Abschnitt. 4

Die Belastung, die ein Produkt durch die Kosten der Reklame erfährt, ist in vielen Fällen nur eine eingebildete. Der Produzent kann vielmehr gerade deshalb, weil er infolge der ausgedehnten Reklame auf einen Massenabsatz rechnet, den Preis billiger festsetzen, als wenn er sich der Reklame enthielte und sich mit einem kleinen Kundenkreise begnügte. Wenn die gesellschaftlich und wirtschaftlich niederen Stände zu vernünftigen höheren Bedürfnissen erzogen werden, so ist das gerade ein Zeichen fortschreitender Kultur, und wenn die Produktion erlaubt, diese Bedürfnisse zu angemessenen Preisen zu befriedigen, so ist das eine erfreuliche volkswirtschaftliche Erscheinung. Als der englische Fabrikant John Fowler die Reklame für seine Dampfpflüge in Ägypten begann, da hat er nicht nur sich ein großartiges Absatzgebiet erschlossen, sondern er hat der Bodenkultur dieses reich gesegneten Landes unschätzbare Dienste erwiesen. Wenn ein Kleiderhändler seine billigen Anzüge in der ärmeren Bevölkerung anpreist, so ist das jedenfalls besser, als wenn diese Leute in Lumpen gehüllt einhergingen, weil sie die Schneiderpreise nicht erschwingen können. Der großartige Aufschwung der Textilindustrie, der in einer außerordentlichen Verbilligung der Kleiderstoffe zum Ausdruck kommt, ist zum Teil ohne Frage auf die gesteigerte Tätigkeit für den Vertrieb ihrer Erzeugnisse zurückzuführen.*)
Schlimmer als die etwaige Verteuerung der Ware durch die Reklame ist der durch eine schwindelhafte Reklame verursachte Absatz minderwertiger Produkte, namentlich beim Bezüge aus der Ferne, wo der Besteller nicht Gelegenheit hat, die angepriesene Ware vorher zu sehen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß manche Zeitungen in der Aufnahme solcher Anzeigen völlig skrupellos verfahren. Deshalb ist es für das Publikum ein Gebot der Klugheit, gegenüber gewissen Anzeigen und Reklamen, namentlich solchen, die sich schon auf den ersten Blick als marktschreierisch darstellen, eine völlige Zurückhaltung zu beobachten.
Daß die Reklame manchmal übertrieben und mißbraucht wird, ist bekannt. Namentlich in Amerika wird sie geradezu bis zum Humbug getrieben, als dessen Meister Barnum sogar berühmt geworden ist. Barnum**) war aber eigentlich kein Kaufmann, sondern war ein Spezialitäten-Unternehmer, der durch allerlei Abnormitäten die Welt zu verblüffen suchte. — Das hat mit kaufmännischer Propaganda! doch eigentlich nichts mehr zu tun. Aber er hat es verstanden, die Reklame als eine besondere Kunst zur Geltung zu bringen, als eine neue Wissenschaft, die das Individuum aus der großen Menge ebenso heraushebt wie irgendeine geniale Erfindung oder ein großes Werk der Technik oder der Industrie. In seinen Memoiren schreibt er: ,,Man sagt, die Reklame entstelle die Wahrheit. Wie kindisch! Wer zeigt uns denn überhaupt hienieden die absolute Wahrheit? Nicht einmal die Photographie, der die Farbe fehlt.“



*) Dr. Friedr. Ramborst: Der volkswirtschaftliche Wert der Reklame. Propaganda, 1. Jahrgang, S. 3.
**) Plüneas Taylor Barnum hatte die großartigsten wie die naivsten EinfäUe. 1810 geboren, ließ er sich als Gewürzkrämer in Bethel in Connecticut nieder und wurde dann Journalist. Er entdeckte eine angeblich 100jährige Negerin, die er — und das war sein erster Bluff — für die echte Amme Washingtons ausgab, die Tante Joice, und die Zeitungen wurden nicht müde, die „Einhundertsechzigjährige“ als nationale Reliquie zu verherrlichen. Die Alte hatte ihre Lektion gut eingelernt und sprach immer von ihrem lieben, kleinen Georges, dem großen Washington. Als sie starb, war sie in Wirklichkeit erst 75 bis 80 Jahre alt. Barnum führte dem Publikum auch eine Büffeljagd durch Indianer und den Zwerg „General Tom Thumb“ vor, mit dem er 1844—1847 Europa bereiste. Berühmt wurde er auch als Impresario der Jenny Lind im Herbst 1850. Er bezahlte dieser für 93 Konzerte außer freier Reise 208,675 Dollar, während er 535,486 Dollar einnahm. Später verlegte er sich wieder auf verschiedene Schaustellungen. Er verstand die Reklame ins Werk zu setzen wie keiner und ging dabei immer von dem Grundsatz aus; „Man ist am besten bedient, wenn man sich selbst bedient“. Barnums einträglichste Spekulation bildete sein „Amerikanisches Museum“ in Newyork mit seinen Theatern, seinen Vortragssälen und einem zoologischen Garten mit 35 Elefanten. In diesem Museum waren Wunder zu schauen, unter anderen der kleine Tom Thumb mit der kleinen Lavinia, deren Hochzeit eine große Menschenmenge, darunter die angesehensten Persönlichkeiten, anlockte und für Barnum ungeheure Reklame machte. Als Blondin den Niagara-Fall auf einem straff gespannten Seil überschritt, da entrollte er auf dem Weg ein gewaltiges Banner: es war der Gruß Barnums an das amerikanische Volk. Später organisierte Barnum mitten im Winter Bahnzüge mit ermäßigten Preisen nach dem Niagara, wo ein tollkühner Reiter, James Morry, den gefrorenen Niagara-Fall zu Pferd hinauf- und herabritt. Dann wieder eine Babies-Ausstellung — alles gelang dem Mann, der überzeugt war, daß „die Leichtgläubigkeit und Geduld des Publikums gegenüber der Mystifikation alle Begriffe übersteigt“. Barnum brachte von seiner Rundreise auf dem Kontinent ein kolossales Vermögen nach Amerika zurück. Er hielt auch Vorträge über die Kunst reich zu werden und den — Humbug. Er starb 1891, nachdem er eine Autobiographie und zwei andere Werke („The humbugs of the world“ und „Struggles and triumphs“) veröffentlicht hatte. Dem „König des Humbugs“ (King of humbug) wurde in Bridgeport ein Denkmal errichtet.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.