Die Unterkunftsverhältnisse

Angebracht war es ferner, dass man sich mit Lebensmitteln wohl versorgte, denn in den Wirtschaften an der Straße und in den Dörfern fand man nur selten etwas Genießbares, und musste auf Heuböden, auf der Ofenbank oder auf den Tischen der Wirtsstube sich das Nachtlager bereiten. Dazu standen manche Einzelgehöfte in recht bösem Rufe, wie die verdächtigen Namen für solche Herbergen: „Sieh Dich vor, Trau nicht, Pass auf, Mordkretschen“ ergeben. Da blieb dem Reisenden oft nichts übrig, als unter freiem Himmel zu nächtigen, nur musste er dann sich vor Verstößen gegen das Recht eines jeden Landes hüten, wollte er nicht, etwa durch Entnahme von Futter für die Pferde, sich der Strafe des Diebstahls aussetzen. Besser stand es um die Herbergen in den Städten, dort befand man sich wenigstens in Sicherheit, während Kost und Unterkunst allerdings nur selten gerühmt werden.

Erasmus von Rotterdam entwirft in seinen Unterhaltungen ein Bild von dem Leben und Treiben in den deutschen Gasthäusern seiner Zeit, welches, grau in grau gemalt, die Wirte als Grobiane, Wirtsstuben und Schlafkammern als überaus unsauber, das Essen dagegen als reichlich und durchaus nicht zu verachten schildert. Jeder Gast erhält dazu einen hölzernen Teller und einen Holzlöffel sowie ein Trinkglas. Erst später wird der Wein aufgetragen, schwer ist er nicht, dafür dünn und sauer.


Verlangt ein Gast eine andere Sorte, so heißt es: steht der Wein Dir nicht an, so suche Dir ein anderes Wirtshaus. Sind alle Speisen und Schüsseln entfernt, so wird auch ein besserer Wein aufgetragen, und die hiervon tüchtig trinken, sind den Wirten die liebsten, weil sie nicht mehr zahlen als jene, die wenig zu sich nehmen. Daher kommt es, dass manche das Doppelte in Wein verzehren, als was sie für das Gastmahl entrichten, und die Köpfe vom Wein warm werden. Schließlich erscheint der bärtige Ganymed und sammelt die für jedermann gleich hohe Zeche ein, denn hier gibt es keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, zwischen Herren und Knechten.

Der griesgrämige Gelehrte versichert, dass er nur berichte was er gesehen und erlebt, doch trägt er die Farben so dunkel auf, dass bereits sein etwas jüngerer Zeitgenosse Agricola Einspruch gegen die Verunglimpfungen der deutschen Herbergen erhob. Aber die Unterkunftsverhältnisse müssen in der Tat meist recht schlechte gewesen sein*). Selbst Geiler von Kaisersberg ruft trotz seines geringen Wohlwollens für den Kaufmann, halb mitleidig aus: „Was muss der Kaufmann alles leiden; er muss elende Herbergen aufsuchen, manch böses Mahl mit guten Zähnen essen und teuer bezahlen.“

*) Die von Erasmus gelobten ausländischen Gasthäuser waren um nichts besser. Der Nürnberger Paumgartner klagt seiner Frau, das, in den italienischen Wirtshäusern „alle bett voller wantzen seind“. Im Norden suchte man durch Mitnahme von Kalbfelldecken, welche man auf das Strohlager der Gasthäuser legte, sich gegen unangenehme nächtliche Angriffe zu schützen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse