Jakob Lubbes Sorge um die Familie

Die Aufzeichnungen aus diesem letzten Abschnitt seines Lebens haben für die Ortsgeschichte von Danzig einen recht beträchtlichen Wert. Hier ist daraus noch zu erwähnen, dass Lubbe mit seinem ehemaligen Lehrherrn in freundschaftlichsten Beziehungen verblieb und dessen Angehörigen die Liebestaten zu vergelten bestrebt war, die er selbst im Sanauschen Hause erfahren. Ein Peter Sanau machte seine Lehrzeit in London durch und Lubbe erkundigte sich bei seinem Herrn, „wie er sich anlegte, ob er auch ein guter Kaufmann zu werden verspräche“. Wenn das der Fall, wolle er Peter mit Gut ausstatten, d. h. ihm die Mittel zu einem selbständigen Betriebe geben. Peter wurde jedoch drei Jahre später Mönch. Da äußerte Lubbe im Gegensatz zum alten Sanau nur schüchtern einige Bedenken gegen das Mönchstum, nicht etwa gegen das Geistlichwerden. Er stellte dem jungen Manne vielmehr 40 bis 50 rheinische Gulden zur Verfügung, damit er studiere, „und wenn er wiederkäme, sollte er mein geistlicher Sohn sein“. Peter schlug das Anerbieten aus, und Lubbe gab ihm nun willig seinen Segen zum Eintritt in das Kloster Oliva. Auch ein Andreas Sanau wurde bald darauf Mönch, wie überhaupt die nahen Beziehungen der Bettelorden zum Bürgertum vielleicht in keiner Chronik eines Weltlichen so stark zutage treten als in der von Lubbe.

Sein Lebenslauf kann zwar nicht als ein für einen Kaufmann typischer bezeichnet werden, dennoch bleibt er um nichts weniger lehrreich. Der Dorfjunge gedeiht in der Stadt zum begüterten Kaufmann, um als behäbiger Krämer sein Leben zu beschließen. Dieser Zug vom Lande in die Stadt führte bis über das Mittelalter hinaus den Kommunen immer neues frisches Blut zu, und zahlreiche Bauernburschen, auch ärmere als Lubbe und ohne Schulbildung, sind ihm gefolgt. Dem Sohn ehrlicher Eltern standen Handwerk und Kaufmannschaft gleichmäßig offen, und gelangte er zu Besitz, so fand er auch wohl den Weg zum Ratsstuhl*). Dieses


*) Der Vater des lübeckischen Bürgermeisters Heinrich Brockes z. B. war in einem Dorfe bei Plön als Bauernsohn geboren, wanderte nach dem Tode der Eltern nach Lübeck und ging anfangs bei einem Kannengießer in die Lehre. „Er hat aber zu keinem Handwerke Lust gehabt, sondern sich zu einem Kaufmann vermietet, bis dass er zu seinen Jahren gekommen und seinen Eigenhandel geführet aus Dänemark, Preußen und Lievland.“ — Lehrreich sind auch die Erwägungen, welche Weinsberg (II, 182) anstellte, als es sich um die Berufswahl für seine verwaisten kleinen Neffen handelte. Er schlägt für den einen den Eintritt in das Kannengießeramt vor, weil man nach überstandener Lehrzeit bei einem Kaufmann noch den Handel erlernen und dann Kaufmann in Blei und Zinn werden könne: „ist kein sorglicher gefarlicher handel; die motten doin keinen schaden und die war vereint nit uff die erde wie die wein“. Dagegen warnt er vor der Fassbinderei, „dabei wirt man in den jongen tagen mit dem drinken verdorben“, will aber damit von der „winkaufmannschaft“, die er selbst betrieb, nicht abraten. Den kränklichen jüngsten Neffen „mogt man zur scholen halten und geistlich machen, ob er wolt, sunst auch zum schriber oder schreibmeister — dan die schribkunst ist auch nit zu verachten“.

Aufsteigen immer neuer Familien wurde indessen kräftig unterstützt durch den genossenschaftlichen Sinn des Mittelalters, Und diesem entsprach auch die antikapitalistische Tendenz der städtischen Wirtschaftspolitik. Dem Knechte gewährte der Herr gern einen Anteil am Geschäft, und gleich Sanau erleichterten viele ihren Gehilfen das Fortkommen. Der damalige Handelsbetrieb hat gewiss das Seine dazu beigetragen, und die Herren haben ihren eigenen Nutzen nicht aus den Augen verloren: tüchtige junge Leute sahen sich jedenfalls in der Regel über kurz oder lang in der Lage, auch auf eigene Rechnung und zu eigenem Nutzen Handel zu treiben*).

*) Das begann schon in frühen Jahren. Lubbe hebt es als außergewöhnlich hervor, dass einem Jungen, der als Schiffsjunge (puttiger) nach Flandern fuhr, vom Schiffer verboten wurde, eigenes Gut mitzunehmen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse