Abschnitt. 3

Nach amerikanischem Muster werden zu den Preisauszeichnungen in den Schaufenstern oft Zusätze gemacht, wie: ,,Modern“, ,,apart“, ,,chic“, ,,besonders preiswert“, sie erweisen sich aber in sehr vielen Fällen als überflüssig.

In der ,,Deutschen Konfektion“ teilt ein erfahrener Praktiker folgende Regeln für Dekorateure mit:


,,Um ein guter Dekorateur zu sein, muss man viel von Waren verstehen; je mehr der Dekorateur über dieselben orientiert ist, desto besser kann er ihre Schönheiten in der Dekoration zur Geltung bringen.

Ebenso wie der Einkäufer völlig selbständig einkaufen, so soll auch der Dekorateur möglichst unbeschränkt seine Ideen ausführen können. Ein guter Dekorateur macht sich seine Schaufensterplakate und Auszeichnungen selbst, er ist sein eigener Tapezierer, und mit der Elektrizität und den Beleuchtungseffekten muss er heutzutage ebenfalls wohl vertraut sein. Kann er In dieser Weise selbständig arbeiten, so wird ihm jeder Chef von selbst eine vollkommen selbständige Stellung einräumen.

Beim Dekorieren wird mancher Fehler begangen. Sehr überladene und überfüllte Fenster wirken nur, wenn man die einfacheren Klassen der Bevölkerung heranziehen will. Auch mechanisch bewegliche Effekte gehören nicht in ein vornehmes Schaufenster. Ein ruhiges Fenster, nur mit wenigen, aber gewählten Artikeln garniert, wird viel mehr Eindruck hervorrufen als ein überfülltes. Außerdem kennzeichnet ein Fenster den Geschmack des Hauses. Die hier empfohlene Art des Dekorierens entspricht der neueren, vornehmeren Richtung jedenfalls mehr als ihr Gegenteil, und wenn das einfachere Publikum nicht daran gewöhnt ist, so muss es eben allmählich dazu erzogen werden.

Vornehme und geschmackvolle Plakate erhöhen oft die Wirkung eines Fensters, doch sollen sie nicht zu groß sein; auch müssen die einzelnen Buchstaben in entsprechender Größe gewählt werden, damit das Plakat nicht marktschreierisch wirkt. Einige wenige Artikel mit einem hübschen Plakat wirken entschieden gut. So z. B. ein Seidenfenster, das in einer Schattierung, sagen wir gelb, mit den verschiedensten Stoffen dekoriert ist, daneben ein paar gelbe seidene Blusen und Unterröcke, mit einem Plakat: ,,Dieselben Stoffe sind in allen Farben zu haben.“

Der Dekorateur soll immer darauf bedacht sein, die Waren, die für das Schaufenster benutzt werden, besonders vorsichtig zu behandeln, damit sie noch verwertet werden können.

Das Umdekorieren der Fenster soll möglichst schnell gehen, auch müssen die Dekorationen häufig gewechselt werden: in kleineren Städten zweimal wöchentlich, in größeren genügt einmal. Es ist ratsam, die neue Dekoration fertig zu halten, ehe man die alte ausräumt. Dann bleiben die Fenster nicht länger verhängt als unbedingt nötig ist.“

Vorstehende Regeln gelten im allgemeinen für alle Schaufensterauslagen. Der gute Geschmack hält sich nicht an strikte Gesetze, aber die erwähnten Gesichtspunkte dürfen wohl nicht außer Augen gelassen werden. Als Grundregel kann man wohl den Satz aufstellen, daß die größte Einfachheit zugleich die höchste Eleganz ist. Im übrigen mag jeder Geschäftsmann sich nach seinen besonderen Verhältnissen und nach seinen eigenen Erfahrungen richten. Es ist schon viel gewonnen, wenn man überhaupt auf die Schaufensterausstellungen eine besondere Sorgfalt verwendet und wenn jeder Ladenbesitzer über die Frage nachdenkt: ,,Wie kann ich meine Verkaufsgegenstände im Schaufenster am vorteilhaftesten zur Geltung gelangen lassen?“ Größere Geschäftsleute sollten nicht versäumen, die Erfahrungen, die sie in anderen Städten und im Auslande sammeln lassen, sich zu nutze zu machen, oder sich mit Fachmännern von künstlerisch gebildetem Geschmacke zu beraten. Die Sache kann für sie von solcher Wichtigkeit werden, daß es sich verlohnen würde, einen Künstler oder einen künstlerisch gebildeten Architekten zuzuziehen, der den Plan für die wirkungsvolle Ausstellung entwerfen würde, wie dies in großen Städten in den bedeutendsten Geschäften geschieht. Eine zweckmäßige Schaufensterauslage ist für jedes Geschäft so wichtig, daß man sie nicht dem ersten besten Ladenmädchen überlassen, sondern dabei mit künstlerischer Überlegung sorgsam zu Werke gehen sollte.

In neuester Zeit haben gemeinnützige Vereine Schaufensterprämiierungen veranstaltet. Der Gedanke dieser Prämiierungen stammt aus Belgien; in Brüssel hat man damit sehr günstige Erfolge erzielt. Nach dem Vorgange von Zürich veranlassten auch andere Schweizer Städte die Ladenbesitzer durch eine Prämiierung, den Schaufensterauslagen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, und in neuerer Zeit sind in Deutschland die Schaufensterwettbewerbe sogar sehr häufig geworden. Wichtiger als in den Großstädten, wo die Geschäfte sich aus ihrem eigenen Interesse veranlasst sehen, ihre Schaufensterauslagen hübsch zu gestalten, sind Schaufensterwettbewerbe in solchen Städten, die in bedeutender Entwickelung begriffen sind, und in denen die Schaufensterauslagen meistens sehr zurückgeblieben sind. In Industriestädten sieht es in dieser Hinsicht gewöhnlich nicht erfreulich aus.

Gerade bei Schaufensterwettbewerben hat das Wort: ,,Eines schickt sich nicht für alle“ eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Gewiss wird man auch bei einem Schaufensterwettbewerb in einer Kleinstadt verlangen können, daß für die Teilnehmer an dem Wettbewerb die ideale Seite der Veranstaltung im Vordergrund steht und die ästhetischen Gesichtspunkte neben der Berücksichtigung des Praktischen die ausschlaggebenden sein müssen. Aber der Weg von der bisher gepflogenen Art der Schaufensterdekoration, an die, die Bevölkerung, namentlich die mehr ländliche, gewöhnt ist, zu der Art, die durch die Schaufensterwettbewerbe zur Regel gemacht werden soll, ist in einer Kleinstadt gezwungenermaßen ein längerer als in der Großstadt. Die Erziehung des Publikums durch den Kaufmann nach dieser Seite ist eben kein Werk von heute auf morgen, aber man kann es mit Freude begrüßen, wenn sich auch in den Kleinstädten der Wille hierzu regt.

Auf manche Geschäftsleute wird ein Schaufensterwettbewerb anspornend wirken. Bei der Prämiierung muss selbstverständlich darauf Rücksicht genommen werden, ob der Aussteller es nach der Art seiner Verkaufsartikel schwerer oder leichter hat, eine günstige Wirkung zu erzielen.

Manche Geschäfte suchen durch Kuriositäten im Schaufenster die Aufmerksamkeit auf dasselbe zu ziehen. Man muss dabei aber vorsichtig sein, und nicht etwa alberne Figuren, Pochmännchen usw. anbringen, denn diese Scherze werden wohl von den Kindern, aber nicht von dem kaufkräftigen Publikum beachtet.

In einem Schaufenster an der Friedrichstraße in Berlin führte eine Gasglühlicht-Installations-Firma die finanziellen Vorzüge des Glühlichts vor dem Gaslichte durch nachfolgende einfache Anordnung vor.

Glühlicht contra Gaslicht.

Wie es andere konkurrierende Firmen auch tun, stellte sie eine Glühlichtflamme im Schaufenster der trüber brennenden Gasflamme gegenüber. Um dem Publikum aber zu zeigen, wie wesentlich geringer der Gasverbrauch des Glühlichts trotz der helleren Flammen ist, waren beide Flammen auf eigenen Gasmessern montiert, deren Zeiger pro cbcm Gasverbrauch eine Umdrehung machten. An dem schnellen Vorauseilen des Gaslichtzeigers wurde diese Tatsache dem das Schaufenster zahlreich belagernden Publikum sinnfällig vor Augen geführt.

In der Münchener Altstadt war 1911 im Schaufenster einer kleinen Buchhandlung folgendes Plakat zu sehen:

,,Nur dumme Menschen lesen solche Schundromane! Das Geld ist direkt auf die Straße geworfen. 100 Hefte ä 10 Pfg. 10.- Mark.
Was schafft sich ein denkender Mensch für M. 10.- an? 1 gute Klassikerausgabe M. 6.-, 1 Band Dichtergedächtnisstiftung M. -55, 2 Wiesbadener Volksbücher M. -.25, 1 Hesses Volksbücher M. -80, 1 Fremdwörterbuch M. 1.-, 1 Krankenversicherungsgesetz M. -.HO, 1 Invalidenversicherung M. -.60. M. 10.-.“

Das Prinzip solcher Gegenüberstellung (nicht diese Liste) hat der Dürerbund durch sein ,,Heb mich auf!“ verbreitet. Aber der Buchhändler macht es anschaulich. Unter dem Plakat liegt links ein dickes, verschnürtes, ziemlich schmieriges Paket, der Kolportageschund: ,,Der Scharfrichter von Magdeburg oder die Opfer des Schafotts“. Rechts stehen auf einem kleinen Bücherbrett, sauber gebunden, die bezeichneten Bücher, eine verlockende kleine Hausbibliothek. Man kann, bemerkte der ,,Kunstwart“ dazu, für eine andere Auswahl sprechen, durch die der Betrag von zehn Mark noch günstiger für die Belehrung, Geschmackserziehung und Unterhaltung ausgenützt würde: aber ist dieser praktische Anschauungsunterricht nicht hoher Anerkennung wert? Zeugt es nicht von ausgezeichneter Menschenkenntnis, wie unser Buchhändler seinem Schaufensterpublikum den Unterschied zwischen Wert und Unwert vor Augen führt? Und ist sein Beispiel nicht nachahmenswert?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.