Grundsätze eines soliden Detailgeschäfts.

Um Mittel und Wege ausfindig zu machen, Geschäfte nutzbarer zu gestalten und deren Ausdehnung zu fördern, geht man meistens von der Fragestellung aus, wie der Umsatz zu vergrößern sei.

Wie wichtig dieser Ausgangspunkt im allgemeinen ist, so gibt man sich doch leicht einer Täuschung hin, wenn man glaubt, daß die Vermehrung des Umsatzes das einzige Hilfsmittel sei. Die großen Ziffern in der Tageskasse allein stärken nicht immer das Rückgrat des Kaufmanns, wenn damit nicht ein Überschuß verbunden ist, den er als sein Eigentum betrachten kann. Die Verkäufe müssen einen Nutzen lassen, der groß genug ist, nicht allein, um die fortlaufenden Ausgaben, welche die Geschäftsführung erfordert, zu bestreiten, sondern auch einen Überschuß ergibt, welcher in der Form von Ersparnissen fortgelegt oder zum Ausbau des Geschäfts verwertet werden kann. Mit einem Worte, es sollten die Verkäufe zur Vermehrung des Betriebskapitals beitragen. Der Kaufmann, der ohne Nutzen verkauft, nur um die Umsätze zu vermehren, gleicht demjenigen, der die einem andern gehörige, mit Geldstücken gefüllte Kassette durchwühlt. Er sieht das Blinken und hört das Klingen, aber den Vorteil des Besitzes muss er dem Fremden überlassen.


Als wichtige Geschäftsmaximen, die niemals außer acht gelassen werden sollten, sind zu betrachten:

a) Das Unterlassen jeder Schleuderei mit reellen modernen Waren.

Die Ausdehnung des Geschäfts, d. h. die Vergrößerung des Umsatzes, ohne Rücksicht auf den dadurch zu erzielenden Nutzen, ist ein schädliches Unternehmen. Man mag dadurch eine Menge neuer Käufer in den Laden ziehen, setzt sich aber auch gleichzeitig der Steigerung der Geschäftsspesen aus, welche durch die Vermehrung des Personals, durch Erweiterung der Räume geboten werden. Die Verkaufsziffern, welche dem Verkäufer kein Plus übriglassen, gestalten sich in der Bilanz als wertlose Nullen. Nicht wie viel man verkauft, sondern wie man verkauft, sollte in erster Reihe in Betracht gezogen werden.

b) Die richtige Berechnung der Selbstkostenpreise ist als zweiter Hauptpunkt ins Auge zu fassen.

Der nackte Einkaufspreis ergibt noch lange nicht den richtigen Selbstkostenwert bei der Verkaufskalkulation. Zum Kostenpreis gehören auch alle Geschäftsspesen. Die Miete, die Gehälter und Löhne, die Beleuchtung, Steuern, die Entwertung der Waren durch längeres Lagern oder unvorhergesehene Schädigung, die Verluste im Gefolge von Kreditgeben sind mit einem hohen Prozentsatz zu bewerten. Wer diese Ausgaben und unvermeidlichen Abgänge außer Ansatz läßt, verfällt in einen schweren Irrtum.

c) Die Größe und der Wert des Lagers sollte stets im richtigen Verhältnis zum Umsatz gehalten werden.

Dieser Grundsatz läßt sich nur durch eine überaus sorgfältige Einkaufsdisposition durchführen. Der ganze Vorrat muss sich mehr als einmal im Jahre verjüngen. Das beständige Lager darf höchstens den vierten oder dritten Teil des jährlichen Umsatzes darstellen.

d) Es darf nicht an Regsamkeit ermangeln, ältere, unmoderne oder durch Mißgriff angekaufte Waren fortzuschaffen.

Ein reines Lager zu erhalten muss dem Detailleur stets als Haupterfordernis vorschweben. Keine Rücksicht auf einen etwaigen Verlust, sobald der Zweck nicht anders erreicht werden kann, darf ihn zurückhalten, sich der Ladenhüter zu entledigen. Nur fort und zwar sobald man zur Überzeugung gelangt, daß man einen Ladenhüter vor sich hat. Der erste Schaden ist gewöhnlich der kleinste.

e) Die eingehende Kontrolle über den Gang des Geschäfts, nicht nur durch eine alljährliche Bilanz, sondern auch durch Quartals- und Semester-Aufstellungen.

Sobald sich die leisesten Anzeichen ergeben, daß das Geschäft nicht den gewünschten Fortgang nimmt, muss sofort die Ursache des Stillstandes erforscht werden. Die statistischen Vergleiche der Resultate gleicher Perioden der Vorjahre sind hierzu geeignet Die Scheu, den Tatsachen ins Auge zu sehen, muss unterdrückt werden. Schwarz auf weiß muss man seine Lage übersehen können, wenn eine schnelle Heilung erfolgen soll. Je größer das Geschäft, je umsichtiger hat die Kontrolle zu erfolgen, aber auch das Kleinste ist von dieser Ausübung nicht auszuschließen, ohne darunter zu leiden. Es bestehen Magazine, in denen dem Chef allwöchentlich schriftlich der Bestand jedes Rayons vorzulegen ist. Die Fehler der Ein- und Verkäufer treten alsdann hervor und erleichtern die Korrektur, ehe der richtige Zeitpunkt verflossen.*)

Früher boten manche Geschäfte in ihren Anzeigen und durch ihre Verkäufer fast nur ,,Gelegenheitssachen“ an. Diese wirkten insofern anziehend, als dieselben billiger sein sollten. ,,Durch Seewasser leicht beschädigte Tuchstoffe“, „aus Resten gearbeitete Hosen“, ,,Teppichreste“ usw. waren in Berlin sehr beliebte Verkaufsartikel. Von den ,,Konkursmassen“ wollen wir gar nicht einmal reden. Allein die angeblich durch Seewasser beschädigten Stoffe waren nicht beschädigt und hatten auch niemals Seewasser geschmeckt. Die Teppichreste waren vielfach sehr große Teppiche, die aus Resten gearbeiteten Hosen wurden zu Tausenden fabriziert, so daß man natürlich so viel Reste gar nicht finden konnte. Was sollte nun die Geschäftspraxis, die eigenen Waren gewissermaßen als minderwertig hinzustellen? Das Publikum sollte glauben, auf diese Art billige ,,Gelegenheitskäufe“ machen zu können. Besonders die Damen bissen gern auf solche Köder an. Man nahm einen billigen Damenkleiderstoff, der sonst das Meter 2,50 Mark kostete, setzte den Preis auf 3 Mark fest und sagte zu der kaufenden Dame: ,,Sehen Sie, gnädige Frau, von diesem Stoff kostet das Meter sonst 5 Mark, jetzt ist es durch Seewasser beschädigt, weil es sich auf einem Schiffe befand, das, von England kommend, in der Nordsee einen Leck bekam; deshalb bekommen Sie es jetzt zu 3 Mark.“ Selbstredend konnte auch das schärfste Auge von dieser Beschädigung nichts entdecken - dann sagte der Verkäufer: ,,Gnädige Frau haben Glück, das ist gerade ein Stück Tuch, das gar nicht gelitten zu haben scheint; aber wir sind koulant und nehmen doch nicht mehr als 3 Mark dafür.“ Solchen Verführungsreden konnte keine Dame widerstehen, sie kaufte so viel, als ihre Kasse es zuließ, wenn sie es auch gar nicht brauchte. Das war der Vorteil bei dem Verkauf von angeblich ,,beschädigten“ Stoffen. Früher war diese Praxis sehr häufig. Jetzt können aber die Geschäftsleute, die dieselbe anwenden, auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gerichtlich belangt werden.




*) Wie soll ein Detail-Geschäft Reklame machen? Berlin, L. Schottländer & Co., o. J., S. 50f.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.