Das Schulwesen jener Tage

Das Schulwesen jener Tage war nicht einheitlich geregelt, vielmehr machte sich auch bei ihm die mittelalterliche Gewohnheit geltend, die öffentlichen Verhältnisse nicht nach einem bestimmten, konsequent durchgeführten Prinzip zu regeln, sondern nach örtlichen und sonstigen, mitunter recht verschiedenen Bedürfnissen und Rücksichten. Auch war die Schule ursprünglich nicht Sache des Staates oder der Stadt, sondern der Kirche, und hieraus entsprangen nicht selten ärgerliche Zwiste zwischen Kirche und Stadt.

Das mit dem Wachstum der Stadt und der raschen Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens sich stetig steigernde Unterrichtsbedürfnis rief schon im 13. Jahrhundert neben den Stifts-, Kloster- und Pfarrschulen neue Anstalten ins Leben, welche gewöhnlich Stadt- oder Ratsschulen genannt werden, weil sie meist im Anschluss an solche Pfarrkirchen gegründet wurden, über welche dem Rat das Patronat oder ein Aussichtsrecht zustand. Als Patron oder auf Grund von Leistungen für die Schulen beanspruchte und erlangte der Rat einen Einfluss auf diese.


Er nahm die Schulmeister, in der Regel auf ein Jahr, in den Dienst, erließ Schulordnungen, soweit von solchen damals überhaupt die Rede war und ähnliches mehr, kurz, trat schließlich häufig in jeder Hinsicht als Schulherr auf. Kam es darüber zu Zwisten mit der Geistlichkeit, wie in Lübeck, Hamburg, Braunschweig, Reval z. B., so handelt es sich im Grunde fast immer um die Einnahmen aus dem Schulgeld. Der alte Scholastikus ließ sich ungern den Gewinn entgehen, aber auch die Stadt honorierte bis gegen Ausgang des Mittelalters den Schulmeister nicht nur nicht, sondern bedang sich von ihm vielmehr noch einen Anteil am Schulgelde aus. So in Göttingen, doch kam die Einnahme dem Schulgebäude zugute. Im Wesen der Schulen wurde dadurch nichts geändert, nur wurde der Unterricht in den städtischen hier und da auf die Elementarfächer beschränkt, und sollten die Schüler, sobald sie „ad majorem cantum habiles inventi fuerint et puerilia postposuerint“, den Stiftsschulen überwiesen werden*).

Neben diesen öffentlichen Schulen gab es indessen in unserer Periode an recht vielen Orten private Schreibschulen sowie eigene Rechenmeister, bei welchen namentlich junge Kaufmannssöhne die schwierige Kunst der Arithmetik und Geometrie sich aneignen konnten, und schließlich mangelte es auch auf dem Lande keineswegs an Dorfschulen. Jakob Lubbe wuchs in Lichtenau bei Marienburg auf und besuchte bis zum zehnten Lebensjahre die Schule seines Heimatdorfes. Dann erst nahm ihn sein Vater zum Dominikusmarkt nach Danzig mit und brachte ihn bei einem Verwandten unter, damit[i9 „er da follends zur schulen ging“**)[/i]. Kurz, an Gelegenheiten, Schulkenntnisse zu erwerben, fehlte es wahrlich nicht, und schon die Notwendigkeit zwang den späteren Handwerker wie Kaufmann dazu, sie sich in geringerem oder größerem Umfang anzueignen.

*) So in Hamburg nach dem Vergleich von 1289, gedr. bei Meyer, Gesch. d. Hamb. Schulwesens, S. 196.

**) Lubbes Familienchronik hat Hirsch in Script, rer. Prussicarum 4 herausgegeben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse