Kleine Historische Schriften - Band I. - 08 Luthers Lehre von der Obrigkeit*)

Vom Werden der Nationen
Autor: Lenz, Max (*1850 in Greifswald-†1932 in Berlin) Historiker, Professor, Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, Erscheinungsjahr: 1894
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Reformation, Reformationszeit, Reformator, Humanist, Epoche, Gesellschaft, Humanismus, Aufklärung, Glauben, Religion, Luther, Schutzherr, Rebell, Nation,
Inhaltsverzeichnis
  1. Fortsetzung
  2. Fortsetzung
Wir sind es in heutiger Zeit wenig gewohnt, Stimmen des Stolzes über die Gegenwart und des freudigen Vertrauens in die Zukunft zu hören. Und doch fordert dieser Tag, der mit uns die Millionen unserer Brüder von den Alpen bis ans Meer und über die Meere hin festlich vereinigt, wenn irgend einer, von uns, dass wir uns des Besitzes freuen und unter der starken Hand unseres kaiserlichen Herrn unverzagt den Stürmen entgegensehen, die der dunkle Schoß der Zukunft bergen mag. Gestatten Sie mir darum, dass ich Ihre Blicke zurücklenke in die größte Zeit unserer Geschichte, da der Keim in den Boden der Nation gesenkt wurde, aus dem der Baum erwuchs, der heute ihr Erdreich mit starken Wurzeln ganz durchdringt, in dessen Schatten wir alle wohnen dürfen, und dessen Stamm hoch emporragt über alle Nationen der Erde: vielleicht gelingt es uns, an dem Anblick, den die Werdezeit unserer größten Güter uns gewährt, die Freude am Vaterlande neu zu stärken und den Glauben an seine Zukunft.

*) Rede zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs, gehalten in der Aula der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin.

Wie sehr aber würden wir uns enttäuscht fühlen, wenn wir in der Epoche Martin Luthers das Gefühl selbstsicheren Behagens suchen wollten, das heute jedermann entbehrt! Niemals vielmehr gab es eine Zeit größerer Unruhe, verwegenerer Gedanken, stürmischerer Leidenschaften; niemals sind die Klagen und Anklagen von den Parteien rücksichtsloser erhoben worden; und niemals in der Tat wurde unser Volk gewaltiger erschüttert als in dem chaotischen Zeitalter der Reformation. Denn da die geistliche Gewalt, welche jedes Leben von der Taufe bis zum Tode mit den Sakramenten umstrickt hielt und darum erst allen Ordnungen in Staat und Gesellschaft das Gepräge gab, in ihrem Grundgedanken geleugnet, ja für die Umkehrung des reinen Christentums erklärt wurde, musste freilich die Welt in den Tiefen ergriffen und, wo immer die Umwälzung gelang, im Innersten verwandelt werden. Und so kam es bei uns in Deutschland zu der Auflösung aller Ordnungen der alten Kirche, zu der Revolte des Rittertums, zu der ebenso gedankenarmen wie unheilvollen Empörung der Bauern, zu den kommunistischen Sekten mit ihren anarchischen und nihilistischen Exzessen, zu hundertjähriger mörderischer Feindschaft zwischen Kaisertum und Ständen, zur Ausbildung der Territorien in souveräne Staaten — und in den ewigen Fragen zur dauernden Trennung der Nation. In allen diesen Erschütterungen, welche vom deutschen Boden sich zu den benachbarten Nationen verbreiteten und weiterhin auch die fremden Erdteile ergriffen, wirkten tausendfach unreligiöse Momente mit: aber nirgends fehlte die Beziehung zu jener Grundfrage des Zeitalters; und diese allein bildet den Gesichtspunkt, unter dem die Gesamtheit der Erscheinungen, das allgemeine ebenso wie das persönliche Leben, dem Historiker erst sichtbar und verständlich wird. Heute, wo sich, von obenhin gesehen, die Weltbewegung in der Sonderung der Nationen oder in dem Kampf der Klassen zu vollziehen scheint, wo nur noch wirtschaftliche Fragen (möchte man fast sagen) als die internationalen gelten sollen, wo man selbst die Wissenschaften, die Geisteswissenschaften wenigstens nicht mehr durchweg und ausschließlich nach universalen Gesichtspunkten regeln möchte, wird es uns schwer, die durchschlagende Gewalt zu begreifen, womit sich damals die Frage nach des Lebens tiefstem Rätsel in den Vordergrund jedes Daseins drängte. Wie fremdartig muten uns zum Beispiel die geistlichen Kongresse an, welche von dem ersten Auftreten Luthers ab auf allen Schauplätzen der Bewegung so zahllos zusammenkamen, um die brennende Frage zu vermitteln oder zu entscheiden! Von den Machthabern werden sie veranstaltet; Kaiser oder Könige, deutsche Fürsten und Stadtmagistrate laden dazu ein, sichern den Parteien das Geleit, stellen das Präsidium oder treten selbst in die Schranken; bisweilen kommt auch von Rom ein Legat herbei: aber die Wortführer sind immer die Gelehrten, die Schulhäupter auf beiden Seiten. In lateinischer Sprache, unter den gewohnten Formen schulmäßiger Dialektik wenden sie in leidenschaftlicher Debatte die scharfgeschliffenen Dogmen hin und her — Formeln, deren Differenzen der Masse gutes Teils unverständlich oder gleichgültig geworden sind, an denen uns Modernen oft das Gemeinsame einer gleichgearteten Zeitanschauung fast mehr entgegentritt als dasjenige, was sie trennte: damals aber folgten dem Wortgefechte die Fürsten und ihre Räte mit gespannter Sorge, und an den Dekreten der Theologen hingen die Geschicke der Staaten und das Leben der Nationen.

Wer waren denn diese Männer, deren Theorien so gewaltig auf das irdische Getriebe einwirkten? Wir finden sie geschart aus allen Nationen und allen Ständen. Bei uns in Deutschland sind es in der Regel Söhne von Bürgern oder Bauern, ausgetretene Mönche, Pfarrer, Professoren, unter den Fremden oft höhere geistliche Würdenträger und Träger vornehmster Namen. Meist waren sie durch die humanistische Schulung gegangen. Alle waren von der Kirche gebannt, viele daheim geächtet, von ihrer Familie verstoßen, von Land zu Land gejagt. Und wie mancher hat das furchtbare Los auf sich nehmen müssen, das in dem Schlachtgesang unserer Reformation die Streiter Christi sich erwählen, Leib, Gut, Ehr', Kind und Weib dahinzugehen, um dem Reiche Gottes treu zu bleiben! Denn vor der beherrschenden Idee tritt ihnen alles zurück, was das Leben teuer macht: Freundschaft und Vaterland, bürgerliche Ehre und alle irdischen Güter, ja die Familie selbst. Das Bekenntnis macht aus ihnen und den Ihrigen ein Volk und ein Lager: mit lebendigem Anteil verfolgen sie zwar jedes politische Ereignis in dem ganzen Umkreise der Christenheit — aber immer nur unter dem Gesichtspunkt des großen Kampfes, dem ihr Leben geweiht ist.

Und dennoch wurden die Träger eines so ganz persönlichen und universal gerichteten Prinzips die Erwecker ihrer Nationen. Niemals vergaßen die Italiener Occhino und Vergerio, der Pole Lasco und der Spanier Enzinas ihrer Heimat; alle ihre Gedanken richteten Calvin und Beza auf die Unterwerfung Frankreichs; nur das Rüstzeug holte sich John Knox in Genf, um seine schottischen Berge zu erobern, und mit ihnen die Schüler, die von dort in alle Welt hinausgingen. Nicht alle haben das Ziel erreicht: Frankreich und Polen wurden nur halb erobert und wieder verloren; Ungarn und Deutschland blieben gespalten; und mit Leichtigkeit zertrat die Inquisition in Spanien und Italien die wenigen Funken des neuen Glaubens. Wo sie aber zum Ziel gelangten, folgte den Reformatoren auf dem Fuße eine Epoche nationaler Größe. So in dem England Elisabeths und Shakespeares, Cromwells und Miltons; so unter Gustav Adolf in Schweden; so ward in Holland Staat und Volk durch die neuen Ideen recht eigentlich erst erschaffen; und unvertilgbar sind bis heute in der amerikanischen Nation die typischen Züge geblieben, welche die Pilgerväter von jenen Küsten her der fremden Erde brachten. Und ziehen wir die Summe der Entwicklung seither, so hegt es ja vor aller Augen, wem der Sieg geblieben ist. Schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts war der Kampf entschieden. Heute erstreckt sich die Kultur der protestantischen Nationen rund um die Erde; die weltgeschichtliche Führung liegt in ihren Händen.

Von hier aus begreift sich das Interesse, womit man nach dem Verhältnis der reformatorischen Doktrinen zu dem Begriff der politischen Gewalt geforscht hat. Eine Frage, die recht verschieden beantwortet wurde und in der Tat nicht so ganz leicht zu entscheiden ist, schon darum nicht, weil jene Theoretiker selbst solche Spekulationen nur in zweiter Linie anstellten. Ihre Gedanken richteten sich zunächst immer auf die Sphäre der Religion, auf das Gebiet der Kirche, das sie von der Befleckung durch irdische Zwecke reinigen wollten: gerade in der Beseitigung der Welt Verwirrung, die dadurch entstanden sei, sahen sie ihre Aufgabe: dies war die Welt des Antichrist, die sie bekämpften.

So hat auch Martin Luther die Lostrennung des Reiches Gottes von dem der Welt als seine Aufgabe betont und immer behauptet, dass nur sein Evangelium sie ermögliche. Freilich hat er selbst es eine große Kunst genannt, diese zween Reiche wohl zu unterscheiden: es seien wenige, die es recht treffen könnten. Machen wir dennoch den Versuch, in genauer Auslegung seiner Gedanken Ursprung, Umfang und Zweck zu bestimmen, die er der politischen Gewalt hat geben wollen, um sie in Einklang mit seiner Kirche zu bringen.

Niemals aber werden wir auch mir einen Gedanken Luthers verstehen lernen, wenn wir nicht an die rechte Schmiede gehen, zurück in die Klostermauern, in die Zeit, da der junge Mönch in vulkanischem Ringen sich die Waffe schuf, womit er die alte Welt zerstörte und seinem Gotte die Bahn brach; da er sein geistiges Zentrum fand, in dem ihm alles, Lehre und Leben, wurzelte und also auch seine Vorstellungen über Wesen und Recht der politischen Ordnungen ruhen müssen. So wenig es nun meine Aufgabe sein kann, jenen Kampf zu schildern, lässt es sich doch nicht umgehen, die Verbindungslinie anzudeuten, die von Luthers Grundidee zu seinen politischen Vorstellungen hinüber führte. Luther wollte, wie jedermann weiß, zu Gott kommen, zu dem Gott, den die Philosophie ihm als den Unergründlichen, Namenlosen, Ewigverhüllten, als die absolute Willkür bezeichnete, und der dennoch auf allen Gassen verkündigt, im Kultus und allen Ordnungen der Kirche sinnlich, sichtbar, greifbar gemacht, in tausendfacher Verwandlung ihm angetragen, aufgedrängt, im Sakrament verbrodet eingeprägt wurde. Dass dies der Gott sei, den er suche, bestätigte seinem Gottesdurste die Philosophie: Gehorsam war ihr letzter Schluss; was der Intelligenz unmöglich war, vollbrachte die Gabe, das Opfer, das Werk — und die Unterwerfung. Dann aber öffneten sich die Pforten, und die Hallen taten sich auf, um den Millionen Unterkunft zu bieten, jedem Beladenen Platz und Tröstung zu geben: jedes Rätsel schien fortan gelöst, jeder Wunsch befriedigt; von Stufe zu Stufe ging es aufwärts zu den seligen Chören. Als Luther ins Kloster ging, tat er darum nichts anderes als die Millionen vor ihm und nach ihm; und man weiß, dass er nichts unversucht gelassen hat in Verleugnung der Erdenlust und in Unterwerfung unter die Kirche, wie im Studium ihrer Bücher, um den Einklang zwischen ihrem Gott und dem seiner Philosophie zu gewinnen. Aber was allen gelang, ward ihm versagt: Gott ließ sich von ihm nicht fesseln, blieb unergründlich, unbeweglich für ihn und tot. Da packten ihn die Ängste, von denen er später gesagt hat, dass keine Zunge sie aussprechen, keine Feder sie beschreiben, kein Mensch ohne Erfahrung daran glauben könne: das Gefühl der Gottverlassenheit, völliger Einsamkeit, des Schwebens zwischen Himmel und Erde. Doch da war kein Aufhalten. Immer weiter wich Gott ihm aus den Formen hinweg, die er angezogen haben sollte: aus Gebräuchen und Verfassung, allen Gaben und Verheißungen der Kirche, aus ihren Reliquien, ja schon auch aus ihren Sakramenten; und nichts mehr blieb übrig, woran die Seele sich klammern konnte, um den Höchsten zu ergreifen; nackt und bloß, frei wie die Blume auf dem Felde stand sie vor der fessellosen Allmacht. Bis endlich aus unnennbaren Agonien sich in dem Mönch die Idee hindurchrang, dass dies und nichts anderes Gottes Wille sei, dass er der fessellos Allmächtige bleiben wolle und doch allgütig sei, dass er vergeben wolle, statt zu zürnen, und nichts verlange als das herzliche Vertrauen des Sünders auf seine in Christus offenbarte Gnade. Da begann für Luther der Namenlose Gestalt zu gewinnen, und der Unbewegliche ward ihm lebendig. Mitten im Kampf und in der Sünde war Gott in Christus ihm ganz gegenwärtig.

Indem er sich aber der Ohnmacht seines Willens vor der göttlichen Allmacht und der Nutzlosigkeit aller Werke der Entsagung bewusst wurde, war ihm schon der Wertunterschied entschwunden, den die Kirche zwischen dem Genuss des irdischen Lebens und dem Verzicht darauf machte; und indem er die Nähe des erbarmenden Gottes mitten im Kampf unmittelbar empfand, sanken zugleich die dunkeln Schatten vor ihm hinweg, mit denen jene Lehre das Erdendasein umhüllt hatte, und wuchs alle Kreatur gleichsam mit ihm, wie von neuem Lichte Übergossen, Gottes Angesichte frei entgegen. Hier stoßen wir auf den Begriff, den wir suchen, der Gottesordnung in der dem Menschen anbefohlenen, zu rechtem Gebrauch unterworfenen Schöpfung. Es ist der Korrelatbegriff zu Luthers Grundidee und ihr unmittelbares Ergebnis; niemals hat er ihn wieder aufgegeben. Gott, der in freier Allmacht Allgütige, ist es auch seiner Kreatur gegenüber, als ihr Schöpfer, ihr Former und Ordner, „ein ewiger Quellbrunn, der sich mit eitel Güte übergeußt, und von dem alles, was gut ist und heißet, ausfleußt“. „Alle Kreaturen sind Gottes Heer.“ Es ist das ganze Reich irdischer Güter und Notwendigkeiten: weitab von Gottes Wort, das nicht Zeit noch Stätte kennt, aber ebenso unmittelbar an Gottes Willen geknüpft und Ausdruck seiner Gnade, nach seinem „Rate“ da, seine „heimliche Ordnung“, und darum voll ursprünglichen Lebens: der Verkehrung, dem sündigen Gebrauche tausendfach ausgesetzt, aber in Ursprung und Beruf wohlgefällig dem Schöpfer: dem Tode verfallen, dem Wechsel unterworfen, fernab von dem Höchsten, ein Nichts vor ihm und seinem Worte, ohne Macht, ihn je von sich aus zu erreichen oder in sich hinabzuziehen — und dennoch ruhend in seiner Hand, Lobpreisung seines Namens: „Larven Gottes“: nirgends ist Gott in ihnen und steht doch hinter allem.

An diesem Ort wird der Abgrund, den Luthers Grundidee zwischen ihm und der Hierarchie aufgetan hatte, besonders sichtbar, da diese ja die wahre Heiligung, die rechte Gottesnähe erst in die Abtötung des kreatürlichen Lebens als des Bereiches der Sünde setzt. Luther aber nennt es eine Vermessenheit, die Güter, welche wir von Gott durch seine Kreaturen als seine „Handröhren und Mittel“ empfangen, auszuschlagen und „andere Weise und Wege zu suchen, denn Gott befohlen hat. Denn das hieße nicht von Gott empfangen, sondern von ihm gesucht.“ Keine Brücke führt von der Höhe dieser Weltanschauung auf das alte Ufer hinüber, und kein Gleichklang der Namen und überlieferter Formen wird jemals darüber hinwegtäuschen können.

Indem Luther nun in den Bereich der gottgewollten irdischen Existenz, irdischer Güter und Zwecke auch, alle sozialen Ordnungen — Besitz, Ehe und obrigkeitliche Gewalt — einfügte, hatte er bereits den Staatsbegriff der Hierarchie zerstört, die ihn nur, wenn er sich der Kirche unterordnet, als gottgeweiht anerkennt und ihn lieber ohne Gott wünscht, als ihrem Willen widerstrebend. Luther leugnet, dass die Obrigkeit von sich aus irgend etwas mit dem Christentum zu schaffen habe; und dennoch, sagt er, ist sie göttlichen Rechtes, von Gottes Gnaden, durch seine Zulassung, seinen Schöpf er willen da, irdische Notwendigkeit, für die menschliche Bedürftigkeit gegeben: und in der Erfüllung dieses Berufes tut sie Gottes Willen. Es ist also nicht wahr, dass Luther der Obrigkeit an sich vorschreibt, irgendetwas für die sittliche Besserung, die Erziehung der Untertanen zum Reiche Gottes zu leisten. Ihr Amt ist es lediglich, den Frieden zu erhalten, die Guten zu schützen, die Bösen zu strafen, das Recht zu wahren, die irdische Wohlfahrt zu fördern. Dazu hat sie die Gewalt, das Schwert. Das ist ihr Rechtsboden vor Gott, sie bedarf keines besseren. Ihr Reich ist ein Reich des Zornes, ein rechter Vorbote des Endchristes; sie kann die Strafe nicht vergeben, sondern höchstens sie feiern lassen. So weit ist der Abstand menschlicher von göttlicher Gnade. Darum kann die politische Ordnung an sich niemals das Ideal werden der menschlichen Entwicklung; denn ihre Funktion ist nur negativ, Notwehr gegen das Elend und die Bosheit. Das ideale Ziel Luthers wäre Staatslosigkeit; es ist auf Erden so unerreichbar, wie wenn man Essen und Trinken entbehren wollte. Welche Form die Gewalt hat, ob Monarchie, ob Republik, ist gleichgültig: nur dass das Amt überall an Personen geknüpft ist, vom Herrscher bis zum letzten Büttel herab: alle Beamten, die im Namen des Schwertes handeln, Verwalter und Richter, Soldaten und Henker, jeder ist persönlich Gott verantwortlich und vor Gott gerecht im Sinne seines Amtes.

Mit Vorliebe nimmt Luther, der es sich immer als Verdienst angerechnet hat, der Obrigkeit dies „göttliche natürliche Rechte“ erstritten zu haben, seine Beispiele aus dem Heidentum, von dem Jäger Nimrod, den alten Römern, den Türken. Gleichgültig ist ihm der historische Ursprung der Gewalt. Die Türken sind Räuber; wir Deutschen selbst besitzen im Kaisertum gestohlenes Gut: der Papst hat es dem rechten Herrn entwandt und uns geschenkt: dennoch haben wir es jetzt, durch Gottes Zulassung, zu Recht. Vor ihm ist ja die weltliche Macht dem Staube gleich; leicht ist es ihm, die Reiche der Erde durcheinander zu werfen; er gibt sie, wem er will, wie er Reichtum gibt und Armut, Gesundheit und Krankheit: alles aus Gnaden — und wer will sagen, wo die größere Gnade sei? Wer also will Gott widerstreben, und nicht vielmehr herbeieilen, um dem Schwert, das er gesetzt hat, zu helfen! Alles ist dabei Gottes Dienst: wer den Mörder straft, den Rebellen niederschlägt, den Feind abwehrt, wer dem Rechte hilft, erfüllt Gottes Willen; also, dass man so mit Blutvergießen den Himmel besser verdienen kann denn andere mit Beten.

Lenz, Max (1850 in Greifswald-1932) Historiker

Lenz, Max (1850 in Greifswald-1932) Historiker

01. Luther in 1526

01. Luther in 1526

RA 002 Luther

RA 002 Luther

RA 022 Luther Martin

RA 022 Luther Martin

05. Bronze Statue of Martin Luther in Eisleben

05. Bronze Statue of Martin Luther in Eisleben