Der Zustand der Reisewagen und Straßen

Der Kaufmann gilt jedenfalls, etwa neben dem Mönch, als der Reisende schlechthin, und die Handelsfahrten verliehen seinem Dasein einen guten Teil seines Reizes und Wertes. Nun war das Reisen freilich keine so vergnügliche Sache wie heute im Zeitalter der Durchgangszüge mit Speisewagen oder der auf den Meeren schwimmenden Hotels. Die alten Germanen hatten die Technik des Straßenbaus leider nicht von den Römern übernommen, und die Beschaffenheit der Straßenkörper entsprachen äußerlich etwa den der heutigen Vizinal- oder Feldwege, deren Instandhaltung schlecht und recht den Anliegern obliegt.

Die großen Reichs- und Landes-Heerstraßen sollten freilich mit Steinen verlegt oder mit Kies beschottert werden, doch waren sie nur selten durch Gräben vom Ackerfelde geschieden und meist in schlechtem Zustande. Die ärgsten Stellen und Löcher besserte man notdürftig mit Reisig und Knüppeln aus, aber die Klagen über die „Mordwege“ wollten das ganze Mittelalter und lange darüber hinaus nicht verstummen.


Langsam und mühsam bewegten sich die hochbeladenen, mit großer Plane überspannten Frachtwagen vorwärts durch heillosen Staub im Sommer oder grundlosen Schmutz nach Regen, und gar manches Rad und manche Achse ging an Steinen oder untiefen Pfützen zu Schanden. Der arme Geselle zog zu Fuß nebenher, das Ränzel auf dem Rücken, den Stock in der Rechten; der wohlhabendere Kaufmann ritt. Denn der Wagenbau steckte noch in seinen Anfängen. Federn waren unbekannt, und erst im 16. Jahrhundert lernte man den Wagenkasten in Riemen zu hängen. Das unvermeidliche Stoßen der alten Fuhrwerke kann bei der Holprigkeit der Wege dem Fahrenden keinen sonderlichen Genuss bereitet haben, und zu Pferde kam man sicher schneller vorwärts*).

*) Göttingen ließ 1476 die Frauen und Kinder seiner neuen Tuchmacher in einer „glasen stelle“ aus Deventer abholen. Hans. Gesch.-Bl. 1892, S. 175. Von Glaskutschen hören wir auch sonst im 15. Jahrhundert, doch stimmen alle Abbildungen darin überein, dass man die Sitze nur durch aufgelegte Kissen bequemer zu machen suchte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse