Ausverkäufe.

Es waren bekanntlich nicht immer die reellsten Geschäftsleute, die sich auf das Ausverkaufen verlegten. Übrigens ist dieses System jetzt in Deutschland sehr erschwert. Es bildet in der Tat in vielen Fällen einen unlauteren Wettbewerb.

In Großstädten gibt es fortwährend sowohl zeitweilige als ständige Ausverkäufe. In Paris sah ich jahrelang ein Geschäft ausverkaufen; große Plakate kündigten sogar an, daß die Wohnung zu vermieten sei usw. Wer einige Zeit dort vorbeigeht, sieht natürlich den Schwindel bald ein, aber in einer Großstadt ist die Zahl der Passanten so groß, daß ein solches Geschäft noch immer genug Gimpel anzieht. In Berlin und andern Städten Deutschlands hatte man es auf diesem Wege aber auch schon herrlich weit gebracht. Wir kommen in dem Abschnitt über den unlauteren Wettbewerb darauf zurück.


Was jetzt noch an Ausverkäufen zulässig ist, findet sich im Gesetz genau bestimmt. Es handelt sich dabei in der Regel um den Detailhandel, doch kommen auch im Engroshandel solche Ausverkäufe vor.

Über den Nutzen dieser Engros-Ausverkaufstage wurde dem Berliner Tageblatt (1910) aus Fachkreisen geschrieben:

,,Alljährlich zwischen Weihnachten und Neujahr veranstalten viele Engrosfirmen der Textilbranche an den hierfür maßgebenden Plätzen sogenannte Ausverkaufstage. Lange vorher erscheinen in den Fachblättern große Inserate der betreffenden Firmen, in denen auf die zum Verkauf gelangenden Riesenquantitäten und die enormen Vorteile des ,,diesjährigen Ausverkaufs“ aufmerksam gemacht wird. Die Konjunktur hat auf die Preise bei diesen Verkäufen gar keinen Einfluß; ist sie gut, so erklärt man, daß große Posten, aus allerbilligsten Abschlüssen herrührend, zu fabelhaft niedrigen Preisen verkauft würden; ist sie ungünstig, so wird dem Detailleur dringend empfohlen, die Gelegenheit zu benutzen und seinen Bedarf ,,mit Rücksicht auf die demnächst steigenden Preise“ auf längere Zeit hinaus zu decken. Sobald diese Ausverkaufstage in Sicht sind, bemächtigt sich der meisten Detailleure eine fieberhafte Aufregung. Ein allgemeines Kauffieber scheint nun die meisten zu erfassen. Ganze Stöße sind am Tage des Ausverkaufs im Nu vergriffen. Manche, die befürchten, daß sie allein nicht genug bekämen, bringen noch einige Angestellte zur Hilfe mit. In ganz kurzer Zeit ist der Kampf beendet und die Herren Detailleure ziehen wie Sieger vom Schlachtfeld mit der erbeuteten Ware nach Hause. Haben diese Ausverkäufe für die Käufer nun einen wirklichen Nutzen? In früheren Jahren verfolgten die Grossisten mit den Ausverkäufen am Jahresschlüsse einen ganz besonderen Zweck; es sollte die Ware, die wenig gegangen war, die sogenannten ,,Lagerhüter“, die Ware, die unmodern zu werden drohte, die etwas fehlerhaft oder angeschmutzt war, abgestoßen werden. Diese Bestände wurden meistens zu Einkaufspreisen und darunter verkauft, um vollständig damit zu räumen; es war ein Ausverkauf in des Wortes richtigster Bedeutung. Der Ausverkauf in der Art, wie er heute gehandhabt wird, hat die Berechtigung verloren, sich so zu nennen: der Ausverkauf von heute ist in Wirklichkeit gar kein Ausverkauf, er ist weiter nichts als ein durch besondere Reklame forcierter Verkauf großer Quantitäten billiger Ware. Diese billige Ware wird speziell für diese Tage herbeigeschafft, ist aber zu jeder anderen Zeit auch zu haben. Die Meinung vieler Detaillisten, sie fänden an diesen Tagen etwas, was es sonst nicht gibt, beruht auf reinster Suggestion, die einerseits durch die große Reklame der Grossisten und andererseits durch die bei ihren anderen Kollegen und Fremden beobachtete Kauflust hervorgerufen wird. So mancher, der sich zu Hause die erkämpfte Ware mit Ruhe ansieht, sieht seine Illusionen getäuscht, meistens sieht er, daß er in dem allgemeinen Durcheinander viel mehr gekauft hat, als er eigentlich nötig hatte. Man kann daher ruhig behaupten, daß die sogenannten Ausverkäufe in der heutigen Form den Interessen des Detailleurs nicht förderlich sind. Die besseren Detailgeschäfte sind anscheinend bereits zu dieser Erkenntnis gelangt, denn es sind in der Mehrzahl nur noch Geschäftsleute von den kleineren Plätzen, die zu diesen Ausverkäufen hinströmen. Es kann jedem Detailleur nur sehr empfohlen werden, die Läger zu besuchen, um dort persönlich seine Ware einzukaufen. Er soll dies jedoch an solchen Tagen tun, wo er imstande ist, Ware und Preise mit Ruhe zu prüfen, an denen er sachgemäß bedient werden kann und wo er mit Überlegung zu erwägen fähig ist, ob das, was er kauft, auch seinen Bedürfnissen entspricht. Alsdann werden ihm seine Einkäufe nutzbringender sein, als solche im Tumult der Ausverkäufe.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.