Abschnitt. 3

In der industriellen Propaganda müssen sich die Erfahrungen des Fabrikanten und des Verkäufers mit den Diensten des Schriftstellers und des graphischen Künstlers vereinigen.
Mit zunehmendem Aufsteigen der Industrie drang immer mehr und mehr die Erkenntnis durch, daß das Produzieren leichter sei als das Verkaufen. In früheren Zeiten, wo der Mangel an Verkehrsmitteln den Absatzgebieten sehr enge Grenzen zog, war das beste Propagandamittel der Ruf des Geschäftes. Aus jener Zeit rührt das heute nicht mehr gültige Prinzip rückständiger Kaufleute, auf den Ruf ihres Geschäftes zu pochen und es als unkaufmännisch hinzustellen, den ,,Kunden nachzulaufen“. In Wirklichkeit liegt hier nur das Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit Vor, die Propaganda den geänderten Zeitläufen entsprechend einzurichten. Immerhin hat der Ruf eines Geschäftes innerhalb gewisser Grenzen eine nicht zu verkennende Anziehungskraft, die aber durch Vorzügliche Propaganda von Seiten der jungen Konkurrenz leicht wettgemacht werden kann. Es kann nicht bestritten werden, daß es heute noch Firmen gibt, deren Ruf ein internationaler ist, doch vermindert sich der Propagandawert des Weltrufes bei der Zunahme gleichwertiger Konkurrenten. Die Kundschaft findet den Ruf einer Firma nicht mehr ausschlaggebend, sondern urteilt einzig nach der Güte des Fabrikates, nach dessen Konkurrenzfähigkeit und Wert. Heute betrachtet eine Firma ihren Geschäftsruf wohl kaum mehr als einziges Propagandamittel. Jedermann weiß, daß der Käufer, sei es auf dem Weltmarkt, sei es im engern Kreise, nicht mehr Von selbst kommt, sondern aufgesucht werden will. Alle Mittel, welche angewendet werden, die Kundschaft aufzusuchen, heranzuziehen und zu ,,bearbeiten“, gehören in das Gebiet der Propaganda.
Große Firmen werden zwar von den Konsumenten direkt angefragt, aber das geschieht nicht, um sofort zu kaufen, sondern um sich nach Möglichkeit in erster Linie zu orientieren, in zweiter Linie, um den Vergleich der eingelaufenen Offerten zu einem Druck auf die Verkaufspreise zu benutzen. Der Geschäftsruf ist heute wohl nur noch bei ganz gleichen Offert- und Einflußbedingungen entscheidend. Wer heute noch glaubt, die Propaganda entbehren zu können, kann schon durch die großen Weltfirmen eines Besseren belehrt werden, welche Unsummen auf die Propaganda anwenden. Denn diese Firmen haben erkannt, daß die Fundamente eines gesunden Geschäftsganges: höchste Leistungsfähigkeit, größte Preiswertigkeit der Erzeugnisse, beste Organisation und geringste Erstellungskosten auf die Dauer die Firma nicht kräftig stützen können, wenn das fünfte Fundament, die Propaganda, fehlt.
Mit gewissen Neuerscheinungen der Industrie beschäftigt sich die die Allgemeinheit orientierende Tagespresse und liefert dadurch eine bedeutende Reklame. Oft sind es neue Erfindungen und Fortschritte, die sie aus allgemeinem Interesse bespricht; zuweilen läßt sie sich aber auch durch andere Gründe zur Besprechung veranlassen.
Eine Propaganda ist um so leichter durchzufühlen, je mehr Propagandastoff durch die guten Eigenschaften des anzupreisenden Gegenstandes gegeben ist. Dort, wo diese Eigenschaften verborgen liegen oder auf den ersten Blick nicht erkannt werden können, z. B. bei Maschinen, ist es Aufgabe der Propaganda, durch geschickte Mittel sie erkennen zu lassen. Natürlich kann eine solche Propaganda keinen Augenblickserfolg aufweisen, weil den Interessenten Zeit gelassen werden muß, den durch die Propaganda gegebenen Anregungen Folge zu leisten, und die angepriesenen Eigenschaften auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Daß eine solche Prüfung aber überhaupt vorgenommen wird, bewirkt eben die Propaganda. Will man eine Dauerpropaganda entfalten, so müssen die hierzu aufgewendeten Mittel von steigernder Wirkung sein. Diese Steigerung kann äußerlich herbeigeführt werden durch Vervielfältigung der Reklamemittel nach Zahl, Art und Ort, durch Mitteilung neuer Eigenschaften, durch Vergleichszahlen, Nachweis wirtschaftlicher Vorteile und erhaltener Bestellungen, durch Referenzen und dergleichen.*)
Wie sehr die Propaganda eine Industrie zu heben vermag, ersieht man z. B. daraus, daß in etwas mehr als 12 Jahren der Export amerikanischer Schuhwaren auf das zehnfache gestiegen ist.
Die Technik wird auf den verschiedensten Gebieten durch nichts mehr gefördert als durch die Propaganda. Zielbewußte Reklame steigert die Nachfrage nach bestimmten Bedarfsartikeln. Diese erhöhte Nachfrage kann durch den augenblicklichen Stand der Produktionsfähigkeit oft nicht befriedigt werden und ruft nach leistungsfähigeren Produktionsanlagen, spornt den Techniker zu erhöhter Geistestätigkeit an, und verschafft weiteren brachliegenden menschlichen Arbeitskräften ein neues Arbeitsfeld. Die Propaganda ist der treibende Faktor der modernen Zeit.**)
Die Kosten der Propaganda sind natürlich sehr verschieden. Während sie bei älteren gut eingeführten Geschäften vielleicht nur 2—3 Prozent des Umsatzes betragen, müssen sie für neue Geschäfte und für besondere Artikel natürlich viel höher sein.***)
Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus könnte man vielleicht einwenden, die Reklame verteure die Waren. Nun ist es ja sicher, daß manche Preise mit Rücksicht auf die Reklamekosten erheblich höher angesetzt werden müssen, als wenn das Publikum die Waren unaufgefordert kaufte, allein beim Unterlassen der Reklame würde der Absatz wesentlich niedriger sein, so daß schon deshalb der Fabrikant und der Detailhändler die Preise hochhalten müßten. Anderseits wird durch eine geschickte Reklame eine höhere Produktion ermöglicht und dadurch werden die Erstehungskosten verringert.
So steht der Belastung der Ware auf der andern Seite eine oft recht erhebliche Entlastung gegenüber.



*) Die Propaganda der Industrie, von S. H. Neue Züricher Zeitung. 1911, Nr. 97.
**) S. H., a. a. O.
***) Der bekannte englische Abführpillen-Fabrikant Beecham machte einige Jahre vor seinem Tode (1907) folgende Angaben über sein eigenes Geschäft: Umsatz jährlich 150,000 Pfund (3 Millionen Mark), Rohstoffe, Zinsen usw. 25,000, Propaganda 100,000, Gewinn 25,000 Pfund.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.