Verwüstungen der Kriege, Abspülung des fruchtbaren Landes, zunehmenden Mangel an Waldbeständen – nicht aber aus Gründen sozialen Beisammenseins, denn die Palme scheut Waldbestände anderer Gattungen, – sondern wegen Verminderung der Quellen, da sie Bewässerung verlangt, – „Einwirkungen, in deren Folge die Verödung so vieler Gegenden des Orients und die Armut ihrer Vegetation fortwährend zunimmt.“ – Übrigens reift die Dattelpalme jetzt ihre Früchte in Griechenland, wie im Altertum nicht. Michaux sah um Babylon wilde Palmen mit Wurzelaustrieben, obgleich man diese sonst nur an zahmen beobachtet haben will. Auch in Griechenland werden die Palmen durch Samen fortgepflanzt.
Akropolis von Apamea am Orontes, Kalat Mudik

Akropolis von Apamea am Orontes, Kalat Mudik

Aleppo, Burg von

Aleppo, Burg von

Aleppo, Othmanijje-Moschee

Aleppo, Othmanijje-Moschee

Aleppo

Aleppo

Apamea am Orontes, Ruine des Nordtores

Apamea am Orontes, Ruine des Nordtores

Basilica von Khawwarin

Basilica von Khawwarin

Büsten aus Palmyrenischen Gräbern

Büsten aus Palmyrenischen Gräbern

Damm am Nordende des Sees von Homs

Damm am Nordende des Sees von Homs

Elkefr

Elkefr

Hama (Hamath, Epiphania)

Hama (Hamath, Epiphania)

Homs (Emisa), Stadt und Burgberg

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Kalat-Sedjar, Larissa

Kalat-Sedjar, Larissa

Mausoleum im Norden von Ruweha

Mausoleum im Norden von Ruweha

Mausoleum in Elkefr 2

Mausoleum in Elkefr 2

Mausoleum in Elkefr

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Ruweha

Ruweha

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