Die Fest- und Feiertage

Neben den kirchlichen Festtagen, die über das ganze Jahr verteilt waren, boten Mai-, Pfingsten-, Schützenfeste und die Jahrmarkte mit ihren Glückshafen, Akrobaten, Possenreißern und sonstigen herumziehenden Künstlern, auch wohl fürstliche Besuche, keineswegs seltene Gelegenheiten zu Freude und Frohsinn.

Dagegen blieben alle feineren Lebensgenüsse der weitaus großen Mehrzahl fremd, selbst die Pflege der Hausmusik eroberte erst im 16. Jahrhundert sich weitere Preise. Speise und Drank, Kleidung und Schmuck, Tanz und Spiel waren und blieben die vornehmsten Vergnügungen, doch erweisen die zahlreichen städtischen Verordnungen, dass aus diesen Gebieten des geselligen Lebens schon im Laufe unserer Periode erhebliche Wandlungen stattfanden. Nicht zum Besseren! Wie in anderen Landen lässt sich auch im hansischen Bereich deutlich verfolgen, dass etwa seit der Mitte des 14. Jahrhunderts eine Steigerung des Aufwandes eintritt. Sie ist zum Teil ein erfreuliches Zeugnis für die Zunahme der Wohlhabenheit, zum anderen äußert sie sich jedoch hauptsächlich in dem gegenseitigen Überbieten bezüglich rein materieller Dinge.


Die Zahl der Gerichte bei Festlichkeiten nimmt zu und damit der Verbrauch geistiger Getränke. Die Kochkunst macht keine erheblichen Fortschritte, dafür wird die Quantität der aufgetragenen Speisen vermehrt. Bei den Getränken wiederum tauchen feinere Weinsorten, bessere Biere und schließlich gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts der gebrannte Wein auf. Bei den Spielen gesellten sich zu dem alten Brett- und Schachspiel und den verpönten Würfeln die alsbald gleichfalls verbotenen harten. Vollends nimmt der Aufwand in bezug auf die Kleidung zu.

Dem häufigen Wechsel der Mode huldigen gleichmäßig Männlein und Weiblein, mindestens in ihren jüngeren Jahren, und mit der Kostbarkeit der Trachten wächst auch die der Schmuckgegenstände aller Art. Der Edelsteinhandel blüht auf und mit ihm das Gewerbe der Gold- und Silberschmiede, deren Metallbedarf hier und da den städtischen Münzen Besorgnis einflößt. Das Eifern der städtischen Räte gegen diesen schier unaufhaltsam fortschreitenden Prozess war ein vergebliches Beginnen, waren doch an ihm ehrsame Ratmannen redlich mitbeteiligt, und die Geldbußen, falls sie eingetrieben wurden, nicht unerschwinglich.

Dem Tanze erging es ähnlich. Gehuldigt wurde ihm zu allen Zeiten von Alt und Jung, doch unterlagen die älteren Reihentänze und paarweisen Umgänge, die wir heute törichterweise Polonaisen nennen, mancherlei Wechsel, den wir wiederum hauptsächlich aus künstlerischen Darstellungen kennen lernen. Sittsam ging es dabei nicht immer her, und die Obrigkeiten sahen sich recht häufig veranlasst, Ausschreitungen zu rügen. Eine göttinger Verordnung, welche den Tanz mit verdecktem Antlitz verbietet, fügt hinzu: „We hir uppem kophuse dantzen wil, is sy to brudlechten edder anders, schall hovesliken unde tuchtigen dantzen, neyne bydantze maken, nicht ropen noch eyn den andern schuppen edder affstoten, noch ummespringen edder de jungfruwen edder megede ummewerpen, noch neynerleye ungesture driven edder oeven“.

Die Ausgelassenheit der Jugend nahm dazumal vielleicht groteskere Formen an wie heutzutage, dafür herrschten auch andere Anschauungen von Anstand und Sitte. Von dem mehrfach erwähnten Franz Wessel vernehmen wir, dass er nach dem Tode des gestrengen Vaters mit 22 Jahren selbständig geworden, „lerede grote pass drincken, glese tobyten, stücke upeten, ut ener tunne in de andere springen etc., unde leth sick sehen in kösten, gelöfften, collatien unde andern orden, dar he der weldt denen mochte“. Er genoss in Stralsund offenbar das Ansehen eines vollendeten Kavaliers, aber er war zugleich ein tüchtiger Kaufmann, und tat sich auch durch Mut und Umficht bei den damaligen Kämpfen von Stralsund mit den Dänen hervor.

Diesen überwiegend auf substantiellen Genuss abzielenden Lustbarkeiten gegenüber befremdet es gewissermaßen, dass der Sinn für die Schönheiten der Natur bei dem weitgereisten Kaufmann herzlich gering ausgebildet war. Die Freude an der Bewegung im Freien, an dem Spaziergang vor den Toren, an der Pflege von Gärten und Blumen, sie fehlte dem mittelalterlichen Städter ebenso wie den meisten neuzeitlichen Europäern im östlichen Bereich unseres Weltteils. Gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts gewann sie im hansischen Gebiete langsam an Boden, doch hören wir erst aus dem 16. Jahrhundert von Lustbarkeiten in Gärten. In der Regel hat dann ein jeder sich sein Essen selbst mitzubringen, wird also eine Art von Picknick veranstaltet. Auch die Jagd wird von den Bürgern wenig ausgeübt, höchstens fing man in den Mußestunden Vögel und Hasen mit Fanghölzern, sog. Kolben, mit Schlingen oder mit dem Vogelherde. Das Streben der hansischen Hausleute, es dem Adel auch hinsichtlich des Waidwerks gleichzutun, stellte sich erst ein, als die Eitelkeit, für mehr gelten zu wollen, alle Schichten ergriffen hatte. „Es helt sich niemand nach seinem stand mehr in hohen und niedern ständen. Was ein bauer sihet vom bürger, das wil er hinnach thun; was der bürger vom edelman sihet, das wil er hinnach thun, was der edelman vom fürsten sihet, das wil er hinnach thun, das es im schmuck und pracht so hoch kommen ist, das es vor grosser ubermasse schier selbs fallen muss“, so ruft seufzend ein Moralist des 16. Jahrhunderts aus.

Dieser Mangel an Natursinn haftete übrigens dem gesamten Mittelalter an, und ein gründlicher Wandel trat erst im 18. Jahrhundert ein: wir werden deshalb den hansischen Kaufmann trotz seiner Reisen darum nicht verdammen dürfen. Er blieb auch in dieser Hinsicht ein Kind seiner Zeit.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse