Abschnitt. 2

Die Reklame steigert oft Produktion und Absatz im ganzen, indem sie neuen Bedarf weckt und durch diese Ausdehnung der Bedürfnisse von selbst die Menschen zu gesteigerter Betriebsamkeit drängt, um sich durch erhöhte Leistungen die Mittel zur Deckung des erweiterten Bedarfs zu beschaffen.
Wenn ein Produzent oder ein Händler besonders eifrig für seinen Artikel Propaganda macht, so kann man sicher sein, daß diese auch seiner Konkurrenz zum Teil zugute kommt, denn es ist klar, daß nicht jeder nun zu der ihm in einer bestimmten Ankündigung empfohlenen Marke greifen wird.
Man hat jedenfalls Unrecht, die Reklame an und für sich als verwerflich oder überflüssig anzusehen. Wer sich viel mit Reklamewesen beschäftigt, wird schon mehr als einmal bemerkt haben, daß es noch immer Geschäftsinhaber gibt, die ,,prinzipiell“ keine Reklame machen wollen. Diese sagen gewöhnlich: „Wir haben das nicht nötig; wir überlassen das denen, die keine Geschäfte machen.“ Es mag ja sein, daß manche Geschäfte das nicht nötig haben, allein es steht doch auch fest, daß eben dieselben Geschäfte ihren Kundenkreis noch bedeutend erweitern könnten, wenn sie Reklame machten. Diejenigen Geschäfte, die es unter ihrer Würde halten, Reklame zu machen, weil sie auf diesem Gebiete mit Konkurrenten zusammentreffen könnten, deren Charakter ein sehr zweifelhafter ist, mögen sich belehren lassen, daß Reklame auch in vornehmer Weise gemacht werden kann und zwar so, daß auch der Unerfahrene leicht erkennt, ob er es mit einem reellen, soliden Geschäft zu tun hat oder mit einem solchen, das sich nur durch schwindelhafte Reklame über Wasser zu halten vermag.
Daß die Reklame für die Geschäftswelt nützlich und vielfach sogar unentbehrlich ist, wird heutzutage von jedem Einsichtigen anerkannt. Die Zahl der Käufer, die eine Bezugsquelle suchen, bildet immer nur einen Bruchteil des in Betracht kommenden Publikums. Notwendig ist die Reklame auch mit Rücksicht auf die Konkurrenz. Ein intelligenter Geschäftsmann wird sich bemühen, Reklamemittel ausfindig zu machen, die mindestens ebenso wirksam, wenn nicht zugkräftiger sind als die seiner Konkurrenten, doch muß er sich vor unfeinen oder unerlaubten Mitteln hüten; erstere soll ihm der gute Geschmack und der Anstand untersagen, während letztere durch das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb verboten sind.
In einer primitiven Gesellschaft bedarf es keiner Reklame. Sobald aber eine größere Zahl von Menschen an einem Platze seßhaft ist und der eine dieses, der andere jenes erzeugt, und wiederum ein Dritter die verschiedenen Artikel vertreibt, so ist es selbstverständlich, daß in irgendeiner Weise bekannt gegeben werden muß, wo dieser oder jener Artikel zu haben ist. Wir sind jetzt schon derart an Reklame gewöhnt, daß wir meistens gar nicht merken, welch breiten Raum die Reklame einnimmt. Wer eine Stadt betritt, der sieht überall Reklamen. Die meisten Erdgeschosse sind zu Läden eingerichtet, und was sind die Schaufenster anders als Reklame? Und schaut man an den Häusern hinauf, so sieht man bis oben unter die Dächer Namen und Firmen, bald in roh gemalten Buchstaben, bald in schweren goldenen Lettern. Das alles dient der Reklame. Wo eine Mauer ist, da sieht man Plakate und Zettel aller Art — lauter Ankündigungen und Empfehlungen. Sogar auf den freien Plätzen werden Säulen errichtet, um der Reklame noch weiteren Raum zu schaffen. Auch die Geschäftswagen, die an uns vorüberfahren, tragen Firmenaufschriften und Empfehlungen. Und als ob dies alles noch nicht genügte, sobald wir um die nächste Straßenecke kommen, drückt man uns Zettel mit Anpreisungen aller Art in die Hand, öffnen wir eine Zeitung, so sind darin oft mehr als zwei Drittel Anzeigen und Empfehlungen. Wir müssen die Reklame über uns ergehen lassen. Bis zu einem gewissen Grade muß sie sogar aufdringlich sein, soll sie ihren Zweck erfüllen, aber sobald sie nichts Unwahres verspricht, kann man keinen Vorwurf dagegen erheben.
Das Reklamewesen übt sogar einen erziehlichen Einfluß aus. Seine nachdrückliche und unermüdliche Sprache verbreitet die Kenntnis von Neuerungen und Fortschritten, verdrängt damit Veraltetes und Überlebtes und gewöhnt die Masse an höherwertige, feinere Bedürfnisse. So hat die moderne Reklame z. B. gewiß sehr viel für die Erweiterung des Verbrauches von Seife und Zahnpflegemitteln, für die Hebung des Reiseverkehrs und vieles andere getan, das wir sehr gerne in den Bedürfniskreis weiter Schichten aufgenommen sehen.*)
Welch großen Nutzen leistet die Reklame jedem Einzelnen, denn durch sie werden uns immer wieder Bezugsquellen in bequemster Weise vor Augen geführt, während man sonst oft lange nach einer bestimmten Firma oder einer bestimmten Ware suchen müßte.
In neuerer Zeit haben besonders die Warenhäuser es verstanden, eine großzügige Propaganda zu entfalten. Auch manche Spezialgeschäfte haben Bedeutendes darin geleistet, dagegen haben die Gewerbetreibenden und die kleineren Händler vielfach die Forderungen der Neuzeit völlig unbeachtet gelassen. Der Staat hat schon mancherlei Maßregeln ergriffen, um den Kleinhandel zu schützen, aber dieser muß auch zur Selbsthilfe greifen, wenn er sich behaupten will. Sollen die zum Schutze des Kleinhandels geschaffenen Gesetze ihren Zweck wirklich erreichen, so ist es dringend notwendig, daß Berufsvereinigungen in den einzelnen Orten gegründet v/erden, die sich mit diesen Fragen eingehend beschäftigen.
Die Industrie bedarf der Reklame ebensowohl wie das Gewerbe und der Handel, aber eine Weltfirma wie Krupp bedient sich anderer Propagandamittel als ein Handwerker, ein Warenhaus oder der Besitzer eines kleinen Ladengeschäfts.



*) Dr. Victor Mataja: Die Reklame im Geschäftsleben. Wien, Niederösterreichischer Gewerbeverein, 1910, S. 4,


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.