Abschnitt. 2

Wie verschieden z. B. die Reklame je nach der Gegend ist, ersieht man aus einer Darstellung Paul Westheims über die Berliner und die Münchener Reklamekunst in der ,,Welt des Kaufmanns“ (Märzheft 1911):
,,Der Münchener Kaufmann hat es sehr viel leichter als sein Berliner Kollege, Reklame — oder das, was man in dem schönen München so zu nennen pflegt — zu machen. Reklame heißt nämlich da unten jene höfliche und vornehme Empfehlung, die nichts an sich hat von der amerikanisch determinierenden Vordringlichkeit des Berliners, der um die kaufenden Massen mit zäher Wucht und leidenschaftlicher Gerissenheit kämpft. In München gibt es noch sehr viel von der guten, alten, anhänglichen Kundschaft, die dem Lieferanten Treue hält, und wer sich da eindrängen möchte, würde sich durch überlautes Geschrei, ohne das der ,,Reklamer“ auf den beweglichen Weltstadtmenschen nicht einzuwirken vermöchte, nur verdächtig machen. Der zündenden, blendenden Schlager, wie sie das Hirn der Reklamechefs oder Reklameanwälte der Reichshauptstadt täglich ersinnen muß, bedarf es so nicht. Da der Münchener Geschäftsmann in seinen Plakaten, Prospekten, Geschäftskarten, Packungen und dergleichen Drucksachen mehr Repräsentationswerte braucht, kann er sich dem illustrativen Talent irgendeines Künstlers getrost anvertrauen. Sein Zweck ist ja schon erfüllt, wenn seinem Text ein bunter, gefälliger Schmuck angefügt wurde. Dieses Verlangen der Münchner Kaufleute oder richtiger: des Münchner Publikums hat die Künstlerschaft behütet vor dem in Reklamedingen üblichen Zwiespalt zwischen dem derbschrötigen Schlager und der künstlerischen Noblesse. Während anderwärts diese natürlichen Gegensätze grell auf einander platzen, gibt es hier eine einheitliche Mittellinie, die den Ausführenden vor Entgleisungen bewahrt, wie sie dem Besteller einigermaßen Sicherheit gibt, daß er bei seinem Gang zum Künstler kaum einmal vor die unrechte Schmiede kommt. So sieht man Zigarren-Packungen, Streichholzschachteln, die Blechdosen der Nürnberger Lebkuchenfabrikanten auf vornehme Art durchgestaltet. Auch die städtischen und staatlichen Behörden (Salzpackungen und Mineralwasserflaschen-Etiketten der bayrischen Salinenverwaltung) fehlen nicht in diesem Reigen, der in Norddeutschland wahrscheinlich prickelnder, nervenanpeitschender, aber im ganzen wohl künstlerisch fragwürdiger wäre. Die Unterschiede in der Ausdrucksart der einzelnen sind aber weniger groß als anderwärts. Überall zeigt sich ein illustrativer Zug, der geschmackvoll sein Thema zu erledigen weiß. Die herbe Sachlichkeit, wie sie Bernhard in Berlin betont, wäre hier nicht denkbar, wo der Reklamegeist nun einmal nicht die rote Laterne herauszustecken wagen darf.“
Manche Leute glauben, daß nur Firmen mit reichlichen Mitteln Propaganda treiben können. Dem ist entgegenzuhalten, daß die reichlichen Geldmittel solcher Firmen zum guten Teil auf eine glücklich geführte Propaganda zurückzuführen sind. Gewiß ist jede Reklame in gewissem Sinne ein Risiko, doch verringert sich dasselbe um so mehr, je geschickter und intensiver sie durchgeführt wird.
Es ist schon vorgekommen, daß Fabriken oder Handelsgeschäfte infolge zu hoher Reklamespesen zusammengebrochen sind. Wie jede unüberlegte Geschäftsgebarung, kann natürlich auch unvernünftige Propaganda zum Ruin führen. Es muß in ihr eben, wie in jedem Geschäftszweig, ein wohldurchdachtes System liegen, soll sie zum Blühen des Geschäfts beitragen.
Es ist unstreitig, daß bedeutende Summen für Reklame umsonst ausgegeben werden. Das ist aber nur dem Umstand zuzuschreiben, daß viele Kaufleute nicht richtig dabei vorgehen. Schon aus der Tatsache, daß die bedeutendsten Firmen jahraus, jahrein durch Reklame den Absatz ihrer Waren fördern, ersieht man, daß das Verfahren doch erfolgreich ist, wenn es richtig betrieben wird.
Man muß sich überall nach den Verhältnissen richten. Auch der Geschäftsmann beim Reklamemachen. Es wäre falsch, wenn er ängstlich und engherzig alle Ausgaben für diesen Zweck vermeiden wollte. Aber es wäre noch falscher, wenn er ins Blaue hinein unverhältnismäßig große Posten für Reklame auswerfen wollte, die über seine Mittel und die vernünftigen Aussichten hinausgehen. Bedenklich ist es auch, wenn ein Kaufmann die Reklame sozusagen launisch betreibt, d. h. durch eigene Einfälle oder fremde Einflüsterungen sich gelegentlich zu dieser öder jener Reklame-Maßregel hinreißen läßt, ohne sich einen wohlüberlegten Feldzugsplan für seine Geschäftsreklame zu machen. Es müssen da alle örtlichen, fachlichen und persönlichen Verhältnisse des Geschäfts und der gegenwärtigen und voraussichtlichen Kundschaft sorgfältig abgewogen, die eigenen und die fremden Erfahrungen verständig berücksichtigt, ein planmäßiges Vorgehen von langer Hand mit der nötigen Ausdauer eingeleitet werden. Reklamemachen ist kein gleichgültiger Zeitvertreib, sondern eine verantwortungsvolle Kunst.
Jeder Geschäftmann soll sich einen Plan für seine Reklame und ein Reklame-Budget aufstellen. Er soll eigene Ideen haben und es tunlichst vermeiden, die Pläne des Konkurrenten nachzuahmen. Wer eine ausgeprägte Eigenart verrät, wird am ehesten Beachtung finden.
Wichtig ist die Wahl des Zeitpunktes für die Durchführung der Propaganda, für ihre Verstärkung oder Abschwächung; man denke nur an alle Saisonwaren. Propaganda zur unrechten Zeit ist unwirtschaftlich. Das ,,Wann“ spielt namentlich beim Wechsel der Konjunkturen eine große Rolle. In der Hochkonjunktur ermöglichen die infolge der Propaganda einlaufenden Anfragen und Bestellungen eine Auswahl unter den bestbezahlten Lieferungen, in der Niederkonjunktur trägt die Propaganda zum Hereinbringen von Aufträgen bei. Vor Beginn der Hochkonjunktur soll die Propaganda am stärksten einsetzen, damit nach Möglichkeit von vornherein eine Vollbeschäftigung gesichert wird; ist diese erreicht, darf erstere nachlassen, um beim ersten Abflauen der Konjunktur wieder stärker einzusetzen.

Da die geschickte Propaganda eine Kunst ist, die nicht jeder beherrscht, stellen größere Geschäfte besondere Reklamechefs an, die das ganze Reklamewesen zu leiten haben, oder ziehen wenigstens zeitweilig einen Fachmann als Ratgeber hinzu.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.