I. Abteilung. Einleitung.

Der Eifer, die Geschichte unserer Erdoberfläche kennen zu lernen, in neuer und neuester Zeit noch im flagrantesten Zustande, hat zunächst, wie man sich, auffallend genug, gestehen muss, bis jetzt nur zu Entdeckungen oder, wenn man lieber will, nur zu Untersuchungen über die Geschichte des Unorganischen geführt, die organische Natur blieb, zumal so weit sie in historischer Zeit zu beobachten ist, mit Ausnahme des Menschen fast gänzlich unberücksichtigt. – Machten sich auch einzelne berühmte Forscher daran, die Veränderungen des Organischen in der Zeit zunächst auch des Klima, als dasselbe bedingend zum Gegenstände ihres Nachdenkens zu machen, so legten sie doch bald den Stoff wieder, unbefriedigt zumeist, von sich und behaupteten entweder, wie Cuvier, Humboldt und Link, diese Veränderungen in historischer Zeit seien gar nicht oder doch nur unbedeutend vorhanden, oder sie erklärten, wie die Meisten, es seien zu wenig Anhaltspunkte in den Schriften der Alten gegeben, um durch darauf gestützte Parallelen ein erhebliches Resultat zu gewinnen. – Alle aber waren, wie uns scheint, durch die eklatanten Resultate bei Erforschung vorweltlicher und vorhistorischer Erdbildungsepochen, durch zu großartige, sich durch das Plötzliche ihres Auftretens kundgebende Erscheinungen verwöhnt, und warfen den, vermeintlich unfruchtbaren oder doch minutiösen, Stoff einer Betrachtung der Veränderungen des Organischen in der Zeit gänzlich von sich. Und dennoch wäre so interessant, die Zeitgeschichte der Fauna oder Flora eines Landes auch in den gewissen und unleugbaren Typen des Historikers lesen zu können, einer Geschichte, die entschieden zwar vorhanden, leider aber nur von uns noch nicht verstanden wird. Wenn man indessen glaubt, die Veränderungen der organischen Natur, namentlich der Pflanzenwelt, seien in der Zeit nur unerheblich gewesen, so müssen wir, ehe wir an das Besondere dieser Frage gehen, doch vorerst auf einen Ausspruch v. Hoffs aufmerksam machen, der einer langjährigen so tiefen Naturbetrachtung entquollen, jeden hierüber Urteilenden billig zum Nachdenken bringen sollte. „Dieses Resultat (nämlich die Feststellung großer Zeiträume, in welchen die Ausbildung der jetzigen Gestalt der Erde in historischer Zeit erfolgte) sollte diejenigen, welche Vermutungen und Theorien über die Bildung und Umbildung der Erde aufstellen wollen, vorsichtig, machen und sie darauf führen, vor allen Dingen zu untersuchen, ob die jetzt vor den Augen des Menschengeschlechtes wirkenden Naturkräfte und insbesondere die Art, wie sie wirkten, nicht schon allein und nur mit Ausdehnung ihrer Wirksamkeit durch große – sehr große Zeiträume, hinreichend gewesen sein möchten, die äußeren Formen der Erdoberfläche und einen bedeutenden Teil der die oberste Rinde bildenden Massen so hervorzubringen, und auszubilden, wie man sie jetzt findet – oder ob es wirklich nötig ist, außerdem noch plötzliche, weit verbreitete und außerordentliche Revolutionen von einer Art, von welcher in der geschichtlichen Überlieferung keine Spuren mehr vorkommen, anzunehmen, um darauf nach der Weise der meisten Geologen Systeme der Erdbildung zu gründen.“

Es kann zwar nicht geleugnet werden, dass man vor langer Zeit und auch jetzt noch hie und da bemüht war, großartige Veränderungen des Klima in der Zeit allerdings anzunehmen, ja man sprach sogar von bestimmten Perioden, in denen diese Änderungen vor sich gingen, und suchte sie durch historische Belege zu beweisen; allein dies mag in der Tat allzuviel unternommen zu haben heißen, ebenso ist aber auch zu gestehen, dass wirkliche, historische, erweisbare Veränderungen von den Gegnern dieser Ansicht für viel zu gering angeschlagen wurden. – Es war seit je eine Lieblingsbeschäftigung des menschlichen Geistes, in Sprüngen zu erhaschen, was auf langsamen aber nicht aussetzenden Wegen durch ruhige Betrachtung sicherer gewonnen wird und man wollte lieber gewaltsame Revolutionen, außerordentliche, fast übernatürliche Ereignisse da annehmen, wo es um Erklärung der Gesetze zu erhalten, nur größerer Zeiträume und ganz natürlicher Erscheinungen bedurfte. Humboldt und mit ihm viele angesehene Männer betrachten die Einflüsse, welche der Mensch oder vielmehr seine Zivilisation auf das Klima üben, für geringfügig – allerdings im Vergleich mit jenen Stürmen, welche die Erhebungstheorien und Veränderungen der Erdachse selbst erzeugen lassen – aber nicht unbedeutend sind sie, ja höchst wichtig und wesentlich für die Existenz dieses Menschen selbst, der schon bei viel kleineren Änderungen als jene großen sind, an seiner Aufgabe höchster Vervollkommnung scheitert.


Sind jene Änderungen des Klimas für gering zu halten, wenn sie vor Jahrtausenden, übliche Kulturarten unmöglich machen, da wo sie sonst üblich waren? – Wenn sie eine fremde, ärmliche Vegetation ins Land rufen, welche die Erstorbene, weil selbst nicht recht heimisch, nicht zu ersetzen vermag? - Welche ein Wüstenklima und sein Gefolge da provoziert, wo früher Wald- und Weidelandschaft nebst fruchtbaren Gefilden einer großen Bevölkerung reichlichen Unterhalt gewährte, samt den Mitteln, dem Höheren der Menschheit in Religion, Wissenschaft und Kunst nachzustreben? –

Wenn Link meint, dass in den biblischen Schriften sich nicht die geringsten Zeugnisse für Änderung des Klimas entdecken ließen und dann diese Zeugnisse selbst in solchen Ausdrücken sucht, welche unmittelbar die Erscheinung desselben in Bezug auf Wärme und Kälte berühren, wie z. B. „des Tages verschmachte ich vor Hitze, und des Nachts vor Frost“ oder „der Tau blieb immer auf meiner Ernte“, und „er streut Schnee wie Wolle, er streut Reif wie Asche, er wirft Schlossen wie Bissen“ – so heißt dieses Verfahren nichts anders suchen, als geradezu Mitteilungen über klimatische Verhältnisse jenes Landes, was sicher doch nicht in dieser Schrift erwartet werden kann, und überdies haben solche Angaben nur Wert durch Vergleich mit jenen über andere Länder. Diese nun fehlen und somit beweisen jene Angaben nichts weiter, als dass es in Palästina ehedem wie noch jetzt am Tage heiß war, wie Nachts kalt, dass manchmal Schnee in den höheren, selbst niederen Orten fällt, der Reif und Schlossen nicht selten sind, ebenso der Tau früher wie jetzt die Felder benetzte, nicht zwar im Sommer, wie Link meint, wo Palästina keine Ernte mehr macht, sondern im Frühling und Herbst, aber der Grad, in dem es ehedem wie jetzt fror, hagelte, schneite, taute oder in dem die Sonne wirkte, diesen Grad erfahren wir natürlich dadurch nicht. Diesen aber zu erfahren, ist für unsere Ansicht Hauptsache, denn wir träumen nichts von großartiger, plötzlich eintretender klimatischer Veränderung, sondern halten uns überzeugt von langsam aber anhaltend fortschreitender Umänderung des Klima, welche für die Bewohnbarkeit der Erde durch Menschen oder Zivilisation von größter Wichtigkeit ist, da sie darauf den größten Einfluss übt. Diese Umänderung aber in Zahlen auszudrücken oder nur approximativ und unbestimmt ihre Größe nachzuweisen kann zunächst nur durch Zuhilfenahme solcher Mittel bewirkt werden, welche, wie ehemalige und heutige Vegetation oder Tierwelt und überhaupt. Alles, was auf unsern Zweck Einfluss hat, uns die Differenz früherer Zustände von den jetzigen auch in der Natur nachweisen lassen.

In der Tat, wir halten die Veränderungen der organischen Natur in der Zeit, welche der Historiker zu durchwandeln im Stande ist, für sehr bedeutend, für so wichtig selbst, dass sie die noch jetzt bestehende organische Welt im höchsten Grade berührt, ja, dass viele in die Epochen der Erdbildungsgeschichte verwiesenen Erscheinungen bezüglich des Tier- und Pflanzenreiches lediglich noch im Kreise der dämmernden Geschichte oder im hellen Lichte ihrer vollen Tagesklarheit zur Beobachtung vorliegen, und wir, zweifeln nicht, dass dies im Verlaufe unserer Abhandlung uns zu beweisen gelingen wird.

Um aber von den Veränderungen des Organischen und zumal der Pflanzenwelt, die wir zu betrachten uns hier vornehmen, mit Erfolg handeln zu können, ist es von uns für besonders wichtig gehalten worden, zuerst die Bedingung der Existenz der Pflanzen und ihre Konstanz oder ihre Wechsel zu erörtern, denn hierin allein liegen wohl noch mehr sichere Bestimmungsgründe zur Gründung von Schlüssen, als in den historischen, so mangelhaften Nachrichten alter Naturhistoriker, von deren fabelhaften Mitteilungen über Umänderung des Weizens in Trespe, der Gerste in Lolch oder von den Äpfeln auf Pappeln und Birnen auf Weiden zu sprechen, man uns wohl nicht zumuten wird.

Boden und Klima sind die Grundbedingungen zur Existenz der Pflanzen.

Die neuere Chemie hat zwar dem Ersten einen sehr hohen Rang in der Bedingung zur Pflanzenexistenz beigelegt, allein, rein theoretisch, und ohne Beweis, wie sie auftritt, – halten wir uns noch lange von ihr ungenötigt, ihre Ansicht zu adoptieren und huldigen dem Erfahrungssatze der Botaniker, dass der Boden nur von untergeordnetem Einfluss auf das Pflanzenleben sei. Nicht so aber die das physikalische Klima konstituierenden Faktoren!

Wärme und Feuchtigkeit zunächst sind es, deren Konstanz in der Zeit wir, so weit historische Belege ausreichen, vorerst betrachten wollen, ohne uns in jene weitere Bedingungen pflanzlicher Existenz, oft fälschlich Pflanzennahrungsmittel genannt, einzulassen.

Zwar wäre es auch für unsere Betrachtungsweise nicht unerheblich, von jenen Verhältnisse zu sprechen, in welchem die Kohlensäure in der Atmosphäre sich findet, diese so entschiedene Bedingung pflanzlichen Lebens, zu sprechen ferner von den Differenzen, in welchen der Gehalt an derselben trotz sonst oft behaupteter Konstanz der Mischungsverhältnisse in der Luft angegeben wird, von 0,001 (Dalton) nämlich bis zu 0,004 (Saussure) oder selbst 0,0053 (Bolton). – Wie unwidersprechlich ist ferner die Zunahme Kohlensäure bildender Prozesse, Zunahme der Tiere und
Verbrennungsprozesse überhaupt, wie gewiss aber auch wieder die Abnahme Kohlensäure bildender Vegetationsmassen, namentlich der Wälder, von welchen Moreau de Jonnes in freilich zu übertriebener Weise annimmt, dass sie bei den bestehenden Bedürfnissen der zivilisierten Welt bald, ja sehr bald gänzlich aus Europa verschwinden würden. Frankreich hat jetzt kaum mehr den 12. Teil seiner früheren Waldflächen, England ist so waldarm, dass ihm von 69 Waldungen nur mehr 4 große Forste geblieben sind, was aber sagen wir von Italien und der südöstlichen Halbinsel Europas, wo selbst nicht mehr in den Gebirgen jener Baumbestand vorkommt, den ein Mitteleuropäer Wald nennt, nachdem derselbe doch früher, selbst in den Ebenen, häufig war? – Doch davon später mehr. Nur mehr von den Veränderungen des Klima in Bezug auf Wärme sei uns einleitend etwas zu sprechen erlaubt, ehe wir auf die wichtigen und entschiedener auftretenden Veränderungen bezüglich der atmosphärischen Feuchtigkeit übergehen.

Die Wärme des Erdkörpers wird bekanntlich von den Sonnenstrahlen, von dem im Innern der Erde von der Urzeit zurückgebliebenen Wärmeresten und von dem ihm von der gemeinschaftlichen Wärme des Planetenraumes zukommenden Anteile hergeleitet.

Was ihre erste und letzte Quelle betrifft, so gibt es keinen Grund, der zur Annahme einer Änderung derselben in historischer Zeit berechtigte und Laplace will, aus der Wirkung der Volumenänderung durch Wärme gefunden haben, dass die mittlere Temperatur des Erdkörpers überhaupt gegenwärtig so gut als stationär sei und es sei historisch gewiss, dass seit Hipparch die Rotation der Erde noch um nicht 0,01 Sec. vermindert sei. Auch nimmt man an, dass zwar im Anfange die Temperatur der Erde, von ihr selbst herrührend, rasch abgenommen habe, aber auch, dass gegenwärtig diese Abnahme fast unmerklich für sehr lange Zeit geschehe. Dass ferner dieser Wärmeverlust weit größer auf der Oberfläche, als im Innern der Erde gewesen sei, und dass ihre Temperatur hier wahrscheinlich nicht um 1/30° C. jene Wärme übersteigt, die ihr vermöge der Sonnenstrahlen und Planetartemperatur konstant bleiben wird. Es kann aber wohl im Innern der Erde noch eine ungeheure Hitze als Rückstand der ursprünglichen Wärme vorhanden sein und die Beobachtungen lehren in der Tat, dass die Wärme ungefähr um 19 C. für 30–40 Meter Tiefe zunimmt, eine Zunahme, die sich durch keine äußere, erwärmende Ursache erklären lässt. Diese Größe der Wärmezunahme mit der Tiefe wird sich nicht immer gleich bleiben, allein es werden Jahrtausende (30.000 Jahre nach der Berechnung Fouriers für 1/30° C.) vergehen, bevor sie auf die Hälfte der gegenwärtigen herabgekommen ist. Nach Fouriers Berechnung ergibt sich, dass seit der griechisch- alexandrinischen Schule bis auf unsere Zeiten die Temperatur der Erdoberfläche vermöge dieser Ursache noch nicht um 1/300° C. sich hat ändern können. Wir werden aber bald hören, dass es noch andere hier influenzierende Ursachen gibt. Auf diese Berechnung nun gestützt, hat Fourier berechnet, dass die Wärme, welche im Laufe eines Jahrhunderts durch 1 Quadrat/Meter Oberfläche der Erde hindurchgeht, um sich in die Himmelsräume zu verlieren eine Eissäule zu schmelzen vermögen würde, welche zur Basis diesen Quadratmeter und zur Höhe ungefähr 3 Meter hätte. Es ist also klar, dass Wärme in der Atmosphäre durch Ausstrahlung von der Erde selbst aus vermehrt wird.

Indessen sind es nicht diese Urquellen der Wärme, deren veränderte Ströme wir hier zu beweisen uns vornehmen, es sind vielmehr nur jene Influenzen, welche auf das Lokalklima einen wichtigen Einfluss haben, wie Lage, Konfiguration, Höhe, herrschende Winde, Wälder und Vegetation überhaupt, dann Wassermassen, welche wir historisch zu betrachten uns bestreben werden; von denen zwar Humboldt meint, sie hätten wenig zur Änderung des Klima beigetragen, weil sie selbst durch die Zivilisation wenig geändert werden könnten, wie schon oben erwähnt wurde, dessen Gegenteil aber wohl am Ende der Abhandlung klar werden dürfte.

So hat Mann für die Veränderungen mehrerer europäischen Klimate die Belege aus älteren Schriftstellern gesammelt, und er findet das Resultat, dass die Länder zwischen dem 44. und 50. Breitegrad vor etwa 2.000 Jahren beträchtlich kälter waren, als jetzt. Moreau de Jonnes meint selbst folgern zu müssen, dass der Unterschied der Temperatur Mittelitaliens zwischen ehemals und jetzt wenigstens 3 Grade betrage (eigentlich würde er 6° sein), um welche jetzt Italien wärmer als sonst sei, wenigstens im Winter. Man denke dabei an das Horazische:

„Vides, ut alta stet nive candidum
Soracte, nec jam sustineant onus
Sylvae laborantes, geluque
Flumina constiterint acuto.“

Er gedenkt des Tacitus, der von Germanien sagt:

„Sylvis horrida aut paludibus foeda, frugiferarum. (arborum) impatiens“) und folgert, dass dazumal Deutschlands Klima jenem von St. Petersburg gleich und es daselbst wenigstens 5 – 6° kälter war, als jetzt, eine Annahme, die wir für nicht zu übertrieben halten können, wenn wir uns der Angabe des Plinius noch erinnern, dass nämlich am Rhein die Wintersaaten erfroren seien. Heißt nicht endlich der Juli aus alter Zeit her das Heumonat, da doch jetzt im Juni schon geheut wird? „Die Ufer der Tieber waren damals ebenso kalt“, fährt Moreau de Jonnes pag. 137 fort, „als die der Seine jetzt sind, und die Ufer des Po glichen denen des kaspischen Meeres.“

In der Tat auch wird die Entholzung eines Landes, besonders, wenn es gar dürren und sandigen oder überdies noch kalkhaltigen Boden besitzt zu den vorzüglichsten Wärme erzeugenden Ursachen gezählt und es darf mit Grund behauptet werden, dass die Beschaffenheit des Bodens den atmosphärischen Niederschlag bedingt, woraus dann der angegebene klimatische Einfluss von selbst folgt. Mit Vegetation überzogene, namentlich bewaldete Gegenden halten die Feuchtigkeit stärker zurück, werden durch die Sonnenstrahlen weniger erhitzt, als unfruchtbare und ziehen ebenso hierdurch die atmosphärischen Niederschläge mehr an, sind daher nicht bloß selbst kühl, sondern verbreiten auch eine erquickend abkühlende Luftströmung über die heißen Umgegenden. Überhaupt ändert die Temperatur und das verschiedene Wärmeleitungsvermögen der Stoffe an der Oberfläche unserer Erde die Verteilung der atmosphärischen Dämpfe ab. Ohne die Existenz des mittelländischen Meeres würde der Einfluss des nahen Afrika auf Temperatur und geographische Verbreitung von Pflanzen und Tieren noch wirksamer sein.

„Die 3fachen Wirkungen auf die Frische der Luft durch Beschattung, Ausdünstung und Strahlung mittelst der Wälder sind von solcher Wichtigkeit, dass die Kenntnis der Ausdehnung der Wälder, verglichen mit der von Kräutern und Gräsern bedeckten oder nackten Oberfläche, eines der wichtigsten numerischen Elemente für die Klimatologie eines Landes ist. Die Seltenheit oder Abwesenheit der Wälder vermehrt jedes Mal die Temperatur und die Trockenheit der Luft“ . . . . sagt Humboldt am oftgenannten Orte und er fährt fort: La bande de terres en grande partie nues, qui entourent les bassins de la Mediterranée, de la Caspienne et du lac Ural, offre le type de ces phénomènes, dont en Italie l'industrie des peuples agricoles sait diminuer l'influence nuisible par des irrigations artificielles.“

Es erscheinen uns demgemäß schon die Angaben Anderer hinlänglich, im Allgemeinen den Satz, dass das Klima in der Zeit bedeutende Veränderungen erlitten, dass die Wärme, vor allen aber die Trockenheit der Atmosphäre bedeutend zugenommen habe, bestätigt zu haben, obwohl ein spezieller Nachweis der adäquaten Einwirkungen auf die Pflanzenwelt, der vor allen hierher passt, und insbesondere ihr Grad nicht angegeben ward, ein Nachweis, der dem Klimatologen und Botaniker gleich interessant sein muss. Bevor wir aber an das Detail unserer historischen Erörterung gehen, wollen wir doch noch einige von den bisher mit Recht so hoch geachteten Ansichten des Nestors deutscher Pflanzenkunde, Links, wie er sie in seinem klassischen Werke
„Die Urwelt und das Altertum“, niedergelegt hat, erwähnen, indem wir zugleich auf das schon oben von ihm bemerkte und Ihn betreffende verweisen.

Wir glauben nach dem Gesagten nicht nötig zu haben, jene Stellen des Herodot, welche eine viel größere Kälte der Länder am Dnieper, Dniester und Don in alter Zeit gegen Jetzt beweisen sollen, hier weiter anzuführen. – Und ist nicht erst neuerlich, wieder die Steppenbildung zwischen Don und Wolga dem Ausrotten der Wälder zugeschrieben worden? Hat nicht noch wieder die russische Regierung durch die auffallendste Erscheinung – aus noch nächster Ursache – aufmerksam gemacht, die Erhaltung der Wälder anzuordnen für nötig gehalten? Sprach man da nicht vom Verschwinden von Bächen, verengerten Flusstälern und dürrer Steppenbildung in großer Ausdehnung!

Wie wenig indessen auch der Ausdruck „der kimmerische Bosporus gefriere zu“, bedeuten mag, da der Grad dieses Zufrierens nicht angegeben ist, ein Überziehen mit Eis aber auch jetzt noch manchmal bemerkt wird, so ist doch für unsere Ansicht hier recht entscheidend die Angabe Strabos: Dass am Borysthenes (Dnieper) und im Lande der Kelten am Meere kein Weinstock wachse oder wenigstens keine Früchte trage, – zwar trage er an den südlichsten Ländern am Bosporus Trauben, aber kleine und werde im Winter eingegraben.“ – Diese Angabe ist, wir wiederholen es, entscheidender, als alle jene vagen unbestimmbaren Angaben, – denn sie beweist entschieden die bedeutende Veränderung des Klima, weil jetzt der Weinstock in jenen Ländern (um Odessa) nicht allein gedeiht und Früchte bringt, sondern die Bewohner derselben bereits in siegreiche Konkurrenz mit den Griechen bezüglich der Versorgung anderer adjacenter nicht weinbauender Länder getreten sind. Davon haben wir selbst uns überzeugt. Demgemäß ist also - Links Behauptung (l. c.), dass derselbe Zustand bezüglich des Weinstockes jetzt wie damals in jenen Ländern herrsche - zu berichtigen.

Was ferner jene Ansicht betrifft, sowie die Witterung zu der Zeit der Römer und Griechen rauer, so sei sie im Mittelalter selbst milder gewesen, als sie jetzt ist, so werden dafür zunächst zwei Gründe in den Vordergrund gestellt und zwar 1. die ehemalige Bewohnbarkeit Grönlands, dessen blühender Zustand geschildert wird und 2. die größere Ausgedehntheit des Weinbaues. Ohne eben, wie Link I. c., die Zeugen jener vormaligen Grönländischen Kultur des Zutrauens unwert zu achten und geradezu die Aussagen ehrenwerter Männer ohne besonderen Grund für Märchen zu erklären, wollen wir nur bemerken, dass die Gründe für Zerstörung jener gewiss nur sehr locker schwebenden und von so vielen Bedingungen zum Gedeihen abhängenden Kultur so deutlich den Einfällen barbarischer Völker (Skrällinge – ob Eskimos?), der herrschenden Krankheit (der schwarze Tod) zugeschrieben werden, dass man klimatischer Änderung dies gar nicht zuzuschreiben braucht, zudem ja solche Angaben des Verödens mancher Länder ebenso oft in großer Kälte als Wärmeerzeugung und noch so vielen anderen Umständen ihren Grund haben können; Mehr aber beschäftiget uns der zweite Einwurf, weil speziell unsere Aufgabe berührend.

In der Tat auch muss anerkannt werden, dass der Weinbau in alter Zeit ziemlich extensiver getrieben wurde, als jetzt; viele Gegenden rühmen sich ehemaligen Weinbaues, namentlich in Deutschland, wo jetzt kaum Spuren mehr davon zu sehen sind. Aber wir leugnen gänzlich, dass man jemals an solchen Orten besseren Wein als jetzt erzeugt habe, obwohl vielleicht mit besserer Rente, – dass somit überhaupt das verschlechterte Klima die Erzeugung eines schlechteren Weines verursacht und demzufolge das Ausrotten der Weinstöcke veranlasst habe.

Verbesserter Geschmack, erleichterter Verkehr, bessere Rente durch Kultur besser gedeihender Pflanzen sind zunächst die Ursachen des Verlassens des Weinbaues an solchen Orten, wo nur ein höchst mittelmäßiges, meist schlechtes Produkt erzielt ward, welches damals für Kirchen und Klöster oft nötig nicht leicht durch bessere aber ausländische Sorten ersetzt werden konnte, da häufige Kriege, Unsicherheit und erschwerte Kommunikation das fremde Produkt allzusehr verteuerten. Dies ist nun geändert und die Natur und der bessere Calcul sind in ihre Rechte wieder eingetreten und lassen Hopfen (auch Tabak oder Handelsgewächse) da vortrefflich bauen, wo vordem nur allzuselten ein genießbarer Wein wuchs. Auch das (früher viel schlechtere) jetzt so sehr verbesserte Bier hat zum Verdrängen des Weines merklich beigetragen. Übrigens ist nirgends bekannt, dass auch andere Gewächse als der Weinstock, ihre früheren Kulturorte verlassen hätten und an wärmere gezogen wären. Wenn also im 12. Jahrhundert in der Mark Brandenburg, in der Niederlausitz, bei Görlitz und Göttingen Weinbau getrieben wurde, und man jetzt nicht einmal mehr Grüneberger und selbst Landshuter, geschweige erst Potsdamer oder Witzenhausener trinken mag, so ist dies lediglich den obengenannten Ursachen, durchaus aber nicht klimatischer Änderung zuzuschreiben.

Die Schilderung Hesiods vom Winter zu Askra ist allerdings bedeutend genug, um Reflexionen zwischen damals und jetzt anzustellen. Selbst am Helikon würde jetzt Niemand eine solche Schilderung mehr entwerfen, obgleich ich sie wenig würdige, da natürlich ein Südländer seinen Winter ebenso peinlich empfindet, wenn er auch mit dem unsrigen nicht zu vergleichen ist, da er ja auch an höhere Wärme im Sommer gewohnt ist. Einen Griechen wird gewiss bei viel geringerem Kältegrade schon so sehr frieren, als dies einem Nordländer bei viel höherem Grade erst überkommen wird. Beide werden, indessen von starkem Frost sprechen.

Der größte Einwurf Links aber, dass sich das Klima jener Länder gegen die jetzige Zeit geändert habe, dass nämlich die Produckte des alten Italiens mit den jetzigen übereinstimmten, ist indessen wie uns scheint, der falscheste und zwar so sehr, dass wir gerade daraus die größten Beweise für unsere Behauptung steter Veränderung zu schöpfen gedenken. –

Die Römer hatten zwar Getreide-, Wein- und Obstbau, werden diese wohl auch noch nach undenkbar, langen Zeiträumen haben, aber dass jetzt der Weizen in Sizilien der großen baldigen Sommerhitze halber oft notreif wird (daher sein vieler Kleber – obgleich ohne tierischen Dünger erzeugt! –), dass gerade die vielen Birnen- und Apfelsorten, die Plinius erwähnt und Link für seine Behauptung anführt, – jetzt nicht mehr dort gedeihen, da sie das ihnen günstige, feuchte, etwas kühlere Klima nicht mehr finden, dafür aber Agrumen sich verbreitet haben – das ist's, was Differenzen anzeigt, freilich keine so großartigen und ungewohnten, wie, wenn Italien jetzt schon bloß vom Teff (Poa abyss.) Magy und Mohrenhirse sich nähren müsste und statt Oliven und Trauben jetzt schon Bananen und Sebesten verzehrte, obgleich es Agrumen, Datteln und Jujuben bereits in sattsame Erzeugung genommen hat! Dass der Ölbaum schon zu Plinius Zeit über die Alpen nach Gallien und Spanien vordrang, ist sehr naturgemäß, wenn er erst 183 nach Roms Erbauung in Italien eingezogen war; denn gerade Italien als damals bestkultiviertes und bevölkertes Land, ebenso Gallien und Spanien selbst waren dazumal in jene Phase eingetreten, wo höchste Kultur, Befreiung von Wald, Ansiedlung etc. jene Bedingungen zur Milderung des Klima erst geben. Ich zweifle sehr, ob seitdem Italien, selbst Spanien und das südliche Frankreich noch viel größere Fortschritte in der Kultur gemacht haben, als bereits zu Plinius Zeit der Fall war. Dennoch aber war der Ölbaum damals gewiss noch nicht bis an den Fuß der Tiroler Alpen vorgedrungen, wie jetzt der Fall ist, oder lieferte Südfrankreich das beste Öl und besaß Spanien seine Olivenwälder!

Dasselbe ist mit dem Feigenbaum der Fall. Mit dem Vorschreiten der Kultur aus Griechenland nach Italien wanderte mit ihr ein anderes Klima und damit auch dieser Baum ein. Dies ist der beste Teil klimatischer Änderung und günstig, wenn es dabei stehen bliebe, – aber es schreitet die Veränderung fort, bis sie in die schädliche Wirkung eintritt.

Link meint zum Schluss seiner Abhandlung: „die Erde habe in der geschichtlichen Zeit durchaus keine bedeutende Veränderung erlitten, ja nicht einmal ihre Witterung habe sich bedeutend verändert.“ Es kommt aber darauf an, was man unter bedeutend versteht, ob nur großartige, die Form der ganzen Erdkugel betreffende Veränderungen oder auch jene, welche die Existenz organischer Körper und des Menschen insbesondere wesentlich angreifen, und jene Bedingungen vorteilhafter geistiger Entwicklung aufheben können, welche v. Humboldt schon für die Länder zwischen den 40 und 50° Br. in Anspruch nimmt.

Mit ebensoviel Geist als Wahrheit hat eben derselbe Forscher den Umstand der schnellsten Wärmeabnahme zwischen dem 40° der Breite als günstig für den Kulturzustand der Völker bezeichnet, insofern dadurch größere Mannigfaltigkeit der Produktion ermöglicht werde. Indessen auch diese Zugabe zu den vielen diesen Breiten verliehenen Gunstbezeugungen der die geistige Entwicklung fördernden Mächte wird mit Verlust bedroht, wenn man den jetzigen Zustand derselben mit ihrem früheren vergleicht, wenn namentlich das Resultat jener Vorteile, die natürliche Produktion, in eine Parallele gestellt wird, deren Glieder durch möglichst größte Zeiträume auseinander gehalten werden, denn wir halten dafür, dass nur durch Vergleiche in sehr großen Zeiträumen irgend erhebliche Resultate gewonnen werden. – Wir glauben aber auch zugleich, dass unsere Geschichtsdaten hierfür nur sehr kleine Zeiträume der Erdgeschichte und zwar nach ihrer letzten großartigen und ungewöhnlichen Umänderung umfassen, dass ebendeshalb auch die interessantesten Resultate der naturhistorischen Zeitgeschichte sich nur aus Analogie erschließen Massen, dennoch aber schon viel interessantere, als man gewöhnlich glaubt, auf historischem Grunde gewonnen werden.
Schnittlauch, Zwiebel

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Vogelbeere

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Weinstock

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Wilder Reis, Scheidenblütengras

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Wurmfarn

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Zweizeilige Gerste

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