Verlobung und Heirat

Tanz und Schmausereien hätten, so sollte man meinen, dem jungen Kaufmann Gelegenheit genug bieten müssen zur Umschau unter den Töchtern der Stadt behufs Gründung eines eigenen Hausstandes. Das war jedoch nicht der Fall. Die Sorge für Verlobung und Heirat wurde dem zukünftigen Paare von den Eltern abgenommen, nicht nur in bürgerlichen Preisen; sie wurde als ein Geschäft betrachtet, welches nüchtern Und kaufmännisch erledigt sein wollte. Der Rat des nürnberger Barbierers Hans Folz, man solle das Heiraten lassen, wenn man kein Geld habe, wurde ebenso beherzigt, wie der Spruch des ein Jahrhundert älteren Heinrichs des Teichners:

Swer ein wip nemen sol,
der tuot weder minr noch mêr
als ein koufman, der nach lêr
siner friunde koufen tuot.


Männer, die ihr Vermögen durch eigenen Fleiß erworben haben, wie die Mehrzahl der Lübecker Bergenfahrer, können deshalb erst in vorgerückterem Lebensalter zur Ehe schreiten. Sie richten ihr Augenmerk vornehmlich auf wohlhabende Witwen, wie Sarnau für Jakob Lubbe, oder überlegen alles recht reiflich, wie der schon erwähnte Vater des Bürgermeisters Heinrich Brockes*). Nachdem er sich vom Kannengießer zum ansehnlichen Großhändler herausgearbeitet, „hat er viele gute mittel und wege nach seiner gelegenheit gehabt, sich zu verehelichen, ist aber sehr sorgfältig darin gewesen und nicht leichtlich zuplatzen wollen. Endlich im 39. jahre seines lebens hat er sich mit einer Jungfrau eingelassen, welche nicht von grossem reichthum war, aber Wohlgestalt, wohlerzogen und von guten altem und freundschaft. Mit derselben hat er an brautschatz, ingedömt und reschaff bekommen ungefähr 2.000 mark, eins für alle, denn er hat ihretwegen nichts geerbet“. Die Hochzeit kostete 195 Mark (1559).

Bei jüngeren Leuten, sie bildeten die Mehrzahl, verhandelten die Eltern oder die Vormünder häufig durch Mittelspersonen und ohne dass die zu beglückenden Kinder etwas davon wussten. Höhe der Mitgift, Brautschatz, Bestimmungen für den Todesfall mit und ohne Leibeserben wurden eingehend erörtert, und über dem Hin- und Herhandeln verging nicht selten geraume Zeit, bevor eine Vereinbarung zustande kam. Als Hermann Weinsberg derart den einen seiner Brüder glücklich verlobt hatte, saß die Braut bei dem der Verlobung nachfolgenden Essen zwischen den beiden Unverheirateten Geschwistern und erklärte hinterdrein, „sei hab dissen abent tuschen minem broder Christian und Gotschalk nit gewist, wer under in beiden der brüdegam gewest were“!

Solch unbehagliche Lage wird, wie wir hoffen, den Brauten nur selten beschieden gewesen sein. Vielerorten waren sie dagegen geschützt durch die Zerlegung des Verlobungsaktes in zwei oder, wenn man will, drei Teile. Hatten Eltern oder Vormünder sich über alle Punkte geeinigt, so erfolgte zunächst der „Zuschlag“, d. h. die Bedingungen wurden vor Zeugen nochmals mündlich oder schriftlich festgestellt. Diesem „toslach“ folgte der „upslag“, kirchliches Aufgebot und offizieller Verlobungsschmaus, oft nach geraumer Zeit. Bei Franz Wessel lagen vier Monate dazwischen, doch durfte er nach der Stralsunder Ordnung bereits nach dem Zuschlag „up den avent tor brat gan“, ja sogar Gäste in beschränkter Zahl mitbringen, nur musste er spätestens um 11 Uhr sich wieder heimbegeben*). Anderwärts war es Brauch, dass der zukünftige Ehemann, sobald „man der Sachen eins“ war, „der stat trampeter in der nacht musick vur der brut haus spilen“ ließ. Das Nachtständchen vertrat in diesem Falle gewissermaßen die Stelle unserer Verlobungsanzeigen, nur dass sich damit Aufgebot und offizielles Verlobungsessen keineswegs erübrigten. Auf dem Aufgebot, welches erst im 15. Jahrhundert begegnet und im 16. obligatorisch wird, bestand die Kirche; das seit jeher niemals fehlende Essen erheischten die zärtliche Teilnahme und der gute Appetit der beiderseitigen Anverwandten.

Die Hochzeit endlich, die werscop oder brutlacht, pflegte der Verlobungsfeier alsbald nachzufolgen, und die bei beiden Gelegenheiten stattfindenden Festlichkeiten gaben den Räten wiederum Anlass zu eingehenden Ordnungen. Mochten beide, Verlobung und Hochzeit, in den Häusern der Eltern oder auf Rat- und Kaufhäusern oder in den jüngeren, geradezu Hochzeitshäuser genannten

*) In Riga war man strenger. Dort durfte der Bräutigam erst im letzten Monat vor der Hochzeit „samelinge edder trecke maken to der brud“ (Bursprake v. 1384).

Gebäuden gefeiert werden: stets sah man sich von Obrigkeitswegen genötigt, der übermäßigen Prunksucht zu steuern. Sowohl hinsichtlich der Kostbarkeit der Kleidung, Geschenke*) und Trinkgelder als auch bezüglich der Zahl der einzuladenden Gäste, der Menge der aufzutischenden Gerichte und Getränke und der Dauer der Festlichkeiten.

Diese begannen bei der Hochzeit in der Regel mit dem gemeinschaftlichen Besuch einer öffentlichen Badestube. Er entsprach etwa unserem Polterabend. Denn wie die Badestuben, namentlich im 15. und 16. Jahrhundert nicht nur um der Reinlichkeit, sondern auch um der geselligen Unterhaltung willen benutzt und aufgesucht wurden, so wurden auch zum „Brautbade“ Freunde und Freundinnen geladen und mit Speise und Trank bewirtet, worauf gemeiniglich ein Tanz nachfolgte. Am Hochzeitstage dagegen wurde die kirchliche Einsegnung gern am frühen Morgen vollzogen. Sie setzte sich übrigens nur langsam seit dem 13. Jahrhundert durch und hat die Laientrauung erst im 16. Jahrhundert vollständig verdrängen können. Die Kirche verlangte überdies, dass das Brautpaar nüchtern eingesegnet werde, gleichwie der Priester seine erste Messe nüchtern lesen muss; das war jedoch eine zu starke Zumutung, Und mehr Erfolg hatten die weltlichen Obrigkeiten mit ihrer Vorschrift, dass die Brautleute mit Gefolge um 9 Uhr aus dem Hause sein müssten, damit die Frühbewirtung der Verwandten und Freunde nicht zu lange dauere**).

Der Zug zur und von der Kirche gestaltete sich bei allen Ständen so prächtig wie nur möglich, ebenso das Festmahl, welches an die Trauung sich meist unmittelbar anschloss. Bei dem reichlichen Essen sorgten Musik, Gesang und mitunter sogar mimische Darstellungen für zweckmäßige Pausen, und vor allem trat auch hier der Reigen in sein Recht ein. Während des Mahles und vollends nach dem Mahle wurde getanzt. War das letzte Gericht verzehrt, so erfolgte die Darbringung der Hochzeitsgaben,

*) Das angehende Paar beschenkte einander nur mit geringen Gaben. Er widmet ihr meist ein Paar Pantoffeln, sie ihm ein Badehemd und seit dem 16. Jahrhundert auch ein „nesedok“.

**) Die Trauung des einen Bruders von Hermann Weinsberg erfolgte allerdings 1554 „des morgens seir froe, umb 4 uren“, aber Weinsberg hebt es auch als Ausnahme hervor.


auch sie schon früh Gegenstände wetteifernden Aufwandes, für den man sich an Speise und Trank schadlos zu halten suchte*).

War über alle dem der Abend herangekommen, so wurde das junge Paar von den Eltern und in der Regel von der gesamten Hochzeitsgesellschaft nach Hause in die Brautkammer geleitet, bei hellem Kerzen- oder Fackellicht und unter Vorantritt der Spielleute. Die alte rechtliche Bedeutung dieser Sitte war in unserer Periode dem Bewusstsein der meisten wohl bereits entschwunden, aber der Brauch hat sich, wiewohl modifiziert, an fürstlichen Höfen bis auf unsere Tage erhalten, während andere Bräuche, wie die Verteilung oder das Austanzen des Brautkranzes und der Brautschuhe**) auch in weiteren Kreisen noch in Übung sind.

Am nächsten Morgen fanden Verwandte und Freunde schon in aller Frühe sich ein, um das junge Paar zu begrüßen und mit ihm das Frühstück einzunehmen: „das Brauthuhn zu verzehren“, denn ein gebratenes Huhn und Eierkuchen durften dabei nicht fehlen. Der junge Gatte bescherte seiner Gemahlin die, vielfach vorher stipulierte, Morgengabe, welche das frei verfügbare Eigentum der Frau verblieb und nach ihrem kinderlosen Tode vor dem Manne an ihre Verwandten vererbte — ein Anlass zu vielen Prozessen —, worauf die Gesellschaft sich wie Tags zuvor in die Kirche begab, um der Messe beizuwohnen. Dieser Kirchgang war schon lange Zeit Sitte, bevor die kirchliche Trauung sich durchgesetzt hatte. Heimgekehrt, setzte man sich wieder zu Tische und verbrachte den Tag in ziemlich gleicher Weise wie den vorhergehenden.

Solche dreitägige Feiern kann man für die wohlhabenderen Kaufleute als die Regel bezeichnen; geringer bemittelte begnügten sich auch mit zwei Tagen, reichere dehnten die Feste noch länger aus. Verlauf und Wesen blieben die gleichen. Denn die Abhaltung dieser Festlichkeiten in den öffentlichen Gebäuden wegen Beschränktheit der häuslichen Räume minderte zwar gewiss nicht die Festesfreude, wohl aber ließ sie eine Eigenart für die einzelnen Veranstaltungen in nur sehr beschränktem Maße Platz greifen.

*) Gentzkow erzählt gelegentlich, dass sein Geschenk (an Nichtverwandte) „kostede mi 1 mark, dar dranck ich wol vor“!

**) Jetzt an den Höfen und auch sonst ersetzt durch Strumpfbänder.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse