Abschnitt. 2

Eine allgemein gültige Regel für das Dekorieren von Schaufenstern lässt sich nicht aufstellen. Wer richtig dekorieren will, d. h. so, daß die beabsichtigte Wirkung erzielt wird, hat sich nach den gegebenen Größenverhältnissen einzurichten, er hat auch auf die Art der auszustellenden Waren und auf die Art des Publikums, das er durch das Schaufenster anziehen will, Rücksicht zu nehmen. Die Schaufenster haben den Zweck, zu zeigen, welche Waren in dem Geschäft zu haben sind. Wenn ein Geschäft über die notwendige Anzahl Schaufenster verfügt, so ist es gut, daß darin so weit als möglich alle Arten der zu verkaufenden Artikel gezeigt werden. Ganz falsch ist jedoch dieses Verfahren, wenn man nur ein oder zwei Fenster hat und in diesen alles Mögliche gleichzeitig unterbringen will. Wenn auch die verschiedenen Sachen noch so schön geordnet aufgestellt oder aufgehängt werden, so wird das Schaufenster trotzdem an mangelnder Übersichtlichkeit leiden, sobald es mit zu vielen Waren der verschiedensten Gattung vollgepfropft ist. Der Zweck des Schaufensters, das zu zeigen, was man zu verkaufen hat, geht dabei vollständig verloren, denn vor lauter Bäumen sieht man den Wald nicht. Der Käufer hat meist nicht nötig, die Schaufenster zu untersuchen, ob sich die von ihm begehrten Waren darin befinden, und tut das auch gewöhnlich nicht; er geht in dasjenige Geschäft, das ihm schon öfters aufgefallen ist und sich seinem Gedächtnis eingeprägt hat.

Wer wirksam ausstellen will, wird also nicht zu vielerlei Gegenstände nebeneinander zusammenstoppeln, sondern gleichartige zusammenzustellen trachten. Auch auf die Farbenwirkung wird bei uns gewöhnlich noch zu wenig Rücksicht genommen. Es handelt sich nicht darum, in den Schaufenstern einen kunterbunten Kram aufzuhäufen, sondern mit wenigen Farben einen Effekt zu erzielen; auch hier ist das Vielerlei der Gesamtwirkung schädlich; eine einzige dominierende Farbe, zu der Vielleicht eine zweite einen Kontrast bildet, wird das Schaufenster am kräftigsten hervortreten lassen. Denn immer hat man im Auge zu behalten, daß der Zweck des Schaufensters nicht ist, alles zu zeigen, was das Geschäft enthält, sondern Aufmerksamkeit zu erregen; man will die Neugier des eiligen Passanten wecken, damit er einen Augenblick inne hält und stehen bleibt, um das Schaufenster zu besichtigen. Die ausgestellten Gegenstände müssen zu diesem Zwecke so angeordnet sein, daß sie auch auf Entfernung leicht ins Auge fallen, was nur durch eine zweckmäßige Gruppierung erreicht wird. Nun eignen sich selbstverständlich nicht alle Artikel gleich gut für die Ausstellung. Mit farbenprächtigen, schön gemusterten Stoffen oder mit Kunstwerken wird man beispielsweise leichter eine Wirkung erzielen können als mit Stahlfedern oder Bratwürsten. Hier ist es eben Sache der Geschicklichkeit, des Geschmackes und des erfinderischen Geistes des Ausstellers, an sich unansehnliche Gegenstände so zu gruppieren, daß sie in kräftigen Linien und Formen hervortreten. So kann z. B. ein Geschäft mit Hosenträgem und Hosenhaltern, die zudem noch in ihrer Verpackung stecken, ein vorzüglich arrangiertes Schaufenster herrichten. Man kann ferner Schaufenster sehen, wo mit Feilen, die man doch gewiß nicht als einen besonders günstigen Prunkgegenstand ansehen kann, die merkwürdigsten Ausstellungen in bizarren Formen hergestellt wurden! Oder unser Blick wird durch ein phantastisches Bauwerk gefesselt; jedermann bleibt stehen, um zu sehen, was das Ganze eigentlich vorstellt, und er gewahrt, daß die seltsame Architektur aus bloßen Würfeln von Waschseife gebildet ist.


Manchmal ist es gut, wenn der Boden des Schaufensters von vorn nach hinten leicht steigt, damit möglichst alles zur Geltung kommt. Im Vordergrunde können z. B. Stoffmuster und einzelne Toiletten-Zutaten ausgelegt werden, während nach dem Hintergrunde zu der Aufbau ruhiger sein und möglichst durch große farbige Flächen wirken soll.

Daß man gut tut, kleinere Gegenstände vorne und größere hinten zu platzieren, ist wohl jedem bekannt, der sich mit Schaufensterauslagen je beschäftigt hat, ebenso, daß dabei auch auf den Gebrauchswert der einzelnen Waren Rücksicht genommen werden sollte; so hat man z. B. Kleiderstoffe in Falten zu zeigen, wie sie im Leben getragen werden. Es zeugt nicht von gutem Geschmacke, den Ausstellungsstücken Wirkungen zuzumuten, die ihnen nach ihrer Natur gar nicht zukommen oder widersprechen. Wenn z. B. in einem Geschäfte eine aus Ballstoffen gebildete Fontäne zu sehen ist, so ist damit zwar ein kleiner Knalleffekt erreicht, ein feiner Geschmack wird aber dann eine Verirrung sehen. Es hat auch keinen Sinn, wenn in einem feinen Hutladen eine Riesenpalme ins Fenster gestellt und Hüte darunter gelegt werden. Wozu die Palme? Das Wesentliche eines Schaufensterarrangements besteht darin, daß man den einzelnen Gegenstand vorteilhaft zur Geltung bringt, seinem Material, seiner Eigenart gemäß.

Das Anziehende liegt darin, das Charakteristische des Warenlagers zu zeigen und zwar so, daß man es gut sehen und beurteilen kann. Das kann ganz einfach geschehen. Eine Modistin kann es wagen, in ihr Schaufenster einen einzigen Hut zu stellen, und ein Blumenhändler könnte ruhig einmal, statt sein Schaufenster mit allen möglichen Pflanzen und Blumen zu füllen, vor einer weißen Wand nur eine einfache moderne Vase mit einem einzigen Strauß aufstellen. Es würde einen entzückenden Anblick darbieten, und im übrigen würde ja das Geschäftsschild das nötige sagen.

Spiegel in oder neben dem Schaufenster sind vornehm und ziehen viele Leute an. Mancher Vorübergehende bleibt stellen, um zu sehen, ob seine Toilette noch in Ordnung ist — von der bloßen Eitelkeit ganz zu schweigen — und wirft dann auch meistens einen Blick ins Schaufenster.

Man muss überhaupt das ganze Schaufenster nebst der Umgebung derart einrichten, daß diejenigen Vorübergehenden, die das Geschäft gar nicht kennen und nicht das geringste Interesse für dasselbe haben, aufmerksam werden. Der ahnungslose Passant muss plötzlich, ohne zu wissen warum, stehen bleiben und sich die Auslage ansehen. Vielleicht gefällt ihm das eine oder andere so gut, daß er sofort eintritt und kauft. Ein geschickt arrangiertes Schaufenster verlockt zum Kaufen auch denjenigen, der keinen augenblicklichen Bedarf hat. Er wird einen Artikel bemerken, den er vorher gar nicht gekannt hat oder von dem ihm wenigstens nie zum Bewusstsein gekommen ist, daß er ihn gebrauchen könne; da plötzlich im richtigen Lichte gezeigt, gefällt er ihm, er fühlt das Bedürfnis, sich diesen Artikel anzuschaffen, tritt ein und kauft. Wenn aber auch nicht jeder, der etwas Hübsches oder für ihn Geeignetes sieht, dasselbe sofort kauft, so wird sich aber zum mindesten der Laden, der seine Aufmerksamkeit gefesselt hat, seinem Gedächtnis einprägen, um so mehr, wenn es wiederholt vorgekommen ist, daß das Geschäft sein Interesse geweckt hat. Tritt dann einmal Bedarf ein, so erinnert er sich unwillkürlich des Geschäftes und wird dorthin gehen, um zu kaufen. Es handelt sich also auch darum, denjenigen, denen das vorläufig ganz gleichgültig ist, zu zeigen, was man zu verkaufen hat.

Besondere Sorgfalt verlangt auch die Beleuchtung. Bei der Bequemlichkeit, die das elektrische Licht bietet, liegt die Versuchung nahe, in allerlei Absonderlichkeiten und Spielereien mit Beleuchtungseffekten zu verfallen. Im allgemeinen wird die Beleuchtung besser sein, welche von unten oder von oben kommt und deren Lichtquelle dem Beschauer nicht sichtbar ist, während z. B. bunte Lichter, die mitten in den Ausstellungsgegenständen angebracht sind, große Vorsicht erfordern, weil sie die Farbenharmonie stören und den guten Geschmack verletzen können. Jedenfalls wäre es falsch, an der Beleuchtung der Schaufenster sparen zu wollen. Abgesehen davon, daß es keinen günstigen Eindruck macht, wenn ein Geschäft sich in Dunkelheit hüllt, wird sich der Geschäftsinhaber sogar direkt schaden, und zwar viel mehr als die Kosten der Beleuchtung betragen. Wenn auch in manchen Geschäften gegen Abend sich wenig oder gar keine Kunden mehr einstellen, so ist doch die Frequenz der Straßen nach Eintritt der Dunkelheit manchmal noch recht groß und besonders in den Wintermonaten, wenn es schon um fünf Uhr oder noch früher dunkel wird. An einem nicht genügend erleuchteten Schaufenster geht jeder achtlos vorüber.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.