Ehe- und Familienleben

Das junge Ehepaar erhielt, selbst in recht wohlhabenden Kreisen, nach der Hochzeit häufig „Wohnung, Kost und Unterhalt“ in dem elterlichen Hause des einen oder des andern Teiles. Ihm sollte in der Zeit des zunehmenden Luxus der Beginn des Haushalts erleichtert werden, und so finden wir diese Sitte im 15. bis 16. Jahrhundert weit häufiger als früher. Doch geben vielfach rein kaufmännische Rücksichten den Ausschlag: der Schwiegersohn trat in das Geschäft des Schwiegervaters ein, oder das Heiratsgut der jungen Frau muss dem Betriebe des Mannes und dessen Eltern aufhelfen.

Die Eheberedungen gewähren in dieser Hinsicht ein recht mannigfaches Bild und lassen im Laufe der Zeit die Kaufmannsfrau immer selbständiger und handlungsfähiger erscheinen. Namentlich wenn Witwen zu der zweiten oder mehrfachen Ehe schreiten — in Köln heiratete 1498 eine zum 7. Male — behalten sie sich vielfach die selbständige Führung ihres Geschäfts und ihrer Kasse vor. Die Mitteilungen von Hermann Weinsberg über seine zweite Ehe mit einer Witwe geben darüber eingehende Auskunft; selbst als das Ehepaar eine Vergnügungsreise in die Niederlande unternimmt, führt es gesonderte Rechnung: „ich hab vur min heubt verzert bei 12 daler, min hausfrau auch wol so fil us dem iren“. Ähnliches scheint, mindestens im 10. Jahrhundert, häufig der Fall gewesen zu sein, wenn der Mann Mitglied des Rates war.


Die Frau des rechtsgelehrten Bürgermeisters Dr. Gentzkow von Stralsund z. B. kaufte und verkaufte Getreide, Fische usw., und ließ sich wiederholt vom Gatten Auslagen wiedererstatten, die sie für Kleidung und Unterhalt ihrer gemeinsamen Kinder bestritten hatte. Aber auch andere Frauen hielten den Daumen nicht minder energisch auf dem Beutel und wussten die Zeit, die ihnen nach Erfüllung ihrer nächstliegenden Pflichten noch übrig blieb, nutzbringend für ihr Haus zu verwenden. Der eheliche Friede wurde dadurch nicht gestört, und wenn wir von ihm naturgemäß wenig hören, so sind doch sicher die Ehen dazumal in der weit überwiegenden Mehrzahl ebenso glücklich verlaufen wie in der Jetztzeit. Dafür zeugt auch die weit größere Häufigkeit der Ehen. An bösen Weibern hat es nicht gefehlt, umgekehrt auch nicht an bösen Männern, nur ist von den letzteren weit seltener die Rede. Wenn wir jedoch den ausschließlich männlichen Dichtern und Künstlern jener Tage vertrauen dürfen, so endeten etwaige Zwiste um das Regiment im Hause — der Kampf um die Hosen, wie man damals zu sagen pflegte — in der Regel mit dem Siege der Frauen. Den meisten Gatten wird es indessen ergangen sein wie Hermann Weinsberg mit seiner zweiten Frau. Sie setzte ihm mitunter arg zu, aber „du die stupen uber waren, haben wir uns gesonet“.

Für solch guten Ausgang ehelicher Auseinandersetzungen und ein im ganzen herzliches Verhältnis der Ehegatten sprechen auch die freilich seltenen Nachrufe und wenigen Familienbriefe, die uns aus hansischen Kaufmannskreisen überliefert sind. Die Form der Briefe erinnert an die knappen und trockenen geschäftlichen Schreiben, aber die vielfach holprigen und schwerfälligen Ausdrücke lassen deutlich genug wahrhafte Zuneigung erkennen. Weit weniger tritt diese in den Testamenten zutage, doch müssen wir uns da des Umstandes erinnern, dass die Heiratsverträge bereits alle Vermögensverhältnisse der Gatten geregelt hatten, der letzte Wille dagegen in erster Linie dazu dienen musste, für das künftige Seelenheil des Erblassers Sorge zu tragen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse