Kleine Historische Schriften - Band I. - 07 Martin Luther

Vom Werden der Nationen
Autor: Lenz, Max (*1850 in Greifswald-†1932 in Berlin) Historiker, Professor, Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, Erscheinungsjahr: 1904
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Reformation, Reformationszeit, Reformator, Reichsritter, Hutten, Humanist, Humanismus, Aufklärung, Glauben, Religion, Luther, Schutzherr, Rebell,
Als der Reformator der Kirche, der Gründer der gereinigten, der ihrer selbst gewissen, männlichen Religion, als der Erwecker evangelischer Freiheit, so hat Martin Luther von jeher der Mitwelt und Nachwelt, soweit sie ihm gehuldigt, vor Augen gestanden. Als der ärgste der Revolutionäre, der Zerstörer aller göttlichen und sittlichen Ordnungen, der Vater des Nihilismus und jeder Zügellosigkeit, als der Erzketzer gilt er bis heute allen seinen Feinden.

Wohin werden wir, wird sich die Historie, der nichts verhasster ist als die Parteiung, mit ihrem Urteil stellen?

Schauen wir die Ereignisse an, welche, sei es die Folge, sei es die Begleiterscheinung der Lehre Luthers waren, so müssen wir in der Tat bekennen, dass die romanisch-germanische Völkerwelt niemals eine Umwälzung von gleichem Umfang und gleicher Tiefe erlebt hat, seitdem sie sich auf den Trümmern des römischen Weltreiches erhob. Was wollen gegen die Katastrophen, die sich an das Auftreten dieses deutschen Bettelmönches anschließen, die Taten und Schöpfungen der Staatsmänner und Feldherren besagen, die seither die Welt mit dem Glanze ihres Namens erfüllt haben! Die große französische Revolution, wie tief sie Frankreich und in ihren Folgen Europa umgewühlt haben mag, in die Tiefe des Zwiespaltes, den das 16. Jahrhundert gerissen, griff sie nicht hinab; nichts glich sie darin aus, wie sehr sie darum bemüht war, sondern sie konnte ihn nur vergrößern: an dem Felsgestein der Kirche scheiterte ihre Kraft; und weil die Kirche stärker war als sie, ist der Staat, den sie bauen wollte, bis heute unfertig geblieben. Und ist es uns Deutschen anders gegangen? Dahin sind alle Hoffnungen, alle Versuche früherer Zeiten, den Zwist der Geister in einem höheren, freieren Gottes- und Menschheitsbewusstsein auszugleichen.

Es ist wahr, schon vor Luther hatten sich in dem System und in der Weltanschauung der mittelalterlichen Hierarchie Risse gezeigt, die einen nahen Zusammenbruch ahnen ließen: die auf dem Boden der Antike erwachsene Bildung hatte weite Kreise ergriffen und mit Verachtung gegen den in den Schulen herrschenden Geist erfüllt, tiefgreifende Reformen waren versucht worden, und revolutionäre Stöße hatten das gesamte Gefüge erschüttert. Aber hatte alles dieses vermocht, auch nur ein Steinchen aus dem Wunderbau zu lösen? War irgendein Dogma abgeschafft, der Kultus vereinfacht, die Inquisition gemildert, die Scheiterhaufen ausgelöscht, das Heer der Kuttenträger, die Scharen der Gläubigen verringert? Wurde weniger gewallt und gebetet, Reliquien gesammelt und Ablass gekauft, weniger eifrig an Kirchen und Kapellen gebaut, weniger Geld für Kirchenbilder und Altäre und tausend fromme Stiftungen fortgegeben ? Hatte in Italien selbst, in dem Italien Savonarolas, die Bildung der Renaissance den Kreis der Auserwählten überschritten? Hatte sie bereits an das Herz des Volkes gerührt, verflachend oder zersetzend auf seine religiöse Phantasie oder auch nur mäßigend und korrigierend auf die Ansprüche der Hierarchie eingewirkt ? Niemals vielmehr, man darf es aussprechen, ist die Papstkirche einheitlicher regiert und ihre Ruhe von außen weniger gestört worden als unter der Regierung der Rovere und der Borgia. Die stürmischen Zeiten des Schismas und der Reformkonzilien, wiclifitischer und hussitischer Ketzerei waren vorüber; durch Konkordate hatte Rom sich der großen Mächte versichert; die kleinen Gewalten hielt es unter dem Daumen. Eben jetzt erhielt der katholische Genius in dem Aufschwung der iberischen Nationen einen gewaltigen Zuwachs; unter ihrer Führung überschritt er den Ozean, und der Schiedsspruch des Papstes teilte zwischen ihnen die Neue Welt auf. Welch ein Abstand Roms unter
Julius II. von dem Rom Cola Rienzis! Damals eine Beute der Fremden und der Anarchie, eine Stätte der Verwüstung und des Unglücks, war die Stadt der Cäsaren wieder das goldene Rom geworden. Eine Macht, die auch von den Großen respektiert wurde, finanziell kräftiger als jede andere, so dehnte sich der Staat der Kirche von Meer zu Meer. Anstatt das Papsttum zu zerstören, hatte die Renaissance den Glanz der Kirche nur erhöht. Aller Feinde war diese mächtig geworden, und ein nie gekanntes Gefühl der Sicherheit hielt an der Kurie seinen Einzug: „Lasst uns“, so sprach der Mediceer, als er zur dreifachen Krone erwählt war, „das Papsttum genießen, welches Gott uns gegeben hat.“

Ob nun Luther selbst gewusst hat, was er tat, als er seine Bauernfaust gegen diese Herrlichkeit erhob? Ob er ahnte, dass die Feder, mit der er die Thesen niederschrieb, so wie es jene Legende von dem Traum seines Kurfürsten erzählt, weiter wachsen und die Krone des Nachfolgers Petri selbst ins Wanken bringen würde? Gewöhnlich wird es geleugnet: auch Luther habe den Handel nicht viel anders als einen Schulstreit aufgefasst und begonnen; wie ja Hutten anfangs wirklich nur einen neuen Zank der Magistri nostri darin hat sehen wollen. Aber nicht so unbewusst seines Tuns ist der Genius. Wie gleich die erste der Thesen mit dem Johanneischen Worte „Tut Buße“ — denn das ganze Leben muss Buße sein — in den Kern der neuen Lehre einführt, so offenbaren diese in mehr als einem Satze das Vollbewusstsein des Reformators von der Kluft, die zwischen seinem Evangelium und dem Leben wie der Lehre des Papstes und seiner Kirche bestand. „Dieser Handel“, so schreibt er seinem Spalatin, noch bevor er sich Johann Eck in Leipzig zum Kampfe stellte, „wird, wenn er von Gott ist, nicht eher enden, als bis, wie Christus seine Jünger, so auch mich alle meine Freunde verlassen und die Wahrheit allein bleibt, welche sich errettet mit ihrer Rechten, nicht mit meiner, nicht mit deiner, noch mit der irgendeines Menschen. Und dass diese Stunde kommen wird, habe ich von Anfang an gewusst.“ Dass er die herrschende Kirche fast in Trümmer schlagen, dass er die halbe Christenheit von ihr losreißen würde, ahnte er freilich nicht. Vielmehr, dass er von aller Welt verlassen werden würde, wie einst der Herr verraten war, meinte er bald zu erleben; und dass Gott allein dann seine Sache hinausführen werde, mächtiger und herrlicher, als es Menschenwitz vermöchte, war seiner Seele Hoffnung.

So wie er nur an sich gedacht, für sich gearbeitet und gerungen hatte, als er ins Kloster ging und die Himmelspforte suchte, nach der ihn die Kirche hinwies. Er hatte dort alles erprobt, um den Weg zu finden, alle Mittel, die ihm der Glaube Roms an die Hand gab: Buße und Beichte, Fasten und Kasteiung und jede Anleitung des Studiums und scholastischer Spekulation, Gehorsam und Ergebung und heiße Gebete, Herzensangst und die Gluten der Ekstase — und nichts hatte helfen wollen: immer ferner nur, immer entrückter allem Menschenwitz und Menschenkraft der Gott, den er suchte, immer breiter und tiefer die Kluft, nicht zu überfliegen und nicht auszumessen, die ihn von seinem Ziele trennte. Bis dann, nicht plötzlich, wie es Sankt Paulus vor Damaskus erlebte, sondern allmählich und mit wachsender Klarheit, und unterbrochen von neuen Kämpfen, die Gewissheit in seiner Seele aufkeimte, dass es gerade der fessellose, der unerforschlich allmächtige Gott sei, der den Tod des Sünders nicht wolle, dass die Worte Gerechtigkeit und Gnade zusammenfallen und in dem „sola fide“ sich reimen. Da hatte er den Boden unter den Füßen, den ihm weder Hölle noch Teufel verrücken konnten. Und käme ein Engel vom Himmel und wollte ihn einen anderen Glauben lehren, auch diesem wird er antworten: sei verflucht!

Diese allerpersönlichste Religiosität, dies Bewusstsein unmittelbarer Abhängigkeit von dem Schöpfer gehörte dazu, um eine so universal gerichtete Religion wie die römisch-katholische zu entwurzeln. Weil die Hierarchie vor allem anderen auf das Individuum ihr Absehen gerichtet hatte, weil sie jedes Einzelleben von der Wiege bis zur Bahre mit ihren Sakramenten siebenfach gebunden, hatte sie ihre Wurzeln so tief in Gesellschaft, Staat und Volkstum hineingetrieben und hielt alles. Persönliches wie Allgemeines, Himmlisches und Irdisches in ihren Stricken. Das war das „babylonische Gefängnis“, aus dem es die Kirche zu befreien galt. Nur wer ein Prinzip aufstellte, das die Seele noch fester an Gott band, sie noch unmittelbarer zu ihm hinführte, ihr eine noch stärkere Gewissheit der Erlösung bot, als es die römische Kirche vermochte, konnte hoffen, den Papst aus seiner Gewalt zu stoßen und (um in der Sprache jener Zeiten zu reden) dem Drachen von Babel die schweren Flügel zu zerbrechen.

Man pflegt wohl den defensiven Charakter der Religion Luthers zu betonen. Und gewiss dachte er noch lange nicht daran, aus dem Kloster herauszugehen, und hätte wohl anfangs der Kirche gerne alles gelassen, was sie besaß, Bistum und Mönchtum und den Papst selbst mit allen seinen Kardinälen. Aber seine Gegenforderung war sogleich, dass man auch ihm sein Bekenntnis gönne. Und das verstand er nicht so, als ob das Licht des Evangeliums nur für ihn selbst, wie das Lämpchen in seiner Klosterzelle, brennen sollte: sondern von Anfang an wollte er es auf den Leuchter stecken und der Welt offenbaren. Den Doktor der Heiligen Schrift ließ er sich nicht nehmen und duldete nicht, dass ihm Junker Tetzel in die Hürde einbrach, die ihm von Gott zu hüten anvertraut war. Auf die Lehre aber kam es der Kirche ebenso an wie ihm; auch sie stellte das Bekenntnis, das Prinzip, von dem ihre Macht und Ansehen abhingen, allem voran. Hätte sie den Ketzer auch tolerieren wollen, so durfte sie es nicht, wenn sie sich treu bleiben wollte.

So begann der Kampf, dessen drei erste Etappen Augsburg, Leipzig und Worms waren. In wenig mehr als drei Jahren war Luther dorthin gelangt, wo er sich im Geiste von Anfang an gesehen hatte: verlassen „wie die Blume auf dem Felde“ stand er vor seinen Richtern. Dem Bann der Kirche folgte die Acht des Reiches. Der fromme Kurfürst, dem er Trost in die Seele gesenkt, den er ganz für sich gewonnen hatte — vor der Welt musste auch dieser seinen Doktor Martinus verleugnen. Das Martyrium brauchte Luther darum nicht zu fürchten; ja, die Romanisten hatten fast eher um ihre Haut zu sorgen als er. Die Masse der Nation erblickte in ihm ihren Führer, und die Stände des Reiches dachten eher daran, ihn zu benutzen als zu bestrafen. Sie bauten ihm zum Rückzuge goldene Brücken, und nur, weil er, nicht rechts noch links blickend, unerschütterlich bei seinem Glauben blieb, wurde er schließlich nach Kirchen und Reichsrecht verurteilt. Ihn selbst bekümmerte es fast, dass er für sein Bekenntnis nicht, wie die alten Väter, mit seinem Blute zeugen durfte, dass er sich seinen Richtern, nachdem er ihnen den Hals dargeboten hatte, entziehen sollte, und ungern gab er dem Drängen seiner Freunde nach, die ihn auf der Wartburg verbargen. Die Ängste, die er empfand, gingen nach einer ganz anderen Richtung. In dem Beifall der Menge, der ihn umdröhnte, in den Begehrlichkeiten, die überallher aufschossen, in der Ohnmacht der kirchlichen Gegner selbst und dem Hass, der sie plötzlich umloderte, vernahm sein geschärftes Ohr ein neues Wüten des Satans, das Getöse des Aufruhrs.

Von hier aus muss man den Blick auf den Reformator richten, um ihn in seiner vollen Größe zu erfassen. Die Geister, die nun entbunden wurden, hatte er wahrlich nicht gerufen, und nichts wurde ihm leichter, als ihnen abzusagen und den Unterschied zwischen ihren und seinen Wegen aufzudecken. Seine Freunde in Wittenberg waren ratlos, als ihnen Thomas Münzers Gesellen aus Zwickau das Evangelium von der Freiheit des Christenmenschen nach ihrer Weise vortrugen: Luther aber erkannte die Art der neuen Propheten, ohne sie nur mit einem Auge gesehen zu haben. „Erforsche“, so schreibt er von der Wartburg seinem Magister Philippus, „ihren eigenen Geist, frage, ob sie die geistlichen Ängste, die göttlichen Wehen, Tod und Hölle gefühlt haben. Und schildern sie Dir ihre Empfindungen als friedfertig und erquickend, andächtig und gelassen, so verwirf sie, und wenn sie sagen, dass sie in den dritten Himmel entrückt seien. Weil ihnen dann das Zeichen des Menschensohnes fehlt, der einzige Prüfstein für die Christen, der die Geister sicher unterscheiden lehrt. Willst Du wissen Ort und Zeit und Art der göttlichen Gespräche? So höre: Wie der Löwe, so hat er meine Gebeine zerschmettert; und: Ich bin verworfen vor deinen Augen; und: Meine Seele ist mit Pein erfüllet, mein Dasein mit Vorgeschmack der Hölle. Nicht so unmittelbar, dass der Mensch ihn sehe, spricht Gottes Majestät zu ihm — nein: Nicht sehen wird mich der Mensch, und wird leben. Nicht einen Funken seiner Rede erträgt die Kreatur. Denn deshalb spricht er durch die Menschen, weil wir alle es nicht ertragen könnten, wenn er selber spräche.“

Diese Teufel (er kannte sie nur zu wohl) fochten Luther nicht mehr an. Es waren andere Sorgen, mit denen er sich quälte. War es nicht seine Lehre, unter deren Anhauch die Welt eines Jahrtausends zusammenstürzte? War er allein auf dem rechten Wege? Durfte er noch weiter die Schleusen der Zerstörung öffnen? „Wie oft“, schreibt er seinen Augustinern zu Wittenberg, „hat mein Herz gezappelt, mich gestraft, und mir furgeworfen ihr einig stärkist Argument: Du bist allein klug? Sollten die andern alle irren und so eine lange Zeit geirrt haben? Wie, wenn du irrest und so viel Leute im Irrtum verführest, welche alle ewiglich verdammet würden ? Bis so lang, dass mich Christus mit seinem einigen gewissen Wort befestiget und bestätiget hat, dass mein Herz nicht mehr zappelt, sondern sich widder diese Argument der Papisten als ein steinern Ufer widder die Wellen auflehnt und ihr Dräuen und Stürmen verlachet.“

Und soweit die Stimme Luthers und der Wille der Fürsten, die ihm ihren Arm liehen, reichten, ward wohl die Ruhe gewahrt oder wiederhergestellt und blühte die Saat des Evangeliums fröhlich auf. Aber den Zerfall des Reiches konnte er so wenig aufhalten wie den der Kirche. Nicht zur Einigkeit, sondern zur Zerspaltung der Nation führte schließlich sein Evangelium; es ward zur Fahne einer politischen Partei; und statt die Weltkirche zu erfüllen, fand es zwischen den engen Mauern der Landeskirche dürftige Pflege. In ihrem Dienste hat auch Luther fortan gestanden. Unermüdlich hat er an ihrem Aufbau gearbeitet, auf der Kanzel und dem Katheder, in Gottesdienst und Seelsorge, mit seinen Kirchenliedern und Katechismen, Sermonen und Postillen, und nicht am wenigsten durch das Beispiel seiner in Gott geführten gesegneten Ehe. Immer noch wurde sein Rat in den Angelegenheiten seiner Kirche vor andern gehört; unter den gemeinsamen Kundgebungen der Partei stand sein Name an erster Stelle. Aber neben ihm kamen andere Lehrer auf, mit einer wachsenden Zahl von Schülern und Anhängern auch Gegner und Rivalen. Ein jeder Prädikant nahm etwas von der Natur des Bodens an, auf dem er gerade stand. Auch Luther blieb nicht von den Einflüssen seiner Umgebung, der Engigkeit sächsischer Staatsinteressen unberührt. Männer, die, wie Ulrich Zwingli und Martin Bucer, an Plätzen wirkten, welche der Gefahr mehr ausgesetzt, den großen Strömungen der Politik näher lagen, erwiesen sich wohl nicht nur als weltverständiger, sondern auch als freisinniger; in der freieren Luft gewannen sie einen weiteren Gesichtskreis.

In der Tiefe aber war Luther kein anderer geworden. Und wer da sagt, dass der Reformator durch die Revolution in die überwundenen papistischen Anschauungen zurückgeworfen sei, der hat ihn nicht verstanden. Wie eigensinnig und engherzig er zuzeiten sein mochte, die Kirche des spezifischen Luthertums ist niemals seiner Weisheit letzter Schluss gewesen. Der Entwurf zu einer Reichskirche, den er im Jahre 1545 für die geplante Nationalsynode mit seinen Wittenberger Kollegen unterzeichnete, zeigt noch am Ende seiner Tage die großgedachten Züge einer Kirchenverfassung, wie sie ihm auf der Höhe seines Lebens vorgeschwebt hatte. Dass der freie Zusammenschluss der Gläubigen zur Gemeinde die beste Form der Kirche sei, blieb seine Überzeugung allezeit. Freilich hatten der Herr Omnes und das Heer der Rottengeister ihn gelehrt, dass der Teufel allzu leicht, wenn der Acker ungepflegt und ungeschützt bleibt, seinen Samen zwischen den Weizen sät. Jede Form der Kirche hatte für ihn nur so weit Wert, als sie der gläubigen Seele den Zugang zu Gott öffnet. Er konnte sich sehr wohl ein Leben in Gott denken, für das es einer Kirche gar nicht mehr bedürfe. Vor allem der Gegensatz gegen den Antichrist zu Rom blieb ihm sein Leben lang vor Augen. Diesem gegenüber kannte er kein Kompromiss, und der Gedanke, einen Bund mit den Papisten, und wäre es gegen den Teufel selbst, zu schließen, wäre ihm Blasphemie gewesen. Das „Erhalt uns Gott bei deinem Wort und steur' des Papst und Türken Mord“ blieb der Grundton seines Lebens. Er war bis zuletzt der Kämpfer, als der er auf den Plan getreten war.

Man sieht nun wohl: nicht so leicht zu entscheiden ist die Frage, die wir an die Spitze stellten. Und solange man die Begriffe Reformation und Revolution einander schroff entgegensetzt, wird man sich schwerlich einigen. Keine Idee, welche Menschen zusammengeführt, Herrschaft über die Gemüter und Form in der Welt gewonnen hat, kam kampflos zum Siege. Wo Menschen bauen, müssen sie zunächst zerstören, und niemals bisher hat bloße Überzeugung, Einsicht der Vernunft und guter Wille des Herzens die neuen Ordnungen in Staat und Kirche herausgebildet. Immer noch waren Unruhe und Kampf, ein Heer streitender Leidenschaften und Interessen Folge und begleitende Erscheinung, ja oft genug Weg und Mittel. Um so tiefer wurde der alte Boden aufgewühlt und drang die Zerstörung ein, je mehr der Ideengehalt der Epoche verändert, je stärker das Prinzip getroffen war, das die ältere Weltordnung getragen hatte. Darum sind die Revolutionen immer die größten gewesen, die eine Umbildung der Weltanschauung anstrebten und heraufführten. Eine solche Weltumwandlung war diejenige, die an Luthers Namen und Lehre anknüpfte. Auch von ihm gilt das Wort seines Herrn und Meisters: Ich bin nicht in die Welt gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Und nur dem Evangelium selbst kann sich die Reformation in ihren zerstörenden Wirkungen vergleichen. Nur ihm auch in ihrer nachwirkenden, aufbauenden Kraft. Ob und wie jemals die Kluft, die sie riss, ausgefüllt werden wird, liegt heute, wie vor vier Jahrhunderten, im Dunkel der Zukunft, und nur der Glaube, die überzeugende Kraft des Gewissens, vermag heute, wie damals, die Gewissheit des rechten Weges und dereinst des Sieges zu geben.

Lenz, Max (1850 in Greifswald-1932) Historiker

Lenz, Max (1850 in Greifswald-1932) Historiker

01. Luther in 1526

01. Luther in 1526

04. House at Eisleben shown as Luthers Birthplace

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05. Bronze Statue of Martin Luther in Eisleben

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Luther, Anschlag der 95 Thesen

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Luther, Armut

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Luther, Auf dem Sterbebett

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Luther, der Anruf von Gott

Luther, der Anruf von Gott

Luther, der Reichstag zu Worms

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Luther, die Bibel

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Luther, Die Hochzeit

Luther, Die Hochzeit

Luther, die Schule

Luther, die Schule

Luther, Erniedrigung

Luther, Erniedrigung

Luther, Haus- und Familienleben

Luther, Haus- und Familienleben

Luther, Lutherzimmer auf der Wartburg

Luther, Lutherzimmer auf der Wartburg

Luther, Verbrennung der päpstlichen Bulle

Luther, Verbrennung der päpstlichen Bulle

RA 002 Luther

RA 002 Luther

RA 022 Luther Martin

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RA 024 Melanchthon Philipp

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RA 026 Spalatin

RA 026 Spalatin

RA 028 Jonas Justus

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RA 030 Bugenhagen Johannes

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RA 031 1 Brenz Johannnes

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RA 033 Myconius Friedrich

RA 033 Myconius Friedrich

RA 035 Cruziger Caspar

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RA 037 Mathesius Johann

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RA 039 Dietrich Veit

RA 039 Dietrich Veit

RA 041 Camerarius Joachim

RA 041 Camerarius Joachim

RA 043 Eber Paul

RA 043 Eber Paul

RA 045 Moerlin Joachim Dr.

RA 045 Moerlin Joachim Dr.

RA 047 Luther und seine Gattin

RA 047 Luther und seine Gattin